• Titelbild
• Editorial
• das erste: Der Darkroom als Black Box
• Antifa Gençlik. Eine Dokumentation (1988-1994)
• Der Letzte der Ungerechten
• Block Party im CI mit: Radio Love Love (Hulk Hodn, Twit One & Memyselfandi) Eloquent & Hulk Hodn (Sichtexot) Skor Rokswell & Rufus Grimes & Shape (VARY)
• The One — Unplugged
• DRUM AND BASS RELOADED 2000 Teil 3
• Rocko Schamoni & Tex M. Strzoda
• Sheer Terror + Lousy + The Detained
• Le Butcherettes
• Gespräch mit Peter Finkelgruen und Filmvorführung von «Unterwegs als sicherer Ort»
• Turnstile + Forced Order
• WORD! cypher
• Klub: Electric Island presents: KANN X GIEGLING X 24h
• Die Nerven
• „Zweimal nein heißt einmal ja“?
• Ryker´s, Scheiße Minelli und Risk it!
• OXO 86 + Support
• review-corner event: 1st Transnational Beyond Europe Camp: Solidarity Against the Exploitation of Life by Capital and State
• review-corner event: «Bildet Banden!» Für eine solidarische und diskriminierungskritische Kulturarbeit
• review-corner film: Pixels
• review-corner buch: „Gib auch uns ein Recht auf Leben!“
• doku: »Wir sind das Pack«: Von Hoyerswerda nach Heidenau
• doku: Schein der Freiheit
• Herbst
• das letzte: Vegetativ-Recherche von der Rückbank
Hito Steyerl, eine Berliner Künstlerin, hat im Sammelband Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland einen Text mit dem Titel White Cube und Black Box. Die Farbmetaphysik des Kunstbegriffs veröffentlicht, in der sie sich der Farbmetaphysik in der Kunst und Ausstellungspraxis anhand des White Cube und der diesen in der tradieren Bedeutung entgegengesetzten Black Box widmet(1). Besonders ihre Überlegungen zu schwarzer Farbe können in Verbindung mit dem Darkroom, wie man ihn vom Berghain oder dem IFZ kennt (zumindest dem Hörensagen nach), etwas von dessen Mythos erhellen.
Es soll nun kurz der White Cube definiert werden um ihn mit dem Raumkonzept der Black Box zu kontrastieren. Der White Cube „bezeichnet den modernen Galerie-, Museums- oder Ausstellungsraum“, welcher „möglichst leer“ und „möglichst weiß“ ist. Seine Aufgabe besteht darin, die Aufmerksamkeit des Publikums auf die ausgestellte Kunst zu richten. Er ist quasi ein sakraler Raum, der als Abgrenzung zur profanen und farblich-ambivalenten Außenwelt dienen soll“(2). Der White Cube stellt einen kontemplativen Tempel einer Visualität dar, der über das rein Sinnliche obsiegt hat. Innerhalb seiner Wirkungsreichweite herrscht das Prinzip der Sublimierung und der geistige Aneignung von Kunst mittels Vernunft(3). Das Publikum ist im White Cube „bewusstes, aktives Subjekt, autonomes Individuum, es verfügt über einen distanzierten Blick, der dem Objekt gegenüber souverän ist.“(4).
Die Black Box stellt den Gegenpol zum Konzept des White Cube dar. Hier wird das Publikum Leidenschaften und Trieben ausgesetzt, innerhalb einer „Wunschmaschine“, beispielsweise dem Kino während einer Filmvorführung, die laut der Filmtheorie, „von unbewussten Begehren, Trieben und libidinösen Identifikationen durchdrungen ist“(5). Die Black Box wird somit ein „affektiver Raum“, charakterisiert durch Dunkelheit: „Sinnlichkeit, Affektivität, Magie und Irrationalität“ werden mit der Metaphysik schwarzer Farbe in Verbindung gesetzt(6). Zwei Zitate aus Steyerls Text(7) bringen die Funktion und Eigenart der Black Box näher: „Black Box ist Ort der Illusion, des Reizes, des Unechten, Ort einer Überwältigung“, und: „Verführung, Fesselung, Magie, Spektakel, unterdrücktes Unbewusstes – das Vokabular, mit dem die Black Box beschrieben wird, ist der technizistischen, gesäuberten, idealistischen, sublimierenden und aufgeklärten Vorstellungswelt des White Cube diametral entgegengesetzt.“ Ihre Ausführungen zu den Unterschieden der beiden Raumkonzepte kommentiert Steyerl mit folgendem Urteil: „Es ergibt sich also ein fast schon manichäisches binäres Modell, in dem schwarze und weiße Ausstellungsräume einander gegenübergestellt werden – meist zu Ungunsten des ersteren.“(8). Im weiteren Verlauf ihrer Arbeit geht sie den Möglichkeiten der Überwindung dieser starren Gegenüberstellung nach. Das soll hier nun aber nicht weiter interessieren. Vielmehr soll jetzt einer kulturellen Erscheinung nachgegangen werden, die eine Exemplifizierung der Black Box zu sein scheint und aus historischen wie funktionalen Gründen nicht viel Hellichkeit erlaubt: dem Darkroom.
