Mo Di Mi Do Fr Sa So 
00 00 00 00 00 00 01 
02 03 04 050607 08 
09 10111213 14 15 
16 17 1819202122 
23 24 25 26 27 28 29 
30 31 

Aktuelle Termine

CEE IEH-ARCHIV

#183, Januar 2011
#184, Februar 2011
#185, März 2011
#186, April 2011
#187, Mai 2011
#188, Juni 2011
#189, September 2011
#190, November 2011
#191, Dezember 2011

Aktuelles Heft

INHALT #185

Titelbild
Editorial
• das erste: Immer wieder Selbstbetrug
Vergesst den sich bahnenden Frühling
Boston represent...
AYS, Hang The Bastard, Wayfarer, Slave Driver
Scuba
"Aber wenn ich werd' schreien, wird besser sein?"
Willkommen im „Irrenreservat“a
The Beat Scene's Next Generation
After St.Patricks Day Is Before St.Patricks Day
...And You Will Know Us by the Trail of Dead
Disco Ensemble
Freiheit auf Arabisch
Hercules and Love Affair
Das Filmriss Filmquiz
Veranstaltungsanzeigen
• review-corner buch: (K)eine Rezension
• review-corner film: Verarbeitung über Pornografie
• kulturreport: Die Wahl der Socken
• cyber-report: See No Evil
• doku: Über die Voraussetzungen der Israelsolidarität
• leserInnenbrief: LeserInnenbrief
Anzeigen
• das letzte: Dünnes Eis

LINKS

Eigene Inhalte:
Facebook
Fotos (Flickr)
Tickets (TixforGigs)

Fremde Inhalte:
last.fm
Fotos (Flickr)
Videos (YouTube)
Videos (vimeo)



(K)eine Rezension

Teil 1

Buchcover
Thomas Maul: Sex, Djihad und Despotie – Zur Kritik des Phallozentrismus, 262 Seiten, ça ira Verlag, Freiburg 2010

Das Buch kann im Infoladen Leipzig ausgeliehen werden (http://conne-island.de/infoladen.html).

In diesem zweiteiligen Text soll es nur im Vorbeigehen um die Rezension des Buches im eigentlichen Sinne gehen. Im ersten Teil wird es vielmehr um die Kritik eines allzu differenziertes Verständnisses des Islams gehen.
Der zweite Teil wird sich mit der Instrumentalisierung des Feminismus durch die Berliner Gender Studies auseinandersetzen und zugleich den Maulschen Begriff des Patriarchats als Rechtsbegriff stark machen – gegen einen relativierenden Patriachatsbegriff, unter dem sich Genitalverstümmelung und Schönheitsoperation gleichermaßen subsumieren und somit de facto auch gleichsetzen lassen.

Ein kurzer Abriss

Mit „Sex, Djihad und Despotie“ hat Thomas Maul ein Buch geschrieben, das erstmals den zentralen Zusammenhang von Islam und Sexualität sowie die daraus entspringende Unterdrückung von Frauen analysiert.

Der Autor zeigt beeindruckend, wie es sich mit der konfessionsübergreifenden Ideen- und Geistesgeschichte des Islam verhält, und kann aufzeigen, dass die verschiedenen Konfessionen ihr Gemeinsames (Umma) gerade im Kampf gegen Schweinefresser, Homosexuelle, Juden und Frauen konstituieren. Er zeigt auf, dass die Mittel zu diesem Kampf, im Sinne gesellschaftlicher Konstitutionsbedingungen, die eigentlichen fünf Säulen des Islam sind: Patriarchat, Despotie, Eschatologie, Ritual und Djihad.

Es wird gezeigt, wie diese fünf Säulen sich entwickelt haben, warum gerade sie mit Notwendigkeit entstanden sind und wie sie auf eine sehr barbarische Art wirken und gesellschaftlich vermittelt werden.

Die Kritik des Islam geht mit der Kritik seiner westlichen Apologeten – bewusster wie unfreiwilliger – einher. Allen voran wird hier der Postfeminsmus mit seinen prominentesten deutschen Vertretern, den Berliner Gender Studies, als widerliches Amalgan aus sozialwissenschaftlichem Karrierismus, poststrukturalistischer Modephilosophie und einem Feminismus, der diesen Namen nicht verdient, ausgemacht.

Maul widerlegt zudem das penetranteste Argument, welches gegen Islamkritiker immer wieder vorgebracht wird: Man könne gar nicht von „dem Islam“ sprechen.

