• Titelbild
• Editorial
• das erste: Kritik des GegenStandpunkts – Von Fehlern und Härten unreflektierter Rationalität
• FM BELFAST, BERNDSEN
• Klub: DEEJAYS ON THE LOW
• Warm Graves, Creams, Stefkovic van Interesse
• Kraftklub
• Total Heels, The Dropout Patrol
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• OFF!, Cerebral Ballzy!
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• Klub : Electric Island
• Bonaparte
• Hellnights 2014
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• After the Burial
• Smoke Blow
• inside out: Stellungnahme zur Absage der Afrob & Megaloh- Tour im Rahmen der Königsklasse 2014
• inside out: Brief an Afrob
• review-corner platte: Aphex Twin – Syro
• doku: Aufruf zur Schrumpfung der Degrowth-Konferenz An den Vorbereitungskreis und alle anderen Klein- und Bescheidenheitsgeister!
• doku: Dummheit des AK Nahost schlägt sich an unserer Haus- wand nieder
• doku: Es gibt kein Menschenrecht auf Israelkritk – Gegen den antisemitischen Konsens
• doku: Perspektiven antirassistischer Arbeit in Leipzig: Auswertung der »Refugees Welcome!« -Demo
• doku: Das war eine spezielle Mentalität, nicht wahr? – Nachruf auf Peter Scholl-Latour
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• das letzte: Bob Ross and The Joy of Painting oder There are no mistakes – just happy little accidents
Hey Afrob,
es ist schon eine Weile her, dass du auf der Bühne des Conne Islands in Leipzig standest. Beinah dreizehn Jahre liegt der letzte von deinen immerhin schon drei Auftritten in unserem Laden zurück. Dreimal ist nicht gerade wenig und die Shows hatten ihre volle Berechtigung: wir haben deine Art des Rap geschätzt, ragte er doch qualitativ sowohl in musikalischer als auch in inhaltlicher Hinsicht deutlich über den Durchschnitt deutschsprachigen HipHops hinaus. Daraus haben wir keinen Hehl gemacht, zu deiner Show 2001 wurdest du als »hochintelligente Ausnahme unter den [...] deutschen HipHop-Interpreten« angekündigt. Sympathisch machte dich sicherlich deine klare antirassistische Positionierung, die zu den am Laden vertretenen Überzeugungen gepasst hat.
Daran dachten wir auch, als wir dich für den 3. Oktober diesen Jahres zusammen mit Megaloh gebucht haben. Zugeben müssen wir jedoch, dass wir dich und dein musikalisches Schaffen in der Zwischenzeit etwas aus den Augen verloren haben. Erst jetzt ist uns aufgefallen, dass die zurückliegende Zeit doch einiges an Veränderungen mit sich gebracht hat. Diese sind in unseren Augen so erheblich, dass wir nicht einfach darüber hinweggehen können und wollen.
Schwer gestolpert sind wir an deinem Song »Gief Konjunkturpaket VI« vom 2009er Album Der letzte seiner Art.
