So können Sponsorenauftritte nur positiv
wirken, wenn sie dazu beitragen, etwa das Bild einer Marke, das Markenbild
eines Konsumgutes aktueller und erlebbarer zu machen, und wenn etwas gesponsert
wird, was für den Verbraucher Sinn erkennen läßt. Wenn dadurch
die sogenannte Markenbindung verstärkt, der Markenwert erhöht wird,
dürften daran nur Systemkritiker Anstoß nehmen.
(Peter Littmann, Vorstandsvorsitzender der Hugo Boss AG, in FAZ,
17.November 1995)
Über Sponsoring nur zu reden, führt in gewissen
Kreisen des underdog-matischen linksalternativen
Nischen-Kultur-Flügels zum Auffahren eines moralisch entrüsteten
Bollwerkes Kiez-milizionärer Mentalitätstraumata.
Ein Grund mehr für uns, das Ding bei den Haaren zu packen und beim Namen
zu nennen. Von Ralf.
Die Sponsoringdebatte im Feuilleton.
Im Herbst vorigen Jahres wurde eine Düsseldorfer
Erklärung, initiiert von Klaus Staeck, Grafiker, Professor und
Vorstandsmitglied im Kulturforum der SPD, veröffentlicht, die von weiteren
350 Personen mitunterzeichnet wurde. In ihr wird u.a. gefordert, daß der
Staat per Verfassung verpflichtet bleibt, die Kultur mit ausreichenden
Mitteln zu unterstützen. Direkt bezugnehmend auf das Sponsoring
heißt es: Jede private Mark, die zusätzlich in die Kultur
fließt, ist zu begrüßen. Jede private Mark jedoch, die eine
öffentliche ablöst, birgt die Gefahr einseitiger Einflußnahme
von Privatpersonen und Unternehmen auf öffentliche Institutionen.
Gründe für diese Erklärung gibt es zuhauf: Kultur
zählt nur noch als Wirtschaftsfaktor für das Unternehmen
Deutschland oder als Standortfaktor für die Städte
(Daniel Haufler in DIE ZEIT, 26.01.96).
In den siebziger Jahren setzte sich in der Bundesrepublik ein Kulturmodell
durch, das sich an den gesellschaftlichen Entwicklungen, die sie (die
Kultur - R.) bewirkt und deren Bedingungen sie unterworfen ist (Hilmar
Hoffmann), messen ließ. Die Kulturetats der Länder und Kommunen
verdoppelten sich seit dem. Heute jedoch soll die Kultur weniger Geld
verbrauchen, ohne daß darüber nachgedacht wird, was
Kulturpolitik künftig leisten kann und soll (Daniel Haufler).
Leipzigs Kulturdezernent Giradet steht in dieser Hinsicht, trotz des
unabdingbaren Festhaltens an seinen Prestigeobjekten der Hochkultur, so
schlecht nicht da. Immerhin nutzte er den Spielraum des
Subsidiaritätsprinzipes, das der Eigenverantwortlichkeit von
Kulturbetrieben und -projekten Priorität in der Wahrnehmung und Umsetzung
öffentlicher Aufgaben einräumt, um das traditionelle,
kartellähnliche Geflecht hochkulturellen Monopoles zumindest strukturell
ein wenig zu entflechten. Was wiederum über die Kulturbegrifflichkeit der
Stadt Leipzig jedoch nicht mehr aussagt, als daß die ökonomische
Seite tugendhaft von der traditionellen Vorherrschaft staatsnaher und
-tragender Kultur aus der direkten in die vermeintlich indirekte (fast)
Vollsubventionierung umgelegt wurde.
Jeder gibt nur noch für das, was ihn interessiert und betrifft.
- Klaus Staeck, Initiator der Düsseldorfer Erklärung
Also nicht mehr als Kosmetik? Im Grunde ja, nur, daß im Unterschied
zum Westen in Leipzig Sponsoren bislang wenig in Erscheinung getreten
sind.
95 Prozent der Kultur wird bundesweit mit öffentlichen Mitteln finanziert.
(Quelle: ifo-Studie über Kulturfinanzierung in Zeiten
verschärfter ökonomischer Zwänge) Der Anteil von
Sponsorengelder beläuft sich statistisch auf drei bis fünf Prozent
an der Finanzausstattung deutscher Kultur (ND). Damit ist aber
nichts über die Perspektive der Kulturpolitik gesagt. In der FAZ stellt
der Kulturdezernent Düsseldorfs, Hans Heinrich Grosse-Brockhoff (CDU),
fest: Einmal gewöhnt an das Kulturmonopol der
öffentlichen Hände, ist sie heute verunsichert, weil sie sehr wohl
spürt, daß sich dieses Monopol nicht mehr halten
läßt und sie sich in der Defensive befindet.
Genau dort setzt auch die Kritik der Düsseldorfer
Erklärung an: Die Verteilungsfunktion des Staates, würde
zugunsten einer Klientelwirtschaft aus den Angeln gehoben werden (Klaus
Staeck in taz), wenn jeder nur noch für das gibt, was ihn
interessiert oder betrifft. Darüberhinaus entstehen durch die
Sponsoringprogramme großer Konzerne Abhängigkeiten, denen sich die
Kulturpolitik nur schwer entziehen kann, hat sich das Ersetzen
öffentlicher durch private Mittel erst einmal etabliert. Beispielsweise
setzte der Tabakkonzern Philip Morris die Stadtverantwortlichen New Yorks im
Jahre 1994 die Pistole auf die Brust (FAZ), als diese darüber
nachdachten, ob das Rauchen in öffentlichen Räumen verboten
werden sollte. Kurzerhand kündigte Philip Morris an, gegebenenfalls
schweren Herzens seine PR-Konten bei den New Yorker Museen zu
kündigen. Oder die Äußerung eines
Öffentlichkeitsmitarbeiters des Konzerns MOBIL: Diese Programme
bringen uns soviel Akzeptanz, daß wir bei wichtigen Fragen grob werden
können (in FAZ, 11.10.95).
