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CEE IEH-ARCHIV

#247, Februar 2018
#248, März 2018
#249, Mai 2018
#250, Juni 2018
#251, September 2018
#252, November 2018
#253, Dezember 2018

Aktuelles Heft

INHALT #253

Titelbild
Editorial
• das erste: Rezension von Vojin Saša Vukadinović (Hg.): Freiheit ist keine Metapher. Antisemitismus, Migration, Rassismus, Religionskritik
Podiumsgespräch: Kultureller Boykott Israels? #shitisfucked!
Boykott des Friedens - Zur Aktualität der Israel-Boykottkampagnen
VSK
From Democracy to Freedom – der Unterschied zwischen Regierung und Selbstbestimmung
Das große Musikbingo – Silvester Generalprobe
First Contact - LAN-Party
Nach Auschwitz: Schwieriges Erbe DDR.
Die Umrisse der Weltcommune und ihre Kritik
Mütterimagines, Mückenstiche und die selbstverschuldete Unmündigkeit der Frau
Erobique
• interview: Zwei Jahrzehnte unter Tage
• doku: Gegen Islamismus in Leipzig!
• doku: Den ganzen Ballast einer missglückten Geschichte abwerfen
• doku: Zum »Opfergedenken« der Chemnitzer Zivilgesellschaft
• doku: China im Weltsystem - Pokerspiel um die globale Vorherrschaft
• das letzte: Denk an Deine Klasse, Prolet!

