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Aktuelles Heft

INHALT #221

Titelbild
Editorial
• das erste: Kommunismus ist was Bestimmtes – Eine Replik auf die Autodidaktische Initiative Leipzig
Klub: Kowton
Buchvorstellung: Sascha Lange: "Meuten, Swings & Edelweißpiraten. Jugendkultur und Opposition im Nationalsozialismus"
Die neue notwendige Offensive der radikalen Linken
Ariel Pink
Taste of Anarchy Tour
Benefizdisko!
klub: electric island w/ Ben Ufo
Discipline, Deadline, Topnovil
Danko Jones, The Admiral Sir Cloudesley Shovell
Nico Suave
Cock Sparrer, Lord James, Smart Attitude
Lagwagon
The Devil Makes Three
• review-corner buch: Schlichter Regress
• position: Pegida schafft sich ab.
• doku: Erinnerung, Vergessen und das linke Geschichtsbewusstsein
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→ In der Ausgabe #52 des libertären Leipziger Magazins Feierabend! vom September 2014 hat die Autodidaktische Initiative Leipzig (ADI) einen Text unter dem Titel Warum Degrowth und nicht Klassenkampf? veröffentlicht. Der Text schloss mit der Aufforderung, angesichts des »große[n] Wunsch[es] nach einem besseren System, der die Bewegungen eint, […] voneinander zu lernen.« Einige Leute aus der IG Roboterkommunismus (translibleipzig.wordpress.com) wollten die Diskussion (siehe auch CEE IEH #217) gern weiterführen. Die Redaktion des Feierabend! aber fand ihre Replik »zu lang«, »zu leninistisch« und »angeblich zu kompliziert für die durchschnittlichen Feierabend!-Leser«. 
 hingegen trauen euch (und uns) fast alles zu und veröffentlichen ihren Text deshalb an dieser Stelle.



Kommunismus ist was Bestimmtes – Eine Replik auf die Autodidaktische Initiative Leipzig

