• Titelbild
• Editorial
• das erste: A new one – Skate Island 2013
• Roter Salon: Sozialrevolte oder Aufstand der Täterinnen?
• Edo G & Reks
• Phase 2 präsentiert: „Samstag ist der neue Montag“
• KANN Garden
• Mock, El Gos Binari, Argument.
• inside out: Jahresbericht Projekt Verein e.V. 2012
• politik: Amnesie im Raum.
• doku: Optimieren statt Überschreiten?
• doku: Wut & Bürger
• doku: Die Notwendigkeit einer kommunistischen Solidarität mit Israel
• doku: Mythos „Nakba“
• leserInnenbrief: Perfides Spektakel
• Anzeigen
• das letzte: Das Minimum
Vorab: Panik ist nicht angebracht. Wer sich beispielsweise gegenwärtig einen Gin Tonic mischt, hat die Qual der Wahl. Die Debatten, ob es eher ein Bombay Sapphire oder ein Monkey 47 sein sollte, werden am gutbürgerlichen Tresen mit einiger Vehemenz geführt. Gin ist Kulturgut erster Güte. Wer den richtigen trinkt, weist kulturelles Kapital aus. Das war nicht immer so. 1751 etwa veröffentlicht der englische Maler William Hogarth einen Kupferstich namens Gin Lane. Die Szenerie ist gespickt von dramatischen Ereignissen: Eine offenbar restlos betrunkene Frau lässt ihr Kind fallen; ein Mann hat sich erhängt; ein anderer liegt reglos und mit einem skeletthaften Körper in der Ecke usw. Schuld an der Misere ist das Teufelszeug Gin, wie das parallel entstandene Bild „Beer Street“ verdeutlicht. Auf dieser geht es beschwipst, heiter und vor allem harmlos zu. Der gleiche Stoff also aus dem heute erlesene Geschmacksträume sind, war einst jener, der vermeintlich die Gesellschaft ihrem nahen Ende entgegen spülte. Aktuell wird dieser Taumel gen Abgrund häufig anderen Drogen angelastet. Das Pro 7-Magazin Taff hat unlängst etwa Crystal Meth zur gefährlichsten Droge der Welt gekürt und wieder einmal den kommenden Untergang der Gesellschaft prophezeit, sofern wir des Stoffs nicht schleunigst habhaft werden. Dass die Prohibition, der verbitterte war on drugs, alten Monstern wie Crystal Meth zu neuen Höhenflügen verhilft, ist sicher nicht erfreulich. Der nahende, von der gleichsam vollständigen Vergiftung ihrer Jugend herbeigeführte Herztod der Gesellschaft bleibt wohl dennoch aus.
Vom utopischen Geist zur reinen
Leistungsmaximierung
Es habe wenig Sinn, gegen Drogen zu sein, argumentierte Michel Foucault bereits in den frühen 1980er Jahren und bemühte einen interessanten Vergleich: Genauso wie es gute und schlechte Musik gebe, seien gute und schlechte Drogen unter uns. Jede pauschale Ablehnung sei der Sache nicht angemessen. In jenen Jahren war allerdings die große Drogenwelle bereits einige Zeit verebbt. Der war on drugs hatte die Szenerie fest im Griff, und angesagt war alles, „was Kurzschluß im Gehirn verursacht und die grauen Zellen möglichst lange außer Gefecht setzt.“(1) Vorbei war es mit den revolutionären psychedelischen Erfahrungen, in deren Konsequenz die gesamte kapitalistisch-bürgerliche Moderne zur Diskussion stand. Die Drogen- und Rauschgeschichte der 1960er Jahre ist hinlänglich bekannt, ebenso wie ihre Ambivalenzen und die harte Landung. Es ließe sich trefflich darüber diskutieren, welches Potential tatsächlich im psychedelischen Rausch steckt und was die transgressiven Erfahrungen bedeuten. Die folgenden Zeilen richten den Blick jedoch auf die Frage: Was kam nach der revolutionären Euphorie um LSD? Welche Drogenerfahrungen dominieren langfristig die spätmodernen Gesellschaften? Diese Frage ist freilich viel zu groß. Drogenkonsum und seine Bedeutungen sind vielschichtig. Daher soll an einem kleinen, nicht ganz aktuellen Ausschnitt zu Rave und Techno, der sicher nicht die „Realität“ der Clubs, dafür aber ein Diskursfragment skizziert, die Tendenz zur Optimierung sichtbar gemacht werden. Diese, so steht zu vermuten, spielt auch gegenwärtig noch eine nicht unwesentliche Rolle.