Darin hast du folgende Strophe getextet: »Es ist sehr lang her und ich sprach über Araber / Noch immer töten Israelis Babys im Gaza / Stell dir einmal vor, jemand kommt in dein Land / Schickt dich ins Lager, fremd im eigenen Land / raubt dir die Grundlage deiner Existenz / Niemand hat gefragt, mit der Macht der UN / Und sie riefen ihren Staat aus, klar dass es Krieg gibt / Zeig mir ein Volk, dass sich sone Scheisse bietet / Waren nicht die Araber, die euch mal vertrieben / Geht doch nach Italien die Römer bekriegen / Nein, nein ihr geht auf die Schwachen, keine Armee, paar Raketen als Waffen / Ich bin nicht gegen Juden und gegen Israels Politik / wenn man sowas sagt, ist man kein Antisemit / Unschuldige starben bei 'nem Selbstmordattentat / ist dann die Antwort ein weiteres Massengrab?«
Offensichtlich hantierst du hier mit antisemitischen Stereotypen. Wenn du rappst, dass Israelis in Gaza noch immer Babys töten würden, ist das altbekannte Phantasma vom ritualmäßig kindermordenden Juden nicht weit weg. Wenn du die Macht der UN hervorhebst, die angeblich niemanden gefragt habe, klingt dahinter der Verweis auf die jüdische Weltverschwörung deutlich an. Wenn du behauptest, dass sich die Israelis nur an die Schwachen herantrauen, ist das sehr nah dran am antisemitischen Motiv vom angeblich feigen und hinterhältigen jüdischen Charakter. Hinzukommt: mit historischen Fakten hältst du dich nicht auf, stattdessen vermittelst du falsche Eindeutigkeiten. Den UN-Teilungsplan machst du zur Grundlage eines vermeintlichen Existenzraubs, obwohl gerade der eine Zweistaatenlösung vorsah und damit auch einen palästinensischen Staat. Die von dir prominent erwähnten Lager verdanken die Palästinenser vor allem ihren arabischen Nachbarn, denen sie als Faustpfand und Manövriermasse gegen einen israelischen Staat gerade gut genug waren – um mal zwei Beispiele erwähnt zu haben. Das ganze verknüpfst du mit einem auf Blut und Boden-fixierten Volksbegriff und der Standard-Tabubrecher-Attitüde: »Wird man ja wohl mal sagen dürfen.«
Dass wir den Track falsch verstehen, ist unwahrscheinlich. In Interviews nach dem Album-release bestätigst du grundlegende Aussagen. Bei rap.de(1) hast du den furchtlosen Tabubrecher gegeben. Furchtlos, weil du dich ja nicht mit irgendwem anlegst, sondern mit Israel, dem bekanntermaßen jede Schandtat zuzutrauen ist. Der Schritt zur
Verschwörung, in der Israel schaltet und waltet, wie es will, gelingt dir erneut problemlos: »Und dass kein Deutscher sich traut, das so zu schreiben, kann ich schon nachvollziehen, aber es muss auch mal gesagt werden und ich sage es. Das ist mir auch egal, wenn dann der Mossad kommt und irgendwo in Berlin eine U-Bahn entgleist. Die machen so was, glaub mir. Da liegst du dann nicht mit einem Kopfschuss irgendwo im Bad, wo jeder weiß 'Oh ja der ist erschossen!' Alter, die machen ganz andere Sachen. (...) Wenn man viel Druck gegen Israel macht, muss man aufpassen. Und das ist nur die Hälfte von dem, was ich dazu zu sagen hätte.« In einem anderen Interview mit
aightgenossen.ch formulierst du deinen Anspruch bzgl. des Nahost-Konflikts folgendermaßen: »Ich will vor allem die Jüngeren aufklären, darüber was da passiert ist.« Unseres Erachtens ist das Gegenteil der Fall. Du bietest eine einfache und keineswegs neue Antwort: Israel ist Schuld.
Ebenfalls auf deinem 2009er-Album findet sich der Song »Wo sind die Rapper hin?«. Darin enthalten ist folgende Zeile: »Ist 'ne Frau eine Schlampe, hat die Mutter sie verzogen/ Weiß 'ne Frau, was sie will, hat sie dich mit mir betrogen.« Das ist sexistisches Rumgemacker at its best, die Frau soll willfähriges Sexobjekt sein, ansonsten ist sie nichts außer »Schlampe«. Auch darauf wurdest du bereits angesprochen(2), deine Reaktion spricht für sich: »Weißt du, früher hab ich mir über so was heftige Gedanken gemacht. Dieses Mal hab ich drauf geschissen, damit müssen die Leute klarkommen.«
Klarkommen – das ist genau das, worauf wir keinen Bock haben. Weder im Hinblick auf die von dir ausgepackten antisemitischen Stereotype, noch im Hinblick auf den oben zitierten sexistischen Blödsinn. Dafür gibt es im Conne Island keine Bühne. In den uns bekannten Äußerungen können wir nicht erkennen, dass du von diesen Positionen abgerückt bist. Wenn das jedoch nicht der Fall ist, sehen wir für einen Auftritt bei uns keine Chance.
Conne Island / Juli 2014