von einigen Leuten aus der IG Robotercommunismus

Das Ideal der Aufklärung ernst zu nehmen hieße, so die Autodidaktische Initiative Leipzig (ADI), »sich selbst in Bezug auf schwierige Fragen kritisch zu schulen.« Welche Fragen das im Zusammenhang von kapitalistischer Vergesellschaftung und ökonomischem Wachstum aber sind, bleibt in ihrem Text völlig unklar. Wir teilen prinzipiell die Ausrichtung einer organisierten kollektiven Selbstbildung. Diese darf für uns als Lohnabhängige aber nicht uninteressiert d.h. selbstzweckhaft daherkommen, sondern muss ein Mittel sein, unsere Abhängigkeit aufzuheben. Selbstbildung hat deshalb die Entwicklung des Bewusstseins über die uns erdrückenden sozialen Verhältnisse und die Verallgemeinerung dieses Bewusstseins zum Ziel. Sie ist darin gleichsam praktisch, indem sie die Einsicht in den Zusammenhang unserer unterschiedlichen Tätigkeiten innerhalb der gesellschaftlichen Arbeitsteilung vermittelt und damit eine universale politische Perspektive entwickelt, die alle Lohnabhängigen teilen können.
Die grundlegenden Fragen, die sich uns dabei stellen sind: (1) Wie funktioniert die 
kapitalistische (Re)Produktion der Gesellschaft ökonomisch, politisch und ideologisch? Und: (2) Welche Möglichkeiten einer gesellschaftlich bewussten (Re)Produk-tion eröffnet die kapitalistische Produktionsweise?
Die erste Frage zielt auf das Verständnis der herrschenden ökonomischen und politischen Verhältnisse, ihrer Entwicklungstendenzen sowie darauf, wie sich diese objektiven Verhältnisse im Bewusstsein der Menschen spiegeln. Dieses Bewusstsein spielt für die Frage der Reproduktion, also der Aufrechterhaltung, eine zentrale Rolle. Als ideologisches Bewusstsein präsentiert sich die herrschende Ordnung den Menschen als eine quasi natürliche – als etwas, das immer schon war und außerhalb ihrer Handlungsreichweite liegt. Die zweite Frage markiert hieran anschließend den entscheidenden Sprung revolutionärer Theorie. Sie zielt auf die Analyse der bestehenden Verhältnisse aus der Perspektive ihrer Überwindung.
Der ADI stellt die marxsche Kritik der politischen Ökonomie als Instrument zur 
 des Wachstumszwangs der kapitalistischen Ökonomie dar. Dabei bringt sie 
diese aber um ihren revolutionären Kern, da Marx nur als der bessere Ökonom verwendet wird, dessen Theorie einen höheren Abstraktionsgrad und dadurch einen umfassenderen Erklärungsanspruch habe. Kein Wort wird darauf verschwendet, was Kapitalakkumulation ihrem Wesen nach ist: Ausbeutung und Aneignung menschlicher Arbeitskraft durch das Kapital. So heißt es im Text: »Folgt man der marxschen Analyse, liegt die Wurzel allen Übels darin, dass individuell agierende Einzelkapitalisten die Kontrolle über die Organisation der Produktion (inklusive der ArbeiterInnen) besitzen, um Waren für einen anonymen Markt zu produzieren – und den zahlreichen Spannungen, die sich hieraus ergeben.« Was hier als die Quintessenz der marxschen Kapitalkritik präsentiert wird, ist ein ziemliches Kuddelmuddel.
Marx vollzieht in seiner Kritik der kapitalistischen Produktionsweise den prozessierenden Widerspruch nach, der in der Warenform selbst liegt und sich in der Dynamik kapitalistischer Akkumulation entfaltet. Dieser Widerspruch besteht kurz gesagt darin, dass das Kapital die lebendige Arbeit als sein Lebenselixier braucht und sie doch gleichzeitig zunehmend aus dem Produktionsprozess verdrängt, wodurch das Kapital seine Reproduktion selbst untergräbt. Das Übel besteht nicht vor allem darin, dass »individuell agierende Einzelkapitalisten« für einen »anonymen Markt« produzieren, sondern darin, dass die Arbeits- und Lebensmittel in den Händen einer Klasse von Eigentümern monopolisiert sind, die der großen Masse der (lohnabhängigen) Menschen die Arbeits- und Lebensbedingungen diktiert. Heute existiert die Bourgeoisie nicht maßgeblich als Klasse von individuell agierenden Einzelkapitalisten, sondern in zunehmendem Maße als assoziierte Macht des gesellschaftlichen Kapitals (Aktiengesellschaften). Die Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals ist eine in steigendem Maße gesellschaftliche Angelegenheit. Was den Zusammenhang der formal selbstständigen Betriebe wirklich vermittelt, sind nicht die unbedingten anonymen Marktbeziehungen, sondern der stofflich-technische Zusammenhang ihrer jeweiligen Teilarbeiten, sprich: die gesellschaftliche Arbeitsteilung, die sich zu einem weitgehend festgelegten und in sich vielfach rückgekoppelten System von Produktions- und Konsumtionsbeziehungen verbunden hat. Gerade die Produktion von Produktionsmitteln (Maschinen etc.) läuft weitgehend auf Bestellung und nicht über einen anonymen Markt.(1)