Psychoaktive Drogen verlieren zwar in den 1970er Jahren ihre Prominenz, ganz vom Markt verschwinden sie allerdings nicht. Dennoch dauert es etwa bis in die späten 1980er Jahre, bis ihnen – besonders im Kontext des britischen Summer of Love – erneut (mediale) Aufmerksamkeit zuteil wird.(2) Mit D-Mobs Hit-Single We call it Acieed von 1988 bekommt die neuerliche LSD-Welle ein popkulturelles Aushängeschild. Ähnlich wie die musikalische Erschütterung, die zwei Jahrzehnte zuvor Jimi Hendrix mit Hilfe von LSD hervorrief, scheint auch hier aus der Verbindung von Drogen, Rausch und Musik eine neue Bewegung zu erwachsen. Diese nimmt zwar in der krisengeschüttelten Autostadt Detroit ihren Anfang, schwappt aber recht schnell nach Europa: Techno. „Erfahrungen mit psychedelischen Drogen? Na klar. Diesmal ist es aber anders. Es ist nicht der Trip – es ist die Musik.“(3) LSD wird allerdings nicht die prägende Droge sein. Sie wird nach und nach vom weniger „radikalen“ und utopistischen Ecstasy verdrängt.
Was auch immer die neue Welle elektronischer Musik kombiniert mit Underground, Club-Culture und Drogenkonsum ins Werk setzt, es handelt sich offensichtlich um das erste Mal seit den 1960er Jahren, dass Drogen, Rausch, Musik und Lebensstil zusammengebunden werden, wenngleich die Vorstellung einer homogenen Sub- oder Jungendkultur eher eine mediale Fiktion ist. Drogenkonsum ist freilich auch zuvor Praxis, aber ohne dass es eine gewissermaßen geschlossene Erzählung gäbe. Am Ende der 1980er Jahre ist das anders. Nach einer Phase, von der bisweilen behauptet wird, dass es im linken Spektrum als Verbrechen galt, sich offen zu amüsieren, liegt nun Acid (und etwas später vorrangig Ecstasy) in der Luft.
Mit Techno gegen Kapitalismus?
Einige markante Elemente der neuen Drogen- und Musikkultur sind bereits aus den 1960er Jahren bekannt. Im Wesentlichen formt sie sich in der Verteidigung ihres zentralen Anliegens gegen staatliche Repression: das „Recht auf Vergnügen, pleasure“.(4) Im schrillen Ruf nach „Love, Peace and Unity“ klingt ebenso das lange Leben der counter culture an wie in den Forderungen nach Selbstbestimmung und sexueller Freizügigkeit. Die Dimensionen der Technoinvasion sind, so wird jedenfalls anfänglich vermutet, ähnlich wie 1968. Die neue Generation werde, paraphrasiert der Spiegel 1996 den Herausgeber des Techno-Magazins Frontpage, Jürgen Laarmann, „‚die Gesellschaft mehr verändern als die 68er‘, weil sie das Glücksgefühl aus den langen Nächten in den Alltag der Gesellschaft trage. In den Kellern und Klubs werde Zukunft vorgelebt, ohne Rassismus, ohne Sexismus, ohne Gewalt. […] In den Sechzigern warfen die Aufsässigen Molotowcocktails, in den Siebzigern gründeten sie Bürgerinitiativen, in den Achtzigern etablierten sie die Grünen – wer in den Neunzigern jung ist und ein besseres Leben will, läuft zuckend hinter lärmenden Tiefladern her.“(5)
Es wird viel diskutiert, wo Techno und Rave herkommen und vor allem, wo sie hinführen. Die Interpretationen changieren dabei zwischen einer Lesart als positiver, hedonistischer Lebensstil, der Individualität und Kollektiv verschweißt; als debiler Ausbruchsversuch, dem es an Sprache und damit an Substanz mangelt;(6) oder Rave und Techno stehen für einen kulturvergessenen „Sog der Subjektlosigkeit“, der – auf Augenhöhe mit der entfesselten Kulturindustrie – der Jugend eine fatale Mischung aus Kollektiv, kalter Vereinzelung und Flucht in den Drogenrausch nahelegt.(7) Einmal mehr ist viel Ideologie im Spiel, wenn Ecstasy und vehemente Bassläufe zur Debatte stehen.
