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Im letzten CEE IEH erschien ein Text des AFBL zu der Veranstaltung 20
Jahre Nebenwiderspruch, den wir an dieser Stelle durch unseren Beitrag
ergänzen wollen. Bevor wir auf die inhaltlichen Fragestellungen der
Veranstaltung eingehen, wollen wir kurz darlegen, wie es zu unserer Beteiligung
daran gekommen ist. Als wir die Einladung des AFBL Ende August erhalten hatten,
waren wir uns unsicher, ob wir zu dem Thema etwas beitragen können.
Zunächst hatten wir deshalb unsere Teilnahme abgesagt. Nach einer
eingehenden Diskussion erschien uns das Thema aber zu wichtig, um diese Chance
ungenutzt zu lassen. Zudem sahen wir die Veranstaltungsvorbereitung als guten
Anlass zur eigenen selbstkritischen Auseinandersetzung. Ausgangspunkt unserer
Diskussion war folgende Feststellung: Die Gruppe LeA ist eine antisexistische
Gruppe. Eine explizit feministische Position haben wir bisher nicht
veröffentlicht. Die LeA hat in mehreren Fällen feministische
Positionen geteilt und auch versucht sexistischen Zuständen etwas
entgegenzusetzen - vor allem innerhalb von Antifakreisen. Die Gruppe hat
verschiedene Diskussionen geführt und sich bei sexistischen Vorfällen
entsprechend positioniert. Gruppenintern wurden vor allem eigene
Geschlechterrollen und damit einhergehendes Verhalten diskutiert. Diese
Diskussionen führten oft auch zu praktischer Politik innerhalb der Gruppe
und innerhalb von Antifazusammenhängen.
1. Was ist der eigene Anspruch an eine Gesellschaftskritik und 'linke
Politik'? Was hat antideutsch/gesellschaftskritisch mit Feminismus zu tun?
LeA ging aus losen antifaschistischen Bündnissen gegen Naziaufmärsche
in Leipzig hervor. Über die Auseinandersetzung mit Nazis hinaus hat sich
in den letzten Jahren einiges an Gesellschaftskritik angehäuft, was wir
bearbeitet haben, u.a. etwa das Problematisieren des Gedenkens in Dresden. Es
gibt kein öffentlich ausformuliertes Gruppenselbstverständnis und wir
nennen uns auch nicht explizit antideutsch. Gesellschaftskritische
Aktionen und Positionen entstehen für uns erstens aus der eigenen
Relevanzsetzung. Beispielsweise ist das Abfeiern des alten und neuen
Deutschlands einer dieser Zustände, der uns nervt und der bekämpft
gehört. Zweitens spielen bei unserer Themenwahl auch die angenommenen
Möglichkeiten von Veränderungen in den jeweiligen Bereichen eine
Rolle und pragmatische Gründe, wie personelle Kapazitäten, begrenzen
den Handlungsradius zusätzlich. Der Anspruch an unsere Gesellschaftskritik
könnte salopp wohl lauten: Lieber praktisch interveniert als
theoretisch die Welt gerettet.
Das ist bei Nazis natürlich einfach, da ist klar wo der Feind steht. Bei
Sexismus ist das schon weit schwieriger, da ist der Feind gegebenenfalls ganz
tief in uns drin. Es gab bei uns schon von Beginn an relativ hohe
antisexistische Ansprüche, vor allem im Verhalten untereinander. Das hat
sicher auch damit zu tun, dass in der LeA viele organisiert waren und sind,
deren Sozialisation bereits durch andere linksradikale Zusammenhänge
geprägt war. Vor langwierigen Diskussionen hat uns das nicht bewahrt
und das ist auch gut so. In den Bündnissen, in denen wir uns
bewegen bzw. bewegt haben, konnten wir einige Male antisexistische Standards
mit durchsetzen. Bei einer gruppeninternen Diskussion zur Definitionsmacht bei
sexuellen Übergriffen konnten wir keinen Konsens finden. Zwar konnten wir
uns darauf einigen, die Äußerungen Betroffener grundsätzlich
ernst zu nehmen und ihren Wünschen entsprechend Schutzräume zu
gewähren. Was Definitionsrecht/-macht darüber hinaus bedeutet,
welcher Umgang im Zusammenhang damit gerechtfertigt und nötig erscheint
und wie ein Klima geschaffen werden kann, in dem Reflexionsprozesse vor und
nach sexuellen Übergriffen gefördert werden können
darüber war kein Konsens herzustellen. Wir können demnach behaupten,
in diesem Zusammenhang eine Art Mindeststandard geklärt und weitestgehend
auch umgesetzt zu haben. Selbstkritisch müssen wir eingestehen diesen
Mindeststandard nie veröffentlicht zu haben, wie wir das etwa bei der
Roadmap getan haben.(1) Grundsätzlich ist es unser Anspruch,
gesellschaftliche Zustände aus linksradikaler Perspektive zu kritisieren
und diese Kritik in praktische Interventionen münden zu lassen.
