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Aktuelles Heft

INHALT #216

Titelbild
Editorial
• das erste: Pessimismus, Mythos und Mimesis – »Cascadian Black Metal« als spätmoderne Untergangsutopie1
21. Little Sista Skate Cup
C L O S E R
Zeit der Kannibalen
Ugly Heroes, Barrel Brothers
Benefizdisko!
Mountain Witch, Black Salvation
DEEJAYS ON THE LOW
This Will Destroy You
No -Crap -Flohmarkt
Talking to Turtles
Electric Island - Workshop!
Salon des Amateurs Nacht
Annisokay, Shields
Freddy Gibbs
Drum'n'Bass 2000 Reloaded
FIVA, Average
Evil Conduct
Königsklasse 2014
• doku: It’s complicated!
• doku: Warum starben 400 Kinder in Gaza?
• doku: Die falsche Arbeit der Gesellschaft an sich selbst
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• das letzte: Zur sächsischen Landtagswahl 2014

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Pessimismus, Mythos und Mimesis – »Cascadian Black Metal« als spätmoderne Untergangsutopie1


Animal tractandum


Die Zeiten sind hart, die Arbeitsmärkte voll. Das jagende Treiben der Welt schwemmt uns auf mit Information, integriert uns, treibt uns zur Desintegration, transformiert
uns und der Zugriff von Ökonomie und ihrer sozialpolitischen Exekution wird stärker und stärker. Dabei umrasen uns nicht nur omnipräsente Ströme von Werbung, flimmernden Bildschirmen und treibender und weitertreibender Musik. Der Druck und die
Angst, die in weit verzweigten Machtgefilden herrschen und in Arbeitsämtern durch
die Willfährigkeit und Gnadenabhängigkeit von Sachbearbeitern, in Haben im Alleinsein, in medikamentierten Depressionen und Massenexzessen, im Brennen der Asylbewerberheime, oder im Nachdenken über den Krieg, sich aufbauen und abbauen, sind zum Grundgefühl des westlichen spätmodernen Menschen geworden. Das als solches immer schon trügerische Bild vom animale rationale müsste in animal tractandum, in das zu behandelnde Tier, umgezeichnet werden. Aus dem sich verschärfenden Zugriff auf das Leben, durch dessen Reduktion zu verfügbarem Bestand, resultieren Vereinzelung und Angst. Die spätmodernen Menschen sind nicht autonom. Sie sind lohn-, leistungs- und drogenabhängig. Die Psychotherapie soll die von Konkurrenzdruck, Vereinzelung und Existenzangst gerissenen Furchen glätten und wird zum Grundpfeiler der gesellschaftlichen Reproduktion von Arbeitskraft. Die zeitliche Dichte und qualitative Gleichförmig-
keit der enteignete Arbeit und die in ihr enthaltene Drohung sie nicht mehr zu haben, schafft Bedürfnisse, in denen sich die Gleichförmigkeit von Arbeit und Freizeit, wie Tag und Nacht, wiederholen. Hierfür bürgt die rasende Monotonie stampfender Technobeats, oder Sitcomes die wenig anderes tun als den alltäglichen Gehalt des Lebens zu kopieren und überladen mit Clichés zur leicht verzährbaren Kost zu machen. Die Zivilisation im Wiederholungszwang. Das mediale Spiegelspiel des Lebens, setzt mit dem Vergnügen ein bloßes sich Begnügen im Betrachten und Erfahren des Banalen. Der Boden unter
unseren Füßen wirkt oft brüchig, bewegt und verhüllt sich uns, was die Angst vor dessen Tektonik noch verstärkt.