Anfänglich spielen Versatzstücke der psychedelischen Revolution eine größere Rolle. An den Begriff Acid bindet sich erneut ein Moment von Widerstand, von Anders-Sein und Revolte. Noch 1996 schreiben Friedhelm Böpple und Ralf Knüfer in Generation XTC, einer Lobrede auf die „Szene“, dass die entsprechende Generation „soweit wie möglich“ versucht, „dem Kapitalismus ein Schnippchen zu schlagen und sich nicht mit Haut und Haaren an ihn zu verkaufen“.(8) Die Latte hängt deutlich tiefer als in den 1960er Jahren. Es geht nur mehr um einen „Hauch von Moral, eine Moral der Verweigerung“.(9) Die bieder-bürgerliche Arbeitswelt drängt zur Flucht in den Club, der wiederum mit Ecstasy (in geringerem Maß mit LSD) und einer sphärischen, völlig neuen und anderen Musik ein paralleles (Nacht-)Leben ermöglicht. Minimalistischer Widerstand ist angesagt: „Klar geht es mir beschissen. Aber wenigstens muß ich dafür nicht auch noch arbeiten.“(10) Auch wenn der oder die Einzelne nur einen Hauch von Widerstand praktiziere, gehe es insgesamt doch um etwas viel Größeres: „Die Wahrwerdung des Marxschen ‚Traums von einer Sache‘, in dem sich zum Teil Gesellschaft selbst darstellt, da passierte es tatsächlich – für einen Augenblick.“(11)
Was allerdings (eher vereinzelt) als kapitalismuskritisches Projekt mit Impulsen gegen das bürgerliche Arbeitsethos begonnen haben mag, kippt fast gleichzeitig, wie Böpple und Knüfer unabsichtlich vorführen, in ein berauschtes, unpolitisches Freizeitvergnügen, bei dem sehr genau auf die richtige „Work-Life-Balance“ geachtet wird. Der „Marxsche Traum“ ist nicht mehr als eine Floskel. Zwar wird ungeschminkt deutlich, dass die Nächte in vollem Umfang dem Rave gehören, allerdings nicht ohne zu betonen, dass damit das soziale Leben ungefährdet bleibe: „Viele von denen, die sich nachts ein Leben geben, das früher Weisen und Göttern vorbehalten war, sind am nächsten Tag natürlich kaputt, […] aber eben doch irgendwie in einer Arbeit des Tages am Start. Diese Praxis von Exzeß und Erschöpfung und doch Funktionieren macht kaum Aufhebens von sich selbst, so sehr ist sie Normalität.“(12)
Techno als Affirmation des Normalen
Die Passage, dass man doch irgendwie in der Arbeitswelt regulär am Start sei, enthält zwei Elemente, die jenseits seiner Überschreitungskraft die Bedeutung des Rausches indirekt markieren. Rainald Goetz spricht unvermittelt an, dass die RaverInnen trotz intensiver Nächte weiterhin „funktionieren“, also ihrem Tagwerk nachgehen und arbeiten. Über diese Doppelbelastung von Nachtleben und tagtäglicher Arbeit beklage sich dennoch niemand, sie sei „Normalität“. Auch wenn das sicher nicht für alle Partygäste zutrifft, markiert es dennoch einen Stil, eine Art idealtypisches Bild. Hier ist offenbar ein „flexibler Normalismus“ am Werk,(13) der selbst den Ausnahmezustand in den Stand des Normalen hebt, bzw. Normalität so flexibilisiert, dass das exzessive Nachtleben inbegriffen ist – vor allem weil die bürgerliche Arbeitswelt unangetastet bleibt. Die berauschten Erfahrungen sind sicher schön, eine andere Welt sind sie nicht: „[A]lles [wurde] ein klein wenig weicher irgendwie, natürlicher und herzlicher. Eigentlich normaler, könnte man fast sagen.“(14) Zwar können mit Hilfe von Ecstasy „tiefe Einblicke ins sich selbst“ gewonnen und Ängste abgebaut werden, die „normalerweise unser Verhalten hemmen“, dennoch ist Ecstasyrausch nicht wirklich anders, radikal oder umwerfend: Er ist zwar „extrem angenehm“ und vermittelt „wertvolle Einsichten“. Dennoch fühlt es sich, erklärt Nicholas Saunders, „ungewöhnlich ‚normal‘“ an.(15) Der große Vorteil dabei ist, sich jeder Sinnsuche zu versagen. Acid House und Techno propagieren zwar Drogenkonsum, eine explizit politische Botschaft formuliert die Musik dabei jedoch nicht. Individuelle Genusskultur ist Maßgabe.
