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Aktuelles Heft

INHALT #209

Titelbild
Editorial
• das erste: Ein Stelldichein mit Nazi, Nackedei und Affe
Vortrag & Diskussion: Myths of Cascadia – Über die Synthese von anarchischen Archaismus und Black Metal, sowie die Ideologie des Ursprungs.
Lesung: The Mamas and the Papas – Reproduktion, Pop & widerspenstige Ver- hältnisse.
Sub.Island pres. Tunnidge, INFRA, Mohak
Springtoifel, Volxsturm, The Pisstons
Halftime
Filmriss Filmquiz
War From A Harlots Mouth, Havok, Angelus Apatrida
Roter Salon: Lesung mit THOMAS GSELLA »Achtung hier spricht der Weihnachtsmann!«
Cafékonzert: Alexis Gideon
Benefizdisco
The Word Alive, I See Stars, Dayshell
Joan of Arc, mOck, Jeffk
WORD! cypher / OPEN MIC.
Electric Island Final Edition 2013: Barnt, Wilhelm
X-Mas-Brunch-Special
Hot Christmas Hip Hop Jam #11
BINGO – Christmas Special
»For the kids«-Fest
Conne Island X-mas-Tischtenniscup
NYE/CI
Thy Art Is Murder
Electric Island
Zebrahead
Protest The Hero, Tesseract, The Safety Fire, Intervals
Modern Trips: FunkinEven
• doku: COMPACT zusammengefasst
• doku: Schneeberg: „Wir sind das Volk!“
• doku: Repression für alle
• doku: Die Zeit der schmutzigen Intrige
• leserInnenbrief: Leserinnenbrief:
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• das letzte: Was ist eigentlich das Letzte?

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COMPACT zusammengefasst

Die Konferenz

Was haben Thilo Sarrazin, Eva Herman und Peter Scholl-Latour gemeinsam? Dass sie ihre rechtspopulistischen Positionen unter einem konservativ bürgerlichen Deckmantel verschleiern. Genau das tun sie in Kürze am 23. November bei der COMPACT-Konferenz, soll es doch bei dieser Konferenz um die Enthüllung der „Wahrheit“ über Familienfeindlichkeit, Geburtenabsturz und sexuelle Umerziehung in der BRD gehen. Stattfinden soll die „2. Konferenz für Souveränität – Für die Zukunft der Familie“, die sich mit dem reißerischen Zusatztitel „Werden Europas Völker abgeschafft“ schmückt, in Schkeuditz – nur einen Steinwurf von Leipzig entfernt. Die Liste der geladenen Redner*innen am Tag der Konferenz ist lang: Neben den drei prominentesten Redner*innen Thilo Sarrazin („Deutschland schafft sich ab“), Eva Herman („Das Eva-Prinzip) und Peter Scholl-Latour, reihen sich acht weitere Personen mit den verschiedensten menschenverachtenden Ideologien ein. Die Referent*innen, die ihre populistisch rechts-konservativen Positionen mehrheitsfähig formulieren und einen breiten Zuspruch in der Gesellschaft genießen, sind zum Teil anerkannte und geschätzte Personen in der BRD. Was deutschen Stammtischparolen entspricht, hat eine tiefe völkisch-nationale Ausrichtung, die den Kongressteilnehmer*innen häppchenweise serviert wird. Mit bis zu 1.000 Teilnehmer*innen wird in diesem Jahr gerechnet. Was ist das reizvolle und verlockende an den weltverschwörerischen Alltagstheorien des COMPACT-Umkreises und warum halten wir diese Meinungsmache, die sich hinter prophetischer Wahrheitsverkündung versteckt, für gefährlich?

