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Die Open-Source/Freie-Software Bewegung genießt unter Linken einen
relativ guten Ruf.(1) Schuld daran ist nicht nur, dass deren Entwickler Dinge,
für die man sonst zahlen muss, kostenlos zur Verfügung stellen,
sondern auch, dass die Bewegung in Opposition und deren Erzeugnisse sogar als
praktischer Gegenentwurf zum kapitalistischen Privateigentum vorgestellt
werden. Aber steht das Konzept Open Source wirklich im Gegensatz zu den
herrschenden Eigentumsverhältnissen?
Immaterielle Güter sind anders...
Zumindest einige Vertreter dieser Bewegung scheinen sich am Eigentum zu
stören. Und zwar dort, wo es digitale Güter betrifft. Ihr Thema ist
also nicht das Eigentum an Lebensmitteln, Land und Fabriken, sondern das
Eigentum, wenn es Software, Patente und Texte betrifft. In der Tat gibt es in
der Sache durchaus einen Unterschied zwischen physischen und sogenannten
immateriellen Gütern.
Wenn jemand mein Fahrrad benutzt, kann ich es nicht gleichzeitig verwenden.
Ideen aber wie sie zum Beispiel in diesem Text vorkommen kann man
verbreiten und mit anderen teilen, ohne dass man davon weniger hat. Wir wissen
vom Inhalt dieses Textes nicht weniger, wenn die LeserInnen nach
dem Lesen mehr darüber wissen. Aber immerhin: Ihn zu lesen, zu verstehen,
Fehler zu finden, die wir vielleicht darin gemacht haben, ist jedes Mal
intellektueller Aufwand eine Tätigkeit also, die Zeit kostet und
Voraussetzungen hat, z.B. die Fähigkeit Lesen zu können.
Ganz umsonst und ohne Voraussetzungen geht das mit dem Verbreiten also
nicht. Dennoch, der Text als solcher, und damit die darin enthaltene
Information, hat die Eigenschaft, dass man ihn ohne
Informationsverlust beliebig oft kopieren (und damit auch
übertragen, darstellen, verfügbar machen, kurz:
benutzbar machen) kann. Wenn bestimmte Voraussetzungen einmal vorhanden sind
(Computer, das Internet), kann man eine Datei, die den Text enthält,
billig vervielfältigen der Aufwand dafür wird
dann so gering, dass er irgendwann für den Einzelnen praktisch gleich Null
ist.
...und das Eigentum an ihnen fällt anders auf
Auf hin- und herschwirrende Ideen, auf Dateien oder andere digitale
Informationsbehälter einen Eigentumstitel zu kleben,
erscheint so als eine Einschränkung, die künstlich ist, die
nicht sein müsste alleine schon deshalb, weil man es gewöhnt
ist, diese Dateien zu kopieren. Hier fällt auf: Eigentum zu sein ist keine
Eigenschaft dieser Sachen selbst, sondern es wird äußerlich gesetzt.
Was dabei noch auffällt, ist, dass manche Dateien, z.B. Musiktitel, nicht
kopiert werden dürfen. Es gibt ein Verbot, diese weiterzugeben. Und
das scheint bei Dateien nochmal besonders abstrus, da der Inhalt durch das
Weitergeben gar nicht verändert oder beschädigt wird. Beim
digitalen Eigentum erscheint also anders, nämlich deutlicher, dass
die staatliche Gewalt mit ihren Patent-, Urheber- und sonstigen Rechten die
Benutzung einschränkt. Das Eigentum erscheint hier klar als das, was es
ist: als eine Schranke.
Mehr noch, die Resultate von Wissenschaft und Technik waren schon lange vor dem
Beginn der digitalen Datenverarbeitung Gemeinschaftsprodukte in dem Sinne, dass
noch die kleinste neue Entdeckung oder Erfindung auf so
zahlreichen anderen Entdeckungen und Erfindungen aufbaute, dass der jeweilige
Urheber nur bei einem Bruchteil dieser notwendigen (im-)materiellen
Voraussetzungen weiß, wo sie herkommen. Mathematische Erkenntnisse
bauen auf anderen mathematischen Erkenntnissen auf, Software
basiert auf Ideen anderer Softwarepakete oder gleich ganzen anderen Paketen.(2)
Um mit Erkenntnissen und Technologie voranzukommen, braucht man also Zugang zu
dem, was es schon gibt. Wenn heute immer wieder Eigentumstitel verteidigt und
genutzt werden, wenn also der Zugang und die Anwendbarkeit vorhandener
Informationen gesetzlich beschränkt wird, dann ist das ein Hindernis
für die Entwicklung neuer Ideen. Eigentum erscheint als eine
willkürliche Trennung dessen, was doch notwendig aufeinander verwiesen
ist: Es ist nicht nur eine Schranke, welche verhindert an bestehende Dinge oder
vorhandenes Wissen zu kommen, sondern auch ein Hindernis für die
Entdeckung und Entwicklung neuer Sachen.