Die Beschreibung berauschter Erfahrungen als eigentlicher Normalzustand ist komplementär zum Hinweis darauf, dass RaverInnen funktionieren. Es ist zwar anstrengend, aber möglich, nach durchzechten Nächten tagsüber aktiv und produktiv zu werden. Doch das ist nicht alles. Nicht nur, dass Ecstasyrausch und Rave die Arbeitskraft nicht gänzlich aufsaugen, entsprechende Rauschzustände werden zugleich produktiv funktionalisiert und verharren im Arbeitsethos. Folgerichtig entwickelt sich das Bewusstsein nur, statt sich – wie in den 1960ern gefordert – zu erweitern. Und wieder einmal soll das Nervensystem den Bedingungen der Zeit angepasst werden: „Rave [ist] wirklich eine Art Eingewöhnungsphase für unseren Einstieg in die digitale Welt und unsere Virtualisierung. Unser Nervensystem wird angepaßt, und wir entwickeln uns hin zur posthumen Subjektivität, wie sie die digitale Technologie erfordert und auslöst.“(16)
Die Parallelen zum flexiblen und dynamischen Kapitalismus neoliberaler Prägung sind auffällig. Genuss und Arbeit ergänzen sich oder fallen bisweilen zusammen, exzessive Momente sind immer schon eine ökonomische Ressource. Der Rückgriff auf eine von Ecstasy verschönerte Normalität suggeriert, dass eine Überschreitung im Rausch mangels Grenze nicht mehr denkbar ist. „Angesichts des pandemischen Über-Ich-Befehls Genieße! Intensiviere! Hab’ keine Bedenken! [lässt sich] das eigene Tun schwerlich als subversives empfinden“.(17) Wenn die kapitalistische Arbeitswelt selbst Exzess und Überschreitung ist, dann verlieren Rauschzustände ihre subversive Note. Wenn selbst „der Einspruch, die Verweigerung, die Regelverletzung […] Wettbewerbsvorteile versprechen“ können,(18) dann ist die Grenze verschwunden, deren Übertretung die politische Kontur von Rauschzuständen beispielsweise in den 1960er Jahren markierte. Slavoj Žižek argumentiert, dass die „spätkapitalistische ‚freizügige‘ Gesellschaft, die völlig im Bann der Über-Ich-Aufforderung ‚Genieße!‘ steht, den Exzess zum eigentlichen Prinzip ihres ‚normalen‘ Funktionierens“ erhebt. Was bedeutet eine mögliche Überschreitung im Rausch noch „im Vergleich zur spätkapitalistischen exzessiven Orgie des Systems selbst?“(19) Ecstasy ist folglich ein irreführender Name, weil „nichts weniger als ein Heraustreten [Ekstase] statt[findet], vielmehr scheint mit einem Mal jede zu betretende Dimension des Außen und Darüber, die Möglichkeitsbedingung von Wunsch und Sorge, aufgehoben zu sein – ein überwältigender Mangel, der die Negativität des Glücks unter Beweis stellt“.(20)
Regenerative Freizeit als Produktivitätsförderung
Ü
brig bleiben technoide Rauschzustände als Optimierung. Diese lässt sich grob in zwei Dimensionen unterscheiden: Einerseits aktivieren Techno und Drogen, indem sie die Taktzahl erhöhen. Menschen werden aus ihrer Lethargie gerissen, ohne zugleich den Raum von Normalität zu verlassen. Andererseits fungiert der Rave als Erholung, als sublimierender Rausch mit regenerativer Funktion. Die Aktivierung hat verschiedene Facetten. Ein Ecstasyrausch wischt gewissermaßen die Komplexität des Alltags weg und lässt absolute Fokussierung zu. Die berauschte Technowelt generiert mitunter „Erweckungserlebnisse zur postindustriellen Arbeitsethik“(21) weil sich im Rave jene Potentialität ankündigt, die sich im Kontext einer neoliberalen Arbeitswelt im projektorientierten unternehmerischen Selbst umsetzt. Dafür spricht auch die umstandslose Bejahung der Gegenwart, die vom Rausch vertieft und bestätigt wird. Prinzipiell gibt es keinen Unterschied zwischen technoiden Ecstasyerfahrungen und harter Arbeit: „Ecstasy erlaubt einfach, sich mit ganzem Herzen auf die Aufgabe zu konzentrieren, die gerade ansteht, und das Ergebnis ist in jeder Hinsicht genauso real wie ohne Ecstasy, denn beides ist in sich gleich.