Musik und Mimesis

Rauschhafte und Triebhafte enthalten, welches sich Natur gleich machen will. Durch die Struktur und rationale Aktivität, welche dem Kunstwerk seine Gestalt erst gibt, wird geistiges und triebhaftes in offene Relation gesetzt, Trieb entbirgt sich Kognition und umgekehrt. Die Ratio überführt sich in dieser Symbiose ihrer eigenen Triebhaftigkeit, ist aber gleichzeitig das synthetische Moment der schöpferischen Freiheit. Kunst ist bei Adorno durch ihr Formenspiel, durch die Überwindung verkrusteter Muster, immer
ein Über- etwas- hinaus gehen. Sie hat, da diese Muster und Brüche eben im Spannungs-verhältnis gesellschaftlicher Prozesse entstehen und deren Schlag aufgreifen, gesell-schaftliche Relevanz, wenn nicht emanzipatorische Sprengkraft. Doch kann sie auch
reines Anlehnen an geschichtlich- gesellschaftliche Form sein, zum reinen sich repro-duzierenden Handwerkswissen werden. In diesem Anlehnen will sich die Freiheit,
welche sich durch die Fähigkeit zur schöpferischen Synthesis generiert, im Verschmelzen mit dem sozio- naturalen Pulsus verschwinden machen, sich der Natur oder der
als naturgewaltig erfahrenen Gesellschaft gleich machen.

Cascadian Forests 1

In den Nullerjahren dieses Jahrhunderts entstand im nordamerikanischen Pacific North West, welcher zu Teilen zum kanadischen, andererseits zum US-amerikanischen Territorium gehört, eine neue Black Metal Subkultur. Was sich musikalisch hier abspielte war zunächst nicht unbedingt neu. Die erste Demo (2004) der bekannten Band Wolves in the Throne Room (aus Olympia, Washington) etwa, gibt sich programmatisch zunächst ähnlich wie norwegische Klassiker. Treibende Drums, Blastbeat Hagel, hohes animalisches Gekreische, heroisch- pessimistisch tragende Gitarrenflächen. Doch ist hier vieles dynamischer und offener, die Riffzyklen weniger steif und stumpf, als bei den Klassikern nordischer Finsterlinge. Die Melodien wirken an vielen stellen weniger düster als harmonisierend, beinahe utopisch. Die Gitarrenarbeit ist erstaunlich vielseitig und ausdifferenziert, auch Gitarrensoli erhalten wieder Einzug - etwas was man im primitiven Black Metal Sounds der späten 80er und der 90er eher selten hört-. Einerseits ist es eben diese musikalische Innovation und Offenheit, die sich im Laufe weiterer Alben in Anleihen an Doom-, Ambient- und PostMetalsounds noch potenzieren wird und es mit sich bringt, dass es WittR weit über eine Metal und Punkszene (der sie sich ursprünglich zugehörig fühlten) hinaus, zu viel Reputation gebracht haben. Sender wie Arte berichteten zum Beispiel sehr anerkennend über die Band.(2) Das liegt wahrscheinlich aber eher daran, dass WittR eben nicht nur musikalisch einiges am BM umgeworfen haben, sondern auch ideologisches und lifestyle Pilotprojekt sind. Die Gebrüder Weaver - Samuel und Aaron-, welche den Kern der Band ausmachen, wohnen in einer Landkommune bei Olympia und haben ihre subkulturellen Wurzeln nahe der öko- anarchistischen oder primitivistischen Hc-Diy Bewegung des Pacific North West. Weshalb textlich und auch musikalisch, bei WittR der ursprungsideologische und romantische Grundcharakter des Black Metal mit ökologisch- anarchistischen Ideen in Berührung kommen und eine Symbiose eingehen.
So haben Bands die zum Cascadian BM gezählt werden zumeist so etwas wie ein antifaschistisches, libertäres Grundverständnis und haben einen eher positiven Bezug zu Themen wie Feminismus. Tiergestalten, Geister- und Mythennarrative, Waldmotivik und Bühnen Shows mit kultischem verbrennen von Kräutern und flimmerndem Kerzenschein erinnern noch sehr stark an das bildliche Repertoire des Black Metal.