Eigentumslosigkeit als Norm
Das Konzept Open Source ist zusammen mit der Entwicklung von
Großrechnern, PCs und Internet entstanden und hat diese Entwicklung
selbst vorangebracht. Ausgangspunkt der Open-Source-Bewegung war
die Wertschätzung besonderer Eigenschaften digitaler Güter,
insbesondere die verlustfreie Reproduzierbarkeit und die damit verbundenen
Vorteile bei der gemeinsamen Bearbeitung von Code. Die Protagonisten dieser
Bewegung wussten sich diese Eigenschaften bei ihrer Arbeit zunutze zu machen
und beschäftigten sich mit den Voraussetzungen dafür. Die
Beschäftigung mit diesem Thema war neu, denn am Anfang der praktischen
Informatik, so ab den 1950er Jahren, war der freie Zugang und die
de facto uneingeschränkte Benutzbarkeit aller benötigten
Informationen zumindest was Software anging
selbstverständlich. Jedenfalls für Leute mit dem entsprechenden
Wissen, die an einschlägigen, gut ausgestatteten Forschungseinrichtungen
arbeiteten. Software wurde schlicht als Gratiszugabe zu massiven, teuren
Großrechnern angesehen und entsprechend offen verteilt, studiert und
verändert.
Erst ab Ende der 1970er Jahre entwickelte sich ein Markt für
proprietäre Software also Software, die man nicht einfach
verbreiten und verändern darf. Firmen wie Microsoft begannen, mit dem
Verkauf von Software und insbesondere von Lizenzen für die Benutzung von
Software ein Geschäft zu machen.(3) Gegen diese neue Bewegung
traten Leute wie Richard Stallman Gründer des GNU
Projekts, welches die bekannteste Open-Source-Lizenz, die General
Public License (GPL), heraus gibt an, um den Status quo zu bewahren.
Stallman und seine KollegInnen entwickelten Software gemeinsam und bestanden
darauf, dass andere ihre Produkte studieren, benutzen und weiterverbreiten
dürfen sollen. Das ist, vom Standpunkt der planvollen
Produktion nützlicher Dinge betrachtet, eine vernünftige Sache.
Eigentum eine Norm für die Welt der physischen Dinge?
Das GNU-Projekt war der Ursprung der Open-Source-Bewegung. Dieser Bewegung ist
heute wichtig, dass aus den sachlichen Besonderheiten immaterieller Güter
folge, dass das Eigentum für diese Güter eine geringere oder andere
Rolle spielen müsse als für andere materielle Sachen.
Damit entgeht dieser Bewegung aber genau das, was gerade an der Unterwerfung
immaterieller Güter unter das Eigentumregime, vorangetrieben durch die
Pioniere der proprietären Softwareentwicklung, auffallen könnte: Dass
das Eigentum stets ein den Gütern äußerliches soziales
Verhältnis ist. Protagonisten von Open Source (oder Bewegungen, die davon
inspiriert wurden) unterstellen das Eigentum an solchen physischen Dingen als
der Natur der Sache, insbesondere ihrer (angeblichen) natürlichen
Knappheit, entsprechend.