Das Magazin

Das COMPACT-Magazin mit Redaktionssitz in Leipzig erscheint monatlich seit Ende 2010 mit einer Auflage von ca. 20.000 Exemplaren und einer Reichweite von rund 50.000 Leser*innen. Als Abonnement für die treue Leser*innenschaft sowie an ausgewählten Kiosken wird das Magazin vertrieben und liegt im roten Umschlag des Lesezirkels in Arztpraxen und Friseursalons aus.
Die als „links-rechtes Diskursmagazin“ bezeichnete Zeitschrift, bringt nach eigenen Angaben „demokratische Linke und demokratische Rechte, Moslems und Islamkritiker“(1) zusammen. Tatsächlich aber handelt es sich um ein von Verschwörungsdenken und völkischem Traditionalismus geprägtes pseudo-aufklärerisches Meinungsmedium.
Gründungsmitglieder und Anteilseigner sind Jürgen Elsässer, Kai Homilius und Andreas (Abu Bakr) Rieger. Alle drei Personen lassen sich mit hetzerischen Äußerungen, Schriften bzw. Buchveröffentlichungen in Verbindung bringen. Letzterer ist in den 1990ern vor allem durch seine Aussage aufgefallen, in der er sein Bedauern ausdrückt, dass die Deutschen bei der Beseitigung eines „gemeinsamen Hauptfeind[es]“ während des Nationalsozialismus „nicht ganz gründlich waren“(2) (gemeint ist die vollständige Vernichtung von Jüd*innen).
Unter dem Deckmantel des politisch nicht Korrekten fühlen sie sich berufen, die „Wahrheit“, von der angeblich „jeder weiß aber niemand sie ausspricht“, in die Öffentlichkeit zu tragen. Nicht von ungefähr wird auf der rechtspopulistischen Internetseite PI (Politically Incorrect) auch die COMPACT-Konferenz beworben und auf Artikel von Elsässer verwiesen. Trotz des „Gegenwind[es] der politisch-korrekten Zensoren“(3) werden im COMPACT-Magazin „mutig“ die unangenehmen „Wahrheiten“ aufgedeckt und verkündet. Diejenigen, die diese Thesen anzweifeln, haben es dann eben nur noch nicht verstanden und sitzen womöglich den Lügen der jeweils zur Verantwortung herangezogenen Gruppen auf (wahlweise Geheimdienste, Jüd*innen, USA, Finanzkapital etc.). So lassen sich bei den Autor*innen des COMPACT-Magazins häufig Thesen und Theorien wiederfinden, die verschwörungstheoretischem Denken mindestens nahe stehen. Oft handelt es sich um einfache Erklärungsansätze mit verminderter Komplexität, deren Nachprüfbarkeit nicht gewährleistet ist. Sie stellen so ein in sich geschlossenes, nicht widerlegbares Weltbild bzw. System an Annahmen dar, was eine politische Diskussion unmöglich macht.

Der Chefredakteur & Veranstalter

Bei Jürgen Elsässer lassen sich vor allem Geheimdienste als die Protagonisten seiner Verschwörungstheorien ausmachen. Diese Zuweisung ist insofern als besonders delikat einzuschätzen, da sich solche „geheimen“ Aktivitäten tatsächlich schwer bis gar nicht nachweisen, es sich jedoch jegliche Art von Machenschaften hinein imaginieren lassen. In Elsässers Ausführungen kommt es beispielsweise zu einer diffusen Gleichsetzung von RAF und NSU, die seiner Meinung nach beide von Geheimdiensten gesteuert wurden.(4) Siegfried Buback wurde angeblich vom Geheimdienst erschossen(5), weil er zu viel wusste und Beate Zschäpe soll eine Agentin gewesen sein.(6) Hinzu kommen Thesen, dass in den USA eine Schattenregierung den 3. Weltkrieg anstrebt oder „Neokonservative und Zionisten“ einen „Kampf der Kulturen“(7) forcieren wollen.
Des Weiteren bedient sich Elsässer neben der Relativierung und Normalisierung der deutschen Verantwortung für den Holocaust, einem antisemitischen Bekenntnis zu Deutschland und zu deutscher Identität. Obwohl er sich anderen „Völkern“ gegenüber offen zu geben meint, bezeichnet er ein Vermischen“ dieser als „tödlich“.(8) Das von ihm hierbei gewählte Vokabular („Völker“, „vermischen“) wird ebenfalls von der Neuen Rechten verwendet, die dabei, ebenso wie Elsässer, eine Ungleichheit von Menschen und eine Überhöhung der eigenen Nation verbreiten. Diese Ansichten sind in unserer Gesellschaft relativ anschlussfähig.
Das Gefährliche an ihren Debatten ist weiterhin die Verdrehung tatsächlich vorzufindender Fakten: So kommt Elsässer zu der These: „Ein getöteter Deutscher ist mittlerweile weniger wert als ein getöteter ‚Ausländer‘(9), da seiner Meinung nach rassistisch motivierte Morde an sogenannten „Ausländer*innen“ hierzulande strenger verhandelt werden, als Morde an Deutschen. Er konstruiert damit den sogenannten „Rassismus gegenüber Deutschen“ – dieses Konstrukt ist bereits seit der von Kristina Schröder (CDU) initierten Debatte über „Deutschenfeindlichkeit“ bekannt. (Eben jene schmückt mit unschuldigem Lächeln das Titelblatt der aktuellen COMPACT-Ausgabe (November 2011) in der sie unter anderem für ihre regressive Familienpolitik und ihren Antifeminismus gefeiert wird.)
Die Auflösung der ersten Verdrehung: Rassismus ist ein Herrschaftsverhältnis von Weißen gegenüber People of Colour.(10) Die Auflösung der zweiten Verdrehung: Eine Mehrheitsbevölkerung, im Falle Deutschlands die mehrheitlich deutsche Bevölkerung, kann nicht von Diskriminierung betroffen sein, da sie aufgrund ihrer gesellschaftlichen Privilegien die Macht hat, Meinungen zu bilden, auszuleben und durchzusetzen. Damit ist sie keinen alltäglichen Einschränkungen und Ängsten durch eine Minderheit ausgeliefert, womit Elsässers These ad absurdum geführt ist.