Exkurs: Ursprung, Mythos und Black Metal

Es ist nicht einfach, ob der Varianz und Vielseitigkeit des Phänomens, völlig klare und unhintertreibbare Aussagen, über Black Metal zu treffen. Aber einiges Allgemeines kann man sagen. Ich habe, Anfang Dezember auf dem Vortrag »Myths of Cascadia« im Conne Island, die These vertreten, dass musikalischer und ideologischer Grundcharakter des Black Metal der Ursprung, der mit sich identische Anfang, und seine Erzählung im Mythos ist. Ich habe versucht zu verdeutlichen, dass die rassistische, homophobe und antichristliche Gewalt – die für einige Menschen tödlich endete - und der nationalitische Pathos, welche vor allem im Norwegen - aber auch in Deutschland- der 90er Jahre von der Black Metal Szene ausgingen, mit der musikalischen Formsprache und ihren Inhalten in enger Verbindung stünden. Zum Nachlesen dieser Ereignisse empfehle ich meinen Text: »Black Metal ist Mist!«(3), Klassische Black Metal Stücke bestehen aus wenigen Riffs von geringer Komplexität die sehr häufig hintereinander gespielt werden. Diese sind meist recht schmucklos und auf das allgemeinste des Schemas reduziert. Unterlegt ist das Ganze meist mit Blastbeats(4), alterierend zu langsameren, tragenderen Spielweisen . Die Stimme ist meist tierähnlich kreischend gehalten und der Sound insgesamt absichtlich schlecht gemastert und stark verzerrt. Zum Nachhören empfehlen sich die Stücke »Transylvanian Hunger- Darkthrone«(5) und »Dunkelhei - Burzum«(6). Oft lässt sich der Eindruck einer Kreisbewegung schwer vermeiden, weil man im hypnotischen Hörerlebnis oft das Gefühl bekommt die Grundmotive kreisen ausweglos um sich selbst. Manchmal finden eintönige Synthesizer, archaisch oder mittelalterlich anmutende Instrumente Anwendung, die allerdings in der gleichen Monotonie und bestürzenden Ödnis intoniert werden. Genau diese Bewegung in der Musik schafft eine düstere pessimistische Trance, welche gesellschaftlichen Naturgewalten, zu ewigen Härten des Seins verklärt. Hörer und Musiker unterwerfen sich autoritär der Macht indem sie sich zu eingeweihten eines männlich- martialischen Übermenschenkultus zusammentun. Pessimistisch lässt man die Dialektik von Arbeit und Freizeit um sich Kreisen, in dem sie wie Mondphasen, oder Ebbe und Flut zum ewigen Element des Daseins gemacht wird. Andererseits ist das heroische Ertragen dieser Härte, die buchstäblich in der Musik widerhallt, Teil des Kults. Nicht umsonst hat der BM schon immer eine starke Affinität zu Friedrich Nietzsche: Dieser vertritt mit seiner ewigen Wiederkunft des Gleichen ein zirkuläres Geschichtsbild, welches heroisch zu Bejahen für ihn einen fundamentalen Schritt in Richtung Übermenschentum darstellt denn: »Alles geht, Alles kommt zurück; ewig rollt das Rad des Seins. Alles stirbt, Alles blüht wieder auf, ewig läuft das Jahr des Seins.«(7).
Das worum gekreist wird ist eben der Ursprung, die Natur, oder die unerkannte Gesellschaft von Angst und Gefahr, vor der kein Entfliehen ist. Da der Kultus sich schon martialischst gibt, kann sein Narrativ keine sanfte Sache sein. Somit sind die Textinhalte urspünglich meist mit Satanismus, Neoheidentum, Vikingergeschichten, Fantasy oder Nationalismus, wenn nicht Nationalsozialismus gespickt. Kriegerideal, Männlichkeit und Härte werden zu Merkmalen von vermeintlich natürlicher Authentizität. Hier soll nicht der Eindruck entstehen diese Musik sei grundfaschistisch. Es geht darum, dass die Formsprache in gewissem Sinne Inhalte vorgibt und als gesellschaftliches Psychogramm gelesen werden kann. In Musik spiegeln sich gesellschaftliche Bedürfnisse, Sehnsüchte und Widersprüche. Black Metal haftet das Bedürfnis an, sich der monoton, zyklisch und nicht evolutorisch, geschweige denn revolutionär erscheinenden gesellschaftlichen Natur anzugleichen, ja auf Natur selbst zu regredieren. Das Kreisen um den Anfang der nie endet und das Zelebrieren melancholischer Ödnis ist ein sich Wappnen für die monotone Härte des Arbeitsalltags, gibt Stabilität in der Identifikation mit dem Angreifer. Wer sich unterwirft, braucht zu meist keine Vernichtung zu fürchten. Black Metal Hörer und Musiker machen sich zu imaginierten Herren über Urgewalten, wo sie sich affirmativ der Macht beugen und sie als zu-Bejahendes feiern.
Einiger Black Metal, kann allerdings in seiner Überspitzung von Gewalt, Morbidität und Dissonanz, ähnlich wie Punkrock, als Ästhetik des Hässlichen, Gesellschaft anprangern.(8) Das trifft allerdings nicht (!) auf den neoromantischen Arm des BM – indem die Motivik um Geister, Sagen, Natur usw. kreist- zu, der hier hauptsächlich Gegenstand ist. Dieser ist in der Sukzession der rechten Band Burzum entstanden und knüpft kaum an die provokatorische Schwärze, Morbidität und Boshaftigkeit derjenigen Linie an, die vielleicht bei Mayhem ihren Ausgangspunkt findet. Die CBM Band Skagos(9), aber auch WittR(10) stellen sich in eine künstlerische Tradition Burzums.

