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Aktuelles Heft

INHALT #194

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Editorial
• das erste: Keine Solidarität mit Syrien?!
Film: mossos d'esquadra
„Weltmusik“ im Conne Island?
Goth Trad
Marbert Rocel
Auf, auf zum Kampf?
Busdriver
Los Eastos Weekend
• teaser: April 2012 im Conne Island
• review-corner buch: Kritische Theorie nach Adorno
• review-corner event: Talib Kweli, Nice & Smooth, That Fucking Sara
Die gerechte Stadt braucht nicht nur Teer und Steine
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Conne Island, Altin Village & Mine, SchubladenKonsortium & Radio Globalistic laden ein:

„Weltmusik“ im Conne Island?

Konono Nº1 aus Kinshasa!

Live: Konono Nº1
DJs: Kick'n'Rush, Porpoise, aural* guerilla

„The space between the West and its others persists not because of the shifting geographies of global encounter but rather because of an endemic imbalance of power.“(1)

Konono Nº1

„Weltmusik“ ist ein furchtbares Wort. Erfunden wurde es in den achtziger Jahren von Plattenfirmen und Musikpromotern als in Europa und Amerika vermarktbarer Oberbegriff für alles, was „anders“ ist als die anglo-amerikanische Popmusik. Die Exotisierung und positive Herausstellung dieser „Andersartigkeit“ (bei gleichzeitigem Ignorieren jeglicher Unterschiede innerhalb dieser sogenannten Weltmusik) sind eines der klassischsten Beispiele dafür, wie (post?)-koloniale Machtstrukturen weiterhin funktionieren.

Nun mag die kommerzielle Popindustrie der achtziger Jahre den Leser_innen des CEE IEH weit weg erscheinen, doch der „space“ zwischen „westlicher“ und „anderer“ Musik ist trotzdem noch wahrnehmbar. Wenn „Weltmusik“ von offizieller Seite benutzt wird, um die „multikulturelle“ Aufgeschlossenheit einer Stadt zu demonstrieren, kann mensch sich davon sicherlich noch abgrenzen. Wenn Partys oder Konzerte, publikumswirksam vielleicht gar nicht so weit entfernt vom Conne Island, mit klischeebeladenen Flyern oder Promotexten angekündigt werden, fällt es auch nicht schwer, dies aufzuzeigen.

Schwieriger wird es dann schon bei der gefühlten Ablehnung von ausdruckstanzenden „Hippies“ – bis wohin ist es einfach die Liebe zur Musik (und das Bewusstsein für nachhaltige Kleidung), die die Leute zum tanzen bringt, ab wo ein Habitus, der sich mit dem „Anderen“ alternativ schmückt und die eigene Toleranz und Aufgeschlossenheit abfeiert? Und vor allem: Wo und wie positionieren wir uns selbst, wenn wir tatsächlich Begeisterung für in unserem Falle nun also Musik aus Kinshasa entwickelt haben?

Wir könnten es uns also einfach machen und sagen: wir mögen Musik nicht deshalb, weil sie von einem bestimmten Ort kommt, sondern wir mögen einfach Musik und dabei ist uns egal, woher sie kommt. Das wiederum müsste voraussetzen, dass Musik aus allen Gegenden der Welt die gleichen Möglichkeiten hat, ihren Weg in unsere Ohren zu finden. Was jedoch angesichts der globalen finanziellen und machtstrukturellen Ungleichgewichte ein Wunschtraum ist. Oder anders gesagt: digitale Revolution hin oder her, es braucht eben meist immer noch (westliche) Plattenlabels, Blogs oder Co-Stars, um Sounds für uns zu Gehör zu bringen. Und auch wenn Türöffner wie der Radiomoderator Gilles Peterson, der Blur-Sänger Damon Albarn, der Blog Awesome Tapes from Africa(2) oder Plattenlabels wie Sublime Frequencies und Honest Jon's ohne Frage Musikliebhaber sind, keiner von ihnen entkommt den postkolonialen Ungleichgewichten. Im besten Falle bedenken und reflektieren sie diese und arbeiten vielleicht noch dafür, dass die von ihnen entdeckten musikalischen Communities bessere eigene Strukturen und Netzwerke aufbauen können, in dem die Musiker_innen selbst die absolute Kontrolle über ihr Tun haben.

„...in einer immer floskelhafter werdenden Musikwelt ist die Neugier auf ungeläufige Klänge gewachsen. Die sogenannte Weltmusik gilt als eine Art Wundertüte, als Überraschungsei für eine gelangweilte westliche Musikkonsumentenschaft. Weltmusik hört, wer die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat, dass da irgendwo auf dieser Erde doch noch neue originäre Ansätze zum Musizieren ersonnen oder entdeckt werden. Die wahren Trouvaillen werden immer rarer, Konono Nº1 darf als eine solche gefeiert werden.“(3)

Trotz alledem also: Weltmusik ins Conne Island! Wenn immer mehr Leute aus dem Conne-Island-Umfeld sich in Musik verlieben, die nicht aus Nordamerika oder Westeuropa kommt, dann gilt es, den eigenen Ängsten vor diesen Zwiespältigkeiten mutig entgegenzublicken. Ein Wagnis, sicherlich, aber immer noch besser als Ignoranz. Konono Nº1 spielen am 01.04.2012 im Conne Island und verdienen eine Konzertankündigung. Selbst das Darüber-schreiben bleibt schwierig, soll dieser Text Leser_innen doch von der Besonderheit dieser Veranstaltung überzeugen, ohne in die oben genannten Fallen von „Othering“ und Stereotypenbildung oder in von unseren Ohren her geprägte Zuschreibungen wie „afrikanischer Electro“ oder „experimenteller Techno“(4) zu verfallen, die die Musiker_innen selbst aber nicht teilen würden.

