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Thomas Maul: Sex, Djihad und Despotie Zur Kritik des Phallozentrismus, 262 Seiten, ça ira Verlag, Freiburg 2010
Das Buch kann im Infoladen Leipzig ausgeliehen werden (http://conne-island.de/infoladen.html).
In diesem zweiteiligen Text soll es nur im Vorbeigehen um die Rezension des
Buches im eigentlichen Sinne gehen. Im ersten Teil wird es vielmehr um die
Kritik eines allzu differenziertes Verständnisses des Islams gehen.
Der zweite Teil wird sich mit der Instrumentalisierung des Feminismus durch die
Berliner Gender Studies auseinandersetzen und zugleich den Maulschen Begriff
des Patriarchats als Rechtsbegriff stark machen gegen einen
relativierenden Patriachatsbegriff, unter dem sich Genitalverstümmelung
und Schönheitsoperation gleichermaßen subsumieren und somit de facto
auch gleichsetzen lassen.
Ein kurzer Abriss
Mit Sex, Djihad und Despotie hat Thomas Maul ein Buch geschrieben, das
erstmals den zentralen Zusammenhang von Islam und Sexualität sowie die
daraus entspringende Unterdrückung von Frauen analysiert.
Der Autor zeigt beeindruckend, wie es sich mit der
konfessionsübergreifenden Ideen- und Geistesgeschichte des Islam
verhält, und kann aufzeigen, dass die verschiedenen Konfessionen ihr
Gemeinsames (Umma) gerade im Kampf gegen Schweinefresser, Homosexuelle, Juden
und Frauen konstituieren. Er zeigt auf, dass die Mittel zu diesem Kampf, im
Sinne gesellschaftlicher Konstitutionsbedingungen, die eigentlichen fünf
Säulen des Islam sind: Patriarchat, Despotie, Eschatologie, Ritual und
Djihad.
Es wird gezeigt, wie diese fünf Säulen sich entwickelt haben, warum
gerade sie mit Notwendigkeit entstanden sind und wie sie auf eine sehr
barbarische Art wirken und gesellschaftlich vermittelt werden.
Die Kritik des Islam geht mit der Kritik seiner westlichen Apologeten
bewusster wie unfreiwilliger einher. Allen voran wird hier der
Postfeminsmus mit seinen prominentesten deutschen Vertretern, den Berliner
Gender Studies, als widerliches Amalgan aus sozialwissenschaftlichem
Karrierismus, poststrukturalistischer Modephilosophie und einem Feminismus, der
diesen Namen nicht verdient, ausgemacht.
Maul widerlegt zudem das penetranteste Argument, welches gegen Islamkritiker
immer wieder vorgebracht wird: Man könne gar nicht von dem Islam
sprechen.
Linke Sozialwissenschaft als Apologie des Islam
Denn den Islam gebe es nicht. Das behaupten inzwischen nicht nur gewiefte
Islam- und Sozialwissenschaftler. Das Argument ist in aller Munde und
Feuilleton und gilt gemeinhin als Ausdruck besonderen Bescheidwissens über
den Islam. Wie sich das stereotyp auch in linken Kreisen niederschlägt,
zeigt sich beispielhaft in der Rezension des Seyran-Ates-Buches in CEE IEH
#177.(1) Hier zeigt sich, was die schlechte Kombination aus kritischer
Sozialwissenschaft und linkem Impetus mit einem Gegenstand anstellt. Die
Autorin der Rezension zeigt beispielhaft, wie der kritischen Sozialwissenschaft
alles zu einer Frage der deskriptiven Empirie wird. Positionen für oder
gegen etwas gelten als Pauschalisierung, was einer Exkommunikation aus
der Wissenschafts-Community gleicht(2). Es geht der linken Sozialwissenschaft
nicht mehr um das Begreifen und Gott behüte Kritisieren
eines Gegenstands, sondern nur um dessen Erfassung, Kategorisierung,
Ausdifferenzierung bis zur Begriffslosigkeit. Aufzeigen lässt sich dies
besonders gut an der Diskussion um das Kopftuch in der oben erwähnten
Rezension aufzeigen.
Einer der Kernpunkte in dieser Debatte ist die Freiwilligkeit des Tragens. Die
schlechten Kritiker der Freiwilligkeit behaupten, es stünde hinter dem
Kopftuch immer ein Mann, der es befehle, die Apologeten auf der anderen Seite
können dies phänomenologisch recht gut widerlegen, mangelt es doch
erst Recht seit der Sarazzin-Debatte nicht an emanzipierten,
akademischen Jung-Muslimas`, die gerne für jene Widerlegung dieser
These in die Bresche springen, wenn sie betonen, dass hinter ihnen kein
böser Vater/Bruder/Mann stehe, der ihnen das Kopftuch aufzwinge.