Cascadian Forests 2

Nach diesem Einschub wird es vielleicht klarer, dass ein neuer Typus von Black Metal, der sich links und antiautoritär gibt, für Aufmerksamkeit sorgen muss, so mal die Gewaltexzesse der 90er in aller Munde waren. Zu den ideologischen Grundmotiven seiner Musik äußert sich Aaron Weaver (WittR) folgendermaßen: »Wir begreifen die Welt als eine Maschine, als ein komplexes wissenschaftliches Phänomen. Alles um uns herum lässt sich demnach mittels der Physik oder Wirtschaftswissenschaften oder sonst wie erklären. Ich denke aber, dass das eine recht beschränkte Art ist, die Welt zu betrachten, und so gibt es einen tief verwurzelten Hunger bei vielen modernen Menschen nach einem Reich des Transzendenten. Black Metal ist in diesem Kontext besonders interessant, denn sich damit zu beschäftigen verlangt danach, dass der Hörer die moderne Welt zerstört – nicht in der Realität, sondern in seinem Kopf, um die Realität einer früheren Existenz zu fühlen. Dieser Aspekt des Black Metals ist es, der uns sehr interessiert, auf dem wir aufgebaut haben.» Sehen wir uns diese Aussage genauer an so stellen wir fest, dass die ursprungsideologische Rebellion des Black Metal hier entalten bleibt. Problematisch ist nicht eine Kritik der Moderne oder die Kritik eines szientifischen Weltbildes. Das Reich der Transzendenz, dass jeder alltäglich auf die eine oder andere Weise ersehnt, wird gezeichnet mit einer romantischen Wende. Diese Wende ist zunächst so wenig politisch wie eben die deutsche Romantik(11). Es wird eher eine mythisch- mystische Sehnsucht kultiviert, die auf Innerlichkeit zielt. Auf eine Innere Haltung zur Welt. Das Schafft eine gewisse Offenheit zu Esoterik. Eine weitere Parallele zum roman-tischen Denken, oder zu romantischer Ästhetik ist der psychologischer Impetus, an die verborgenen dionysischen Kräfte im Menschen zu appellieren: »Wir interessieren uns nicht für politische Programme mit denen wir die Dinge verändern könne. Wir drücken das Irrationale, das Kranke, Verrückte und Wilde aus. Das ist die Rolle dieser Musik.«(12) Doch fungiert das ursprüngliche als Bezugspunkt . Natur und auch die menschliche Triebnatur wird zum Urwaldhaften verdinglicht, als hätten diese keine zivilisatorischen Überkodierungen erhalten. Dies verleitet etwa die Band Echtra bei sanftem Linkstouch, in Beurteilung der separatistischen kaskadischen Bioregionalisten(13), die gerade politisch bei jungen Menschen Terrain gewinnen, zu der schrägen Aussage:
»Vor der Kolonisation und Dezimierung der einheimischen Bevölkerungen lebten auf diesem Territorium viele Stämme welche für diesen Ort [Kaskadien] vielfältige Namen verwendeten. Sich auf dieses gestohlene Land als Kaskadien zu beziehen, bedeutet diese blutgetränkte Geschichte vergessen zu machen. Wenn wir wahrhaft die mythische Idee Kaskadiens bewohnen wollen, in dem Boden seines Landes graben und seinen geisterhaften Stimmen lauschen wollen, dann müssen wir die abstrakte Idee eines kaskadischen Territoriums aufgeben. Wir müssen dem Boden erlauben uns gänzlich zu übernehmen, List und Politik aufgeben, wenn wir autochtone Lebewesen werden, die in Gemeinschaft mit geschändeten Land leben soll.