Zum Beispiel schreiben die Piraten in ihrem Grundsatzprogramm: Systeme,
welche auf einer technischen Ebene die Vervielfältigung von Werken be-
oder verhindern (Kopierschutz, DRM, usw.), verknappen
künstlich deren Verfügbarkeit, um aus einem freien Gut ein
wirtschaftliches zu machen. Die Schaffung von künstlichem Mangel aus rein
wirtschaftlichen Interessen erscheint uns unmoralisch, daher lehnen wir diese
Verfahren ab. [
] Wir sind der Überzeugung, dass die
nichtkommerzielle Vervielfältigung und Nutzung von Werken als
natürlich betrachtet werden sollte und die Interessen der meisten Urheber
entgegen anders lautender Behauptungen von bestimmten Interessengruppen nicht
negativ tangiert.(4)
Was digitale Güter angeht, beklagen die Piraten also, dass dort Menschen
qua Eigentumstitel künstlich vom Benutzen abgehalten werden,
entgegen der natürlichen Eigenschaft von Information, kopiert
werden zu können. Andererseits können sie dies bei materiellen Dingen
so generell nicht feststellen, diese sind nach der Logik des Grundsatzprogramms
durchaus von selbst wirtschaftliche Güter. Eine Annahme, die den
Verfassern so selbstverständlich zu sein scheint, dass sie dies nicht
explizit erwähnen.
Das GNU-Projekt spricht den angenommenen Unterschied zwischen ideell und
materiell explizit an: Unsere Ideen und Intuitionen über das
Eigentum an materiellen Dingen handeln davon, ob es richtig ist, jemandem ein
Objekt wegzunehmen. Sie betreffen das Kopieren nicht direkt. Eigentümer
wollen aber, dass wir jene dennoch anwenden (
) Aber Leute im Allgemeinen
haben wahrscheinlich nur Sympathien für die Beanspruchung von
natürlichen Rechten aus zwei Gründen. Ein Grund ist eine
überdehnte Analogie mit materiellen Dingen. Wenn ich Spaghetti koche, dann
erhebe ich Einspruch dagegen, wenn jemand anderes sie isst, weil ich sie dann
nicht mehr essen kann. Seine Aktion schadet mir genauso viel, wie sie ihm
nützt; nur einer von uns kann die Spaghetti essen, die Frage ist, wer von
uns? Der kleinste Unterschied zwischen uns ist genug, um die ethische Balance
zu stören. Aber wenn Du ein Programm, das ich geschrieben habe,
ausführst oder veränderst, dann betrifft das Dich direkt und mich nur
indirekt. Ob Du deinem Freund eine Kopie gibst, betrifft Dich und deinen Freund
wesentlich mehr als es mich betrifft. Ich sollte nicht die Macht haben, Dir zu
sagen das nicht zu tun. Niemand sollte das.(5)
Die aufgemachte Trennung zwischen materiellen und ideellen Dingen im Bezug auf
das Eigentum, stimmt aber so nicht.
1. Unter dem Regie des Eigentums ist erst einmal gleichgültig, ob der
Eigentümer eine Sache benutzt oder nicht. Wenn Leute an Eigentum an
materiellen Gütern denken, dann denken sie an ihre persönlichen
Habseligkeiten, Dinge die sie mehr oder weniger
regelmäßig brauchen. Das trifft aber das Eigentum nur am Rande, es
funktioniert viel grundsätzlicher. Zum Beispiel werden besetzte
Häuser geräumt und stehen dann wieder leer. Oder Waldstücke [von
Eigentümern], die in ganz anderen Gegenden wohnen, werden eingezäunt.
Die Frage, ob jemand eine Sache gebrauchen kann, stellt sich dank des
Eigentumsverhältnisses so nicht. Das Eigentum an einer Sache gilt, ganz
egal, ob der Eigentümer oder jemand anderes diese zum Beispiel
gegen Bezahlung benutzt. Die absolute Verfügung über
Reichtümer egal welcher Art und welchen Umfangs einklagbar zu machen, das
ist das Privateigentum und es wird mit allen erforderlichen Mitteln vom Staat
durchgesetzt. Egal ob materielles oder immaterielles Gut
den Regeln des Eigentums nach ist es erst einmal ziemlich egal, wer was wie
benutzen will. In dieser Hinsicht ist die Unterscheidung also Pustekuchen.
