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CEE IEH-ARCHIV

#222, April 2015
#221, März 2015
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#228, November 2015
#229, Dezember 2015
#227, Oktober 2015

Aktuelles Heft

INHALT #222

Titelbild
Editorial
• das erste: Trainieren für’s Kapital
Klub Sonntag × Electric Island
We Skate Le - AfterShowParty
Modern Life Is War
Junius
Podiumsgespräch & Konzert: There is no alternative?
Deejays on the LOW
Skeletonwitch
Volxsturm
Comeback Kid, Bane
Make Do And Mend
Alcoa
• inside out: Ain’t no business like show business
• position: Keine Unterstützung für die antisemitische Propaganda des AK Nahost!
• doku: Reflexive Moderne und das Elend der Welt – Ulrich Beck und die Haltbarkeit von Zeitdiagnosen
• doku: Frauenrechte à la Uno
Anzeigen
• leserInnenbrief: Hilfssoldat im Urlaub?
• das letzte: Worum sollte es am 18. März gehen?

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Ain’t no business like show business

Über den Umgang des Conne Island mit Nico Suave und dessen Zusammenarbeit mit Xavier Naidoo

Am 27.03.2015 wird im Conne Island eine Show mit dem Rapper und Soul-sänger Nico Suave stattfinden. Nachdem die Show bereits gebucht war, fiel uns auf, dass Nico Suave auf seinem aktuellen Album für zwei Tracks mit Xavier Naidoo zusammenarbeitet, u.a. der sehr persön-liche Song »Danke«, 
 dem Nico den Tod seines Vaters verarbeitet. Außerdem begleitete er 
 auf dessen Tour als Support. Da das Conne Island Plenum von Xavier Naidoo wenig hält, entschieden wir uns, Nico Suave in folgendem Brief mit 
unserem Unverständnis über die Zusammenarbeit zu konfrontieren und 
 wie sich Nico zu Naidoos politischen Wahnvorstellungen verhält:



»Hallo Nico,
für den 27.03.2015 ist eine Show mit dir im Conne Island geplant – dein nunmehr dritter Auftritt bei uns. Wie du vielleicht weißt, besprechen und entscheiden wir 
über alle Veranstaltungen im Plenum. Manchmal kommt es leider vor, dass uns nach dem Buchen doch noch eventuelle Probleme mit oder Kritik an KünstlerInnen auffallen. So wurde uns erst kürzlich bewusst, dass dein Ende 2014 veröffentlichter Track »Danke« von Xavier Naidoo gefeatured wurde und du auch seine Tour als Support begleitet hast.

Wie du sicherlich mitbekommen hast, hat Xavier Naidoo in der Vergangenheit nicht nur durch seine Musik, sondern vor allem auch durch politische Statements von sich Reden gemacht. So trat er beispielsweise am 3. Oktober 2014 als Redner bei einer Versammlung der sogenannten Reichsbürger auf, einer diffusen Gruppe von 
 Verschwörungstheoretikern und Nazis: »Hat Deutschland eine Verfassung? Ist Deutschland noch besetzt? Tut die NSA gar nichts Verbotenes, sondern darf er das eigentlich sogar, weil die Deutschen es ihr per Gesetz erlauben? Weil wir eigentlich gar kein richtiges Land sind. Weil wir immer noch besetzt sind.«(1)
Auch abseits dieser Veranstaltung fiel er immer wieder durch Äußerungen über den angeblichen Besatzungsstatus der BRD auf – eine Behauptung, die genau wie Chemtrails, die geheime Israelisch-Amerikanische Weltregierung oder die Leugnung des Holocaust zum Textbuch der Reichsbürger gehört. Eine Distanzierung Naidoos von den Reichsbürgern war bisher nicht zu vernehmen und ist aufgrund der inhaltlichen Nähe wohl auch nicht zu erwarten.
Doch nicht nur zur aktuellen Verfassung der Bundesrepublik hat Xavier Naidoo eine deutliche Position. In seinem Song »Wo sind sie jetzt« von dem Album »Gespaltene Persönlichkeit«, das er gemeinsam mit Kool Savas aufnahm, setzt Naidoo Homosexu-
ät mit Pädophilie und Kindesmissbrauch gleich. Zwar stritten Savas und Naidoo dies ab, nachdem sie Ende 2012 aufgrund des gewaltverherrlichenden und homophoben Inhalts von linken Organisationen angezeigt wurden, dennoch sprechen folgende Zeilen eine deutliche Sprache: »Ich schneide Euch jetzt mal die Arme und die Beine ab und dann fick ich Euch in’n Arsch, so wie Ihr’s mit den Kleinen macht. Ich bin nur traurig und nicht wütend. Trotzdem würd’ ich Euch töten. Ihr tötet Kinder und Föten und ich zerquetsch’ Euch die Klöten. Ihr habt einfach keine Größe und Eure kleinen Schwänze nicht im Griff. Warum liebst Du keine Möse? Weil jeder Mensch doch aus einer ist. Wo sind unsere Helfer, unsere starken Männer, wo sind unsere Führer, wo sind sie jetzt?«(2)
Naidoo fühlt sich allerdings nicht erst seit Kurzem bemüßigt, seine krude Weltanschauung zum Besten zu geben. Bereits in einem Interview 1999 traf er folgende Aussage, die wie aus dem kleinen Einmaleins der Verschwörungstheorie anmutet: »Ach was, ich glaube schon lange keinem Wissenschaftler mehr. Neulich habe 
 im PM gelesen, daß keine Formel richtig zieht. Alles ist ein bißchen hin- und her geschoben.«
Antiamerikanische Klischees und Nationalismus sind ganz selbstverständlich auch Teil des Repertoirs: »[...] bevor ich irgendwelchen Tieren oder Ausländern Gutes 
tue, agiere ich lieber für Mannheim.« »[Ich bin] ein Rassist ohne Ansehen der Hautfarbe. Ich bin nicht mehr Rassist als jeder Japaner das auch ist.« »Bevor ihr uns 
diktiert, was wir zu tun haben, hört erst mal auf, uns mit eurer Musik zuzuscheißen. Alles ist amerikanisiert. Da muß ich doch wie ein Gallier dagegen angehen, gegen diese blinde Verherrlichung Amerikas. Gegen die Art, wie Amerika mit der Welt umgeht. Keine Demut, keine Achtung.«(3)
Es ist für uns nachvollziehbar, dass man als aufstrebender junger Künstler bei der Wahl der Verbündeten auch mal ein Auge zudrückt, wenn sie dabei helfen können, erfolgreich zu werden und sich kreativ zu verwirklichen. Um Xavier Naidoos wiederholte Äußerungen nicht als Problem anzuerkennen, müsste man unserer Meinung nach allerdings mindestens ignorant sein – oder gar zustimmen.
Wir pflegen seit nunmehr 24 Jahren Mindeststandards bei der Auswahl der Acts, die wir auf unserer Bühne sehen möchten. Zu diesen Standards zählt, dass sexistische, homophobe, rassistische, antisemitische, nationalistische und andere menschenfeindliche Inhalte bei uns keinen Platz haben. Reine »Kontaktschuld« soll dabei generell nicht ausschlaggebend sein. Das heißt, dass wir von Bekanntschaften oder Kooperationen nicht in jedem Fall auf inhaltliche Übereinstimmung schließen. Dennoch würden wir gern wissen, wie du zu Xavier Naidoos homophoben und verschwörungstheoretischen Positionen stehst, die er ja auch nicht ausschließlich außerhalb seiner Musik, sondern teilweise auch in seinen Texten vertritt. Daher bitten wir dich hiermit um eine Stellungnahme, die für uns verständlich macht, warum du dir für das Feature auf einem offensichtlich für dich persönlich sehr bedeutungsvollen Track ausgerechnet Naidoo ins Boot geholt hast und wie eure Zusammenarbeit in Zukunft aussehen wird.
Wir gehen davon aus, dass du Xavier Naidoos Äußerungen genauso kritisch siehst und hoffen außerdem auf eine inhaltliche Distanzierung deinerseits. Wir sind gespannt auf deine Antwort!