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Editorial

»Deutsche bangen um ihre Zukunft« titelte die taz Ende November, meinte damit jedoch weder die rechten Umvolkungsparanoiker von Sarrazin bis NPD noch jene knapp 64% der Deutschen, die laut der aktuellen Leipziger Autoritarismus-Studie das Land teils, überwiegend oder voll und ganz »durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet« sehen. Nein, der Artikel handelt von besorgten Deutschen, die sich bereits in der Minderheit befinden und denen das Anrufen ihrer Staats- als Schutzmacht nicht unmittelbar möglich ist, da sie sich im Herrschaftsbereich eines konkurrierenden Staates befinden: es geht um die Situation der ca. 300.000 Auslandsdeutschen in Großbritannien im Zuge des Brexit.
Wie die taz berichtete, hat sich die Facebook-Gruppe Deutsche Rückkehrer aus Großbritannien in einem offenen Brief(1) an deutsche Regierungs- und Spitzenpolitiker/innen gewandt. Demzufolge haben die Deutschen »in Großbritannien […] mit eigenen Augen gesehen, wie es aussieht und sich anfühlt, wenn rechtes Gedankengut hoffähig wird.« Durch das Referendum sei man über Nacht »zu Bürgern zweiter oder dritter Klasse« geworden. Ihre Erfahrungen bieten jedoch nur den Anlass zur Sorge. Denn die gilt gar nicht so sehr dem Status von EU-Bürger/innen in Großbritannien, für welche die taz tags darauf ohnehin Entwarnung gab (»Für die, die schon da sind, bleibt alles beim Alten.«), sondern dem gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Heimat. Wenn diese keinesfalls alle bereits zurückgekehrten, sondern mitunter vorerst »rückkehrgeneigten Deutschen« (taz) nach teils jahrzehntelanger Lebensführung in Großbritannien »mit großer Sorge« sehen, »was auch in unserem Land [!] passiert«, dann meinen sie tatsächlich die Zustände unter der Herrschaftsgewalt des deutschen Staates, dem sie sich verpflichtet sehen. Hier wie auch in Großbritannien sehen sie eine Art Volksverrat am Werk, bei der Politiker »den rechten Strömungen nach dem Mund reden, nur um ja an der Macht zu bleiben oder an die Macht zu kommen«. Migrant_innen würden zu Sündenböcken für »meist sehr hausgemachte« Missstände in der Bildungs-, Gesundheits- Arbeitsmarkt-, Sozial- und Migrationspolitik, stattdessen solle man die Probleme »gemeinsam mit allen, die in Deutschland leben« angehen und zeigen, dass »Politik kein Selbstbedienungsladen ist und den Menschen mehr dient als der Profilierung der Partei oder der eigenen Person«.
Dem Nationalismus des »dunklen Deutschlands« (Gauck) mit dem des »hellen« beizukommen, um die sozialen Spaltungen einer Klassengesellschaft zu kitten, gehört in der Berliner Republik zum guten Ton. In Deutschland geht diesem Bestreben häufig die Erfahrung einer Beschädigung des eigenen Nationalismus voraus. So finden die maßgeblichen Friedensmahnwachen und –gebete in deutschen Städten für gewöhnlich an den Jahrestagen ihrer Bombardierung im Zweiten Weltkrieg und beispielsweise nicht am Jahrestag des Beginns des Vernichtungskrieges in Polen statt. Ende Mai hätte die Evakuierung von ca. 9.000 Dresdner_innen während der Entschärfung einer Fliegerbombe ein ähnlich karthatisches Erlebnis bieten können, denn am zweiten Tag der Unterbringung in Notunterkünften drohte bereits ein Lagerkoller auszubrechen.(2) Doch endlich siegte das deutsche Räumkommando über die feindliche Bombe und die Asylsuchenden von Löbtau waren unbeschadet wieder Herren im Haus.
Was die Auslandsdeutschen in Großbritannien angeht wird sich zeigen müssen, ob der deutsche Staat sich nicht nur ihrer, sondern auch ihrer unerbetenen Ratschläge annehmen wird. Zwar werden volkseigene Vertriebene, zumal wenn sie den Angestammten finanziell nicht auf der Tasche liegen, in der Regel mit der gehörigen Solidarität in der Schicksalsgemeinschaft aufgenommen, allerdings entspricht das Problembewusstsein jener »Rückwanderer« am Ehesten den Kümmerern (Selbstbild) / Volksverrätern (Fremdbild) von der Linkspartei. Dass jedenfalls der befürchtete Heimatverlust der Auslandsdeutschen wegen ihrer rechten Volksgenossen unmittelbar daher rührt, dass der Staat zu wenig in Bildung investiert, es an Ärzten mangelt, Pflegekräfte chronisch überlastet und unterbesetzt sind, der Mindestlohn und Hartz IV jetzt zu niedrig sind und die Rente es später sein wird, scheint angesichts der Wahlprogramme und –erfolge der AfD für unwahrscheinlich.
Immerhin kreisen bei ihnen die Gedanken auf der Suche nach einer Erklärung um die gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse. Umgekehrt ließe sich mit Blick auf die Buchvorstellung am 24. Januar (siehe S. XX in diesem Heft) schelmisch fragen, wie die Autor_innen den Rechtsruck in Großbritannien (oder anderen Industrie- und Schwellenländern weltweit) ohne NS- und DDR-Vergangenheit erklären können.
Vor dem Wechsel in das nächste Superwahljahr (Europawahlen und Kommunal- und Landtagswahlen im Osten stehen an) hoffen wir selbstverständlich, dass ihr die christlich-totalitäre, zwangsbesinnliche Jahreszeit übersteht und es euch bei geflügelten Jahresendfiguren auf dem Wintermarkt gutgehen lasst. Bevor wir also das Grauen einer Schwarz-Blauen (oder gar Blau-Schwarzen) Landesregierung erleben müssen, sei noch einmal an den motivierenden Spruch aus jedem Kinderpoesie-Album erinnert, der damals wie heute seine Gültigkeit nicht verloren hat: »In allen drei Ecken soll'n Hiebe drin stecken!« Oder so ähnlich.
Wir lesen uns im nächsten Jahr!

Die Redaktion

Anmerkungen

(1) Dieser ist dokumentiert unter: http://ankeholst.com/blog/offener-brief/

(2) Die Geflüchteten von Dresden, taz vom 29.05.18, online: www.taz.de/!5506032/

07.12.2018
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