2. Welche Rolle spielen Antisexismus, Feminismus, Gender in dieser Kritik?
Ist eine Gender-Perspektive ein Muss für jedes Thema?
Antifapolitik mit Gender-Perspektive finden wir notwendig und wichtig. Wenn
diese nicht mitgedacht wird, können selbst solche minimalen Versuche wie
die paritätische Besetzung von Infobüro, Lauti oder Podium scheitern.
In der Auseinandersetzung mit Nazis greifen oft geschlechtstypische
Verhaltensformen. Dies unreflektiert geschehen zu lassen, bedeutet zur
klassischen Antifamackergruppe zu werden. Für uns ist das keine Form
emanzipatorischer Organisierung. So gesehen ist eine feministische Perspektive
unablässig für emanzipatorische Politik. Für uns ist eine
linksradikale Gesellschaftskritik nicht vorstellbar, ohne dabei feministische
Perspektiven einzunehmen.
Während wir als LeA in diversen Auseinandersetzungen oft antisexistische
Positionen eingenommen haben, gab es bisher keine inhaltliche feministische
Schwerpunktsetzung, auch weil wir keine explizit feministische Gruppe sind.
Sicher ist, dass wir uns auf diesem Feld nicht gerade einen Namen gemacht
haben. Das heißt jedoch nicht, dass feministische Perspektiven bei uns
keine Rolle spielen.
3. Wie wird in der Linken mit Feminismus umgegangen und welche Gründe
für diesen Umgang könnte es geben?
Die Linke steht nicht außerhalb der Gesellschaft, auch wenn manche
sich das gerne so zurecht reden. Aber es gibt innerhalb der Linken durchaus
einen Raum, Sexismus zu kritisieren und überhaupt erst zu thematisieren
etwas, das in der Mainstreamgesellschaft häufig auf völliges
Unverständnis und Spott trifft. Die antifaschistische Linke in Leipzig hat
einen antisexistischen bis feministischen Anspruch, das sehen wir. Nur leider
bleibt dieser häufig ungefüllt.(2)
Dieser Feststellung des AFBL können wir uns anschließen. Aus unserer
Sicht gibt es verschiedene Gründe, warum ein feministischer Anspruch in
der linksradikalen Szene so oft unerfüllt bleibt. Die Szene ist
männlich geprägt und männlich codiertes Verhalten wird oft
honoriert. Daraus folgt, dass sich einige Männer in ihrer Rolle gut
einrichten ohne die Rollenmuster zu hinterfragen.
Feministische Interventionen innerhalb linksradikaler Kreise beschränken
sich leider dann oft auf Empowerment von Frauen, im Sinne des
Übernehmens vermeintlich männlicher Verhaltensweisen. In der
Vorbereitung auf diese Veranstaltung konnten wir uns schnell auf die
Zielsetzung einigen, dass Menschen nicht stark, cool, selbstbewusst,
pöblig, laut etc. sein müssen, um im politischen Kontext bestehen zu
können. Demnach ist das Empowerment, welches Frauen vermehrt auf
die Bühne und in die Öffentlichkeit bringt, zumindest ein
zweischneidiges Schwert. Sicher gibt es den positiven Effekt, dass die Szene
weniger als männlich geprägt wahrgenommen wird. Nichtsdestotrotz kann
Empowerment auch zu dem Zwang führen, diese vermeintlich
männlichen Verhaltensweisen übernehmen zu müssen, um
überhaupt Gehör zu finden.