Um eine Position zum Thema Sponsoring zu finden, ist es notwendig zu begreifen,
wie weitgehend bereits das, was früher das Amt radikaler
Zivilisationskritik in Wissenschaft und Kultur war, heute von so mancher
Marketing-Abteilung unserer Wirtschaft erledigt wird (Grosse-Brockhoff in
FAZ, 5.12.95). Nicht von ungefähr bezog ich mich in der
Februar-Ausgabe dieses Blättchens in meinem Artikel Es geht voran...
#2 auf dem Feld der Rezeption darauf, daß
parallel zwei traditionell entfernt voneinander existente Ebenen (sich)
die Klinke quasi in die Hand geben. Das meint insbesondere die
Wahrnehmung der Tatsache, daß wir in einer Kommunikationsgesellschaft
(der Postmoderne) leben, die gerade in der Popularkultur, wohl oder übel,
auf lange Sicht natürlich zu gefährlichen Abhängigkeiten
führt (in SPEX 01/95).
Wie nun darauf reagieren?
Das popkulturelle Verständnis - links
Aus der Tatsache, daß Pop-Kultur in jene Segmente
zerfällt, in denen zwischen Marketing und autarker Pop-Kultur
nur noch anders gewichtet unterscheidbar ist, erwächst für linke
Pop-Kultur der Zwiespalt einer Systemimmanenz, wie sie vormals von
außen (siehe CAPTAIN SENSIBLE - Artikel in dieser Ausgabe)
bestimm- und steuerbar war. Damit umzugehen, verlangt zuallererst das
Bekenntnis pro oder contra Pop. Fällt die Entscheidung zuungunsten,
entledigt man sich des Problems, im Status des Hinterherhechelns aufholen zu
müssen. Was bleibt, ist die Ruhe selbst. Für sich, und vor allem
andere. Ästhetik wird zur unveränderbaren Größe ohne
Relevanz und subversive Kraft. Selbstverwirklichung ist dann jene
Kategorie, die jeglichen Kitsch erlaubt, weil man eh nichts will (außer
Ruhe), und in Anspruchslosigkeit verharrt, die als solche natürlich nicht
begriffen wird.
Wer sich für Pop entscheidet, muß sich mit den Entwicklungen des
Pop-Marktes auseinandersetzen, weil man auf jenen setzt. Ihn wirr zu
verteufeln, fällt einem dann nicht mehr zu.
Die Chancen ständen gut, eigentlich den Trendscout zu mimen.
Potentiell stünden die Vorzeichen darauf, den Trendscout zu
mimen, um kraft des zuerkannten Sachverstandes die Gelder letztendlich in
Bahnen zu lenken, wo sie helfen (SPEX). Nur, ensteht genau dort das
Problem der Grenzziehung. Einzig moralische Prämissen würden darauf
hinauslaufen, daß linke Kritik Sponsoring eigentlich unmöglich
macht. Und zwar deshalb, weil linke (Pop-)Kritik bisher nicht in der Lage ist,
unterschiedliche(!) Moralien als akzeptabel anzuerkennen, die von jeder noch so
kleinen Szene oder Subszene selbst(!) definiert werden. Daraus folgt also die
Aufgabe des linken Verständnisses von der Macht der
Definition? Mitnichten. Aus der Macht werden Mächte (,und zwar ohne
sich in Esoterik zu verwandeln), die man akzeptieren muß, ohne daraus
abertausende neuer Nebenwidersprüche abzuleiten.
Wo dann auch die Autonomen umso ferner wären...
Die Angst der Autonomen
Begriffe wie Selbstverwaltung und Gegenkultur waren schon
immer Dinge, die den Autonomen die namentlich genannte Kulturdebatte ersetzten.
Das war anfang der achtziger gar nicht mal verwerflich, zumal darin auch die
Begründung des Subjektes Bewegung lag. Viele Kulturzentren und
-gruppen konnten sich in der Beschränkung auf einen Style (Punk/HC)
durchaus legitimiert fühlen. Fast alle waren jung und dachten, sie blieben
es immer. Doch spätestens mit dem Mauerfall alterten sie abrupt. Im
Verharren auf - wenn überhaupt - ideologischen Versatzstücken, geriet
ihnen das Ganze zur Phrasendrescherei. Womit ihnen zwar Zulauf garantiert, aber
kein qualitativer Wandel möglich. (Siehe auch Kiez sweet Kiez
in CEE IEH, Februar 96), außer der des Rückzuges von der
kämpfenden Front. Im gleitenden Übergang wechselt man
über den kurzzeitigen Zwei-Fronten-Krieg zur anderen, an der
der Kampf gegen die Abtrünnigkeit derer geführt wird, die
nicht so als sie wohl wollen. Man kann damit leben. Und auch ohne sie.Ralf |