Di Iries
Ja, es war das Jahr des Trip Hop - des Wiggly Woo und des
Flexistensialism, das Jahr der ewigen Innovation. Dagegen wirkt Reggae
inklusive seiner Subformen im Clubkontext richtig unterrepresentiert und
konventionell. Fälschlicherweise, denn betrachtet man hiesige
Labelgrößen wie Sound Navigator oder Incoming!, Soundsystems wie
Silly Walks oder Concrete Jungle und nicht zuletzt Di Iries als Prototypen des
neuen deutschen Reggae-Verständnisses im Geflecht des internationalen
Bassnetzwerkes, dann ist wieder Frühling im Lande.
a) Di Iries aus Hamburg - Das urbane Theorie und
Dubnis Gerüst
Die coolste Sache die Europa je wiederfahren ist, ist die Immigration,
erklärt die Asian Dub Foundation und setzt damit direkt das Fundament,
nämlich den Austausch kultureller Inhalte und Spannungen, für die
Inspirationsquelle der Iries im Speziellen und für die Club-Culture im
Ganzen. In dem Zusammenhang, mit der Mischung aus Experimentierfreude,
jamaikanischen Pathos und dem Bekenntnis nicht zu leugnen, daß es sich um
weiße Großstadtmusik handelt, schaffen die Iries Ausgangspunkte,
die sowohl mit deutscher Synthie- als auch atonaler Rhythmusmusik spielen.
Deren Bestandteile werden im Dunstkreis der Bassline bearbeitet und codiert in
das Soundgerüst eingefügt. Der Nachweis, daß Reggae in D-land
authentisch sein kann, ist erbracht und begründet sich auch in der
Selbstklassifikation (Promo) der Band. Die fällt ähnlich einem
Jongleur aus, der mit den Stilen, wie mit Bällen arbeitet und diese auch
mal höher wirft als erlaubt. Die Abgrenzung zum Original (aus Kingston)
soll schon eindeutig verlaufen, denn die Hamburg-Massive ist nicht Jamaika.
Gemeint und nicht nur gesagt ist die Eigenständigkeit der
Macher, ohne musikideologische Beschränktheit wurde nach dem Debut-Album
mit Alpha&Omega The Signs eingespielt und kam im englischen NME
auf Platz 29, Iration Steppas spielten in Hamburg und der Sound Navigator
Sampler kam heraus. Hamburg mauserte sich zum Soundsystem-Mekka, bei dem
Veranstaltungen wie der Dub Club oder die Dub Conference den Höhepunkt der
Vitalität darstellten.
Das der urbane Großstadtsound der Iries in seiner Form aus dem
Sound-Navigator Studio/Rote Flora, also einem linken Zusammenhang entspringt,
steigert nur den Respekt.b) Worry Not - Dancehall vs ...?
Das neue Album Worry Not bietet dem Dancehall das größte
Forum, ist bewußt gegen die Erwartungshaltung der Hörer
produziert. Wen wunderts, personifiziert die Band doch gleichzeitig die
Soundsystems Silli Walks und Irie HiFi. Wer Di Iries in Four to the Floor
eingebettet sehen wollte, muß entäuscht weiter Dreadzone frönen
und kann die Ironie, der das Cover einnehmenden Koboldaffen entschlüsseln.
Non-trendy, musikalisch fast, aber nicht ganz an Greensleves Rec., Bounty
Killer und Buju Banton orientiert, ohne sich dabei auf einer
Retro/Revivial-Schiene zu befinden, rattert da ein ziemlich trockener
Riddim-Zug entlang. In dem Sinne eine ewige Collage aus Sound, Rhythmik und
Dynamik, dem durch die Toaster bzw. Co-Produzenten die Krone aufgesetzt wird.
Denn da wären Gentleman, Daddy Teacha, Claudia Gonzales, Weep Not Child,
..., die die musikalischen Verwandschaft zwischen Roots und Hamburg, zwischen
London und Freestyle demonstrieren. Naja, wie sagt man; REEEEEWIND!
Sebastian |