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c. in Klarofix März ‘96 |
Im Folgenden wird versucht darzustellen, was sich hinter
dem Schlagwort Sozialarbeit verbergen kann und welche Bedeutung diese nun
für das Conne Island hat bzw. haben könnte. So wird es also nicht um
Sozialarbeit im rein karitativen Sinn gehen, sondern um Sozialarbeit, die als
gesellschaftliche Kraft wirkt oder zumindest wirken sollte. Um Arbeit also, die
die Möglichkeit hat, über den Einzelfall hinaus Wirkung zu erzielen
und auf ihre Art kräfteverschiebend auftreten kann. Aber nicht muß
und das ist der Punkt des aufzuzeigenden Widerspruchs. So muß man sich
damit auseinandersetzen, ob die Tätigkeit in einer Beratungsstelle
für rausgekantete Kids schon aus ihrer Konzeption heraus
sozialisierend und nicht gerade sehr konstruktiv im Sinne von Widerstand gegen
bestehende Mißstände ist.
Wird die Tätigkeit auch aus einer linken Motivation herausbetrieben, so ist sie in ihrer Wirkung doch unpolitisch. Aus einer Oppositionshaltung zu den Gesellschaftsverhältnissen ist ein Dulden oder gar Erhalten geworden. Wenn die ehemals Sieg Heil und Ausländer raus grölenden 14jährigen nach ihrer Behandlung in der für sie eingerichteten Sozialstation jetzt lieber gar friedlich Billard spielen und einen interessanten Beruf erlernen, so resultiert das ja nicht aus einem erfahrbaren Antifaschismus sondern aus Erklärungen. Und darauf haben sie bloß gewartet, glaubhafte Erklärungen an denen sie sich festhalten können. Und so funktioniert auch Herrschaft. Glaubhafte Erklärungen. Sozialisation im Sinne von humanistischen Geplänkel und absoluter Einordnung in den bestehenden Prozeß. So gibt es zwar einige Sieg Heil Rufe weniger, womit natürlich schon etwas gewonnen ist, das Übel selbst aber bleibt erhalten. Und so passiert halt, wenn aus moralischer Betroffenheit heraus das Einzelschicksal aus dem Kontext genommen wird, zum Gegenstand der sozialarbeiterische Tätigkeit gemacht wird und dann wieder zurück gestellt wird. So wird das Einzelschicksal zwar aus dem Sumpf (sei es Obdachlosigkeit, soziale Verelendung oder Sonstiges) gezogen, der Sumpf bleibt unberührt oder wird gar verdrängt. Bemerkt werden möchte aber auch, daß der Schritt, von der moralischen Betroffenheit hin zu sozialer Arbeit am einzelnen betroffenen Menschen unter doch einiger Aufgabe an Ego und Bequemlichkeit ein Schritt ist und ihm Respekt zollt. Nur erreicht man so halt nur Einzelveränderungen für den Betroffenen und es werden immer mehr herunterfallen und zu Sozialfällen werden. Ein Prozeß der in vollem Gange ist. Und die Mittelklassewohlstandsstudenten der Sozialpädagogik werdens danken und ihre soziale Absicherung haben.
Um zurück zum Conne Island und seinem Kulturversteck zukommen, sei angemerkt daß es dort auch Menschen gibt, die mit anderen Motiven ihre Arbeit umsetzen bzw. Kultur nicht losgelöst begreifen. Kultur ist nicht Motiv sondern Mittel. So ist die Wahrung des kulturellen Erbes ein Hauptanliegen eines jeden Nationalstaates und wer es so hören will: Auch ein wichtiger Pfeiler zur Machterhaltung. Aber eben auch die Schaffung bzw. die Anwesenheit einer gut kontrollierbaren und beeinflußbaren Massenkultur ist maßgebend an den bestehenden Verhältnissen beteiligt. Und genau da versucht das Conne Island anzusetzen. Es wird versucht eine Kultur anzubieten und mitzuentwickeln, die der Massenkultur entgegenläuft und anders als diese funktioniert. Und Kultur ist halt auch Lebensweise, politische Haltung, Umgang miteinander, Cods... Sie hat soziale Strukturen bzw. greift in diese ein. Sie ist als Medium komplex mit vielseitigen Ausdrucksformen, welche aber nicht gelöst voneinander funktionieren. Dem Besucher eines Konzerts bleibt es offen, in seinen Alltag zurückzukehren oder aber er kann tiefer eindringen und hinterfragen. Aber er wird nichts vorgesetzt bekommen, was auf ihn zurechtgeschustert ist. Und so können unterschiedlichst sozialisierte Menschen ähnliche Erfahrungen machen. Da kann also durch tätiges Erfahren und Erleben ein wirrer Antifaschistischer Gedanke oder unreelles linkes Weltbild Kontur annehmen und sich praktisch entfalten. Und so politisch wirksam werden. Es kommt also zu sozialen Veränderungen über Einzelne hinaus in der Gesellschaft, ohne den Stempel der Sozialarbeit aufgedrückt zu haben. Und so ist es halt auch egal, ob wir wissen, wo die Typen im Freizeitraum herkommen. Denn wir wollen ja nicht auf ihrer bisherigen Sozialisation aufbauen. Es geht um die Identifikation, die sie hier potentiell aufnehmen können. Der Widerspruch zwischen dem Ansatz am Einzelnen zu arbeiten und dem durch das Anbieten von Kultur im Sinne von Alternative liegt auf der Hand. So hat Sozialarbeit als Tätigkeit Betroffenen zu helfen höchstens die Möglichkeit den Umgang mit dem System zu erleichtern oder wirkt gar eingliedernd. Sozialarbeit, die hingegen nicht beim Einzelfall stehenbleibt (ohne es dabei unter den Tisch fallen zu lassen), sondern darüber hinaus einer Vielzahl verschiedenster Persönlichkeiten gemeinsame Identifikationspunkte anbietet, kann so sozialisierend entgegen der Massensozialisation durch z.B. Massenkultur tätig sein. Tobi |