«(14) Der Urgrund, das authentische Kaskadiens ist hier die Kultur seiner Ureinwohner. Dieses ist von der Moderne und ihren abstrakten Ideen (etwa Territorialität) überwuchert. Notwendig wäre eine neue Kommunion mit dem Land, die Wiederherstellung der Einheit mit dem Boden. Diese Idee wird aber selbst als »mytisch« angegeben. Auch die von Echtra als »ökopsychologisch«(15) bezeichnete Wiederverbindung mit dem Boden, kann als eine Form ursprungsmythologischer Esoterik bezeichnet werden. Es geht in der im CBM viel gepriesenen »Deep- Ecology«(16) weniger um politische Ökologie, als um Spiritismus. Die strukturelle Ähnlichkeit zu rechten irrationalistischen Ideologien drängt sich einem förmlich auf. Zum einen liegt hier ein Manichäismus(17) vor, gute Natur- böse Moderne. Zum anderen geht es in gewissem Sinne um die Wiederherstellung – wenn auch rein geistig oder ästhetisch- eines Arthaften und Erdverwachsenen, welches die Juden in der NS- Ideologie als das abstrakte Prinzip hintertreiben. Doch ist die angestrebte Kommunion mit der Erde eben keine Politische. Genau an dieser Stelle tritt uns wieder der heroische Pessimismus entgegen. Der Ursprung, die Erlösung, der Boden ist verbaut (»Our time in this garden is past.«(18)- Wolves in the Throne Room in Diadem of 12 Stars), es gibt keinen Ausweg, aber man hält es aus und sinnt an den Ursprung an im musikalisch zelebrierten Mythos. Da auch diese negative Teleologie einen Ausgangspunkt hat, einen Zeitpunkt vor der Erbsünde, bevor sich der Mensch als geistiges Wesen ein Stück weit über Natur erhebt, schafft das Ansinnen und Hoffen an und auf diesen Punkt, gewisse menschenfeindliche Implikationen. So wird mit dem Stück »a few too many- Wild’ s Reprisal«(19) die Tatsache beklagt, dass man die Welt radikal entvölkern müsste, um Harmonie zwischen Mensch und Natur wieder herzustellen. In solchen Fantasien kommt Nähe zum faschistischen Weltenbrandpessimismus zum Ausdruck. Die Probleme der Moderne, gerade die ökologischen, werden nicht als gesellschaftliche, im Sinne der sozialen Macht- und Ausbeutungsverhältnisse die sich in Naturzerstörung bahn brechen, behandelt, sondern im Sinne eines verbauten Lauschens auf die Stimme der Erde, eines Ansinnens an den Urgrund. Dieser Zugang zu diesem Weltraunen soll durch Black Metal, oder Wildniss »ökopsychologisch« hergestellt werden. Die Probleme der urbanen, spätmodernen Gesellschaften werden so zu Identitäts- und Authentizitätsproblemen. Das ist strukturell eine typisch völkisch- kleinbürgerliche Argumentation: Die Bedrohung der möglichen Niederlage im Kampf um Klassenerhalt, die Furcht vor Desubjektivierung und vor den automatisierten gesellschaftlichen Naturgewalten werden, als Ursache für dieses Krisen(un-)bewusstsein, verdrängt und (völkisch-) identitär kodiert.

