• Titelbild
• Editorial
• das erste: Zum 75. Jahrestag des Elser-Attentats
• inside out: Feminist Street Art against Street Harassment
• Booze & Glory, Argy Bargy, The Fat Tonies
• Equal / Not Equal . Frauen in der elektronischen Musik
• Der eindimensionale Mensch wird 50
• Protest the Hero, The Faceless, The Contortionist, Destrage
• Filmriss Filmquiz
• Being as an Ocean, Vanna, My Iron Lung, Crooks
• Rocko Schamoni "Fünf Löcher im Himmel"
• Darkest Hour, Tenside
• Sinkane, Nicholas Krgovich
• AMP // R aka Hvrtmill, Felix Valentin, Toni Buletti, Absent Zein Auks
• Rex Feuchti
• Von Spar
• 10 years electric island
• halftime : Mala'Ka & Bearden
• Amity Affliction
• doku: Fat Acceptance – Was soll das ganze eigentlich?
• doku: Waffen für die Kurden
• doku: Biji Israel & Kurdistan!
• doku: Männliche Abstiegsangst
• doku: Die Tea-Party als Klassenprojekt – Neoliberale Religiosität in den USA
• review-corner event: Die Linke schläft, das Bündnis macht, das haben die Rechten gut bedacht!
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• das letzte: Connewitzer Heimatliebe
Zugegeben ein recht provokanter Satz, aber nachdem man die organisatorischen Strukturen um das sich wiederkehrende erste Oktoberwochenende mitbekommen hat, kotzt einen eigentlich nur noch alles an. In Döbeln, einer Kleinstadt mit gut 20.000 Einwohner_innen im Herzen von Mittelsachsen, geht alles schief, was im Rahmen eines Naziaufmarschs schiefgehen kann. Dieser Aufmarsch ist nicht neu, man könnte sogar sagen, er hat sich institutionalisiert und bewährt und läuft jedes Jahr ohne größere Störungen ab.
In Döbeln finden seit dem 1. November 2008 fast jährlich Naziaufmärsche statt. Nach 2008 kamen am 28. November 2009 etwa 150 Nazis aus der Umgebung und Sachsen-Anhalt unter dem Motto: »Volkstod stoppen – Recht auf Zukunft« nach Döbeln. Am 6. November 2010 schließlich stand der Aufmarsch unter dem Motto: »Steht auf gegen die Übermacht der Demokraten – Nationalen Sozialismus durchsetzen«. An diesem Tag fanden sich im Anschluss an die aus Sicht der Nazis nicht ganz so erfolgreiche Demonstration 40 Nazis zu einer Spontandemo in Leisnig,
ca. 50 in Delitzsch und ca. 70 in Mittweida zusammen.
Die maßgebliche örtliche Nazistruktur Nationale Sozialisten Döbeln wurde im Februar 2013 vom sächsischen Innenministerium verboten. Die Folge war eine
Hinwendung zur Jugendorganisation der NPD, den Jungen Nationaldemokraten (JN). Unter dem Motto »Der Drang nach Freiheit – Gegen Repressionen und
Polizeiwillkür« marschierten am 5. Oktober 2013, nach zwei Jahren Pause, etwa
250 Nazis durch Döbeln, wobei es erstmalig auch eine Gegendemonstration mit
Teilnehmer_innen gab.
Die Nazis in und um Döbeln, allen voran die Trautmann-Brüder, sind seit Jahren in den verschiedensten Strukturen aktiv. Sie konnten sich politisch auch in den parlamentarischen Strukturen verankern, so ist Stefan Trautmann aktuell gewähltes Mitglied im Stadtrat Döbeln und Mitglied des Kreistags im Landkreis Mittelsachsen. Somit kommen die Nazis nicht nur an Informationen, welche sie nicht erhalten sollten, auch ihr aktives Agieren z.B. im Jugendhilfeausschuss gegen
die etablierten alternativen Einrichtungen im Landkreis Mittelsachsen kann zu einer großen Gefahr werden. Bemerkenswert ist Trautmanns Wahl vor allem durch sein beachtliches Vorstrafenregister.