Dies kann man aber nur unter der Voraussetzung durchgehen lassen, Religion als
Priesterbetrugstheorie zu begreifen(3) (wie es gemeinhin geschieht) und nicht als
Ideologie, durch die Ideen gesellschaftliche Geltung entfalten, auch ganz ohne
Indoktrination(4). Ebenso verhält es sich mit der patriarchalen
Struktur, die dem Kopftuchzwang zugrunde liegt und sich nicht durch die
Freiwilligkeit einzelner Kopftuchträgerinnen wegzaubern lässt.(5)
Erst wenn man Religion im Allgemeinen und den Islam im Speziellen als Ideologie
versteht und auch ernst nimmt (also auch seinen unbedingten Willen zur Geltung
und Durchsetzung im Diesseits nicht bestreitet), lässt sich das Kopftuch
in seiner Genese und Funktion begreifen. Freiwilligkeit hin, Kopftuchzwang her.
Der direkte Zwang zum Tragen ist nur noch die autoritäre Verordnung seiner
genuinen Idee und Funktion.
Identität als subjekttheoretische Seite der Kultur
Ironischerweise läuft die Differenzierung der oben erwähnten
Rezensionsautorin ins Leere, wenn sie diese für sich beanspruchen
möchte. Als Beispiele für das Kopftuchtragen jenseits verordneter
Sittenzwänge sollen drei von vielen anderen Motivationen herhalten: 1)
Kulturelle Authentizität, 2) Befreiungssymbol algerischer Nationalistinnen
und natürlich 3) Religiösität, bzw.
Spiritualität der Trägerin schlechthin.(6)
Und wenn man rhetorisch nachfragt?: 1) Um welche Kultur genau handelt es sich
hier? 2) Warum nehmen algerische Nationalistinnen das Kopftuch, baskische aber
die Baskenmütze (wenn überhaupt)? Und warum tragen keine
männlichen Algerier das Kopftuch 3) Und um welche Religion geht es denn
hier noch mal, die man durch ein Kopftuch ausgeübt wissen will?
Wenn man also davon ausgeht, dass Symbol und zu Symbolisierendes nicht rein
akzidentiell zustande gekommen sind, sondern durchaus etwas über die
spezifische Verfasstheit der Gesellschaft, die diese Symbole benutzen, aussagt,
dann lösen sich diese originellen Beispiele in Wohlgefallen auf
denn alle verweisen implizit auf das repressiv-patriachale
Geschlechterverhältnis im Islam.
Sehr erklärungsbedürftig bleibt auch, warum Religion und
Spiritualität als Werte an sich betrachtet werden, die Ausdruck der
Identität und kulturellen Authentizität der
Trägerin sind? Nachvollziehbar wird es erst, wenn man versteht, dass
Identität den sozialwissenschaftlichen (unfreiwilligen) Apologeten
des Islams als Letztbegriff gilt, dessen Genese nicht mehr hinterfragt werden
muss. Es wurde ja schon kategorisiert, was so alles zum Begriff gehöre,
work done. Man begnügt sich mit der Welt der Erscheinungen. Und wer will
Menschen schon ihre Identität nehmen oder sich auch nur anmaßen, zu
ergründen, warum sie diese oder jene überhaupt annehmen?(7)
Der Behauptung, das Tragen eines Kopftuchs könne auch Ausdruck einer
individuellen Entscheidung der Frau sein, begegnet Maul mit dem Argument, dass
verkannt wird, das Kopftuch und Schleier nicht nur abstrakte Symbole sind,
sondern tatsächliches, physisches Instrument patriarchaler Herrschaft
über die Frau. (S. 122)(8)
Somit macht er das genaue Gegenteil von solchem sozialwissenschaftlichen
Kategorisieren, indem er aufzeigen kann, wie sehr der Islam von der
Reglementierung des Alltags und dem unvermittelten Zugriff der Gemeinschaft auf
den Einzelnen besessen ist. Wie sehr also die Einzelnen in ihren Trieben,
Wünschen, Gedanken etc. dieser ihnen zugedachten Identität
entsprechen müssen.
Und diesen Alltag versteht der Islam einerseits durch die sündhafte
menschliche Natur (S. 111), andererseits durch westlichen
(Kultur-)Imperialismus als einen völlig durchsexualisierten. Es gilt ihm
der Imperativ, diese Durchsexualisierung mit allen Mitteln in der
Öffentlichkeit zu desexualisieren sowie im Privatem zu reglementieren,
kanalisieren und enterotisieren. Deswegen ist die Verhüllung der Frau auch
nicht als fehlinterpretierter Koranvers zu verstehen (in dem eigentlich ein
Vorhang gemeint sei(9)), dem theologisch durch eine etwas offenere Interpretation
beizukommen sei, sondern als nur folgerichtige Konsequenz der Tatsache, dass es
im Islam zentral um Sexualität und dessen Beherrschung bzw. um die
Beherrschung der menschlichen Triebnatur im Allgemeinen geht. So verfehlt auch
der Hinweis der Ates-Rezensentin, die Erwähnung des moslemischen
Reinlichkeitswahns wirk[t]
lächerlich, ihren Adressaten.
Denn die Lächerlichkeit liegt nicht im Verständnis von Ates, sondern
im Gegenstand selbst. Wie anders ist es zu bewerten, wenn Ruhollah Musavi
Chomeini, der iranische Revolutionsführer von 1979, dessen Worte einem
jedem Schiiten Befehl sein müssen, in seinem Werken so wichtige,
alltagspraktische Ereignisse zu regeln und interpretieren weiß, wie die
folgenden: