• Titelbild
• Editorial
• das erste: Das Kulturverständnis des Islands
• ease up^ pres.: ruffhouse, madera, alza54 & concerta54
• Hellnights 2013: The Other Kitty in a Casket The Fright
• Tocotronic, Metal Ghost
• WORD! cypher / OPEN MIC.
• Marathonmann, Storyteller, Grey Gordon
• Mayer Hawthorne
• Electric Island: 24/5 KANN „24h – 5 Years of KANN Records“
• The Sounds, Viktor & The Blood
• Deez Nuts, Obey The Brave Stray From The Path, Heart In Hand, Relentless
• The Bones, US Bombs Auld Corn Brigade, Möped
• Edit pres.: Eddie C, HW Rhapsody, Neele
• „Kontroversen über Gesellschaftstheorie“
• Lali Puna, Dump + repeatbeat
• Agnostic Front, Isolated
• Eine Geschichte der Ultras.
• Mount Kimbie, Seams, Akkro
• Black Milk, Ugly Heroes, MC Melodee & Cookin' Soul
• Benefizdisco: U.W.E.L.O.V.E.D.I.S.C.O.
• Electric Island: The Black Madonna, Anna & Soussana, Sebastian Dubiel
• position: Communiqué eines linken Ladens:
• position: Linke Leipziger Zustände
• doku: Aufruhr im Gemüsebeet
• doku: Kitz als Kiezkiller
• doku: It never rains in Leipzig.
• leserInnenbrief: Kritik und Dank
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• das letzte: Völkerschlacht reloaded
Eine Ausstellung im Leipziger Museum der bildenden Künste vereint Nazi-Ästhetik mit plattem Sexismus. Bei der Ausstellungseröffnung am 12. Oktober werden Protestierende mit Gewalt von Publikum und Security aus dem Raum gedrängt und eine Frau wird von einem Security-Mitarbeiter sexistisch beleidigt und geschlagen. Der folgende Text entstand im Vorfeld.
„Auf den ersten Blick ungewöhnlich ist das Zusammentreffen der Künstler Richard Müller und Mel Ramos.“, so steht es im Ankündigungstext für die Ausstellung „Die Schöne und das Biest“ im MdbK Leipzig.
Aber ungewöhnlich ist überhaupt nichts an diesem Zusammentreffen, weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick. Gewöhnlich ist vielmehr diese Phrase, welche Überraschungen verspricht, wo lediglich Klischees reproduziert werden. Hier würden, wie der Museumsdirektor Schmidt lächelnd auf der Pressekonferenz vernehmen ließ, zwei Produzenten von Männerphantasien zusammengebracht. Der eine, Richard Müller(1), Initiator der Dresdner Vorgängerausstellung zur Aktion „Entartete Kunst“ von 1933 und NSDAP-Mitglied bis 1936, drückte seine Frauenfeindlichkeit malerisch aus. In großformatigen Ölgemälden und kleineren Grafiken sind häufig eine nackte Frau und ein Tier zu sehen, und es entstanden Bilder mit Titeln wie: „Weiblicher Akt mit Schirm, eine Schildkröte abwehrend.“ Dieser Titel wäre lustig, wenn man die Geschichte ausblenden könnte. Wesen und nicht nur ein Aspekt dieser Gemälde ist der offenkundige Versuch, die Frau als gefährliche Verführerin zu stigmatisieren und der phantasierten männlichen Angst vor dieser in der Beherrschung Ausdruck zu verleihen. Und der Beitrag, den Müller zur Entwicklung des nationalsozialistischen Kunstverständnisses und Körperbildes geleistet hat, wird auf perfide Weise zu Gunsten der Ausstellung gewendet. Nazi-Ästhetik auszustellen heißt für das Museum, den Bildungsauftrag zu erfüllen.
Mel Ramos, ein Pop-Art-Künstler der Kalifornischen Schule, malt ebenfalls nackte Frauen, Frauen mit oder auf großen felligen Tieren, nackte Frauen von vorn, von hinten und von der Seite, aufgeladen mit dem was ein Museumsdirektor als erotisch versteht(2) – durch die Nachahmung flacher Werbeästhetik als Ware objektiviert und im Zusammenspiel mit dem Tier zur Natur degradiert. Die schablonenhaft dargestellten weißen Frauen(3) sind Phantasiefiguren. Hier ist keine ironische Wendung, keine Doppeldeutigkeit oder Kritik versteckt – Mel Ramos malt ganz einfach das, was er meint, und stellt sich auch in Interviews ganz klar als Sexist hin – das Problem damit haben die Anderen.(4) Solange es Leute gibt, die genau das, was Mel Ramos von Frauen denkt, in ihren Wohnzimmern hängen haben wollen, hat dieser Künstler genug Relevanz fürs Museum. Das Frauenbild der Künstler taugt, um Sexismus auszubuchstabieren: Einerseits ist die kontrollierende Frau zu sehen, die den Mann – oft personifiziert durch das Tier – an der Leine führt und durch ihre erotische Macht ihrem Willen beugt. Dieses Angstbild ist eine Grundlage von Frauenfeindlichkeit. In anderen Bildern ist die Phantasie der gebändigten, entblößten und willigen Frau zu sehen, die dem Mann nicht mehr gefährlich, sondern zu Diensten ist. Das Tier im Bild ist in diesen Fällen nicht gezähmt, sondern bedrohlich, und Bildaufbau und Symbolik implizieren Vergewaltigungsszenarien. Hier wird die Phantasie der männlichen Vorherrschaft im Blick des Künstlers transportiert – ein Aspekt des männlichen Künstlergenius, gegen Feministinnen bereits in den 1960er Jahren rebellierten und den man eigentlich nicht mehr im Museum, wenigstens nicht in Sonderausstellungen zu sehen hoffte. Denn geknüpft daran war immer eine Marginalisierung weiblicher Positionen und patriarchale Strukturen in der Kunstwelt, mal ganz abgesehen davon, dass diese Bilder zur Kunst geadelter Ausdruck blanker Frauenfeindlichkeit sind – stereotype Frauenbilder in Öl. Wolfgang Joops hinzukuratierte Affenbilder und Skulpturen sind nicht nur extrem kitschig. Affenbüsten mit vergoldetem Lockenkopf und menschlich anmutenden Brüsten verdeutlichen nochmal, worum es hier geht: die Nähe der Frau zum Tier. Der Glamourfaktor Joop sorgt für eine Aufwertung der Ausstellung.
Museale Rechtfertigungen
Eine solche Ausstellung zeigt, dass mit dem Bildungsauftrag des Museums jede Schandtat zu begründen ist oder aber einfach niemand mehr nachfragt, was ein Museumsdirektor und ein Kurator mit ihren Räumlichkeiten so anstellen. Die Rechtfertigungsstrategien des verantwortlichen Duos Direktor Schmidt und Kurator Jan Nicolaisen sprechen Bände.
Zunächst einmal ist deren einfache Begründung für eine Zusammenstellung sexistischer Kunst mit Nazi-Ästhetik sinngemäß: Wir wollten das mal machen. Glücklicherweise, so Schmidt, tauchten bald Leihgeber auf, die einen Richard Müller in ihrer Sammlung haben – Wolfgang Joop(5) stellt als bekennender Müller-Fan mehrere Werke zur Verfügung, weshalb er auch seine Affen mit in die Ausstellung bringen durfte. Unter den Sammlern sind so prominente Deutsche wie Richard von Weizsäcker oder Armin Müller-Stahl. Stolz zeigen Sammler ihre alten Nazi-Schinken, die durch solche Ausstellungen immer weniger als problematisch gelten. Bezahlt wird das Ganze von der BMW Niederlassung Leipzig.