Anarchisten- Polpotisten

Dieser erbarmungslos pessimistische Dualismus von gesellschaftlichem Mensch und (wild-) Natur, scheint einem als ästhetisches Projekt machbar, wenn auch blindwütig. Als Grundsatz einer politischen Anthropologie müsste einem dies doch sehr verschroben vorkommen. Dennoch gibt es in den USA seit den 90er Jahren eine politische Bewegung die genau im Austragen dieses Missverhältnisses ihre Berufung sieht. Ich spreche vom nordamerikanischen Anarcho- Primitivismus, der in Sesshaftwerdung, Ackerbau und Viehzucht den Beginn der Unterwerfung von Mensch und Natur und das Ende der Freiheit erkannt zu haben glaubt. Die Zivilisation sei insgesamt ein Fehlwurf der Geschichte, würde den Menschen vom friedliebenden und freien Hordentier zum kriegerischen, unterdrückerischen Wesen degradieren. Nun hat es sich dieses Spaltprodukt der amerikanischen Linken zur Aufgabe gemacht kulturanthropologisch den eigentlichen- urtümlichen Menschen wissenschaftlich zu rekonstruieren, bietet sogenannte »recreating« Seminare im Wald an, wo »earth skills« (Überleben in der Wildniss, inklusive Trommelkurse) wieder erlernt werden sollen. Ziel ist es den Menschen wieder zu verwildern, ihn dem Schoß von Muttererde wieder zuzuführen. Ein Protagonist dieser Bewegung, die einem wie ein schlechter Witz, zumindest wie eine Neuauflage nudistischer Vegetariersekten, erscheinen möchte, ist John Zernan, der in den 60er Jahren an den Studentenrevolten beteiligt war und seit den 80ern Texte zu Technik- und Zivilisationskritik veröffentlicht(20). John Zernan rüstet sich theoretisch unter anderem mit dem rechtsnationalen Kulturpessimisten Oswald Spengler. Oft tritt der Anarcho- Primitivismus mit martialisch Provokativen Aussagen und Slogans hervor, so gibt es zum Beispiel eine Gruppe die sich in Anlehnung an Pol Pots steinzeitkommunistische »Khmer Rouges«, »les Khmers Verts« also die Grünen Khmer nennt.(21) Auf jeden Fall muss man diese Strömung vom Öko- Anarchismus oder der Sozialökologie abgrenzen, deren Vertreter den Primitivismus oft als Angrenzend an die Neurechte einstufen.
Murray Bookchin(22) Tatsächlich stammen viele Schlagworte und Grundmotive des ideologische Auswurfs einiger CBS Kapellen aus dem Begriffsfundus der Anarcho-
Primitivisten: Deep- Ecology, Recreating, Rewilding usw.(23)