Die Gäste

Die Liste der geladenen Redner*innen am Tag der Konferenz ist lang. An dieser Stelle sei nur eine exemplarische Auswahl der Personen getroffen, die am Tag der COMPACT-Konferenz reden werden:

Eva Herman („Das Eva Prinzip“) trifft den Nerv der Zeit, wenn sie auf die Doppelbelastung der Frauen durch Beruf und Familie aufmerksam macht. Dabei zieht ihre Analyse von gesellschaftlichen Verhältnissen, insbesondere von Geschlechterverhältnissen, die Konsequenz nach sich, das weibliche Geschlecht, welchem sie bestimmte Eigenschaften zuordnet,(11) könne sich befreien, indem es seiner durch die „Natur“ festgelegten Bestimmung nachgehe: Zurück an den Herd und schon eine Belastung weniger. Neben 1.000 Kritikpunkten, die wir an dieser Aussage haben, sei an dieser Stelle erwähnt: Wer denkt, Frauen seien selbst schuld, wenn sie sich dieser Doppelbelastung hingeben, denn sie könnten es sich viel einfacher machen, würden sie sich auf den Bereich der Familie konzentrieren, ist in unseren Augen frauenverachtend, da damit weder die Gleichstellung der Geschlechter angestrebt wird, noch die patriarchalen Gesellschaftsverhältnisse in die Verantwortung genommen werden, die Frauen nach wie vor schwächen.
Wenn wir über die Doppelbelastung von Frauen reden, dann lasst uns auch über die Abschaffung des Kapitalismus reden, da das Geschlechterverhältnis unmittelbar mit der kapitalistischen Produktionsweise verbunden ist. Geschlechtern, und es gibt weitaus mehr als die augenscheinlich zwei „biologisch anerkannten“, Wesensmerkmale und Eigenschaften zu zuordnen, die sie besitzen, weil die „Natur“ das so festgelegt hat oder so wollte, macht Eva Hermans christlich-rückschrittlichen Konservatismus deutlich, der nicht vorsieht, dass sich Menschen frei entfalten können, sondern das alles so bleibt, wie es schon immer war.

Dass Sarrazins Gedanken mit seinem Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ (seit 1945 das meist verkaufte Sachbuch) auf so viel Resonanz in Deutschland treffen, erschreckt uns nicht. Spätestens mit der Veröffentlichung der Decker/Brähler-Studie von 2007 über Rassismus und rechtsextreme Einstellungen in Deutschland(12) und der Heitmeyer-Studie zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit(13) (2002-2011), ist das rassistische „Potential“ der deutschen Bevölkerung offen gelegt.

Bernhard Lassahn schreibt neben Geschichten von „Käpt‘n Blaubär“ für die Sendung mit der Maus auch Bücher für Erwachsene. In dem ersten Band seiner „Trilogie zur Rettung der Liebe“ kritisiert er die Errungenschaft der Frauenbewegungen, beispielsweise dass Frauen abtreiben und sich scheiden lassen dürfen und Männer und der Staat dies finanzieren müssten. Dass solch ein sexistischer Chauvinist in lustigen Geschichten für Kinder seine Ansichten zum Besten geben kann, ist bedenklich.