Nicht der Raum zur Entwicklung von Fotos ist damit gemeint, sondern um den dunklen Raum sexueller Erfüllung soll es im weiteren gehen. „Es gibt einen Ort, an dem man jeden Abend Sex haben könnte. Ohne zu zahlen. Ohne zu grüßen. Den Darkroom. Darkrooms waren lange eine schwule Errungenschaft, die bei denen, die nie einen Fuß hineingesetzt haben, auf theoretisches Interesse stieß.“(9). „In einem Darkroom wird geküsst, gefummelt und, man kann es so sagen, vor allem penetriert. Menschen stellen im Schutz der Anonymität Dinge an, die sie bei Tageslicht nicht mal ihren besten Freunden erzählen möchten.“(10). Ein Darkroom ist ein dunkel gehaltener Raum, der sich in der Regel in Schwulen-Etablissements, wie beispielsweise in Saunen, Bars und Clubs befindet. Der Raum ist abgetrennt vom restlichen Bereich(11). Zur Entstehung des Darkrooms in Deutschland lässt sich sagen, dass es seit den 1920er und '30er Jahren Treffs für Homosexuelle in Berlin gibt. Mit der Machtergreifung der NSDAP kam es zur Schließung dieser Räumlichkeiten und die Möglichkeiten homosexueller Menschen, miteinander zu verkehren, wurden durch Verordnungen eingeschränkt. Schwule wurden deportiert. Die gesellschaftliche Repression Homosexueller blieb auch nach der Zeit des Nationalsozialismus bestehen. Bis 1969 blieb Sex unter volljährigen Männern in Westdeutschland unter Strafe. Die Grundlage hierfür war der § 175 StGB. Der Paragraph wurde endgültig erst 1994 abgeschafft. Aus Angst vor Strafverfolgung und prügelnden Rockerbanden zogen sich Homosexuelle aus der Öffentlichkeit zurück. In den 1970er Jahren kam die Idee der Darkrooms heutiger Form aus den USA nach Deutschland. Der erste Berliner Orgienraum, so wurde der Darkroom in Deutschland auch genannt, eröffnete 1975 und seither dienen Darkrooms als Schutzraum und Zeichen des Selbstbewusstseins der homosexuellen Szene(12).
Die Abwesenheit bzw. Eingeschränktheit von Lichteinfall ist ein Charakteristika des Darkrooms:
“Darkrooms sind, anders, als der Name vermuten lässt, keineswegs stockdunkel. Meistens erzeugen Glühbirnen wenigstens ein dürftiges Schummerlicht, sodass man sich a) nirgends den Kopf stößt und b) die Umrisse potenzieller Sexualpartner erahnen kann, um wenigstens die schlimmsten Überraschungen zu vermeiden.“(13); „Schwarz bemalte Glühbirnen, vielleicht der Schein eines Bildschirms, auf dem ein Porno läuft, rote Farbfolie vor den Lampen, mehr erhellt die Darkrooms meist nicht.“(14). Erzeugt werden soll hierdurch folgender Effekt: „Man muss sich den Raum und den Sexualpartner ertasten. So sollen Spannung und Erregung gesteigert werden. Man kennt das aus den Dunkelrestaurants – die Sinne werden wacher, man schmeckt mehr und riecht intensiver. Und im besten Fall bleibt im Dunkeln auch der Familienvater anonym, der natürlich gar nicht auf Männer steht. Oft sind die Dunkelräume verwinkelt. Trennwände bilden ein Labyrinth, durch das man sich den Weg erkunden muss“(15). Das Konzept des Darkrooms in seiner Verbindung von verdunkeltem Raum und dem Wunsch nach Entfesselung der Sinne und dem Ausleben von Leidenschaften ist dem Konzept der Black Box nah. Auffällige Differenz ist die angestrebte Anonymität der Nutzer des Darkrooms. Diese ist Ziel der Nutzung, wobei sie auch innerhalb der Black Box, des