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Aktuelle Termine

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Aktuelles Heft

INHALT #212

Titelbild
Editorial
• das erste: Let’s talk – Über linke Politik und Mythen im Leipziger Süden
Die goldenen Zitronen
Filmriss Filmquiz
weskateLE After Contest Party 2014
A Storm of Light, H A R K, Mustard Gas & Roses
Dirty Science Tour
Roter Salon: "Widerstand gegen sich selbst"
Electric Island & Klub Sonntag Spezial
»Kontroversen über Gesellschaftstheorie « von PROKLA
KLUB: Italo Fundamentalo pres. De Dupe & David Vunk
Klub: Clipping
Los Eastos-Fest I 2014
Los Eastos-Fest II 2014
Los Eastos-Fest III 2014
Klub: Karocel /live
• position: Momente einer kritischen Theorie der Naturwissenschaften
Sexismus, nein danke
• doku: they can’t relax with modern football
Let’s talk about Connewitz
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Dieser Text wurde am 23.02.2014 auf dem Weblog »Vert Et Blanc« unter der Adresse: http://vert-et-blanc.net/2014/they-cant-relax-with-modern-football/ veröffentlicht. Stand ist der 19.03.2014.



they can’t relax with modern football

»I don’t want to look back. I still have something to say to people.«

— Joe Strummer

»Da waren andere Männer, die Bärte waren länger und ich wünschte, ich wär’ in Italien.«

— Die Sterne

Erst einmal ein paar kurze Anmerkungen vorweg: Ich lese das 11Freunde-Magazin immer noch recht gerne, solange es auf Kurzweil setzt anstatt sich mit Gesellschaftskritik zu verheben. Wenn sie über Fußball oder Pop schreiben, hege ich für seine Schreiber in der Regel sogar Sympathie; das gilt auch für den Chefredakteur des Blatts, Philipp Köster. Dieser aber wartet im aktuellen Heft mit einem Leitartikel namens »Rote Linie« zum Dauerstreitthema »RasenBallsport Leipzig« auf und inszeniert sich dabei als Gralshüter einer Fankultur, deren Minimalkonsens der Hass auf alles Moderne ist. Die Thematik wird von den Machern des Magazins offensichtlich für so relevant (oder publikumswirksam?) erachtet, dass sie auch das Titelbild des Hefts bestimmt: »Der große Red Bull Bluff«, prangt dort in großen Lettern. »Wie der Leipziger Retortenklub die Liga an der Nase herumführt.« Kösters Dreiseiter versammelt paradigmatisch all jene Argumente, deren sich Kritiker des modernen Fußballs für gewöhnlich bedienen – wenn auch bildungsbedingt nicht in der grobschlächtigen Diktion so mancher Ultrà-Gruppevorgetragen. Im Folgenden werden die Denunziation und ihre Implikationen kritisch kontextualisiert.

PRE-MODERN FOOTBALL IS RUBBISH.

Stein des Anstoßes sind die Wirren um die Zweitligalizenz RB Leipzigs, über die der Rotebrauseblogger kürzlich ausführlich und mit großer Detailkenntnis berichtete (»Nimmt man diese Verbandsregularien und die Satzung von RB Leipzig ernst, dann gibt es aktuell kein erkennbares Hindernis für eine Zweitligalizenz für RB Leipzig.«). Um die Fakten geht es dem Adorno paraphrasierenden Chefredakteur (»dieses richtige Fanleben im falschen [sic!]«) bestenfalls am Rande; so fallen die relevanten Fragen (etwa nach gegenwärtiger und künftiger Bedeutung des Vereinswesens) unter den Tisch. Stattdessen wird der rechtliche Streit emotional aufgeladen zur Existenz- und Wesensfrage stilisiert.

Der »Kunstverein« (»100% Plastik« und natürlich ganz »nach amerikanischem Vorbild«) stellt offenbar eine grundsätzliche Gefahr für die fußballerische Leitkultur dar. Eine Kultur, die einst ursprünglich, rein und beschaulich gewesen sein muss. Was immer man sich darunter vorzustellen habe (das Gerede vom »Fußball als Proletariersport« muss nach aktuellen Forschungsergebnissen jedenfalls als Märchen ad acta gelegt werden). So oder so: Es gibt kein zurück ins Paradies der einfachen Seelen – das gehört der Vergangenheit an, »weil der Profifußball […] vom Kommerz bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden ist«. Dass professionalisierter Sport samt dadurch entstehenden Kosten und die Notwendigkeit wirtschaftlichen Handelns Hand in Hand gehen, wird von Köster geflissentlich übergangen. Das Argument hat Tradition: Die romantische Verklärung traditioneller Beschaulichkeit und Einfachheit, die Suche nach dem Ursprünglichen und Unverfremdeten, ist seit jeher die Kehrseite des Fortschritts kapitalistischer Gesellschaften gewesen. Und der Fußball, seines Zeichens Teil der Gesellschaft, bietet einen konkret-soziologischen Phänomenbereich hierfür.