LeA ist für gemischte Podien, Lautimoderationen etc. Der Anspruch ist, uns
nicht an rein männlich präsentierten Veranstaltungen zu beteiligen
was uns in der Vergangenheit leider nicht immer gelungen ist. Allerdings
kommen wir schon in problematische Situationen, wenn die Frauen in der Gruppe
sich unter Druck gesetzt fühlen und z.B. ein Podium besetzen, ohne es
wirklich zu wollen. Es entsteht dann eine Art linkes Assessment-Center, bei dem
Frauen nicht nur auf ihr Geschlecht festgelegt werden, sondern auch noch dazu
angehalten sind, selbstbewusst zu sein. Selbst kleinere Punkte wie eben die
Quotierung führen zu Auseinandersetzungen, obwohl hier lediglich die
Spitze des Eisbergs angegangen wird, nämlich die bloße Verteilung
männlicher` und weiblicher` Redeanteile. Queere Ansätze
bleiben hierbei vollkommen außen vor. Generell ist es für uns
wichtig eine feministische Perspektive mitzudenken und vor allem nicht ohne
Selbstreflexion.
4. Antifeminismus in der Linken alte und neue antifeministische
Motive und Stereotype
Feminismus ist etwas, was die radikale Linke im Positiven wie im Negativen
umtreibt. Etwa in Form inhaltlicher Auseinandersetzungen über
althergebrachte Unterstellungen und Stereotype, die gegenüber
Feminist_innen gedacht und geäußert werden. LeA war nicht nur in
eine Debatte verwickelt, deren Ausgangspunkt die unverschämte Annahme war:
Das macht die doch nur, weil sie privat mit dem Typen Probleme hat. Wenn
antisexistische Positionen in der Praxis greifen und umgesetzt werden, dann
heißt es oft das ist doch deren Privatsache und auch hier vermuten
wir grundsätzlich das gleiche Problem. Es ist halt unangenehm und
schwierig, sich in der Reflexion auch mal selbst als Arschloch wahrzunehmen und
die nötigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Es gibt derzeit häufig den
Versuch, das Feld des Feminismus als abgehakt und erledigt hinzustellen
auch in linksradikalen Kreisen. Dies zeigte sich etwa 2010 in der
Auseinandersetzung um die Absage des Auftritts von Justus Wertmüller im
Conne Island. Beispielhaft sei hier nur angefügt, dass im damaligen
Kontext alle Frauen des Conne Island-Plenums, die sich gegen Justus
Wertmüller ausgesprochen hatten, automatisch dem AFBL zugeordnet wurden.
Auch daraus entstand die abstruse Verschwörungstheorie, der AFBL
hätte das Conne Island-Plenum unterwandert und/oder würde dieses
fernsteuern. Bei ehemals Linksradikalen wird Feminismus als inzwischen schon
rückschrittlich dargestellt. Das geht soweit, Männer als Opfer des
Feminismus zu bezeichnen. Frauen werden dann als Trägerinnen von
Verschwörungstheorien herangezogen. Diese Auseinandersetzung hat gezeigt,
dass antifeministische Tendenzen in Leipzig keine Randerscheinungen sind.
Zum Schluss
Wir wurden in dieser Veranstaltung stark dafür kritisiert, bisher keine
öffentliche, feministische Position bezogen zu haben. Daraus werden wir
Konsequenzen ziehen. Die berechtigte Kritik an unserer Gruppe wurde wohlwollend
und offen vorgetragen und diskutiert. Dies ermöglicht uns eine noch
stärkere Selbstkritik. So wurde offensichtlich, dass wir gerade in der
Diskussion um die Wertmüller-Absage eine Stellung hätten beziehen
müssen nicht nur um Solidarität offen zu bekunden, sondern
auch um den antifeministischen und sexistischen Anfeindungen etwas
entgegenzusetzen.
Etwas gibt es jedoch auch von uns an dieser Veranstaltung zu bemängeln:
Das Publikum unterschied sich, wie wir schon vermuteten, stark von anderen
Politveranstaltungen im Conne Island. Eine Mehrheit von Frauen und die
Abwesenheit der üblichen verdächtigen Männer war
augenscheinlich. Dies ist ein weiteres Indiz für die Relevanz des Themas
in der Szene. Wir sind deshalb besonders auf Beiträge von denjenigen
gespannt, die nicht bei der Veranstaltung anwesend waren und sich jetzt
aufgefordert sehen, das Thema Feminismus zu bearbeiten.
LeA