• Titelbild
• Editorial
• das erste: Sich radikal in der eigenen Zurichtung fühlen können
• Über die Rückkehr des Proletariats.
• Escape-Ism / Lassie
• Linke Politik unter rechtem Kurs: Das Beispiel Österreich
• Die schwärzeste Grauzone
• Die Sächsische Schweiz braucht ein AZ!
• review-corner buch: Meinst du, der Feind meines Feindes ist mein Freund?
• position: Kritik der unkritischen Kritik
• doku: Vom Wert der Familienbande
• das letzte: #6: Alles für den Kiez
Es ist kaum ein Jahr her, da stand er zuletzt wahrhaftig und in voller Pracht auf der Bühne des Eiskellers: Talkmaster(1), Schlaghosenpunk und Vorsitzender des Rock’n’Roll-Comintern, Ian Svenonius.
Svenonius präsentiert seit drei Dekaden Agitprop auf der Höhe der Produktivkräfte. Seine vielen musikalischen Projekte beruhen alle auf dem gleichen Rezept: Energetischer, manchmal lasziv gehauchter Gesang, Call-and-Response, ›Ohs‹ und ›Uhs‹ und ›Ahs‹, immer darauf ausgerichtet, eine radikale, vom Situationismus inspirierte Agenda zu verbreiten (unfreiwillige Kontakte mit dem FBI inklusive). Dazu ein stets neues musikalisches Gewand, luzid ausgewählt aus der breiten Palette der Pop-Geschichte und klar orientiert am Primat der Coolness. Was bei anderen jedoch zur Farce wird, ist hier Prädikat. Der Weltgeist des guten Geschmacks verwirklicht sich in seinem Schaffen scheinbar mühelos. Ging es bei Nation of Ulysses noch um spät-80er-Dischord-Hardcore, zogen mit The Make-Up der Funk und die Sexyness in die Punkerschuppen ein. Chain & The Gang, mit denen Svenonius das Island im letzten Jahr besuchte, waren dagegen klar von Post- und Garage-Punk inspiriert.
Den nächsten großen Sprung nach vorn leitet jetzt das Projekt Escape-Ism ein, benannt nach einem Song von James Brown. Tongebend sind diesmal Drumcomputer und Synthesizer, verzerrt, kaputt und punkig gespielt. Das Ganze erinnert stark an Suicide oder die Silver Apples. Ansonsten bleibt alles beim Alten: Svenonius haucht und kreischt, interessiert sich nur teilweise für den Takt und besingt unter anderem den Eisernen Vorhang. Als Premium-Performer entfaltet sich seine Kunst ohnehin erst live und in Farbe, wenn er krautige Passagen für einen Abstecher ins Publikum nutzt oder selbiges zum Gospel-Gesang auffordert. Svenonius zielt dabei auf nicht weniger als völlige Ekstase im Publikum, wildes Geschrei und spontane Schweißausbrüche.
Eröffnet wird das Konzert von einer sehr guten Leipziger Punkband, benannt nach Lassie, dem Hund. Auf schepperndem Garage-Punk-Fundament tobt sich die Combo schamlos mit Nonsense-Texten und Synthesizer aus, was den Sound zielsicher in Richtung Weirdness verschiebt.
Dass das ganz nach dem Geschmack des Conne Island ist, versteht sich von selbst und so fühlt euch recht herzlich eingeladen zu diesem energiegeladenen Konzertabend an einem Freitag im Mai.
Christopher Sprelzner