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INHALT #243

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Ätsch!
Das ist Wahnsinn! Warum schickst du mich in die Hölle?!
The Dillinger Escape Plan
Jeff Rowe
No Crap - Flohmarkt
Lesung »Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß« mit der Autorin Manja Präkels
Prawn + Todo Para Todos
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• position: Das Pulli-Archipel
• doku: Demoaufruf Wurzen
• das letzte: Cossi d´Azur
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Cossi d´Azur

oder in Schubladen denkt es sich leichter

Die besten Tage der Woche sind endlich da. Ich werde von einem Windhauch an meinen Füßen geweckt. Langsam öffne ich meine Augen: Die Sonne scheint, der Himmel ist blau und wolkenlos. Ein perfekter Tag, um eine kleine Reise zu unternehmen. Gemütlich schlurfe ich Richtung Küche, mache Kaffee und frühstücke ausgedehnt. Noch etwas tapsig suche ich meine große Badetasche und beginne zu packen:


… eine große Decke
… ein Handtuch
… Sonnencreme
… etwas Kaltes zu trinken
… Lesestoff (natürlich aus dem Infoladen)
… eine Kleinigkeit zum Snacken


Noch schnell in den Bikini geschlüpft, ein paar luftige Sachen drüber geworfen, Latschen an und los geht’s.


Ich radel vorbei an Autofahrern, die das Prinzip eines Radwegs nicht begreifen wollen und versuche so gut wie nur irgendwie möglich zumindest den größten Schlaglöchern zu entgehen. In meinem Augenwinkel beobachte ich KarLi-Touristen, die auf den großzügigen Freisitzen Latte schlürfen und mindestens vegetarisches Frühstück genießen. In Connewitz angekommen, wandelt sich das Publikum, die Hipsterfrise weicht dem Sidecut, gefrühstückt wird vorm Späti des Vertrauens, die Kinder sind durch Hunde ersetzt. Ein kurzes Stück Nichts, dann endlich – halbe Etappe gemeistert – der Wildpark. Gestresste Eltern und schreiende Kinder am Tobeplatz zum Bratwurstwinkel; Gruppen von Radfahrern, die es völlig legitim finden, zu dritt nebeneinander zu fahren; ältere, vornehmlich männliche Wesen in windschnittigen, bunten Profi-Radsport-Outfits auf Hightech-Mountainbikes - und Spaziergänger. Immer wieder ein Gedicht. Vorsichtig vorgepirscht am »Brot und Kees«, noch einmal rechts abbiegen und dann liegt er vor mir: still, blau und vermeintlich erfrischend – mein Cossi d‘Azur.


Da ich früh dran bin, sieht der Nordstrand noch verführerisch aus, keine neonfarbenen Strandmuscheln, keine Atzen, kaum spielende Kinder – super. Ich breite die Decke aus, lege mein Handtuch darauf. No shorts, no shoes – no problems. Auf dem Handtuch haben sich zwischenzeitlich auch die ersten Sandkörner eingefunden. Die Sonne brennt, der See rauscht, das Urlaubsgefühl stellt sich augenblicklich ein. Meine Körpertemperatur liegt schnell bei gefühlten 50°C - Ab ins Wasser! Ich bade vorsichtig an, mit dem großen Zeh voraus, Temperatur akzeptabel. Ich schwimme fünf Meter ganz nah über dem Boden – doch was ist das?! Etwas Haariges schlängelt sich an meinen Oberschenkeln entlang... OMG ALGEN O_O!! Panisch schwimme ich doppelt so schnell zurück, schüttle den Ekel am Ufer ab und nehme empört meine Sachen, als hätte ich ein Recht auf Algenfreiheit. Lieber mit dem Rad noch ein Stück weiter. Am Eismobil hat sich bereits eine lange Schlange gebildet. Am Seeufer liegen kleine Familien, ältere Menschen haben ihren Campingstuhl aufgeklappt. Mit kritisch prüfendem Blick suche ich ein Plätzchen. Versuche, anhand der mich erreichenden Gesprächsfetzen, eine Auswahl zu treffen. Dort neben das Pärchen, das über die bereits absolvierte Fitnesseinheit diskutiert. Er: Typ griechische Statue mit Bart und Gelfrisur. Sie: Typ Fitness-Bloggerin - #bodygoals?! Ich denke an den Döner von gestern Nacht und an die Bauchfalten, die sich bilden, wenn ich mich in eine sitzende Position begebe und entscheide mich für den Platz zwischen der Gruppe alternativer Studenten mit gediegenem Elektrosound aus Bluetooth-Boxen und vereinzelten Stinos jeglicher Proportionen.