Damit ist nicht gesagt, dass die Konkurrenz unter den verschiedenen Einzelkapitalen aufgehoben ist. Einzelkapitale existieren weiterhin und ihr Konkurrenzkampf treibt den Ausstoß der Produktion in die Höhe. Für eine Antwort auf die Frage nach der (Re)Produktion der herrschenden Verhältnisse ist jedoch zunächst einmal die spezifische Form zentral, in der die Verhältnisse herrschen. Im Gegensatz zur 
Sklaverei oder dem Feudalsystem ist die Herrschaft den Lohnabhängigen nicht äußerlich. Indem wir unsere Arbeitskraft an das Kapital verkaufen und diesem einen Mehrwert produzieren, wiederholen wir nicht nur tagtäglich die Enteignung durch das Kapital. Mit der wachsenden Konzentration vergegenständlichter Arbeit als Kapital, der Technisierung der Produktion und der Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen befestigen wir die Macht des Kapitals über uns. Die Form der Herrschaft der Bourgeoisie beruht also auf der vergegenständlichten Produktivkraft der Arbeit, die den ProduzentInnen als eine ihnen fremde Macht gegenübertritt. Die Kapitalisten fungieren dabei lediglich als die Charaktermasken des Kapitals und sind von dessen eigenen Gesetzen abhängig.
Auch ökonomisches Wachstum ist in diesem Zusammenhang zu betrachten. Als solches ist es keine einfache Folge der Konkurrenz, sondern gründet schon im Kampf um den Profit. Dieser entsteht durch die Aneignung genau der Arbeit, die als »Mehrarbeit« über das hinausgeht, was zur Herstellung der materiellen und kulturellen Lebensmittel gesellschaftlich notwendig ist. Der Ausweitung der Produktion liegt der Kampf um die Ausdehnung bzw. Zurückdrängung der Mehrarbeit fürs Kapital zu Grunde, also letztlich der Kampf um Länge und »Dichte« des Arbeitstages. Die absolute Verlängerung des Arbeitstages stößt an die natürliche Grenze der Belastbarkeit der ArbeiterInnen und an die kulturelle Grenze eines ›normalen Arbeitstages‹, die im Klassenkampf durchgesetzt werden kann. Die relative Verlängerung der Mehrarbeit dagegen wird durch die Einführung von Technologie und Maschinen erreicht, indem die notwendige Arbeitszeit gesenkt wird. Durch die Rationalisierung der Produktion kann eine größere Warenmenge in derselben Zeit, also günstiger produziert werden. Der Mehrwert pro Ware sinkt, aber die absolute Menge an produziertem Wert steigt mit dem exponentiellen Wachstum der Warenmenge. Die Konkurrenz zwischen den Kapitalen, die ein grundlegendes Moment der kapitalistischen Produktionsweise ist, befördert diesen Prozess treibhausmäßig, sie ist aber nicht die letzte Ursache.
Die »Spannungen«, wie die ADI diffus und euphemistisch schreibt, die aus dieser Dynamik resultieren, und die mit »Krisen« besser bezeichnet sind, gründen im grundlegenden Widerspruch des Kapitals, der von Marx in dieser Hinsicht auf den Begriff des tendenziellen Falls der Profitrate gebracht wurde. Dieser tendenzielle Fall der Profitrate drückt sich in verschiedenen Tendenzen und Gegentendenzen aus: Pleitenflut und Rekordgewinne, Arbeitslosigkeit und Steigerung der Arbeitszeit und -intensität, Überproduktion von Waren bei gleichzeitiger Stagnation/Rückgang des Konsums. Diese Tendenzen sind Zusammenbruchstendenzen der kapitalistisch organisierten Reproduktion der Gesellschaft, die sich in Argentinien 2001 oder zurzeit in Griechenland bereits als solche offenbaren.
Auch auf die zweite grundlegende Frage, jene nach einer möglichen Überwindung dieser Verhältnisse, hat die ADI als Antwort nicht mehr zu bieten als das Glaubensbekenntnis »Eine nicht-kapitalistische Welt ist möglich!«. Dieses lässt völlig offen, dass diese Welt etwa auf einer (Re)Produktion ohne Geld, Markt und Staat zu gründen hätte. Es steht beispielhaft dafür, dass sie den Kapitalismus »höchstens als zur Lösung aufgegebenes Problem zu sehen imstande sind, ohne zur Einsicht gelangen zu können, dass gerade hier, gerade im Problem selbst, sowohl die Lösung, wie der Weg zur Lösung mitgegeben sind.« (Georg Lukács). Zur Begründung der Möglichkeiten von Befreiung wäre herauszuarbeiten, wie diese Möglichkeiten im Bestehenden existieren oder hergestellt werden. Kommunismus ist nicht die Utopie einer ›anderen Welt‹, sondern, nach Marx, die »wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.« »Die Bedingungen dieser Bewegung«, schreibt er weiter, »ergeben sich aus der jetzt bestehenden Voraussetzung.« Wir müssen uns ansehen, wie der Kapitalismus mit dem Privateigentum seine eigene Lebensgrundlage zunehmend untergräbt und wie sich darin die Möglichkeit und Notwendigkeit einer anderen gesellschaftlichen Organisation andeutet. Eine kommunistische Auf-
 bedarf also bestimmter gesellschaftlicher Bedingungen, die aus den jetzigen Verhältnissen antizipierbar sein müssen, sonst bleibt der Kommunismus selbst ein Luftschloss.(2)