Dass zwei Männer ihre Frauenbändigungsphantasien in Öl gießen, mag ein Hobby sein, das niemand ihnen untersagen darf. Aber wie kommt ein Museum dazu, so etwas auszustellen? Die Kunsthalle Tübingen, die Albertina Wien und die Villa Stuck in München haben den Kalifornier Mel Ramos neulich gezeigt, so Schmidt stolz – wenn die großen Häuser es tun, dann wird das schon richtig sein, und ein Provinzmuseum möchte nicht dahinter zurückstehen. In Leipzig wird sogar noch eins drauf gesetzt, indem man dem Sexisten den Nazi daneben hängt und mit Hilfe des Glamour-Faktor Wolfgang Joop Journalist_innen und Besucher_innen blendet. Die Ausstellung würde durch diesem Zynismus hervorragend als Szenenbild für einen dystopischen Science-Fiction- Film taugen. Hier zeigt sich deutlich, was den Diskurs innerhalb der Museumslandschaft bestimmt, wie fahrlässig ein Urteil über die Geltung von Künstlern gefällt wird.
Die Frage antizipierend, wieso ein Nazikünstler und ein Machokünstler zusammen ausgestellt werden, hat man sich im Vorfeld einiges einfallen lassen. Die harmlosere und inhaltsleere Erklärung für die Ausstellung der Arbeiten Mel Ramos’ liefert Direktor Schmidt auf der Pressekonferenz: Man müsse einfach die kalifornische Sonne mal erlebt haben, und einen Spaziergang am Muscle Beach gemacht haben, in diesem Land, in dem es Produkte nur noch in XXL- Größen gebe – Stichwort „Think Big!“ und ohne diese Erfahrung ließe sich ein Mel Ramos nicht verstehen. Das mag sein. Wer nicht gerade einen Sonnenstich hat, könnte an nackten stereotypen Frauen, die sich auf großen, dicken Zigarren räkeln oder aus der Verpackung eines Schokoladenriegels herausklettern, kritisch Anstoß nehmen.
Richard Müller, der zu kurz gekommene Maler
Unangenehmer wird es im Fall Richard Müller. Der Katalog zur Ausstellung wird vom Kurator als Beitrag zur Aufklärung gerühmt, denn hier wurde ein Hetzartikel abgedruckt, den Müller 1935 verfasst hat. Es wirkt, als stehe man mutig zu den Fehlern, die der hier hofierte Künstler in der Vergangenheit gemacht hat. Dass man damit einer alternativen Veröffentlichung dieses Artikels zuvorkommen wollte, ist wahrscheinlicher als das tatsächlich versucht wurde, dem Gegenstand gerecht zu werden (dann hätte man den Artikel ja abdrucken können, die Bilder aber im Depot lassen müssen). Am Ausstellungseingang ist eine Tafel angebracht, die über die Nazi-Vergangenheit Müllers berichtet, auch ein Video über die Dresdner Ausstellung von 1933 ist zu sehen. Mit diesen Feigenblättern wird kritische Auseinandersetzung behauptet, die aber durch das Gesamtkonzept der Ausstellung, das völlig affirmativ ist, überhaupt nicht eingelöst werden kann. Wie sollte auch durch die Zusammenstellung mit sexistischer Kunst eine angemessene Beschäftigung mit Nazi-Ästhetik ermöglicht werden? Schon die Ausstellung eines Nazikünstlers gereicht dem Museum aber nach Ansicht des Kurators zu Ehre. Nach den Worten Nicolaisens müsse man sich nicht nur mit den „Helden“ der Kunst im Nationalsozialismus auseinandersetzen. (Mit „Helden“ meint er, ohne den Zynismus der Wortwahl zu begreifen, diejenigen Künstler der Klassischen Moderne, deren Leben nach ihrer Diffamierung als „entartet“ durch solche wie Müller überhaupt nicht heldenhaft verlief, die ins Exil, in die Armut oder in den Tod getrieben worden sind.) Man müsse sich, so Nicolaisen, auch mit denen, die „im Nachhinhein als moralisch schlecht dastehen“, den „Unangenehmen“ beschäftigen. Richard Müller ist so einer, aber offenbar soll er uns deshalb leid tun: „Nach 1945 ließ die Kunst- und Kulturpolitik der DDR unter dem Einfluss von Künstlern und Kunsthistorikern wie Hans Grundig und Fritz Löffler den als ‚Nazikünstler‘ Stigmatisierten in Vergessenheit geraten.“(6) Wie man einen Nazi als Nazi stigmatisieren kann, bleibt unklar. Und warum man einen solchen heute erinnern und mit einer Ausstellung adeln muss, erklärt Nicolaisen auch nicht. Aber wahrscheinlich hat es einfach schon ein anderes großes Museum getan.