2. In einer Hinsicht spielt das Benutzenwollen aber schon eine Rolle
eine negative. Das Eigentum an einem Haus ist Ausdruck des
Ausschlusses Dritter von der Benutzung des Hauses. Mit dem Haus selber kann man
nämlich kein Eigentumsverhältnis eingehen, es ist nur ein Haus, nicht
fähig zu einem Rechtsverhältnis. Genauso wie eine DVD mit
Windows darauf nicht unbedingt installiert werden darf, nur weil sie
gerade bei mir herumliegt: Die Funktion eines Eigentumstitels ist ja gerade
die, dass andere mein Eigentum nicht ohne mein Einverständnis
benutzten dürfen, obwohl sie wollen und vielleicht auch
unmittelbar physisch könnten. Das, was den FreundInnen der freien Software
an digitalen Gütern auffällt, könnte ihnen am Eigentum an
materiellen Dingen genauso auffallen: Eigentum ist ein Verhältnis zwischen
Leuten, nicht zwischen Dingen und Leuten, und ein ziemlich negatives
Verhältnis zwischen Leuten dazu. Eigentum wirkt als eine Schranke für
die Benutzung, bei der es darauf ankommt, dass der andere das, was meines ist,
will, es aber, weil es meines ist, nicht (unmittelbar) bekommen kann. Die
Eigentumsgarantie für materielle Dinge gibt es nicht obwohl, sondern weil
andere die Eigentumsgegenstände wollen, brauchen, benötigen. Das
Eigentum an Brot und erst recht an Brotfabriken ist deswegen relevant, weil
andere Leute Hunger haben. Sonst bräuchte man den Ausschluss nicht zu
garantieren.
3. Außerdem: Den harten Gegensatz zwischen materiell und immateriell
bezüglich der Reproduzierbarkeit von Gütern gibt es nicht. Man kann
materielle Dinge herstellen, was nichts anderes heißt, als die
festgestellte Knappheit zu beseitigen. Es gibt nicht eine bestimmte
(Maximal-)Anzahl von Brotmessern in der Welt, man kann mehr herstellen. Klar,
dafür muss man dann was tun, aber einfach knapp ist da nichts.(6) Zum
Herstellen braucht man aber Zugang zu den Produktionsmitteln, die
wiederum auch in privater Hand sind. Auch dabei ist gleichgültig, ob man
sie wirklich braucht oder ob sie gerade benutzt werden. Allerdings ist
ein Unterschied zwischen Software und Brotmessern, dass die
zeitgemäßen Produktionsmittel für Software inzwischen billige
Massenprodukte sind und bei den meisten Leuten sowieso schon zu Hause
herumstehen. Mit einem zehn Jahre alten Computer vom Sperrmüll kann man
Software schreiben, die auf dem Stand der Technik ist.(7)
Entsprechend braucht man in die Produktion von Software nur Bildung und
Arbeitszeit zu investieren, während man etwa bei Brotmessern von ihren
Produktionsmitteln auf dem Stand der Technik ausgeschlossen ist.
Dafür bräuchte es tatsächlich eine Brotmesserfabrik und die
will erst einmal gekauft werden.
4. Die Produktionsmittel wiederum sind auch nicht einfach knapp, sondern
auch größtenteils herstellbar. Zu den Produktionsmitteln bekommt
man keinen Zugang, weil ihr Zweck für den Eigentümer ist, sich
damit Zugang zu den Reichtümern der Gesellschaft zu
verschaffen und darüber hinaus Geld zu vermehren. Er weiß ja, dass
er sich mit anderen immer einigen muss, um an deren Produkte heranzukommen.
Entsprechend benutzt er seine Fabrik sowie Leute, die keine Fabriken
haben, d.h. Arbeitskräfte um etwas herstellen zu lassen, was er
verkaufen kann. Mit dem Erlös kann er dann einkaufen gehen am
besten und in der Regel wieder Arbeitskräfte und Produktionsmittel, damit
der Spaß wieder von vorne losgeht. Genau wie bei immateriellen
Gütern ist man bei materiellen Gütern in einer
arbeitsteiligen Gesellschaft auf die anderen angewiesen. Weil hier
Eigentumsansprüche gelten, ist man aber von deren Produkten prinzipiell
ausgeschlossen und so darauf verwiesen, den Bedarf anderer für sich
auszunutzen. Die Absurdität anders auf den Punkt gebracht: Gerade weil man
auf die anderen angewiesen ist, beharrt man auf deren Ausschluss.
Wenn alle mir nur etwas geben, wenn ich ihnen etwas gebe, dann werde ich darauf
schauen, dass ich das, was ich habe, auch dafür einsetze, dass ich was
bekommen kann
indem ich anderen genauso gegenüber trete, wie sie
mir.
Eigentum hat den gleichen ausschließenden Charakter, unabhängig
davon, ob es um materielle oder immaterielle Güter geht. Das sieht die
Open-Source-Bewegung aber ganz anders und teilt damit eine fatale
Fehleinschätzung über den Kapitalismus mit so vielen anderen
Menschen.