Linke Sozialwissenschaft als Apologie des Islam

Denn den Islam gebe es nicht. Das behaupten inzwischen nicht nur gewiefte Islam- und Sozialwissenschaftler. Das Argument ist in aller Munde und Feuilleton und gilt gemeinhin als Ausdruck besonderen Bescheidwissens über den Islam. Wie sich das stereotyp auch in linken Kreisen niederschlägt, zeigt sich beispielhaft in der Rezension des Seyran-Ates-Buches in CEE IEH #177.(1) Hier zeigt sich, was die schlechte Kombination aus kritischer Sozialwissenschaft und linkem Impetus mit einem Gegenstand anstellt. Die Autorin der Rezension zeigt beispielhaft, wie der kritischen Sozialwissenschaft alles zu einer Frage der deskriptiven Empirie wird. Positionen für oder gegen etwas gelten als „Pauschalisierung“, was einer Exkommunikation aus der Wissenschafts-Community gleicht(2). Es geht der linken Sozialwissenschaft nicht mehr um das Begreifen und – Gott behüte – Kritisieren eines Gegenstands, sondern nur um dessen Erfassung, Kategorisierung, Ausdifferenzierung bis zur Begriffslosigkeit. Aufzeigen lässt sich dies besonders gut an der Diskussion um das Kopftuch in der oben erwähnten Rezension aufzeigen.

Einer der Kernpunkte in dieser Debatte ist die Freiwilligkeit des Tragens. Die schlechten Kritiker der Freiwilligkeit behaupten, es stünde hinter dem Kopftuch immer ein Mann, der es befehle, die Apologeten auf der anderen Seite können dies phänomenologisch recht gut widerlegen, mangelt es doch – erst Recht seit der Sarazzin-Debatte – nicht an emanzipierten, akademischen Jung-‚Muslimas`, die gerne für jene Widerlegung dieser These in die Bresche springen, wenn sie betonen, dass hinter ihnen kein böser Vater/Bruder/Mann stehe, der ihnen das Kopftuch aufzwinge.

Dies kann man aber nur unter der Voraussetzung durchgehen lassen, Religion als Priesterbetrugstheorie zu begreifen(3) (wie es gemeinhin geschieht) und nicht als Ideologie, durch die Ideen gesellschaftliche Geltung entfalten, auch ganz ohne „Indoktrination“(4). Ebenso verhält es sich mit der patriarchalen Struktur, die dem Kopftuchzwang zugrunde liegt und sich nicht durch die Freiwilligkeit einzelner Kopftuchträgerinnen wegzaubern lässt.(5)

Erst wenn man Religion im Allgemeinen und den Islam im Speziellen als Ideologie versteht und auch ernst nimmt (also auch seinen unbedingten Willen zur Geltung und Durchsetzung im Diesseits nicht bestreitet), lässt sich das Kopftuch in seiner Genese und Funktion begreifen. Freiwilligkeit hin, Kopftuchzwang her. Der direkte Zwang zum Tragen ist nur noch die autoritäre Verordnung seiner genuinen Idee und Funktion.

„Identität“ als subjekttheoretische Seite der „Kultur“

Ironischerweise läuft die Differenzierung der oben erwähnten Rezensionsautorin ins Leere, wenn sie diese für sich beanspruchen möchte. Als Beispiele für das Kopftuchtragen jenseits verordneter Sittenzwänge sollen drei von vielen anderen Motivationen herhalten: 1) Kulturelle Authentizität, 2) Befreiungssymbol algerischer Nationalistinnen und – natürlich – 3) Religiösität, bzw. Spiritualität der Trägerin schlechthin.(6)

Und wenn man rhetorisch nachfragt?: 1) Um welche Kultur genau handelt es sich hier? 2) Warum nehmen algerische Nationalistinnen das Kopftuch, baskische aber die Baskenmütze (wenn überhaupt)? Und warum tragen keine männlichen Algerier das Kopftuch 3) Und um welche Religion geht es denn hier noch mal, die man durch ein Kopftuch ausgeübt wissen will?
Wenn man also davon ausgeht, dass Symbol und zu Symbolisierendes nicht rein akzidentiell zustande gekommen sind, sondern durchaus etwas über die spezifische Verfasstheit der Gesellschaft, die diese Symbole benutzen, aussagt, dann lösen sich diese originellen Beispiele in Wohlgefallen auf – denn alle verweisen implizit auf das repressiv-patriachale Geschlechterverhältnis im Islam.

Sehr erklärungsbedürftig bleibt auch, warum Religion und Spiritualität als Werte an sich betrachtet werden, die Ausdruck der „Identität“ und „kulturellen Authentizität“ der Trägerin sind? Nachvollziehbar wird es erst, wenn man versteht, dass „Identität“ den sozialwissenschaftlichen (unfreiwilligen) Apologeten des Islams als Letztbegriff gilt, dessen Genese nicht mehr hinterfragt werden muss. Es wurde ja schon kategorisiert, was so alles zum Begriff gehöre, work done. Man begnügt sich mit der Welt der Erscheinungen. Und wer will Menschen schon ihre Identität nehmen oder sich auch nur anmaßen, zu ergründen, warum sie diese oder jene überhaupt annehmen?(7)

Der Behauptung, das Tragen eines Kopftuchs könne auch Ausdruck einer individuellen Entscheidung der Frau sein, begegnet Maul mit dem Argument, dass verkannt wird, das Kopftuch und Schleier nicht nur abstrakte Symbole sind, sondern tatsächliches, physisches Instrument patriarchaler Herrschaft über die Frau. (S. 122)(8)
Somit macht er das genaue Gegenteil von solchem sozialwissenschaftlichen Kategorisieren, indem er aufzeigen kann, wie sehr der Islam von der Reglementierung des Alltags und dem unvermittelten Zugriff der Gemeinschaft auf den Einzelnen besessen ist. Wie sehr also die Einzelnen in ihren Trieben, Wünschen, Gedanken etc. dieser ihnen zugedachten Identität entsprechen müssen.