Die Leipziger „Auseinandersetzung“ ist das denkbar schlechteste Beispiel für den Umgang mit Nazikunst. Das MdbK beteiligt sich gerade an einem Projekt über Alfred Flechtheim, ein jüdischer Kunsthändler der klassischen Moderne, der als Opfer der Aktion „Entartete Kunst“ emigrieren musste, aus dessen Beständen sich die Nazis räuberisch bedient haben und dessen Frau sich 1941 angesichts der drohenden Deportation das Leben nahm. Wie aus Hohn liegt die Broschüre zum Flechtheim-Projekt der Pressemappe zur Müller-Ramos Ausstellung bei.
Die Blindheit für frauenfeindliche Stereotype und die Unbedarftheit in der „Auseinandersetzung“ mit Nazikunst konzentriert sich im Bild „Circe“ von Richard Müller, das vom Kurator ganz bewusst zentral gehängt wurde. Dieses Bild entstand 1933. Zu sehen ist das antike Motiv der Circe, eine Zauberin, die in der Odyssee Männer anlockt, um sie in Schweine zu verwandeln. Damit ist Circe ein kultureller Stereotyp der männlichen Angst vor der erotischen Kontrolle, die Frauen zugeschrieben wird. Dies sei zwar, so Nicolaisen, kein kritischer Kommentar Müllers zum Nationalsozialismus – was auch überraschend wäre, denn der Künstler war schließlich Nazi. Aber 1933 wurde, so der Kurator, „ganz Deutschland durch Hitler verführt“ – die Verführung an sich, die Verwandlung von Menschen in Schweine durch eine Frau mit magischen Kräften, werde im Bild „Circe“ allgemein thematisiert. Die Frau wird hier also nicht nur als Objekt, als Werbemittel, als Tier, als schmierige Herrenphantasie, sondern auch als Hitler-Allegorie und gleichzeitige Entschuldigung für „ganz Deutschland“ dargestellt. So etwas muss man erstmal zustande bringen.
Eine Ausstellung als Zeitreise
So lernen wir aus der Ausstellung, was Frauen in den Augen der Künstler und Kuratoren alles sein können. Da gibt es keinerlei Bruch, keine kritische Einordnung, nur ein paar Alibi-Dokumente und Videos, die gerade so einen Zeitbezug herstellen – der Titel der Ausstellung, „Die Schöne und das Biest“ macht klar, dass es hier um eine Affirmation der Frauendarstellungen geht. Die Ausstellung ist ein Tiefpunkt des ohnehin oft unkritischen Umgangs mit Bildern in der Kunstwelt und lässt schon wieder die Frage relevant werden, wozu wir eigentlich Museen brauchen. Durch die traditionelle Hängung und Präsentation wird den Männer-Künstlern und ihrem Frauenbild Geltung verschafft, die Bilder werden im Wert steigen, wovon nicht nur Müller-Sammler_innen, sondern auch Sammler_innen anderer Nazikunst profitieren und mit dem Katalog gibt es eine weitere pseudokritische Publikation in den Regalen der kunsthistorischen Bibliotheken. Man wünscht sich angesichts der Ausstellung überholt geglaubte Performance Interventionen feministischer Künstlerinnen und Aktivistinnen aus den 1970er Jahren zurück. Denn es wird nicht mal versucht, zu verschleiern, dass es sich um eine Ausstellung von Männern für Männer handelt. Diese Zeitreise hinter alle errungenen Standards lässt sogar die informelle Kunst der BRD der 1950er Jahre sympathisch erscheinen, die die Gegenständlichkeit gemieden hat wie der Teufel das Weihwasser. Warum diese Abneigung gegen gegenständliche Malerei einen durchaus sinnvollen Aspekt hatte, das zeigt „Die Schöne und das Biest“. „It never rains in California“, so der Direktor des Hauses über Mel Ramos‘ Arbeiten – im politischen und historischen Bewusstsein der Kuratoren scheint offenbar ebenfalls immer die Sonne.
Marianne Papst, Outside The Box
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