Ein weiterer Referent ist Ulrich Schacht, er schreibt als freier Autor sowohl für die Wochenzeitung der Neuen Rechten Junge Freiheit als auch für DIE WELT und WELT am SONNTAG, für die er seit 14 Jahren Chefreporter ist. Zudem war Schacht Mitglied der rechtspopulistischen Kleinpartei „Bund freier Bürger – Offensive für Deutschland“, die sich Ende der 1990er formierte. Sein Buch „Die selbstbewusste Nation“ von 1994 wird als „Manifest einer Neuen Rechten der 90er-Jahre“ gehandelt, in dem die Ungleichheit von Menschen und Nationen propagiert und rechts-konservative Meinungen bedient werden.

Frauke Petry, ebenfalls als Referentin geladen und wohnhaft in Leipzig, ist Parteisprecherin der rechtspopulistischen Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD). Petry ist inhaltlich für die Facebook-Seite der AfD, ein zentrales Propagandainstrument der Partei, verantwortlich. Auf dieser werden rechte Parolen gepostet und mitgetragen. Petry selbst setzt sich u.a. für eine striktere und rassistische Zuwanderungspolitik Deutschlands ein.

Die beiden Referentinnen Natalia Narotchnitskaya und Béatrice Bourges setzten sich in Russland bzw. Frankreich aktiv gegen die Rechte von Homosexuellen ein und sprechen sich entschieden gegen eine Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartner*innenschaften aus.

Unser Aufruf

Es geht uns nicht darum, den selbst titulierten Kritiker*innen oder gar „Aufklärenden“, die sich als unterdrückte Minderheit sehen, den „Mund zu verbieten“. Vielmehr ist es notwendig, diesen gesellschaftlich anschlussfähigen Ungleichheitsideologien ihre Plattform zu entziehen und sie als das zu entlarven, was sie sind: völkisch, rassistisch, nationalistisch, homophob, sexistisch, antisemitisch, verschwörungstheoretisch und diskriminierend!
Wir fordern eine konsequente und anhaltende öffentliche Debatte über die auf der COMPACT-Konferenz vertretenen Inhalte, deren Initiator*innen, Redner*innen und Unterstützer*innen sowie eine breite Distanzierung der Öffentlichkeit von eben jenen.
Keine Plattform für menschenverachtende Ideologien – COMPACT verunmöglichen! Nicht nur am 23.11.2013 in Schkeuditz, sondern immer und überall!

AG FAK (Feministisch. Aktionsbereit.Kritisch)
www.verunmoeglichen.wordpress.com

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Anmerkungen

(1) www.compact-magazin.com/wir-uber-uns/was-wir-wollen/
(2) de.wikipedia.org/wiki/Andreas*Abu*Bakr*Rieger
(3) juergenelsaesser.wordpress.com/2013/02/23/compact-magazin-verdoppelt-die-auflage/
(4) NSU und RAF – die Geheimdienstzwillinge: juergenelsaesser.wordpress.com/2012/07/30/beate-zschape-nsu-war-agentin-neu-in-compact-82012/
(5) Buback-Mord und Geheimdienste: uergenelsaes-ser.wordpress.com/2011/04/13/buback-mord-und-geheimdienste-2/
(6) Nazibraut war Agentin. Der NSU und Beate Z.: www.compact-magazin.com/compact-august-2012/
(7) www.compact-magazin.com/wir-uber-uns/was-wir-wollen/
(8) www.ruhrbarone.de/was-macht-scholl-latour-bei-elsaesser
(9) www.youtube.com/watch?v=7Saqv660Q0Y
(10) People of Colour: Mit dem Konzept „People of Color“ setzt man erstmals voraus, dass Menschen, die nicht weiß sind, über einen gemeinsamen Erfahrungshorizont in einer mehrheitlich weißen Gesellschaft verfügen.
(11) Eva Herman, „Das Eva-Prinzip“, S. 92: „Hier [im Dienstleistungssektor] können Frauen viele ihrer natürlichen Begabungen wie Sprachtalent, Verhandlungsgeschick, Flexibilität und Einfühlungsvermögen einsetzen.“
(12) Brähler/Decker (2007): Vom Rand zur Mitte. Rechtsextreme Einstellungen und ihre Einflussfaktoren in Deutschland
(13) Heitmeyer (2002-2011): Deutsche Zustände. Folge 1-10.

04.12.2013
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