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Kunstfilme oder Filme über Kunst gehören für einige Menschen zu den Garanten eines langweiligen Abends, der in pseudointellektuellen Gesprächen mündet und ohne den bereitgestellten Bordeaux überhaupt nicht zu ertragen wäre. Gut, wenn es ein Film schafft, mit solcherlei Vorurteil aufzuräumen. Der Dokumentarfilm Marina Abramovic: The Artist is Present wirft einen Blick auf das Lebenswerk der Performancekünstlerin und zeichnet ihren Weg von der mittellosen Kunstnomadin zur etablierten Bestsellerin nach. Dabei wird eines klar: um es in das Museum of Modern Art zu schaffen ist nicht nur Ausdauer und künstlerischer Ehrgeiz notwendig, sondern auch Glück. Zwar gab es bereits ab den Sechziger Jahren Künstler, die Performance in den Mittelpunkt ihre Arbeit stellten oder zumindest wie Joseph Beuys damit experimentierten, einen soliden Lebensunterhalt zu bestreiten schien allerdings aussichtslos. Dies änderte sich erst in den letzten drei Jahrzehnten, in denen Performance als Kunstform größere Beachtung fand. Hierzu leistet Marina Abramovic keinen geringen Beitrag.
Spektakuläre Werke wie Rhythm 0 und The Lovers – The Great Wall Walk(1), welches sie mit Künstlerpartner und Ex-Mann Ulay realisierte, riefen nicht nur die Kuratoren und Galeristen auf den Plan, sondern auch die internationale Presse. Die Entwicklung,
vom bedeutungslosen Nischendasein des Künstlers hin zum Produzenten eines vermarktungsfähigen Produktes, wird im Film nachgezeichnet. Dabei – und dies ist der Form der Kunst geschuldet, wird der Performancekünstler selbst zum Produkt seiner Kunst. Das dies fast zwangsweise zur Selbstinszenierung führt, die mit Performance nichts zu tun hat, ist ein Teil des Kunstbetriebes.
The Artist is Present
Die Performance The Artist is Present, die gemeinsam mit einer Ausstellung anderer Werke von Abramovic im MoMA in New York präsentiert wurde, ist Herzstück des Filmes. Dabei lernt der Zuschauer einiges über den organisatorischen Aufwand und die Professionalität der heutigen Kunstproduktion. Hierdurch wird klar, dass sich Kunst, wenn sie erfolgreich sein soll, durchaus ins Korsett von Agenten, Galeristen und einer Horde anderer „Kunstverwalter“ pressen lassen muss. Bevor es losgeht und Abramovic ihre 726 Stunden lange Performance beginnen kann, müssen eine Unzahl von Details geklärt werden, die der Künstlerin die Position der Geschäftsfrau, Trainerin und der Asketin abverlangten. Das scheint viel Aufwand für eine Performance zu sein, die „nur“ daraus besteht, auf einem Stuhl zu sitzen und dem Publikum des Museums in die Augen zu schauen – ist aber Teil des Business. Das Konzept der Performance, das sich darauf richtet eine enge non-verbale Beziehung der Künstlerin mit dem Publikum herzustellen, schafft der Film durchaus gelungen zu präsentieren. Auch die subtile Botschaft, dass ein ruhiges Sitzen, ein Nichts-tun, in unserer Welt zur harten Arbeit werden kann, wird deutlich herausgearbeitet. Die emotionalen Reaktionen der Besucher der Ausstellung werden allerdings bis an den Rande des Kitsches betont und damit die tatsächliche Kraft
des Künstlers übertrieben. Marina Abramovic ist ein Star der Kunstszene. Ihre Groupies übernachteten vor dem Museum, da ist es schwer vorstellbar, dass deren Reaktionen ausschließlich durch die intensiven Blickkontakte mit Abramovic zustande kamen. Vielmehr sind sie Produkt einer Vorfreude und Aufgeregtheit – einer Hysterie, die sich um die Künstlerin breit gemacht hat. So wie Tausende bei den Beatles nicht wegen der Musik kreischten und heulten, so muss auch die Kunst nicht einziger Grund der Reaktionen im MoMA gewesen sein.
Regisseur Matthew Akers hat mit seiner Arbeit über Marina Abramovic einen heroisierenden Film geschaffen, der weithin auf plattes Philosophieren über den Sinn und Zweck von Kunst verzichtet. Der unterhaltsame Aspekt der Realisierung von Kunst in
einer vollkommen durchorganisierten Welt, tritt dadurch in den Vordergrund und zeigt den Künstler als das, was er heute ist: ein abhängiger Individualist.
Ben Romeo Rolf