Utopie und Pessimismus

Der Amerikanist Sacha Pöhlmann vergleicht den Übergang von der europäischen Romantik zur der amerikanischen mit dem Wandel den der Black Metal, durch sein Heraustreten aus seiner europäischen in eine amerikanische Spielweise gezeitigt hat. Die europäische Romantik, sei eng verknüpft mit nationalen Bewegungen, darum oft volkstümelnd und ethnifizierend. Sie falle wenn überhaupt, dann in eine politische Tradition der Restauration. Wer sich einmal Bilder von Caspar David Friedrich vornehme, etwa das »Eismeer« oder den »Mönch am Meer«, erkenne den Menschen als im vereinzelten Kampf mit den Naturmächten dargestellt. Das der europäische Black Metal stark zu Volkstümeleien und Rassismen neigt und die Welt als Kampfplatz der Stärke begreift, ist oben hoffentlich klar geworden. Verglichen dazu suche, so Pöhlmann(24), die amerikanische Romantik in den bildenden Künsten und der Transzendentalismus in der Litaratur (etwa H. D. Thoreau, R. W. Emerson), das Verhältnis von Mensch und Natur als potentiell utopisch, harmonisches darzustellen. Die amerikanische Romantik stehe in einer politischen Tradition liberaler, wenn nicht libertär- sozialer Ideen und habe sich früh Themen wie Umweltschutz und Frauen- sowie Sklavenbefreiung zugewandt. Nun ist dieser Vergleich nicht völlig abwegig, da tatsächlich »Walden oder Leben in den Wäldern«(25) von H. D. Thoreau als eine Art Manifest, sowohl der Anarcho- Primitivisten, als auch des CBM gehandelt wird: Die Band Walden hat sich hiernach benannt. Zudem tritt hier das Wahre am CBM, sein utopischer Gehalt klar hervor, durch den er sich trotz aller Ähnlichkeit von seinem europäischen große Bruder unterscheidet. Oben habe ich bereits den Gedanken der Erbsünde aufgegriffen. Sowohl der Anarcho- Primitivismus wie CBM Musiker trauern einer Zeit nach in der der Mensch nicht vergesellschaftet ist. Bei allen Unterschieden die sich für beide Szenen durch den Fakt ergibt, dass die eine sich als politisch versteht und die andere nicht unbedingt, muss man anerkennen, dass beide einen Urzustand, gleich dem Garten Eden in eine mythische Ursprungssituation projizieren, in der Mensch ähnlich Rousseaus Entwurf des edlen Wilden nackt und frei durch die Wälder springt. Wo sich der CBM am Erhabenen nichtsubjektiven gewaltigen der Natur orientiert, setzt der Primitivismus Natur als Wildniss, die unbefleckt ist von menschlicher Schuld. Beide sehnen sich nach ozeanischer Heimkehr, nach einem romantischen U- topos, oder nach einer Wiederversöhnung. Beide wollen sich etwas ausliefern, wollen Kontrolle abgeben, Verantwortung abgeben. Das musikalisch und bildliche Inszenieren des Erhabenen in der Natur, die Zyklizität der Musik, die Tierlaute wollen das sich Wiedererkennen in der Natur. Dieses Wiedererkennen aber nicht als kognitiven Akt sondern als leibliches, mimetisches oder triebhaftes Verhalten. Es ermöglicht den Zugriff auf die Triebwelt. Dieser wird ideologisch überformt, in dem das Bild der Wildniss zur authentischen Heimstätte wird. Der Unterschied zu gewöhnlichem Black Metal liegt darin, dass es im CBM die Versöhnung in der Selbstauslieferung an die (Trieb-)Natur gibt. Dieses Element wird in der von einigen Bands reflektiert. Etwa Skagos: »Wir wollen einfach kreieren und ausdrücken, was in unserem Unterbewusstsein begraben liegt. Wir wollen die Leute an ihre Wurzeln und an einen einfacheren Lebensstil erinnern. Das alles kommt zusammen in einem einzigen Ausbruch der schlafenden und der aktiven Psyche.«(26)

Klassischer Black Metal verewigt den Kampf bleibt dunkel und kalt, CBM schafft Erlösungsmomente. Hört man sich zum Beispiel »Anarchic« von Skagos< an, so begegnet einem eine experimentelle Mischung aus Ambient, Postrock, BM. Die Trance die entsteht ist hierbei nicht grimmig, im Gegenteil oft warm und tief. Dieses Subgenre schafft es teilweise das Schema F zu sprengen, bleibt doch in ihm verhaftet.
Der Mythos ist hier nicht der zu ertragende Naturzwang, sondern eine Art Heilsversprechen im Urgrund. Beide Phänomene sind historisch konkrete mimetische Verhaltensweisen der Spätmoderne. Das erfinderische, selbstverantwortliche Selbst, welches gleichzeitig unser animal tractandum ist, will sich der Natur überantworten. Einerseits im heroischen Pessimismus des Ertragens, anderseits im Nirvana des Anfangs.