Nochmal anders formuliert: Der linke Flügel der
Open-Source-Bewegung beharrt auf einer strikten Trennung zwischen digitalen und
materiellen Gütern, um damit das Eigentumsregime über digitale
Güter zu kritisieren. Mit ihrer Argumentation bestätigen und
zementieren sie aber gerade, dass Menschen qua Eigentum von den Dingen, die sie
brauchen, ausgeschlossen sind. Die Parole Free Software today, free
carrots tomorrow eines linken Open-Source-Aktivisten mag nett klingen, mit dem
Appell an die Eigentumskritik von Open-Source wird aber eine falsche
Vorstellung bestätigt, die Karotten für alle und zwar umsonst
verhindert.
Open-Source-Lizenzen: Eigentumskritik mit den Mitteln des Rechts?
Wenn man Open-Source-Software entwickelt, ist der Zugang zum eigenen
Arbeitsprodukt in Form von Recht organisiert. Insbesondere das Urheberrecht
gilt ohnehin: Es wird vom Staat für alles gesetzt, was einen ideellen
Urheber hat. Aber darüber hinaus legt eine Open Source-Lizenz mit den
Mitteln des Rechts fest, was man mit dem Produkt machen darf und was nicht
grundsätzlich nicht anders als an vielen anderen Stellen in der
bürgerlichen Gesellschaft üblich, insbesondere in der Industrie. In
der Regel darf man den Quellcode lesen, verändern und weiterverbreiten.(8)
In den genauen Bestimmungen unterscheiden sich die verschiedenen
Lizenzen erheblich. Grob lassen sich dabei zwei Varianten von Offenheit
unterscheiden. Die bereits erwähnte GPL sagt aus, dass sobald man ein GPL
lizenziertes Stück Software in seinem Programm benutzt, das gesamte
Programm unter GPL stehen muss. Das heißt, die Lizenz ist virulent
und Komponenten stecken sich gegenseitig an. Zum Beispiel kann man nicht
einfach den Linux Kernel (also den Kern des Betriebssystems) nehmen, ein paar
Veränderungen machen und das Ergebnis ohne Quellcode
verbreiten; man muss auch den Quellcode der eigenen Änderungen
freigeben.
Die BSD-Lizenz ist da weniger strikt.(9) So sind zum Beispiel BSD-Programme
Bestandteil von Microsoft Windows, ohne dass deswegen irgendwelche
Quellen veröffentlicht werden müssten. Die Lizenz verlangt in erster
Linie, dass die Autoren genannt werden müssen. Und sie regelt zweitens,
dass man niemanden verklagen darf, wenn etwas schief geht: ein
Haftungsausschluss. Die beiden Seiten können sich in der Frage lange
streiten: Die einen (GPL) meinen, man müsse die Freiheit mit Zwang
schützen, die anderen (BSD) meinen, dass dabei die Freiheit verloren
ginge.(10)
Wer nun Recht hat oder ob die Frage sich nicht lösen lässt, weil
diese Freiheit ihr Gegenteil, die Herrschaft, enthält, müsste in
einem anderen Artikel geklärt werden. Was man aber feststellen kann, ist,
dass diese Art der praktischen Eigentumskritik das (Mit-)Eigentum an einem
Softwareprodukt notwendig voraussetzt. Richard Stallman hat deswegen die GPL
als einen legal hack, also als einen legalen Trick bezeichnet.(11) Man
insistiert auf seinem Eigentum(12) (indem man Lizenzbedingungen
einfordert), um die freie Weitergabe zu garantieren.
Das Rechtssystem garantiert durch die Staatsgewalt lässt
sich aber nicht überlisten: Lizenzen (egal welcher Art) sind legal
bindende Verträge, die im Zweifelsfall von der Staatsgewalt
durchgesetzt werden können, wenn eine Seite sie einfordert.(13)
Dies hat zu der Situation geführt, dass z.B.
WissenschaftlerInnen, die ihre Forschungssoftware für andere
zugänglich machen, sich massenweise mit verschiedenen
inkompatiblen Lizenzmodellen beschäftigen: Darf ich die
Open-Source-Software eines anderen Wissenschaftlers legal mit
meiner Open-Source-Software kombinieren?(14) Aus der kreativen Anwendung und
Überlistung des Rechts Stallman und Co. machen Ansagen an
das Recht , wurde die ganz prinzipielle Unterwerfung unter das Recht
das Recht macht Ansagen an Stallman und Co , schlicht, weil das
Recht so funktioniert.