“(22) Diese Hingabe an ein Projekt mit ganzem Herzen ist die Forderung, die permanent an das unternehmerische Selbst herangetragen wird. Sie ist freilich auch ohne Drogen und Rausch zu meistern. Allerdings können Drogen – mit und ohne technoider Musik – die Leistungsoptimierung deutlich beschleunigen, gerade weil sie ‚happy‘ und sorglos machen, weil sie Blockaden lösen, die Angst vor Komplexität nehmen oder der Leistungsfähigkeit Beine machen. Wenn schließlich vorrangig Normalität schöner wird, steht Rausch in keiner Opposition zur produktiven Alltagswelt mehr, sondern ermöglicht diese.
Gleichzeitig fungiert Techno als Intensivierung von Freizeit. Entsprechende Partys sind wie kurze, verdichtete Auszeiten, die ein intensives Gegengewicht zum Alltag, zur Arbeitswelt darstellen, ohne dem tätigen Leben zu schaden. Der Optimierungseffekt greift doppelt: Der Geist ist klar wie selten zuvor, und Drogen und Rave hauchen dem Subjekt neues Leben ein. Mitunter wird Techno als nötige Sublimation angesehen. Sexualität etwa sei prinzipiell problematisch, schreiben Böpple und Knüfer, vor allem weil die männliche „ihrer Natur nach manisch-depressiv“ sei.(23) Dagegen helfen Ecstasy und Techno, behaupten die Autoren: „XTC zähmt. Techno mit seiner pharmakologischen Realität ist eine Kraft, die sexuelle Aggression unter Kontrolle halten kann. Ohne ein Ventil wie Techno […] kann es zum ziellosen Ausbruch von Gewalt kommen“.(24) Diese Eigenschaften machen Techno und Ecstasy scheinbar zum perfekten Freizeitvergnügen, das es ermöglicht, nach einem intensiven Wochenende wieder an die Arbeit zu gehen und nicht aus Versehen der vermeintlich immer schon gewalttätigen (männlichen) Sexualität anheim zu fallen.(25) Jenseits dieses kruden Bilds von Sexualität fällt auf, dass dies wenig mit einer vielleicht noch politisch eingefärbten Überschreitung, einem Ausbruch aus der spätkapitalistischen Gegenwart zu tun hat.
Ohne Zweifel bleiben Drogen und lange Partynächte riskant. Nicht jede_r kennt ihr/sein Limit und schafft den Absprung. Auch Wahl, Kombination und Dosierung von Drogen können zu Problemen führen und das der Sache nach optimierende Freizeitprogramm gefährden. Um solchen Problemen vorzubeugen, wird in den letzten Jahren zunehmend am Party-Setting gebastelt. Drug Scouts beispielsweise bieten ihre Unterstützung an, wenn es darum geht, „Tanzen, Rausch und Party“ sicherer zugestalten: „Schöner Feiern mit den Drug Scouts“
heißt das Programm und es beinhaltet „Infoflyer zu psychoaktiven Substanzen, Risikominimierung (Safer Use), […] kostenlos Obst und Wasser für Partygäste [,…] Safer-Use-Materialien wie Kondome und Ohrstöpsel“(26). Man könnte in Bezug auf Techno, Rave und Ecstasy Timothy Learys bekannte Phrase adaptieren und auf den Stand der Dinge bringen: „Turn on“ und „tune in“ blieben erhalten, doch statt „drop out“ müsste es jetzt heißen: „keep on working“.
Robert Feustel