Die kapitalistische Produktionsweise zeichnet sich aus der Perspektive ihrer Negation vor allem durch vier Tendenzen aus, die die Herrschaft des kapitalistischen Privateigentums untergraben. Die erste zentrale Tendenz ist die ungemein vorangeschrittene Vergesellschaftung der Produktion in kapitalistischer Form. Das heißt die Produktion und Zirkulation sind solchermaßen verschränkt, dass heute die Abschaffung der trennenden Markt- und Geldbeziehungen nicht nur vorstellbar wird, sondern in den Fertigungsketten der großen Industrie bereits zu einem gewissen Grad verwirklicht ist. Wird doch der Austausch zwischen den verschiedenen Betrieben weitgehend auf Kredit abgewickelt, wobei sich der größte Teil der Buchungsvorgänge saldiert, Käufe und Verkäufe gleichen sich also weitgehend aus. Die zweite Tendenz ist die Verallgemeinerung der Automation, die sich darstellt als progressive Verdrängung der lebendigen Arbeit aus dem Produktionsprozess, also der Verüberflüssigung von immer größeren Teilen des Proletariats – das heißt aber auch: die Proletarität wird im Hinblick auf die gesellschaftliche Reproduktion überflüssig. Mit der Entwicklung der menschlichen Produktivkraft geht außerdem die Verallgemeinerung der Kommunikationstechnologie einher, die heute erst eine demokratische Kommunikation im Weltmaßstab ermöglicht. Diese kann mehr sein als eine langsame, begrenzte, einseitige und hierarchische Struktur, wie sie die Kommunikationsmittel vor der ›digitalen Revolution‹ wesentlich auszeichnete. Die vierte wichtige Tendenz ist die Verallgemeinerung der höheren Bildung. Die Nivellierung der Bildung zur ›Massenware‹ vermittelt heute einem immer größeren Teil des Proletariats nicht nur die Einsichten in die Regelung besonderer Abläufe in der Produktion und Zirkulation (insbesondere durch die Elektronische Datenverarbeitung), sondern auch allgemeine Fähigkeiten und Fertigkeiten, die für eine demokratische Regelung der Gesellschaft notwendig sind.
Diese Tendenzen produzieren die Möglichkeiten einer gesellschaftlich-bewussten und demokratischen (Re)Produktion nach menschlichen Bedürfnissen. Jede dieser Tendenzen entwickelt sich jedoch in kapitalistischer Form und damit widersprüchlich – so treibt die Automation nicht nur die Reduktion der notwendigen Arbeit voran, sondern erhöht den Druck auf die Lohnabhängigen durch Rationalisierung. Die Vergesellschaftung der Produktion ist auch erkauft durch eine ›Flexibilisierung‹ der Ware Arbeitskraft, die auf die perfekt abgestimmten Produktionsabläufe entsprechend ›perfekt‹ eingepasst werden soll, was sich auch in der Ausbreitung von Nacht- und Schichtarbeit niederschlägt. Die Kommunikationstechnologie entwickelt vor allem den Zugriff und die Kontrollmöglichkeiten des Staates (in Form der Sicherheitsorgane oder der Verwaltung) und des Kapitals (in Form der Werbeindustrie). Die Verallgemeinerung der Bildung geht mit ihrer Transformation zur verdinglichten Ausbildung von SpezialistInnen einher. Die Repression gegen unser Leben wird durch diese Tendenzen nicht weniger, sondern mehr. Das Kapitalverhältnis erweist sich in seiner Entfaltung als zusehends unfähig, die gesellschaftliche Reproduktion aufrechtzuerhalten. Die Angriffe auf die sozialen Dienstleistungen, Arbeitsschutz-
gesetze und Löhne sind ebenso ein Ausdruck dieser Entwicklung wie die gigantische Finanzspekulation. Nur bedeutet diese krisenhafte Entwicklung keine automatische und zwangsläufige Entwicklung zu einer vernünftig gestalteten Gesellschaft. Auch wenn die Verhältnisse in denen sie eingesetzt werden beständig ihre repressiven Seiten zeigen, sehen wir in der Entwicklung der Produktivkräfte ein emanzipatives Potential. Zu dessen Verwirklichung bedarf es einer Bewegung, die in der Lage ist, sich ihrer zu bemächtigen und ihre Nutzung bewusst zu organisieren.
Es sollte damit klar geworden sein, dass wir in der Rückkehr zu kleinbäuerlichen und anderen vorindustriellen Produktionsformen, in Regionalisierung und Tauschwirtschaft, also den Vorstellungen, die in der Degrowth-Bewegung vorherrschen, keine Formen kommunistischer Produktion antizipiert sehen, sondern einen Gegenentwurf zu einer bewussten Aneignung der menschlichen Produktivkraft im Weltmaßstab. Damit ist nicht gesagt, dass die Demokratisierung der Gesellschaft nicht von der kommunalen Ebene ausgehen sollte oder dass die Produktion nicht auch unter ökologischen Gesichtspunkten zu gestalten wäre und kleinere Produktionseinheiten nicht durchaus vernünftig sein können. Aber dies wäre unter dem sinnvollen Einsatz der arbeitszeitsparenden technischen Mittel zu organisieren, um die freie Entwicklung jedes Einzelnen zur Bedingung der freien Entwicklung aller zu machen und nicht die Herrschaft der Gemeinschaft über den Einzelnen wieder zu errichten.

