• Titelbild
• OMG! Trump wird wirklich Präsident!
• das erste: »Das CEE IEH hat an Schärfe verloren«
• interview: »All die Sachen, die nicht mit dem Conne Island zu tun hatten, die haben überhaupt keinen Sinn mehr gemacht.«
• inside out: Zur Absage an Talib Kweli
• Retrogott & Hulk Hodn
• 25YRS Conne Island Gala
• Against Me!
• Against Me!
• Hot Christmas Hip Hop Jam #14
• DON'T FORGET THE STREETS FEST
• review-corner event: »25YRS HipHop« im Conne Island – Ein Jahresrückblick
• kulturreport: »There's a sort of evil out there«
• doku: Fünf Tage im September 1991
• doku: Fehlende Aufarbeitung
• doku: Waffen für Hoyerswerda
• das letzte: 25 Jahre Mitarbeiter/in der Herzen
• Das Conne Island mit einem Stern bewerten
• Outside the Box #6
Ist das jetzt das Ende des Westens, wie man es vor kurzem in der jungle world (und in der Berliner Zeitung) lesen konnte? Oder das Ende der Zivilisation? Gar das Ende der Welt?Geht jetzt alles den Bach runter? Beziehungsweise: tut es das nicht schon immer? [Während des Korrekturlesens dieses Editorials rief tatsächlich ein Freund mitten in seinem Hang-Over an, um über seine Angst vor dem Untergang der Welt zu reden… also gar nicht so lustig.]Dabei war doch, wie auch Ivo Bozic formal korrekt meinte, gegen 1990 mit dem Zusammenbruch des Ostblocks dieses Ende schon erreicht und, wenn man Francis Fukuyama glauben schenkt, sogar das »Ende der Geschichte«. Dieses danach vielbeschworene Ende gründete auf der Hegelschen Vorstellung, dass mit der bürgerlichen Gesellschaft die höchste und endgültige Form gesellschaftlicher Synthesis erreicht worden sei, was durch diesen Systemzusammenbruch nun deutlich geworden wäre.Das vermeintliche Ende der Geschichte leitete allerdings den Anfang der nunmehr 25 Jahre währenden Geschichte des Conne Island erst ein, ja war sogar vielleicht deren Voraussetzung. Es war damit also auch der Auslöser und die Möglichkeit sozusagen für einen Neuanfang in ganz anderer Hinsicht. Ob mit diesem Neuaufbau aus Trümmern nun tatsächlich eine eher Bakuninsche Konstruktion zutreffender ist, sei dahingestellt; in jedem Fall stellt sich uns die Frage ob überhaupt schon genug Zeit vergangen ist, so dass darüber sinnvoll gesprochen werden kann oder ob das alles nur Gefasel bleibt. Jedoch zumindest sinnvoller als vor 25 Jahren.
Auch kluge Linke haben sich früh über diesen Systemzusammenbruch Gedanken macht – und ihn auf theoretischer Ebene verfehlt, wie etwa in Bezug auf Robert Kurz festgestellt worden ist von Gerhard Hanloser (zugleich einer der schärfsten Kritiker auch der Antideutschen): »1991 brachte Robert Kurz eine fulminante Schrift heraus, Der Kollaps der Modernisierung, die der Gemeinde konsternierter Linker erklärte, dass der Realsozialismus eine einzige, unvermeidbare Modernisierungsdiktatur war, die keineswegs jenseits der kapitalistischen Logik angesiedelt war. Kurz konnte aber der Linken auch prophezeien: der Realsozialismus ist untergegangen - als nächstes ist der Kapitalismus dran. Letztere These war gewagt und die Erkenntnis vom Sozialismus als Modernisierungsdiktatur keineswegs neu, sondern unter linkskommunistischen, libertären und rätekommunistischen Publizisten und Aktivisten schon länger bekannt. Umso lauter musste Kurz diese Erkenntnis marktschreierisch verkaufen. Auch bei der Suche nach positiven Bezugspunkten war Robert Kurz reichlich spät dran, um so lauter gab er die Ergebnisse seines Suchprozesses bekannt: Arbeitszeitverkürzung wurde längst als Instrument der Arbeitsverdichtung durchschaut, da schrieb sie sich Robert Kurz auf die Fahne; die letzten besetzten Häuser wurden geräumt, legalisierten sich oder gingen an internen Widersprüchen zu Grunde, da meine Robert Kurz im Hausbesetzen könne man den »Ware-Geld-Nexus« auflösen; und die Neuen Sozialen Bewegungen erkannten Linksradikale schon länger als so klassenübergreifende wie bürgerliche Bewegungen, da kokettiert Kurz mit ihnen und wähnte sich damit dem einst selbst vertretenen »Arbeiterbewegungsmarxismus« haushoch überlegen.«(1)
Nun ist von Robert Kurz eine, sagen wir, prophetische Sicht auf die globalen ökonomischen Entwicklungen bekannt, die schon oft genug und zurecht kritisiert worden ist. Die nicht weniger prophetische These Fukuyamas – oder zumindest ihren Geltungsbereich – hat dieser mittlerweile stark relativiert, auch da das Aufstreben von undemokratischen Mächten wie China oder anti-modernen Bewegungen wie dem politischen Islam mit seiner Theorie nicht vereinbar sind. Wundert das hier irgendwen?Interessanterweise hat Jörg Finkenberger neulich in seinem, sagen wir, etwas uneindeutigen Vortrag im IFZ über Religionskritik gar bemerkt, die anti-säkulare Seite, d.h. religiöse Bewegung sei dabei, den Kampf zu gewinnen, den Marx für Deutschland schon im 19. Jahrhundert als abgeschlossen behauptet hat, also den Kampf der Religionskritik.