Das Projekt Konono Nº1 gibt es seit über 30 Jahren, ein genauer Gründungszeitpunkt lässt sich nicht datieren, fest steht nur, dass ihr Track „Mungua-Mungua“ 1978 für die französische Compilation „Zaire: Musiques Urbaines a Kinshasa“ aufgenommen wurde. Wirklich von der westlichen Welt „entdeckt“ wurden sie von der holländischen Punkband The Ex, die sie 2003 erstmals für eine Tour nach Europa holten. Ein Jahr später wurde das Album „Congotronics“ veröffentlicht, von dem Brüsseler Plattenlabel Crammed Discs, das sich selbst alsresolutely cosmopolitan-minded“ beschreibt und betont: „the label doesn`t see itself as a ‚world music label‘: it just happens to enjoy working with artists from around the world“(5)

Das vielleicht auffälligste am Sound von Konono Nº1 ist der Klang der selbstgebauten Verstärker und Effektgeräte. Ihre Musik ist eine elektrifizierte Form des traditionellen Bazombo-Stils. Die Idee, die für diese Musik typischen Handpianos (Likembès) elektrisch zu verstärken, hatte der Taxifahrer und Konono-Urvater Mawangu Mingiedi aus der Not heraus: Schließlich sollte die Musik von Konono Nº1 im großstädtischen Krach Kinshasas mithalten können. Also wurden und werden Instrumente und Verstärker aus alten Autoteilen und anderer gebrauchter Elektronik zusammengebastelt. Das Ergebnis ist eine laut summende Wand aus Groove, psychedelisch verzerrt, aber trotzdem melodiös, und vor allem: voller Kraft und Energie.

Nicht zu leugnen ist, dass die Musik von Konono Nº1 in ihrer Repetetivität immer gleich klingt, auch über die Jahre hinweg, aber: Sie klingt wie keine andere Musik! Da ist fast schon ein Lob an Produzent und Label fällig, dass sie diese Musik nicht glattgebürstet haben (mal abgesehen vielleicht von der Länge der Tracks und Konzerte), sondern für sich selbst sprechen lassen. Dazu passt auch die Anekdote vom Produzenten Vincent Kenis, der 2004 nach Kinshasa kam, um das erste Album mit Konono Nº1 aufzunehmen. Die Musiker freuten sich darauf, endlich mit den von ihm aus Belgien mitgebrachten neuen, klar klingenden Verstärkern zu spielen, doch die Begeisterung der Musiker schlug um, denn bald hatten sie das Gefühl, dass ihre Musik mit dem aus der Not heraus zusammengefrickelten Equipment besser klingt. Also blieb es dabei.

Wie so viele „Weltmusiker_innen“ (angesichts der oben skizzierten Ungleichgewichte hat der Begriff dann eben doch noch eine gewisse Relevanz) haben auch Konono Nº1 mit „westlichen“ Stars zusammengearbeitet, mit Björk oder Herbie Hancock zum Beispiel. Und 2010 erschien auf Crammed Discs das Album „Tradi-Mods vs Rockers“, auf dem Indie-Helden wie Animal Collective und Wilco oder Dancemusik-Produzenten wie Shackleton oder Mark Ernestus alternative Versionen der Musik von Konono Nº1 und anderen Künstlern aus Kinshasa skizzierten. Das Ergebnis ist so spannend wie vielfältig. Trotzdem ist es da wieder, dieses große postkoloniale Fragezeichen: Dürfen die das? Ist dies nicht ein schöner Schmuck für die beteiligten „westlichen“ Musiker_innen oder nur ein Vermarktungswerkzeug? Oder finden sich da musikalische Entwicklungen gleichberechtigt zusammen, die von unterschiedlichen Ausgangspunkten heraus ähnliche Ansätze entwickeln? Konono Nº1 jedenfalls haben diese Frage für sich positiv beantwortet: „We learned from them and they learned from us.“(6)

Identifizierungsprozesse durch Abgrenzung oder Vereinnahmung des „Anderen“ lassen sich nicht verhindern und die koloniale Geschichte nicht einfach umkehren. Kulturellem Essenzialismus aber kann die Feindschaft erklärt und kultureller Austausch in dem von Theoretiker_innen „Third Space“ genannten Raum des sich ständig reflektierenden Dazwischens gefeiert werden. Also mal sehen, was passiert, wenn das dröhnende Kinshasa von Konono Nº1auf die Connewitzer Insel trifft.

„Each of us [...] will increasingly encounter the music of the world in a growing variety of ways, drawing us ineluctably into a world, the identity and culture of which is no longer separable from our own lives. “(7)


Anja Porpoise

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Anmerkungen

(1) Bohlmann, Philip V.: World Music. A Very Short Introduction. Oxford 2002, S.39

(2) Siehe auch http://www.conne-island.de/termin/2011-04-26.html

(3) http://norient.com/stories/konono/

(4) Ein Ansatz, der vielleicht erklären könnte, warum uns diese Musik so anspricht. Aber gerade mit solchen Zuschreibungen ist vorsichtig umzugehen, denn noch immer gilt die Spivak`sche Frage „Can the subaltern speak?“, die darauf verweist, dass ein „westliches“ „über die Anderen sprechen“ immer auch eine Machtausübung bedeutet.

(5) http://www.crammed.be/index.php?id=32

(6) Welsman, Kate: „Congolese Psychedelia“:, in: Rhythms Magazine, October 2011, S.34

(7) Bohlmann, Philip V.: World Music. A Very Short Introduction. Oxford 2002, S.150

 

27.03.2012
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