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Die Bundesregierung nutzt die UN-Klimakonferenz in Bonn, um Deutschland international als angeblichen Vorreiter beim Klimaschutz zu präsentieren. Berlin zahle bereits »Milliarden fürs Klima«, heißt es; jetzt kämen neue milliardenschwere Zusagen hinzu. Tatsächlich flankieren die ökologische Rhetorik Berlins und die beschränkten deutschen Öko-Initiativen vor allem konkrete geostrategische und wirtschaftspolitische Pläne der Bundesregierung wie auch der deutschen Exportwirtschaft. Die öffentliche Inszenierung der Bundesrepublik als angeblich führende Kraft beim Klimaschutz kontrastiert hingegen mit der deutschen Politik der jüngeren Vergangenheit, die wirksame ökologische Maßnahmen sogar verhinderte. So unterband Berlin etwa die Einführung mühsam ausgehandelter Emissionsgrenzen für Kraftfahrzeuge; der deutsche CO2-Ausstoß schrumpft nicht mehr, sondern nimmt sogar wieder zu. In Medienberichten wird Bundeskanzlerin Angela Merkel als »Ökovandalin« bezeichnet, der es lediglich um ein »sauberes« Image zu tun sei.
»Milliarden fürs Klima«
Die Bundesregierung nutzt die 17. Weltklimakonferenz in Bonn, um die Bundesrepublik abermals als internationalen Vorreiter beim Klimaschutz zu präsentieren. Zum Auftakt der vom 6. bis zum 17. November abgehaltenen Veranstaltung kündigte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) an, 100 Millionen Euro für den Klimaschutz in Entwicklungsländern bereitzustellen: »Wir senden damit ein klares Signal: Deutschland steht den Menschen und den Ländern, die besonders vom Klimawandel betroffen sind, solidarisch bei«. Die Zusage solle »einen guten ersten Impuls für eine konstruktive Verhandlungsatmosphäre« bei der Konferenz setzen.(1) Berlin sei der größte bilaterale Geldgeber für den internationalen Klima-Anpassungsfonds. Ähnlich argumentierten auch deutsche Leitmedien, die den Beitrag der Bundesrepublik zum Klimaschutz anhand finanzieller Aufwendungen des Staates und der Mehrausgaben der Bevölkerung im Rahmen der sogenannten »Energiewende« bemaßen.(2) Deutschland zahle bereits »Milliarden fürs Klima«, hieß es; hinzu würden im Verlauf der Bonner Konferenz noch weitere milliardenschwere Zusagen kommen. Zu den rund 25 Milliarden Euro, die Deutschlands Verbraucher jährlich an Aufschlägen bei der Stromrechnung zu entrichten hätten, müssten noch weitere Kosten für den Leitungsumbau im Rahmen der Energiewende gerechnet werden. Auch stelle die Bundesregierung als »einer der großen Klimaschutzfinanziers in der Welt« pro Jahr rund 3,4 Milliarden Euro für den globalen Klimaschutz zur Verfügung. Einer der größten »Begünstigten« der jüngsten Zusagen sei Indien, dessen Umstieg auf nachhaltige Energieträger von Berlin mit rund einer Milliarde Euro unterstützt werden solle.
Klima-Kampf gegen Trump
Dabei nutzt die Bundesregierung das öffentlichkeitswirksame Bekenntnis zu einer aktiven Klimapolitik längst im Sinne ihrer außenwirtschaftlichen und geostrategischen Vorhaben. Der zunehmende Konfrontationskurs Berlins gegenüber den hegemonial absteigenden USA, der sich in einer Fülle handelspolitischer Vorstöße in Schwellenländern wie Mexiko oder Indien manifestierte,(3) ging mit einer scharfen Verurteilung der klimapolitischen Haltung Washingtons einher. Bundeskanzlerin Merkel sage »Trump den Klima-Kampf« an, titelten deutsche Boulevardblätter Mitte 2017, als Berlin seinen erklärten Einsatz für eine strategische Autonomie der EU mit einer ungewöhnlich deutlichen Verurteilung der Klimapolitik des US-Präsidenten koppelte.(4) Deutschland könne nicht darauf warten, »bis auch der letzte auf der Welt von den wissenschaftlichen Erkenntnissen des Klimawandels überzeugt werden konnte,« erklärte Angela Merkel im Vorfeld des G20-Gipfels. Die Bundesregierung sei »fest entschlossen, die Verhandlungen auf dem G20-Gipfel so zu führen, dass sie dem Pariser Klima-Abkommen dienen«. »Nichts kann und wird uns beim Schutz unserer Erde aufhalten«, äußerte die Bundeskanzlerin Anfang Juni 2017, nachdem das Weiße Haus seinen Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen angekündigt hatte.
Symbolpolitik
Die klimapolitischen Bekenntnisse der Bundesregierung fungieren dabei nicht nur allgemein als Marketingstrategie für das Label »Made in Germany«, sie flankieren auch ganz konkret geostrategische und wirtschaftspolitische Pläne Berlins. Indien, das einer der größten Empfänger deutscher Klimaschutzzuwendungen ist (bislang 550 Millionen Euro, die auf eine Milliarde Euro erhöht werden sollen), wird von Berlin zum Abschluss eines umfassenden Freihandelsabkommens gedrängt. Der Subkontinent sei »für deutsche Unternehmen sehr interessant«, hieß es in deutschen Leitmedien Mitte 2017 anlässlich einer Berlin-Visite des indischen Premiers Modi.(5) Vom Wegfall von Handelshemmnissen in Indien würden vor allem deutsche Autohersteller und Maschinenbauer profitieren: Deutschland könne »in diesem Fall mit einem um jährlich 4,6 Milliarden Euro höheren Bruttoinlandsprodukt kalkulieren«. Ökologische Symbolpolitik flankiert demnach den Einsatz für ökonomische Interessen Berlins.