Bis dahin
Conne Island Plenum
27.01.2014«

Leider erhielten wir keine direkte Antwort von Nico, der wohl auch mit dem derzeitigen Release seiner neuen Platte sehr beschäftigt war. Sein Zwillingsbruder und Manager ließ gegenüber dem Conne Island vorerst verlauten, dass Nico selbstverständlich kein Nazi oder Rassist sei und sich durch sein Engagement in kulturübergreifenden Projekten, besonders mit Kindern und Jugendlichen, bereits seit vielen Jahren aktiv gegen Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit einsetze. Seine Texte beinhalteten weder Homophobie noch Sexismus, außerdem sei seine Frau Libanesin, was deutlich zeige, dass er auch mit Rassismus nichts am Hut habe. Wir fanden diese Erklärung sehr dürftig und wiederholten daraufhin noch einmal die unbeantwortete Frage nach der Haltung gegenüber Xavier Naidoos politischen Äußerungen, dem Grund für die Kooperation und die Bitte um Distanzierung.
Die Antworten – wiederum nicht direkt von Nico Suave – erklärten die Zusammenarbeit als ein Produkt eines zufälligen Treffens, gegenseitiger Sympathie und der Tatsache, dass Nico Xavier Naidoo als Künstler schätzt. Außerdem habe sich Nico nie mit Verschwörungstheorien auseinandergesetzt und vertrete dazu daher auch keine öffentliche Meinung.

Im Laufe der Auseinandersetzung wurde klar, dass Nico Suave nicht die Hand beißen würde, die ihn füttert. Es scheint, als wären die beruflichen Nachteile daraus, sich öffentlich auf irgendeine Weise von Xavier Naidoo zu distanzieren, zu groß, als dass sie in der deutschen HipHop-/ Soul-Szene durch inhaltliche Credibility aufzuwiegen wären. Ob es Sinn macht, sich stattdessen als Homie von Xavier Naidoo identifizieren zu lassen, finden wir fragwürdig. Letztendlich ist Nico Suaves Musik inhaltlich unbedenklicher und eingängiger Pop, weshalb wir uns entschieden, die Show nicht abzusagen. Am Abend der Veranstaltung werden wir versuchen, ein Interview mit Nico zu führen, um ihn noch einmal ganz persönlich auf die Diskrepanzen zwischen seinem proklamierten Anspruch und Xavier Naidoos Reichsbürgertum und Homophobie anzusprechen. Inwiefern seine Statements zufriedenstellend und zu veröffentlichen sein werden, bleibt abzuwarten.

Conne Island Plenum
März 2015

Anmerkungen

(1) http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/xavier-naidoo-auf-montagsdemos-ueber-deutschland-und-paedophi-le-a-987539.html
(2) http://www.spiegel.de/kultur/musik/xavier-naidoo-und-kool-savas-wegen-songtext-angezeigt-a-867212.html
(3) http://www.musikexpress.de/fundstuecke/article627328/xavier-naidoo-im-interview-ich-bin-ein-rassist-aber-ohne-ansehen-der-hautfarbe.html

02.04.2015
Conne Island, Koburger Str. 3, 04277 Leipzig
Tel.: 0341-3013028, Fax: 0341-3026503
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