Mehr noch, in einer Gesellschaft, wo fast nur Anhänger des Rechts
herumlaufen, hat solch ein Hack so seine eigene Dynamik. Inzwischen hat
sich der Bereich, auf den Lizenzen in diesem Stil angewendet werden, erheblich
erweitert. Die Creative-Commons-Bewegung(15) empfiehlt auch Wissenschaftlern,
Kulturschaffenden und im Zweifelsfall jedem, der seine
Urlaubsfotos ins Internet hochlädt, sich nachhaltig zu Eigentümern
ihrer jeweiligen Informationsprodukte zu erklären, um dann,
aus einem Baukasten der Rechteeinräumung schöpfend, Dritte mehr oder
weniger von der Benutzung auszuschließen. Lawrence Lessigs
Creative-Commons-Initiative hat im Gegensatz zu Richard Stallman auch keine
Probleme mehr mit dem real existierenden Copyright-Regime, wenn sie richtig
feststellt: Creative Commons licenses are copyright licenses plain
and simple. CC licenses are legal tools that creators can use to
offer certain usage rights to the public, while reserving other rights. Without
copyright, these tools don't work.(16) Und bei der Durchsetzung dieses
Copyright-Regimes hilft die CC-Bewegung kräftig mit. Inzwischen werden
auch Dinge mit Eigentumstiteln ausgestattet, über die sich vorher einfach
niemand Gedanken gemacht hat, z.B. die oben erwähnten
Urlaubsfotos(17).
Wie präsent der Formalismus des Rechts in den Köpfen dieser Leute
ist, kann man an der Kontroverse und der Zurückziehung der
Devnations-2.0-Lizenz sehen.(18) Die Devnations-2.0-Lizenz sah vor, dass Menschen
in Entwicklungsländern Produkte kostenlos benutzen
dürfen, aber Leute aus den kapitalistischen Zentren nicht.
Eine Lizenz, die also die echte materielle Ungleichheit wenigstens zum Thema
gemacht hat.(19) Sie wurde zurückgezogen, weil sie Bewohner aus
Industrienationen diskriminierte, und damit die Gleichheit vor dem
Gesetz verletzte. Wenn man der Open-Source Bewegung nachsagen
will, sie sei mit einer Eigentumskritik ans Werk gegangen wenn auch auf
immaterielle Güter beschränkt oder sie habe sich
am Ausschluss der Menschen vom digitalen Reichtum dieser Welt gestört,
dann hat sie auf jeden Fall das Gegenteil erreicht. Hacken kann man die
Rechtsordnung eben nicht eine vernünftige Kritik sieht anders
aus.
Software-Allmende für Unternehmensgewinne
Der Erfolg der Open-Source-Bewegung beruht auch darauf, dass sie sich bestens
mit der ansonsten weiterhin nach allen bekannten Prinzipien der privaten
Ausnutzung von Erfindungen gedeihenden IT-Branche verträgt(20).
Im Folgenden ein paar Beispiele, die verdeutlichen sollen, wie Geschäft
und Open-Source zusammen passen, also wie man mit etwas Geld verdient, was man
umsonst zur Verfügung stellt.