Und diesen Alltag versteht der Islam einerseits durch die sündhafte menschliche Natur (S. 111), andererseits durch westlichen (Kultur-)Imperialismus als einen völlig durchsexualisierten. Es gilt ihm der Imperativ, diese Durchsexualisierung mit allen Mitteln in der Öffentlichkeit zu desexualisieren sowie im Privatem zu reglementieren, kanalisieren und enterotisieren. Deswegen ist die Verhüllung der Frau auch nicht als fehlinterpretierter Koranvers zu verstehen (in dem eigentlich ein Vorhang gemeint sei(9)), dem theologisch durch eine etwas offenere Interpretation beizukommen sei, sondern als nur folgerichtige Konsequenz der Tatsache, dass es im Islam zentral um Sexualität und dessen Beherrschung bzw. um die Beherrschung der menschlichen Triebnatur im Allgemeinen geht. So verfehlt auch der Hinweis der Ates-Rezensentin, die Erwähnung des moslemischen Reinlichkeitswahns „wirk[t] … lächerlich“, ihren Adressaten. Denn die Lächerlichkeit liegt nicht im Verständnis von Ates, sondern im Gegenstand selbst. Wie anders ist es zu bewerten, wenn Ruhollah Musavi Chomeini, der iranische Revolutionsführer von 1979, dessen Worte einem jedem Schiiten Befehl sein müssen, in seinem Werken so wichtige, alltagspraktische Ereignisse zu regeln und interpretieren weiß, wie die folgenden:

oder Wie gut, dass das endlich mal jemand festgelegt hat.

Abe

Anmerkungen

(1) K.P.: „Ich ficke, mit wem ich will“ http://www.conne-island.de/nf/177/17.html (zuletzt 15.02.11)
Die Kritik an dieser Rezension gilt der Rezensentin nur insofern, als sie als Beispiel für links-sozialwissenschaftliche Herangehensweise herhalten muss.

(2) Wer soziale Verhältnisse so pauschalisiert darstellt, dass sie zur eigenen Einstellung und zum Weltbild passen, wird mit den eigenen politischen Forderungen ins Leere laufen und auf Dauer nicht mehr ernst genommen“ ebd.

(3) Also als bewusste Manipulation von Menschen zur Durchsetzung eines Partikularinteresses oder als direkte Zwangsherrschaft.
Dass sich so etwas in den Subjekten niederschlägt, also dass sie es auch wollen, das kann man sich dann nicht mehr erklären. Im Gegenteil: Die Erklärung von ,Neo-Muslimas`, man wolle ein Kopftuch tragen, gilt demnach sogar als Widerlegung des Kopftuchzwangs

(4) „Kopftuchträgerinnen sind aus dieser Perspektive von patriarchalischen Familienclans gezwungen oder indoktriniert worden“ ebd.

(5) Die Diskussion um Freiwilligkeit des Tragens ist überhaupt eine sehr deutsche. Vollends absurd wird sie, wenn man sich vor Augen hält, wie um die beschworene Freiwilligkeit in anderen Ländern, wie z.B. dem Iran oder Afghanistan, bestellt ist. Obschon völlig absurd, ist es nur konsequent im Weltbild der Neo-Muslimas samt ihrer akademischen Fans, dies nicht in Zusammenhang zu bringen, denn „den Islam“ gibt es ja nicht. Was haben schon die schwarz und blau verhüllten Gespenster auf Kabuls Straßen mit den Kopftuchträgerinnen in Deutschland gemein?

(6) ebd.

(7) Vgl. Manfred Dahlmann: Soziale Amnesie. Worum geht es in der „Integrationsdebatte“? http://www.isf-freiburg.org/isf/beitraege/dahlmann-soziale.amnesie.html (zuletzt: 15.02.11)

(8) Alle in Klammern gesetzen Seitenzahlen beziehen sich auf das Buch von Thomas Maul.

(9) „Und wenn ihr die Gattinnen des Propheten um etwas bittet, das ihr benötigt, dann tut das hinter einem hijab hervor! Auf diese Weise bleibt ihr und euer Herz rein.“ Sure 33 / 53 des Koran zitiert nach der Übersetzung Rudi Paret: Der Koran. Übersetzung, Stuttgart/Berlin/Köln 1996 (7. Aufl.)

(10) Khomeini zitiert nach Maul S. 100 & 101, vgl. außerdem S. 67 und S. 134

 

24.02.2011
Conne Island, Koburger Str. 3, 04277 Leipzig
Tel.: 0341-3013028, Fax: 0341-3026503
info@conne-island.de, tickets@conne-island.de