About the Hitch
I have always known that I`m born into a losing struggle
Zu Ende seines Lebens avancierte dieser aphoristische Ausspruch wohl zum
bekanntesten Zitat des Schriftstellers Christopher Hitchens. Über vier
Jahrzehnte widmete sich der messerscharfe Polemiker dem Kampf gegen falsche
Heilsbringer aller politischen und religiösen Lager. Einen literarischen
Blick zurück wirft die autobiografische Erinnerung:
Hitch-22. A
Memoir.
(1)
Hitchens versus Politics ... and God
Der aus dem konservativen britischen Mittelstand stammende Hitchen war bereits
in seinen frühen Zwanzigern eine lokale Berühmtheit Oxfords. Als
talentierter Redner war Hitchens in politischen Debatten am Campus genauso
beteiligt wie an den Studentenunruhen der Achtundsechziger. Im Buch
erklärt Hitchens schon früh Bekanntschaft mit Marx
Kapital
gemacht und den Anschluss an trotzkistische Aktionsgruppen gesucht zu
haben, was ihm einerseits die Möglichkeit bot auf der Straße
präsent und andererseits literarisch tätig zu sein. Hitchens sollte
die linke Sozialisation seiner Studententage nie vergessen, später aber
offensiv mit linken Positionen ins Gericht gehen, wenn diese dazu dienten,
autoritäre Regime zu legitimieren. Sein liebster Gegner war und blieb aber
die Religion. Marx, der die Kritik der Religion als Voraussetzung aller Kritik
ansah, hinterließ in Hitchens Denken einen signifikanten Eindruck.
Dass der Einfluss der Kirche 200 Jahre nach der Aufklärung noch immer die
ethisch-moralischen Grundsätze (die sich so häufig als Doppelmoral
entpuppen) westlicher Gesellschaften bestimmt, forderte Hitchens heraus. Die
Doppelmoral und Selbstbeweihräucherung kirchlicher Würdenträger
und geistlicher Symbolfiguren bekämpfte Hitchens in seiner
Schmähschrift
The Missionary Position: Mother Teresa in Theory and
Practice.
(2) Darin zeigt er, dass Mutter Teresa weder Heilige noch Retterin
der Armen war, sondern Armut als Geschenk Gottes an die Menschheit betrachtete.
Als die Friedensnobelpreisträgerin die sich gern in indischen
Armenkrankenhäusern fotografieren ließ, selber aber die Behandlung
in kalifornischen Privatkliniken vorzog Abtreibung als greatest
destroyer of peace brandmarkte, reichte dies Hitchens, um Mutter Teresa eine
Betrügerin, Fanatikerin und Fundamentalistin zu schelten. Nachdem es
Hitchens in den achtziger Jahren aufgrund seiner publizitischen Tätigkeit
in die Vereinigten Staaten gezogen hatte, verstärkte sich die ihm
entgegengebrachte mediale Aufmerksamkeit. Als Teilnehmer von Fernsehdebatten
und Talkshows liebten ihn die konservativen Medien für sein Bashing von
post 9/11 Appeasern
(3), während ihn liberale Medien herzlich einluden,
scheinheilige Erzkonservative argumenativ zu zerstören. Hitchens Axt der
Kritik schlug nun immer da ein, wo sich Amerikas politische und religiöse
Größen doppelzüngig durch Talkshows und Radiosendung
schwatzten. Die breite Besprechung seiner Publikationen war unter anderem auf
den Fakt seiner unterhaltsamen TV-Präsenz zurück zu führen. Das
Buch
God Is Not Great(4) wurde in jeder größeren Zeitschrift
der USA besprochen. Hitchens legt in seiner Biografie ausserdem dar, warum er
als Redakteur von
Vanity Fair, The Atlantic und Gastkolumnist
verschiedener amerikanischer Zeitungen und Magazine Henry Kissinger
(Kriegsverbrecher) und Bill Clinton (schamloser Lügner und
Frauenhasser) bekämpfte denen er später Film und
Bücher widmete. Dies, schreibt Hitchens, sei weniger kreative Anstregung
als offensichtliches Muss gewesen, habe sich doch niemand um diese politischen
Missetäter gekümmert. Wenngleich Hitchens schwer einem politischen
Lager zuzuordnen war, so positionierte er sich nach 9/11 außenpolitisch
an der Seite der Bush-Administration, begrüßte die Intervention im
Irak, nur um daraufhin die Vorgänge in Abu Ghraib und die staatlich
ausgeführte Folter in Guantanamo Bay zu geißeln. Im Zuge seiner
Recherche besuchte er nicht nur Kuba, sondern ließ sich selber
waterboarden.
(5) Hitchens, der in der Debatte um den Irak-Krieg niemanden
geschont hatte, kritisierte die Linke für ihren falschen Pazifismus; der
Frieden unter Hussein war kein Frieden und die Linken hätten gut daran
getan sich an die Seite der irakischen Bevölkerung zu stellen, anstatt
untätig zu bleiben.