Am Samstag, dem 04. Oktober 2014, liefen nun 230 Nazis durch Döbeln. Aufgerufen hatte die JN unter dem Motto: »Sag was du denkst – Entfache das Feuer der Wahr-heit!«. Und irgendwie war es mehr oder weniger der gleiche Ablauf, selbst das auf einem Transparent hochgehaltene Hitler-Zitat »Menschenrecht bricht Staatsrecht« nutzten die Nazis bereits 2013. Obwohl die Auflagen ihnen direkte Bezüge zum Nationalsozialismus untersagten, schritt die Polizei nicht ein. Neu in diesem Jahr war der Versuch einer kurzfristig angemeldeten Nazikundgebung am Vorabend unter dem Motto: »Den Linken den Geldhahn abdrehen« vor dem soziokulturellen Zentrum Treibhaus, welche allerdings auf den Obermarkt verlegt wurde. Außerdem durften die Nazis mit Genehmigung der Stadt Döbeln in der Nacht zuvor entlang der Route und am Kundgebungsort des Bündnisses ihre Scheiße plakatieren.
Was am Tag der Demo passieren würde, war eigentlich vorhersehbar – aus antifaschistischer Sichtweise nämlich so gut wie nichts. Es gibt vereinzelte Blockadeversuche und gute zivilgesellschaftliche Bestrebungen in Form eines Bündnisses Döbeln ist Bunt. Das vor einigen Jahren gegründete Bündnis besteht aus einem SPD-Lokalpolitiker, ein paar Jugendlichen und sonst niemandem. Das Problem daran sind nicht die engagierten Menschen vor Ort, sondern die Nichtrelevanz der organisierten Veranstaltungen. Offen wird damit geworben, keine antifaschistische Gegenstruktur auf den Kundgebungen zu wollen. Es soll ein zivilgesellschaftliches Bündnis sein, ist es aber nicht. Wichtige Bündnispartner fehlen oder gehen auf die CDU-Veranstaltung am Obermarkt. Die Region Mittelsachsen ist stark CDU-dominiert. Die Stadt Döbeln, allen voran der CDU-Bürgermeister, macht ihre eigene Veranstaltung in der Nähe des Rathauses, zwar auch irgendwie innerhalb des Bündnisses, aber eigentlich auch nicht. Er oder mögliche Vertreter_innen nehmen an keinen Vortreffen teil und irgendwie erschleicht einen auch der Gedanke, dass er sich aus politischer Differenz nicht gern im Rahmen des Bündnis bewegen möchte.
Der Grundgedanke hinter der Bündnisveranstaltung ist ja nicht so verkehrt, allerdings hat das Bündnis nicht einmal einen Selbstzweck, weder übermäßig viel Zivilgesellschaft noch regionale Institutionen sind bei dieser Veranstaltung/Kundgebung. Aber auch die Bürgermeisterveranstaltung, welche im Gegensatz zur Bündnisveranstaltung ganz klar ohne wirklichen politischen Anspruch als Alibi fungiert, spricht niemanden an.
Also was ist los in Döbeln? Positiv betrachtet könnte man meinen, der Naziaufmarsch interessiere niemanden, kritisch betrachtet könnte man sagen, es gibt keine antifaschistischen Strukturen um die Stadt mal aus dem Dornröschenschlaf zu holen. Es ist doch zum Kotzen, wenn Nazis bundesweit und darüber hinaus für eine solche Demo auf dem Lande werben und ihre Demonstrationen seit mehreren Jahren stets ohne jegliche Schwierigkeiten und Hindernisse von staatlichen Institutionen regelrecht durchgeleitet werden. Die Strecke ist meist die gleiche bzw. wird von Jahr zu Jahr erweitert. Dieses Jahr um den Stadtteil Döbeln-Nord, was so ziemlich als Einzugs- und Ballungsgebiet potenzieller NPD-Wählerschaft beschrieben werden kann. Auch die nach sechs (!) Jahren erstmals gefasste Idee, nicht den Nazis die Erstanmelderschaft zu überlassen und am 6. Oktober diesen Jahres gleich für den 3. Oktober 2015 eine Demo auf der Naziroute anzumelden, ist nicht zielführend. Zielführend – im Sinne einer Störung bzw. Verhinderung des Naziaufmarschs – wäre eine bundesweite antifaschistische Mobilisierung nach Döbeln. Sowohl die Stadt und ihre Bürger_innen als auch die dazugehörigen Ordnungsbehörden müssen aus ihrem Dornröschenschlaf geholt werden. Es gibt kein ruhiges Hinterland – nur in diesem Falle schon? Also merkt euch den 3. Oktober 2015 schonmal vor.