Ausstellungsraumes oder des Kinoraumes, nicht zu umgehen ist. Im Museum und Atelier hat sie eine weniger lebensnotwendige Grundlage. Die Dunkelheit und Anonymität schützt die BesucherInnen vor verunsichernden Blicken und das verdrängte Unbewusste kann in der Abwesenheit von Licht an die Oberfläche kommen. Auch die vorrangige Nutzung zum Sexualverkehr ist ein Unterschied zur Black Box als Ausstellungsraum. Dies ist ein bedeutender Punkt: Wo die Black Box in erster Linie Kunst ausstellt und einen Ort ästhetischer Erfahrung ermöglicht, da gehört der Darkroom als Ort der Triebbefriedigung eher dem Bereich des Körperlichen an, welches dem Gebiet des Geistigen vorangeht, auch wenn Möglichkeiten ästhetischer Erfahrung im „affektiven Raum“ nicht verschwinden. Mit Ende der Neunziger Jahre öffneten sich Darkrooms zunehmend auch für heterosexuelle Menschen, wurden zum Bestandteil angesagter Technoclubs und entwickelten sich zu Touristenattraktionen(16). Vom Rang eines assimilierten Kulturguts wie es beispielsweise Theaterhäuser sind, sind Darkrooms dennoch weit entfernt. Zu sehr noch verunsichern sie die Identitäten und provozieren psychische Abwehrleistungen: „Die Darkrooms des „Berghain“ werden bestaunt und besichtigt – und selten genutzt.“, oder: „Es gibt sie noch, die Darkrooms von Berlin. Es sind Post-Darkrooms, in Betrieb zwar, aber bestaunt von Touristen. Die finden den Schmutz exotisch. Beflecken aber wollen sich sich nicht an diesen dunklen Orten, die allmählich von Licht beschienen werden und auf diese Weise verschwinden.“(17). Darkrooms sind somit zwar zum Teil interessante Objekte für Touristen, aber dennoch kein Räume, die von diesen aktiv genutzt werden wollen, da sie mit Scham und Angst verbunden sind. Wenn man so will, sieht man daran, dass Sexualität nach wie vor in der Öffentlichkeit verpöhnt ist und in den von der Gesellschaft bedrängten Subjekten keinesfalls unbefangen verhandelt wird.
Quellen:
Steyerl, Hito: White Cube und Black Box. Die Farbmetaphysik des Kunstbegriffs. In: Eggers, Maureen Maisha, Grada Kilomba, Peggy Piesche und Susan Arndt (Hrsg.): Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland. Unrast, Münster, 2005. S. 135-143.
Internetquellen:
Darkroom. https://de.wikipedia.org/wiki/Darkroom, zuletzt abgerufen am 17.08.2015
Dinge, die Sie im Darkroom besser lassen sollten. http://www.welt.de/vermischtes/article113957717/Dinge-die-Sie-im-Darkroom-besser-lassen-sollten.html, zuletzt abgerufen am 17.08.2015
Ewert, Laura: Berlin: Hauptstadt der Darkrooms. http://www.tip-berlin.de/musik-und-party/berlin-hauptstadt-der-darkrooms, zuletzt abgerufen am 17.08.2015
Gay, Earl: Lust auf eine geile Nummer im Darkroom? Dann folge mir! http://www.boeser-junge.de/lust-auf-eine-geile-nummer-im-darkroom-dann-folge-mir-unser-schwuler-autor-steht-nicht-auf-darkrooms-624, zuletzt abgerufen am 17.08.2015
Reichert, Martin: Der Wandel des Darkrooms. Eine Woche im Ficken 3000. http://www.taz.de/!5140703/, zuletzt abgerufen am 17.08.2015
Tholl, Gregor: 20 Jahre Abschaffung §175. Homosexualität: Ein Paragraf verschwindet. http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.20-jahre-abschaffung-175-homosexualitaet-ein-paragraf-verschwindet.c3cf4ec9-d4d9-481d-9122-b05e58e895ea.html, zuletzt abgerufen am 17.08.2015