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Aktuelle Termine

CEE IEH-ARCHIV

#230, Februar 2016
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#237, Dezember 2016

Aktuelles Heft

INHALT #235

Titelbild
Editorial
• das erste: Hannah Arendt revis(it)ed
• inside out: 25YRS Conne Island Soli-Aktion
• inside out: Stellungnahme des Conne Islands zum Artikel der Bild-Zeitung vom 20.09.16 und den Vorwürfen des CDU Stadtrats Ansbert Maciejewski
Torch, Retrogott & Hulk Hodn, KET // 25YRS HipHop
Diskussionsveranstaltung zur Black Lives Matter Bewegung

RED FANG
Breakdown of Sanity
Nasty, Aversions Crown, Malevolence, Vitja, Sand und Varials
Digitalism
All Diese Gewalt
Jacques Palminger + 440Hz Trio
WORD! cypher / End Of The Weak Leipzig (Open-Mic-Freestyle-Session)
Psyche & Rational Youth // 25YRS Conne Island
25YRS Oi! - 4 Promille
25YRS Rumsei: Tortoise
Russian Circles + Helen Money
• position: »Die denkbar größte Entartung der Gewalt« 1
Ein Streit um den richtigen Ansatz
• doku: Was tun gegen rechts?
• leserInnenbrief: Seit Ihr eigentlich Geistig behindert?
• das letzte: Worauf Bettina Kudla anschlägt

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Worauf Bettina Kudla anschlägt

Bereits als die Leipziger Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla (CDU) vor drei Jahren gegen den Moschee-Bau der Ahmadiyya-Gemeinde in ihrem Wahlkreis-Stadtteil Gohlis kämpfte, spielte für sie das Thema Flucht und Asyl eine maßgebliche Rolle. Jene Anhänger der muslimischen Minderheit, »die bisher [!] im Leipziger Osten leben«, kämen überwiegend aus Pakistan, ließ sie wissen, wo es rund vier Millionen von ihnen gäbe. Weil sie dort in der freien Ausübung ihrer Religion diskriminiert werden, hatten unter anderem das Sächsische Oberverwaltungsgericht und das Verwaltungsgericht Gießen Anhänger der Ahmadiyya-Bewegung aus Pakistan den Asylstatus nach deutschem Recht zuerkannt. Scharf kombiniert, erkannte Kudla sofort, dass damit auch die restlichen vier Millionen Anhänger aus Pakistan bereits so gut wie auf dem Sprung nach Leipzig sein könnten: »Hier sollte die Frage schon erlaubt sein, ohne dass man als ausländerfeindlich oder rechtsradikal gilt, warum Leipzig die Ausbreitung einer muslimischen Bewegung in Deutschland fördern will?« Die Fluchtursache erfasst sie wohl, wendet sie jedoch gegen die Geflüchteten aufgrund unterstellter wesenhafter Unvereinbarkeit: »In Deutschland, das seiner Gesellschaft per Grundgesetz die Grundrechte« - also auch das der Religions- und Glaubensfreiheit - »garantiert, herrschen eben ganz andere Lebensbedingungen, nämlich freiheitliche, als zum Beispiel in Pakistan.«(1) Oder anders ausgedrückt: Für muslimische Minderheiten gehören religiöse Diskriminierung und Verfolgung in Pakistan so sehr zum Lebensalltag, dass ihnen die freie Ausübung ihres Glaubens in Deutschland nicht zuzumuten wäre.

Bereits ein Jahr darauf sah Kudla die »Attraktivität« des Stadtteils erneut bedroht, als Pläne bekannt wurden, das Interim-Erstaufnahmelager im südlichen Stadtteil Dölitz bis 2017 nach Gohlis zu verlegen. Wie beim Moschee-Bau die Nähe zur Grundschule, musste auch hier wieder das angeblich bedrohte Wohl der Kinder herhalten. So hielt sie es »für höchst problematisch, wenn man in ein Gebiet, das sich in den letzten Jahren als attraktiver Wohnstandort mit einem starken Zuzug von Familien mit Kindern entwickelt hat, ein Erstaufnahmelager errichtet.« Warum, muss nicht weiter ausgeführt werden. Das Ticket des Biedermeiers verweist auf jene Aspekte der Alltagsreligion, welchen die Brandstifter bereits öffentlich Geltung verschafft haben. Der Bürgerverein Gohlis sprach ihr jedenfalls ab, damit allgemein die Ansichten der Stadtteilbewohner zu vertreten.

Doch sollen von der rassistischen Stimmungsmache nicht die falschen profitieren. Schon beim Moschee-Bau hatte Kudla befürchtet, dass »der Boden für Ressentiments und Ängste bereitet wurde, woraus z.B. die NPD ihren Nutzen zieht.«(2) Als im Januar dieses Jahres zum einjährigen Bestehen Legidas das parteiübergreifende Bündnis Leipzig bleibt helle zum Gegenprotest in Form einer Lichterkette aufrief, erklärte sie jedoch ihre weitgehende Ablehnung zu den Zielen der Initiatoren, da die Lichterkette »die Bemühungen der Bundesregierung um eine Reduzierung und Eingrenzung der Asylbewerberzahlen« - dem ebenfalls erklärten Ziel Legidas - »torpediert.« Stattdessen verwies sie auf einen notwendigen Kampf gegen den »[Links-]Extremismus im Leipziger Süden« und forderte, dass sich »die Vertreter der Bundes- und Landesparlamente [...] für weitere Gesetze zur Bewältigung der Asylthematik einsetzen.« Als dann zeitgleich zum Geburtstagsständchen des Frontsängers der rechten Hooligan-Band Kategorie C auf der Legida-Bühne rund 250 Neonazi-Hooligans in einer koordinierten Aktion ziemlich wahllos zwanzig Geschäfte in Connewitz überfielen, Passanten traten und schlugen und Pyrotechnik auf die umliegenden Wohnhäuser abfeuerten, übte sich Kudla im Feindstrafrecht. Nachdem Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) die »rechte Randale« »abscheulich« genannt und konsequente Ermittlungen und das Belangen der Täter gefordert hatte, schrieb sie: »Bitte objektiv sein! Es sind die Linksradikalen!«, und verwies auf die Ausschreitungen Linksautonomer im Zusammenhang mit einer Neonazi-Demo im Jahr zuvor. »Natürlich waren es am 11.01. auch [sic!] Rechtsradikale«, schob sie nach, doch »vorher haben es mehrfach die Linksradikalen getan. Darum geht's«.