Erneut breite ich mein Handtuch aus und ohne mich hin zulegen gehe ich schnurstracks zum See. Skeptisch lege ich die ersten Meter zurück. Keine Algen. Großartig.
Zurück am Platz, die Reise hat angestrengt, erst mal ein Schluck aus der Flasche, die sich inzwischen stark der Außentemperatur angenähert hat. Hmh, warme Wasserhahnspätlese. Ich döse etwas vor mich hin, bis mich ein Hupen, wie von einem Dampfer, innerlich aufschreckt. Verwundert blicke ich Richtung See und siehe da... die Kommerzialisierung des Geländes ist soweit fortgeschritten, dass tatsächlich Miniaturdampferfahrten angeboten werden. Grauenvoll. Zum Glück war ich vorher noch mal im Infoladen. Wirklich lesen ist aber nicht drin, viel zu fesselnd ist das Drumherum. Oben am Radweg fährt grölend auf einem dieser mietbaren Mehrpersonenräder ein Junggasellenabschied vorbei. Die Gruppe neben mir resümiert den gestrigen Abend.


>»Gestern war wieder nichts los in Leipzig. Scheiß Sommerloch.«
- »Nicht mal im Island war was. Überall nur Sommerkino«
. »Wir waren gestern im Pivo«
> »Echt und wie wars?! Soll voll teuer sein«
. »Nee geht...Bier kostet 3,80«
- »3,80!? - das ist doch voll teuer.«
. »In meiner Heimat...«
> »Scheiß Wessi«


Ich überlege, der Gruppe zu unterbreiten, dass es am Eismobil Bier für 1,80 € gibt. Wahrscheinlich sollte man diesen Geheimtipp aber niemandem verraten.(1)
Mein Blick schweift wieder zum Weg, dominierend sind zwar die Fahrräder, darunter mischt sich aber allerhand neumodisches Gefährt. Der Scooter, neudeutsch für Tretroller, ist wieder angesagt. Ebenso alle erdenklichen Abwandlungen des klassischen Skateboards. Die Fahrer unterscheiden sich mitunter stark. Von futuristisch in Funktionskleidung, über neonfarben zu bikolor, so geht sächsisch.


Unweit von mir macht sich ein Bilderbuch-Atzen-Pärchen breit. Viel Schminke, viel Pink auf orangefarbener Haut, viel Muskeln und natürlich eine dieser Mini-Tölen. Na toll. Hoffentlich hat das Ungetier sein Geschäft schon erledigt.


Noch eine Weile pendle ich von Handtuch zum See und wieder zurück. Die warme Rohrperle ist ausgetrunken, meine Haut signalisiert mir mit stellenweisem Rotstich, dass es Zeit ist, nach Hause zu fahren. Ich nehme meine Sachen, ziehe mich wieder an, laufe den Hundehaufen ausweichend zurück zu meinem Rad. Was mache ich eigentlich heute Abend? Achja, ist ja nichts außer Sommerkino. Ein letzter Blick zum Abschied, die Töle bringt sich gerade in Position – perfektes Timing zum Gehen.


Mach's gut Cossi, es war schön mit dir. Bis zum nächsten mal. Ich fahre los, die Schubladen in meinem Kopf schließen sich.

Jck Z

Anmerkungen

(1) Anm. d. Red.: Nach ausführlichen Diskussionen hat sich die Redaktion entschlossen, im Bewusstsein der Reichweite des CEE IEHs, diesen Tipp für unsere treuesten Leser*innen und Fans der Rubrik das Letzte dennoch zu veröffentlichen.

11.09.2017
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