Klimaziele verfehlt
Ganz im Gegensatz zur Berliner Polit-PR ist die Bundesrepublik tatsächlich einer der größten Klimasünder Europas; ihre Emissionsbilanz fällt verheerend aus. Allein die deutschen Braunkohlekraftwerke emittieren aktuell rund 13 Prozent der CO2-Emissionen im europäischen Stromsektor, während es 2010 nur elf Prozent waren.(6) Europaweit sind die Treibhausgas-Emissionen durch Kraftwerke seit 2010 um 13 Prozentpunkte zurückgegangen, während sie in der Bundesrepublik anstiegen. Inzwischen befinden sich sieben der zehn europäischen Kraftwerke mit den größten CO2-Emissionen in Deutschland, das weiterhin auf Braunkohle setzt.(7) Ähnlich agiert Berlin in der Verkehrspolitik, wo die mächtige deutsche Autolobby rechtlich verbindliche Verbrauchsbeschränkungen auf nationaler wie auf europäischer Ebene erfolgreich verhindern konnte.(8) Damit sei bereits jetzt absehbar, dass Berlin die anvisierten Klimaziele weit verfehlen werde, heißt es.(9) Ihre Verpflichtung, die CO2-Emissionen gegenüber 1990 um 40 Prozent zu senken, konnte die Bundesregierung ohnehin nur aufgrund des Zusammenbruchs der DDR-Wirtschaft eingehen. Der durch die Deindustrialisierung Ostdeutschlands ermöglichte Emissionsrückgang könne sich aber im besten Fall nur noch auf 32 Prozent belaufen, da aktuell die Emissionen wieder stiegen - trotz »Energiewende«.(10) Deswegen werde Deutschland »2020 wohl 844 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen und nicht 750 Millionen Tonnen«. Zum Vergleich: 2015 stieß die Bundesrepublik 798 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre aus.
Deutsche Ökovandalen
In der britischen Presse wurde die deutsche Klimapolitik der letzten Dekade gar als ein »Desaster« bezeichnet: Angela Merkel sei die führende »Ökovandalin« der Welt, ihre ökologische Reputation könne getrost »ignoriert« werden.(11) Merkel habe eine »fatale Schwäche« für die deutsche Wirtschaftslobby. Jedesmal, wenn die Bundeskanzlerin bei einer wichtigen Entscheidung zwischen ihren ethischen Überzeugungen und politischen Vorteilen entscheiden müsse, habe sie sich »für die Vorteile entschieden«. Deshalb »ersticke« Europa derzeit beispielsweise »an Dieselabgasen«. Die noch vor Merkels Amtsübername auf Druck der deutschen Autohersteller getroffene Entscheidung zur Förderung des Dieselmotors sei von der Kanzlerin »durch faire und unfaire Taktiken« aufrecht erhalten worden, hieß es weiter. Im Jahr 2013 habe Berlin zudem die mühsam ausgehandelte Einführung verbindlicher Emissionsgrenzen, die ab 2020 unter 95g CO2 pro Fahrtkilometer fallen sollten, in Kooperation mit der deutschen Autolobby torpediert. Dazu habe sie dem irischen Premierminister gedroht, Krisenkredite zu blockieren, und sie habe Ungarn und die Niederlande mit der Drohung, Kfz-Werke zu schließen, unter Druck gesetzt. Zugleich habe die CDU 700.000 Euro an Spenden von BMW erhalten. Die deutsche Weigerung, Emissionen verbindlich zu reduzieren, habe zur Förderung sogenannter Biokraftstoffe geführt, die von Merkel »lautstark verteidigt« worden sei. Aufgrund der Nachfrage aus der EU würden nun indonesische Regenwälder massiv abgeholzt, um Platz für Palmölplantagen zu schaffen. Die von Merkel inspirierte Biokraftstoff-Richtlinie der EU sei die »wichtigste Treibkraft beim größten Ökodesaster der Welt«. Dabei werde durch Brandrodung weit mehr CO2 in Indonesien emittiert, als durch den Biokraftstoff in Europa eingespart werde.
Grüne Kompromisse
Die jüngsten Meldungen aus den aktuellen Koalitionsverhandlungen in Berlin lassen wenig Zweifel an der Fortsetzung dieser Politik aufkommen.(12) Demnach zeigte sich die Partei Die Grünen erstaunlich »kompromissbereit« beim Themenkomplex Klimaschutz, der als ein Streitpunkt in den Verhandlungen galt. Ein für 2030 gefordertes Ende des Verbrennungsmotors sei ebenso vom Tisch wie ein mittelfristiger Ausstieg aus der Kohleverfeuerung, der »noch weiter aufgeschoben« werden könne, heißt es. Die Grünen seien »einen großen Schritt« auf FDP und CDU zugegangen. »Mir ist klar, dass wir alleine nicht das Enddatum 2030 für die Zulassung von fossilen Verbrennungsmotoren durchsetzen werden können«, erklärt der Grünen-Politiker Cem Özdemir.
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