Die Anhänger der Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) umwarb sie hingegen bereits zuvor damit, dass die CDU als »Volkspartei« »seit langem auch die von Pegida [...] angesprochenen Themen auf ihrer Agenda« habe. »Wer die Ausbreitung des Islam in Deutschland […] beklagt«, schlussfolgerte sie, »sollte sich demnach zur CDU hinwenden.«(3)

Zuletzt sorgte Bettina Kudla bundesweit für Aufsehen, als sie sich im Juni dieses Jahres zum ideellen deutschen Gesamtkapitalisten aufschwang und als einzige Abgeordnete gegen die Bundestags-Resolution zum türkischen Völkermord an den Armeniern stimmte. Beweggründe waren für sie die nicht kalkulierbaren »politischen, als auch finanziellen Folgen«. Einerseits befürchtete sie aufgrund der darin eingestandenen deutschen Mitschuld das »Aufmachen von Wiedergutmachungsforderungen seitens Armenien«, andererseits das Scheitern des EU-Abschiebeabkommens mit der Türkei, das neben gravierenden humanitären Folgen auch erhebliche finanzielle Mehrbelastungen für Deutschland« bedeuten würde.

Angesichts eines solch großen Einsatzes und Stellvertretungsanspruchs für Volk und Vaterland war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis sie zum Ziel von Linksautonomen werden würde. Ende August kam es zu Sachbeschädigungen an ihrem Wahlkreisbüro. Unbekannte warfen die Scheiben ein und versprühten Bitumen in den Räumen. Später wurde ein Bekennerschreiben beim linken Informationsportal indymedia veröffentlicht, das Kudlas eben skizzierte Politik, aber auch die der CDU im Allgemeinen als Gründe für den Anschlag nennt.(4)

Wo es an Tatverdächtigen mangelt, greift man schnell zu liebgewonnenen Feindbildern. So erhob Kudla gegenüber der Leipziger Volkszeitung die alte CDU-Forderung nach der Beendigung einer »Subventionierung der Szene« und nannte unter Hinweis auf den sogenannten Verfassungsschutz als Beispiel das Conne Island. Nun wurde dieses, ohne dass hier die Sinnhaftigkeit dieser Argumentationsschiene beurteilt werden soll, zuletzt vor vier Jahren als »zentrale Anlaufstelle der autonomen Szene in Leipzig« bezeichnet. In einer internen Lageeinschätzung relativierte der Inlandsgeheimdienst jedoch wenig später seine Aussage, indem er als Grund der Nennung »einzelne ›Problemkader‹« nannte, »die zu den Besuchern gehören könnten«. Folglich konnte Kulturbürgermeister Michael Faber Anfang des Jahres in seiner Antwort auf eine schriftliche Anfrage der CDU-Stadtratsfraktion darauf verweisen, dass der Trägerverein des Conne Islands Projekt Verein e.V. selbst kein Beobachtungsobjekt von Polizei und Inlandsgeheimdienst sei und »wie alle anderen Trägervereine soziokultureller Zentren auf dem Boden des Grundgesetzes« arbeite. Doch was hilft selbst die staatstragendste Aufklärung gegen Beißreflexe?

Fast schien es so, als habe selbst die Leipziger CDU die Nase voll von Kudla, nachdem diese zuletzt den staatskritischen türkischen Journalisten Can Dündar als »Dünnschiss« beledigt hatte. Doch erst jüngst zeigte Stadtrat Ansbert Maciejewski wieder, dass sich mithilfe von BILD auch bequem aus der zweiten Reihe kleffen lässt. Was den einen ihr politisches, das den anderen ihr alltägliches Geschäft.


shadab

Anmerkungen

(1) Als im Februar dieses Jahres ein Ferkelkadaver mit der Aufschrift »Mutti Merkel« auf dem Baugelände der Moschee gefunden wurde, ermittelte der polizeiliche Staatsschutz nicht wegen einer islamfeindlichen Straftat, sondern wegen »Beleidigung der Kanzlerin«.

(2) Wenige Monate zuvor hatte sie im Bundestag gegen den NPD-Verbotsantrag der SPD gestimmt.

(3) Den Leipziger Ableger Legida findet Kudla denn auch aus gänzlich anderen Gründen, etwa »in Anbetracht von Forderungen, wie z.B. Austritt aus der NATO«, zu »sehr radikal«.

(4) Vielleicht diente als Anlass für den Anschlag ja auch Kudlas wenige Tage zuvor via Twitter verbreitete Meinung: »Auf dem Reichstag steht: ›Dem Deutschen Volke‹. Zwischen Staatsbürgerschaft und Zugehörigkeit zu einem Volk besteht Unterschied!«

09.10.2016
Conne Island, Koburger Str. 3, 04277 Leipzig
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