Die Mozilla Foundation vor allem bekannt als Herstellerin des Browsers
Firefox erhält einen Großteil ihres Verdienstes von
Google Inc. Google Inc. zahlt dafür, dass Google auf dem Firefox die
voreingestellte Suchmaschine des Browsers ist. Apple wiederum setzt mit seinem
OS-X-Betriebssystem auf ein Open-Source-System auf, dafür arbeiten sie
auch mal an Open-Source-Projekten mit oder kaufen diese gleich
auf. Die Resultate nutzt diese Firma dann, um Hardware, Softwarepakete, Filme
und Musik zu verkaufen. Die Entwicklung des Kerns des Linux-Betriebssystems
geschah (laut einer kürzlich veröffentlichten Studie),
nur zu 7,7 % explizit unbezahlt.(21) Die größten Firmen, die
Mitarbeiter damit beschäftigen, an diesem Betriebssystem mitzuwirken, sind
Red Hat Linux, IBM und Novell, also Global Player auf dem
internationalen IT-Markt. Sie entwickeln Linux mit, um lohnende
Geschäfte damit zu machen. Sie verkaufen zum Beispiel
Anwendungen, die auf Linux laufen oder bieten Firmen
Support-Verträge an: Ihr kauft unser Produkt und wir stellen sicher, dass
es rund läuft. Dafür zahlen andere Unternehmen dann Geld, obwohl man
sich aus Open-Source-Projekten das Resultat grundsätzlich
selbst zusammen bauen könnte. Google verbreitet sein
Android-Betriebssystem und seinen Webbrowser unter einer
Open-Source-Lizenz vor allem damit auch Smartphone-Nutzer
Google-Produkte verwenden, an denen der Konzern direkt oder indirekt durch
Werbung verdient. Viele Firmen steuern Hilfe zur Entwicklung vom GCC-Compiler
bei, weil das ein zentrales Stück Infrastruktur für jede
Softwarefirma ist.(22) Es ist billiger, das zusammen zu entwickeln,
als unabhängig eine eigene Alternative zu entwickeln. Selbst Microsoft hat
inzwischen einige Produkte unter Open Source-Lizenzen
veröffentlicht.
Moderne Standort- und Wettbewerbspolitiker, die der Liebhaberei für das
Hin- und Herschieben von Bytes ganz unverdächtig sind, haben dies
verstanden sie fördern und propagieren die Pflege und den Ausbau
dieser gemeinschaftlich verfügbaren Infrastruktur nach Kräften. Zum
einen, weil das den Standort stärkt und zum anderen, weil die eigenen
Behörden mit so manchem Open-Source-Produkt einfach billiger fahren.
Übrigens: Durch sein Universitätswesen hat der bürgerliche Staat
schon lange vor dem C64(23) dazu beigetragen, dass
Grundlagenforschung und Wissen zum Wohle des nationalen Wirtschaftswachstums
verwendet werden. Dazu passt auch ganz gut, dass die zwei prominentesten
Open-Source-Lizenzen (GPL und BSD) an amerikanischen Eliteuniversitäten
(MIT und Berkeley) entwickelt wurden.
Auch hat der moderne bürgerliche Staat erkannt, dass sein Patentrecht
nicht nur Hebel für die private Ausnutzung von Innovationen ist, sondern
eben auch Schranke insofern versteht er auch die Sorgen der
Open-Source-Aktivisten ganz gut. Wenn Innovationen nicht als Grundlage für
neue Innovationen genutzt werden können, sieht es schlecht aus mit dem
Wirtschaftswachstum. Darum hat er sich ein Patentrecht gegeben, das Patente
jeweils für nur begrenzte Zeiträume schützt. Damit gibt er den
widersprüchlichen Interessen von Einzelkapitalisten (die ihre
patentierten Erfindungen ordentlich ausbeuten wollen, qua Ausschluss aller
anderen Nicht-Zahler von der Nutzung der Patente) und ideellem Gesamtkapitalist
(der Rest der Wirtschaft will und soll die Patente als Grundlage und Mittel des
eigenen Wachstums nutzen können) an der Ausnutzung und Fortschreibung der
Technik eine Verlaufsform.
Im kulturellen Bereich, also dort, wo CC-Lizenzen verbreitet sind, verhält
sich die Sache oft nicht anders. Übrigens auch nicht bei denen, die ihren
Produkten eine nicht-kommerzielle CC-Lizenz verpassen, also eine Lizenz,
derzufolge man ein Produkt nur im nicht-kommerziellen Rahmen verwenden darf.
Darin steckt die Absicht, andere davon auszuschließen, von den eigenen
Arbeitsergebnissen geldmäßig zu profitieren. Dieser prinzipielle
Vorbehalt, selbst im Falle eines online gestellten Urlaubsfotos der Einzige zu
sein, der von dessen Verbreitung profitieren könnte, hat
selbstverständlich nichts zu tun mit der Kritik an einer Gesellschaft, die
auf wechselseitigem Ausschluss von nützlichen Dingen und notwendiger
Angewiesenheit jedes Einzelnen auf eigenes Eigentum oder eigene Arbeitskraft
basiert. Das Beharren auf dem Recht des Urhebers ist keine Eigentumskritik,
sondern der Standpunkt des Eigentümers in Konkurrenz zu anderen.
Junge Linke gegen Kapital und Nation