GERMAN ANGST.

Die Sehnsucht nach vorzivilisatorischen Zuständen muss als pathologische Reaktion auf die Überkomplexität moderner, funktional differenzierter Gesellschaften begriffen werden – und die je eigene Unbequemheit damit. Ein charakteristisches Kennzeichen kurzschlüssiger Kapitalismuskritik ist die personalisierte Zurechnung tatsächlich abstrakter und komplexer Herrschaftsverhältnisse. So auch im Falle Kösters: Zentrales Anliegen des Leipziger Clubs sei die Profitmaximierung. Es handele sich nicht nur um einen Akteur, dessen Identität durch allzu viel »Geschäftemacherei« beschädigt werden könne, sondern dessen »Identität die Geschäftemacherei ist«. Die Abspaltung einzelner Aspekte des Kapitalverhältnisses (etwa Zirkulationssphäre, Geld, Zins…) sowie die anschließende Zurechnung auf Einzelpersonen oder Institutionen ist Bedingungsmöglichkeit für jenen strukturellen Antisemitismus, der auch und gerade im Fußball immer wieder in offenen Antisemitismus umschlägt. Zurück zu Köster: Die abstrakte Zirkulation des Kapitals (»Geschäftemacherei«) wird auf den konkreten Club projiziert, ja zu seinem Wesenskern stilisiert – fortan kann RB Leipzig als Chiffre für das Andere, Diffuse, Uneigentliche und Unechte dienen.
In einem zweiten Schritt wird die als Bedrohung empfundene Kommerzialisierung des Sports in eine Bedrohung des autochthonen (Fan-) Seins übersetzt: Zunächst in militaristischer Diktion (»2009 ritt der Getränkehersteller aus dem österreichischen Fuschl am See in Leipzig ein«), dann deutlich diffuser und quasi-verschwörungstheoretisch (wenn von »Netzwerken«, »Verbindungen« und einer »schleichende[n] Übernahme der Klubs durch Investoren und Konzerne« die Rede ist). Folgt man der Argumentation Kösters, gibt sich RB Leipzig in heimlich-tückischer Mimesis den Anschein eines »echten Vereins«, dabei seien de facto »Kulissenschieber am Werk«. Und auch auf den Rängen bekäme man lediglich eine »Simulation von Fankultur« zu Gesicht. Plastik, Schädlichkeit und Hinterhalt – von hier ist es nicht mehr weit zum vulgären Heuschrecken- und Parasitensprech; dies ist der Fußballjargon der Eigentlichkeit.

LEERSTELLEN.

RB Leipzig bedroht die Phantasie der heilen Fußballscholle. Was setzt Philipp Köster dagegen? Wenig überraschend und inhaltlich unterbestimmt dient ihm »echte Fankultur« als Kitt: »Etwas Grundlegendes« hält diese zusammen, nämlich Passion, Authentizität und Emotion. Die Frage nach dem Wesen der »echten« Fankultur wird zum Kampfbegriff, wenn über einen »kulturellen Konsens« sinniert wird, »für den es sich zu kämpfen lohnt«. Die konkreten Vorschläge bleiben Platzhalter, Leerstellen, Variabeln; stabilisiert wird nur ein normatives Schema von Gut und Böse, vom Richtigen und Falschen. Und genau darin besteht die Gefahr der verkürzten Kritik – in ihrer Anfälligkeit für Ideologie.
Womöglich sind Philipp Kösters Befunde gar nicht notwendig falsch – seine an Nostalgie und (Fan-)Tradition appellierenden Schlüsse daraus sind es in jedem Fall. Die relevanten Fragen werden nicht gestellt oder bleiben offen:
Wie können professionalisierter Sport und klassisches Vereinswesen mittel- und langfristig noch miteinander vereinbart werden? Was hat man sich unter zeitgemäßer »Fankultur« vorzustellen? Sollte die fortschreitende Liberalisierung der Kurven (nicht zuletzt auch mit Blick auf die Anhängerschaft der lokalen RB-Konkurrenz) nicht ausdrücklich begrüßt werden? Ist der neurotische, antimoderne Reflex nicht ein sehr deutliches Indiz für die Unzeitgemäßheit von Lokalpatriotismus, Authentizität und Mackertum?
»Wir [finden] die friedliche, familientaugliche Atmosphäre bei RB Leipzig sehr viel angenehmer […] als die wöchentlichen Räuber-und-Gendarm-Spiele im Umfeld der ›Traditionsvereine‹. […] Leidenschaft als Programm und das ›Verteidigen der eigenen Farben und des eigenes Reviers‹ finden wir nicht besonders ansprechend. Ein schönes Spiel mit Bratwurst und Bier bei einem netten, entspannten Plausch hingegen durchaus.«
(aus dem Interview »Red Bull verleiht Prügel«, 2010)


[Spe]

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07.04.2014
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