Aber zurück ins wiedervereinigte Deutschland. Auch die politische Entwicklung im wiedervereinigten Deutschland war wohl mehr als unbestimmt. Angesichts des nationalistischen Taumels und rassistischen Pogromen äußerte sich in Frankfurt auf einer Großdemonstration gegen die vergrößerte Bundesrepublik mit dem Slogan »Nie wieder Deutschland« erstmals, was später unter »den Antideutschen« bekannt wurde. Man sah sich offenbar zu den schlimmsten Befürchtungen veranlasst. Von Wolfgang Pohrt wurde die Äußerung auf dem konkret-Kongress (mit dem Titel »Was tun?«) 1991 überliefert: »Keiner von uns weiß, ob eine modifizierte Neuauflage des Nationalsozialismus kommt, oder ob diese Möglichkeit ausgeschlossen werden kann. Was mich persönlich betrifft, so ändere ich ungefähr alle zwei Tage meine Meinung.« Der Nationalsozialismus ist es nicht geworden. Aber heißt das, dass er jetzt ausgeschlossen werden kann?Was all diese Leute eint, ist, dass sie versuchten, die jeweils aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen zu deuten und Antworten auf die Fragen ihrer Zeit zu finden. Mit manchem lagen sie richtig, mit vielem aber auch, soviel kann festgehalten werden, falsch und ihre jeweiligen Analysen wurden entweder weiterverfolgt, ergänzt, erneuert, oder eben auch komplett verworfen. So hatte etwa die Bahamas bereits 1995 gefragt, »Ist die anti-deutsche Position antiquiert?« und die Antinationale Gruppe Leipzig 1999 nach dem Kosovo-Krieg sekundiert: »Was taugt die anti-deutsche Position noch?« Ohne diese Frage hier beantworten zu können, halten wir die Beschäftigung auch mit der jüngeren Vergangenheit für unerlässlich für heutige Kommunist_innen und versuchen in diesem Heft einen wenn auch nur kleinen Beitrag dazu zuleisten. Im Idealfall kann uns das helfen, die Diskussionen, die auch aktuell gerade wieder im und ums Island laufen, z.B. darüber wie es um die Israelsolidarität oder steht, besser zu beurteilen und eine angemessene Position darin zu finden. Und eine Furcht davor, Position zu beziehen, auch wenn sie keine endgültigen Wahrheiten, aber zumindest vertretbare und den Umständen angemessene Schlussfolgerungen bietet, muss leider auch aktuell in der Debatte um Sexismus und Rassismus konstatiert werden. Wenn also, wie es oftmals so daher gesagt wird, das Verständnis der Geschichte der Schlüssel zur Zukunft ist, dann ist es mehr als gerechtfertigt, in dieser Ausgabe einen kleinen Schwerpunkt darauf zu legen. Deswegen finden sich in diesem Heft neben kurzen Rückblicken von Conne Island-Akteuren auch ein paar Informationen darüber, was politisch so im Gründungsjahr des Conne Island passiert ist.(2)
Beim Jahr 1991 darf unserer Meinung nach von dem rassistischen Pogrom in Hoyerswerda nicht geschwiegen werden und deshalb dokumentieren wir gleich zwei Texte dazu. Außerdem wollten wir uns und euch, liebe Leser_innen, in dieser Ausgabe mit einem bis heute beliebten Kulturprodukt aus jener Zeit, der Fernsehserie Twin Peaks beschäftigen, die lange widerlegte Mythen des Patriarchats reproduziert.
Zum Rückblick sollen außerdem zwei Interviews beitragen, nämlich mit dem früheren Booker Jan, der auch fraglich findet, ob die Welt wirklich aus den Fugen gerät, sowie dem früheren CEE IEH Redakteur Sisyphos, der meinte dass seit dem von ihm als Zensur empfundenen Eingriff in die Redaktionsarbeit durch das Island Plenum im Zuge der Wertmüller-Ausladung 2011 das CEE IEH an Schärfe verloren habe.
Das Ende einer ganz anderen Geschichte gibt es trotz allem zu verzeichnen. Im Oktober haben wir noch bei unserer Lesung, die es nun endlich auch online beim Info-Portal www.public-ip.org zum Nachhören gibt(3), noch darüber gewitzelt, dass sich alle paar Jahre die Redaktion austauscht. Nun trifft es uns leider selber. Wir kriegen es nicht mehr gebacken. Oder wie man in Wien sagen würde: Es geht siech afoch net aus. Und der größte Teil von uns setzt sich im neuen Jahr auf eine Inselgruppe in der Karibik ab. Wenn du also, werte potentielle Redakteur_in, in Zukunft ein CEE IEH in Händen halten willst, musst du es selber machen. Als Tocotronic-Ultras, für die die Songtexte der Hamburger nicht Handlungs-, sondern Lebensanweisungen sind, stehen wir hier natürlich vor einem Widerspruch. Aber wir tauschen die Maxime »Mach es nicht selbst« in dieser Ausgabe einfach ganz undialektisch ein in die Maxime: »Sag alles ab!« Auch wenn du es bespielsweise vorziehst, zukünftig weniger von diesem akademischen, durch Namedropping aufgemotzten Gefasel aus dem Bereich Cultural Studies, wie das von Marlon in dieser Ausgabe verzapft wurde, vorzufinden, sagen wir mit einem großen Augenzwinkern: Werde aktiv!
Wir hoffen, das Heft hat es pünktlich zur Gala geschafft rauszukommen und ihr lest diese Einladung: Sauft mit uns (d.h. besser: ladet ihr uns ein)! Wir nutzen diese Gelegenheit auch gleich, um uns bei euch zu verabschieden und zu bedanken für Support, Texte, True Love und Kritik – bis es dann nächstes Jahr wieder heißt: auf ein Neues!
Eure Redaktion