Da es mit dem Aufweisen der objektiven Bewegung, die den bestehenden Zustand aufzuheben droht, nicht getan ist, stellt sich die Frage nach den Subjekten, die diese Aufhebung zu ihrer bewussten Aktion machen. Wie also befördern wir eine bewusste Aufhebungsbewegung gegen den bestehenden Zustand und mögliche Auswirkungen? Die ADI meint, als KommunistInnen könnten wir von Degrowth lernen, dass es um den Aufbau der Utopie im Jetzt gehen müsste, weil die uto-
pischen Projekte Freiräume und ein Milieu für die Organisation einer breiten Bewegung schaffen könnten. Aber Bewegung wofür? Die politische Perspektive einer solchen Organisation bleibt vollkommen im Dunkeln. Wir brauchen eine inhaltliche Verständigung über die Ziele einer sozialen Emanzipationsbewegung, die die gemeinsamen Interessen der großen Mehrzahl der Menschen zum Ausdruck bringt. Es ist nicht bloß so, dass heute »immer noch« ein Großteil der Leute lohnabhängig ist. Vielmehr schreitet die Proletarisierung der Welt immer weiter voran und macht immer mehr Leute lohnabhängig, ohne ihnen freilich auch Lohnarbeit zu garantieren. Die Verallgemeinerung der Lohnarbeit, der Niedergang der industriellen ArbeiterInnenklasse in den Metropolen, die Überakkumulationskrise des Kapitals seit den 1970ern und die erfolgreiche Verschärfung der Konkurrenz unter den Arbeitenden (Hartz4, Leiharbeit etc.), hat zu einer Neustrukturierung der Klasse geführt, die neue Strategien erforderlich macht. Heute sind wir vor allem darauf zurückgeworfen, die Angriffe des Kapitals auf unser Leben abzuwehren. Eine breite gesellschaftliche Bewegung scheint nur im Kampf gegen die Gesamtheit der sozialen Angriffe auf die gesellschaftliche Daseinsvorsorge (Rente, Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung etc.) möglich. Also als eine milieu-übergreifende Organisation der Klasse als derjenigen Leute, die gerade nicht vielmehr teilen, als die Abhängigkeit vom Lohn und die Erfahrung, von den aktuellen Angriffen des Kapitals zusehends erdrückt zu werden.
Natürlich brauchen wir auch Stützpunkte – Orte, an denen wir diskutieren und uns organisieren können. Dabei gilt es jedoch der Versuchung zu widerstehen, diese oft sehr milieugebundenen und um den Preis der Selbstausbeutung erhaltenen Räume als Inseln im Bestehenden zu idealisieren, als ob sie von dessen Einfluss freigehalten werden könnten. Ebenso werden auch politische Initiativen, die sich heute darauf kaprizieren, den Massenkonsum zu kritisieren bei Leuten, deren Überleben mit einem immer höheren Preis erkauft ist, keine offenen Türen einrennen.
Die Abschaffung der Lohnarbeit und des Wachstums stehen insofern in einem Bedingungsverhältnis, als die Aufhebung der Eigentumsverhältnisse die Bedingung für eine gesellschaftlich-bewusste Produktion ist, die dann nach vernünftigen Prinzipien organisiert werden kann: also unter anderem nach ökologischen Maßstäben. Es wäre vor allem aber auch die hierarchische Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern, zwischen den ethnisierten sozialen Gruppen, zwischen Hand- und Kopfarbeit, zwischen Stadt und Land und zwischen den Generationen umzuwälzen. Das Programm einer kommunistischen Umwälzung muss insofern total sein, als es die ganze Totalität menschlicher Beziehungen in Frage stellt, sich also nicht mit der Eigentumsfrage bescheidet, sondern für die Emanzipation in allen gesellschaftlichen Bereichen kämpft. Solange den Menschen aber ihre eigene gesellschaftliche Produktivkraft in ihrer entfremdeten Form als Kapital gegenübertritt, solange hängt ihr Überleben an der gelingenden Verwertung des Kapitals und keine noch so junge und frische Kritik des Wachstums wird diese materielle Basis des »Wachstumsdenkens« dekonstruieren können, wenn dessen Fundament nicht selbst praktisch in Frage gestellt wird.

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Anmerkungen

(1) Siehe ausführlich: Werner Imhof, Über kommunistische Produktion als praktische Möglichkeit oder mögliche Praxis, online unter: http://bit.ly/1s5e8XP
(2) Robert Schlosser »Voraussetzungen des Kommunismus«, online unter http://bit.ly/1toeHOK

12.03.2015
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