(6) Das letztlich die konservative Bush-Regierung Saddam
Hussein beseitigt, schien Christopher Hitchens widersprüchlich, hatte er
vom Konservatismus eher die Bewahrung des gesellschaftlichen Status quo im Irak
erwartet. Hitchens Verhältnis zum Westen war nicht immer so eindeutig wie
zu dieser Zeit. Tangierte die politische Debatte den Staat Israel, zeigte er
durchaus reaktionäre Denklinien. Hitchens, der, wie sich erst nach dem Tod
seiner Mutter herausstellen sollte, selbst Jude war, vertrat antizionistische
Positionen. Dies änderte sich durch die Situation in den
Palästinensergebieten. Das Erstarken von Hamas, Hisbollah und anderen
religiösen Fanatikern, die Bedrohung Israels durch den Terror, die
Einflussnahme eines iranischen Präsidenten, der die Vernichtung des
jüdischen Staates fordert dies alles hatte nichts mit dem Verlangen
nach einem funktionierenden Palästinenserstaat zu tun, zumal die
Unsicherheit besteht, dieser könnte sich zur theokratischen Diktatur nach
iranischem Vorbild entwickeln.
(7)
A Note On Friendship
Nach einem Witz heißt es: Gott schuf Freunde, um sich für das
Dasein von Familien zu entschuldigen.
Freundschaft hatte eine grundlegende Bedeutung in Hitchens Biografie, sie stand
auf einer Stufe mit der Literatur: ohne sie lohnt sich kein Leben. Salman
Rushdie fand nach der Fatwa Khomeinis Unterschlupf bei Hitchens, mit den
bekannten Romanciers Martin Amis, Ian McEwan und dem Lyriker James Fenton
verband ihn eine lebenslange Freundschaft. Durch diese Autorenfreunde
entwickelte sich nicht nur sein Schreibstil, sie ermöglichten ihm einen
breiten Austausch und Diskussionsrahmen. Ihnen allen widmete Hitchens ein
eigenes Kapitel seiner Autobiografie. Bis zum Tod waren sie an seiner Seite.
Ein Freund, der Hitchens ebenfalls bis in den Tod begleitete war Johnny Walker
(Black). Alkohol gehörte schlichtweg zu seinem bohemian lifestyle. Alkohol
mache weniger langweilig und attraktiver, lässt Hitchens wissen, und
liefert in seinem Buch gleich noch ein paar Tipps zum Umgang mit Wein und
Spirituosen. Dass der Alkohol eines Tages zur Krankheit werden und die
Krankheit zum Tode führen kann, kommentierte er lakonisch mit der Frage,
wieviele Leben denn der Alkohol nicht schon verlängert und gerettet habe.
Kaum verwunderlich, dass Hitchens weiter schrieb und vor allem trank, nachdem
ihm Speiseröhrenkrebs diagnostiziert wurde.
Christopher Hitchens scheute keine Auseinandersetzung, er ging mit jedem in den
Ring. Er betrachtete das Leben als verlorenen Kampf, der durch seine finale
Zwecklosigkeit nicht ins Absurde abdriftet, sondern an Reiz gewinnt. Als er im
Dezember 2011 starb, arbeitet er an seinem neuen Buch, mittlerweile im
englischen Original verfügbar. Es heißt:
Mortality.(8)
Ben Romeo RolfAnmerkungen
(1) Christopher Hitchens:
Hitch-22. A Memoir. Twelve 2011
(2) Christopher Hitchens:
The Missionary Position: Mother Teresa in Theory
and Practice, Verso 1995
(3) Hier sind jene gemeint, die sich aus vorauseilendem Gehorsam gegenüber
wütenden Islamisten so schändlich an der Meinungsfreiheit vergingen:
Das Central Comedy Network, als es verbot, den Propheten Mohammed in den Serien
South Park und Family Guy zu zeigen und die vielen westlichen Zeitungen, die es
vorzogen, sich nicht hinter die dänischen Karikaturisten zu stellen, als
diese verfolgt wurden. Und all jene eben, die die Meinungsfreiheit kritisieren,
anstatt sie gegen einen beleidigten islamistischen Mob zu verteidigen.
(4) Christopher Hitchens,
God Is Not Great: How Religion Poisons
Everything, Twelve 2007
(5) Als Video zu sehen unter:
http://www.youtube.com/watch?v=4LPubUCJv58
(6) Die mangelnde Solidarität der Linken gegenüber Salman Rushdie
hatte Hitchens bereits 1989 schockiert, war doch Khomeinis Fatwa ein Angriff
gegen die Meinungsfreiheit und damit gegen die Möglichkeit
gesellschaftlichen Fortschritts überhaupt.
(7) Hitchens hatte den Zionismus als silly, messianic, superstitious
idea bezeichnet, die zur Vertreibung der Palästinenser geführt habe.
(Vgl: Interview mit Charlie Rose:
http://www.youtube.com/watch?v=VQxhyy9Wpb4, 2001). Er betonte aber, dass der Fakt der Existenz Israels nicht zu diskutieren
sei. Das Unrecht was man den Palästinensern durch deren Vertreibung
angetan habe, legitimiere nicht die Irrationalität von Hamas und
Hizbollah, die Anfang der Neunziger Spanien als Kalifat forderten, Sozialisten
in Gaza umbrachten und die antisemitischen Protokolle der Weisen von Zion auf
ihrer Homepage veröffentlichten. Das unterscheidet Hitchens dann auch von
seinem alten Freund Edward Said, der sich nur halbherzig von diesen Gruppen
distanzierte. (Vgl. Christopher Hitchens, The Hitch Geständnisse
eines Unbeugsamen, Karl Blessing Verlag 2011, S. 612 ff.)
(8) Christopher Hitchens,
Mortality, Twelve; First Edition edition 2012