Jaques Blum

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Anmerkungen

(1) Dieser Text stellt den Versuch dar meine theoretische und geschichtliche Beackerung des Feldes (Cascadian) Black Metal vorerst zu beenden. Die meisten enthaltenen Thesen stammen aus einem Vortrag den ich am 4. Dezember 2013 im Conne Island unter dem Titel »Myths of Cascadia. Über die Synthese von anarchischem Archaismus und Black Metal, sowie die Ideologie des Ursprungs« gehalten habe.
(2) http://www.youtube.com/watch?v=emJGikmQt_Q
(3) http://www.conne-island.de/nf/204/3.htm
(4) Abwechselnd gespielten Sechzehntelnoten auf der Bassdrum und der Snare Drum, begleitet von Achtelschlägen auf einem Becken. Die extreme Geschwindigkeit dieser Spielweise erinnert an Maschinengewehrfeuer.
(5) http://www.youtube.com/results?search_query=transilvanian+hunger
(6) http://www.youtube.com/results?search_query=burzum+dunkelheit
(7) Nietzsche F.W.: Also sprach Zarathustra, Dritter teil, »Der Genesende«, S. 270- 277.
(8) Theodor W. Adorno charakterisiert ähnlich die Ästhetik des Schwarzen, die durch ihre einfache Ödniss, oder Dissonanz den stummen Leiden der Lebenden und Toten einen Ruf leiht. Diese Schwärze bewahrt vor dem Regredieren zur betrügerischen Unterhaltung.
(9) http://www.metalsucks.net/2009/03/19/wolves-in-the-throne-room-drummer-aaron-weaver-on-black-metal-as-protest-music-why-scion-is-satanic-and-the-giant-wolf-chasing-the-sun/
(10) http://www.metalsucks.net/2009/03/19/wolves-in-the-throne-room-drummer-aaron-weaver-on-black-metal-as-protest-music-why-scion-is-satanic-and-the-giant-wolf-chasing-the-sun/
(11) Diese fällt ursprünglich in die Zeit der politischen Restauration und fürstlichen Repression in Deutschland, in der sich aus der öffentlichen Diskurs zurückbildete und sich das Bürgertum privat Themen der Innerlichkeit und der Identität zuwandte. Psychologie, Emotion, Volkssagen und Mythen waren hierbei hoch im Kurs. Die Romantik verstand sich auch als Additiv oder Kontrapunkt zur reinen Vernunftherrschaft der Auf klärung, betonte das Verborgene und Geheime.
(12) http://www.avclub.com/article/wolves-in-the-throne-room-29913
(13) http://cascadianow.org/
(14) http://static.squarespace.com/static/521b7c54e4b0e63c9a89da62/521b836ae4b0751bf500a01c/521b8420e4b0751bf500bfd9/1377535008063/?format=original
(15) http://static.squarespace.com/static/521b7c54e4b0e63c9a89da62/521b836ae4b0751bf500a01c/521b8420e4b0751bf500bfd9/1377535008063/?format=original
(16) Ebenda
(17) Dualistische Weltsicht die einen Kampf zwischen Gut und Böse als den metaphysischen Grund der Welt ausmacht.
(18) http://www.darklyrics.com/lyrics/wolvesinthethroneroom/diademof12stars.html#4
(19) http://wildsreprisal.bandcamp.com/track/a-few-too-many
(20) Etwa in der Aufsatzsammlung Future Primitive
(21) Von dem Autorinnen Kollektiv Green Anarchy ist folgende Aussage überliefert:» Vor dem zivilisatorischen Zeitalter waren unsere Gemeinschaften im allgemeinen von Müßiggang, bemerkenswerter Egalität der Geschlechter, einem nicht zerstörerischen Verhältnis zur Natur, der Abwesenheit organisierter Gewalt, dem Fehlen vermittelnder und formaler Institutionen sowie Gesundheit und Widerstandsfähigkeit geprägt. Die Zivilisation brachte Krieg, Unterdrückung, Sklavenarbeit, Armutt, Hierarchie und praktisch jede uns heute bekannte Krankheit- um nur einige der katastrophalen Auswirkungen zu nennen«
(22) http://www.matriarchat-patriarchat.de/Texte/Zitate/Murray%20Bookchin%20Die%20Neugestaltung%20der%20Gesellschaft.pdf, S. 70
(23) Testcard # 18 S. 124- 127.
(24) Auf einem Vortrag im Rahmen des Doom Over Leipzig Festivals 2013 im UT Connewitz
(25) Thoreau beschreibt hier seine zweijährige Ausstiegserfahrung. Er lebt in einer Holzhütte im Wald und reflektiert in seinem Werk, aus dieser Perspektive auf die moderne Gesellschaft.
(26) http://www.metal.de/black-metal/interview/skagos/37256-interview-mit-ray-hawes-von-skagos/

28.08.2014
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