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• doku: Kultur als politische Ideologie
• doku: Bye, bye Multikulti – Es lebe Multikulti
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Seit geraumer Zeit existiert in Leipzig ein
selbsternanntes Netzwerk gegen Islamophobie und Rassismus (NIR Leipzig),
welches sich zum Ziel gesetzt hat, antimuslimischen Rassismus zu thematisieren
und zu bekämpfen.(1) Diese neue Spielart von Diskriminierung sieht es durch
gesellschaftspolitische Diskurse und Machtverhältnisse bedingt und ist
daher darauf bedacht die unendlich vielfältigen Formen des Muslim-Seins in
Deutschland und anderswo zu benennen.(2) Islamophobie stellt für das
Netzwerk ein Phänomen jüngerer Vergangenheit dar, das das gesamte
gesellschaftliche Spektrum erfasst und Muslime in die missliche Lage versetzt,
als gesellschaftliche Sündenböcke zu fungieren, um somit vom Problem
wachsender sozialer Ungleichheit abzulenken.(3) Eine öffentliche
Podiumsdiskussion mit Dr. Sabine Schiffer im November 2009 folgte, ihres
Zeichens standhafte Vertreterin einer Legitimation des Vergleiches Islamophobie
mit Antisemitismus.(4)
Als Anlass für die öffentlichkeitswirksame Intensivierung dieser
neuartigen Form eines Ressentiments dient dabei der Mord an Marwa El-Sherbini
in einem Dresdner Gerichtssaal vor gut einem Jahr, der folglich zum ersten
offensichtlich islamophob motivierten Mord in Deutschland stilisiert wird.(5) Die
Bedenken über das klar fremdenfeindliche, aber nicht dezidiert islamophobe
Motiv der Tat(6) scheint das Netzwerk in keinerlei Zweifel zu bringen. Die
Tatsache, dass Marwa El- Sherbini ein Kopftuch trug und neben anderen
Ausflüchen gegen jegliches als fremd Wahrgenommenes die Bezeichnung
Islamistin von ihrem Mörder zu hören bekam, reicht den
BetreiberInnen des Netzwerkes offensichtlich aus, um solch Urteil zu
fällen. Es sei dabei angemerkt, dass sie sich dabei in illustrer
Gesellschaft Gleichgesinnter befinden.(7)
In zwei dokumentierten Texten anderer AutorInnen wird darüber hinaus
ein alles über den Kamm scherender Relativismus gepflegt und vor den
Gefahren eines eurozentristischen, westlichen Blick gewarnt, der von einer sich
überlegen fühlenden weißen Rasse ausgeht.(8) Dass solcherlei
Mumpitz unter dem Banner der Differenz Gefahr läuft, universell geltende
Kriterien zu begraben(9) soll im nachfolgenden dargestellt werden.
Sinnentleerte Kritik
Die hauseigene Enzyklopädie NIR Leipzig beinhaltet wenige Begriffe. Wenn
jedoch über einen Terminus Klarheit besteht, dann über den, dessen
Thematisierung und Dekonstruktion Grund des Zusammenschlusses ist
Islamophobie. Er lautet wie folgt: Islamophobie, oder Islamphobie,
abgeleitet aus Phobie (Griechisch Furcht), ist ein Neologismus,
der als soziologischer Begriff eine feindselige Ablehnung des Islam als
abstrakte Kategorie und der als Minderheit in einer Mehrheitsgesellschaft
lebenden Muslime als Personen bezeichnet. [
] Sie äußert sich
durch generelle ablehnende Einstellungen gegenüber muslimischen
Personen und allen Glaubensrichtungen, Symbolen und religiösen Praktiken
des Islams.(10) Insbesondere letzterer Abschnitt entblößt eine Art der
Diskriminierung, die es geradezu unmöglich macht, unter vorgegebenen
Kriterien eine Kritik am Islam verlauten zu lassen. Was unter religiösen
Praktiken genau zu verstehen ist, ist unter der durchaus richtigen Erkenntnis
unendlich vielfältigen Muslim-Seins schwer zu fassen. Ein nicht
unbedeutender Teil des Islam betrachtet Steinigungen, Kopftuchzwang und die
Abwehr jedweder triebhafter Gelüste als gelebte Praxis ihrer Religion.(11)
Eine generell ablehnende Einstellung ist in diesem Zusammenhang zwingend
notwendig, wenn an der Kategorie universell geltender Freiheiten festgehalten
und der Klassifizierung unter kulturalistischen Gesichtspunkt Einheit geboten
werden soll. Überdies wird eine grundlegende Kritik an Religion mit solch
einer Argumentation in eine Sackgasse geführt, da schließlich auch
die bloße Feindschaft gegenüber allen Glaubensrichtungen des Islam
ins Fadenkreuz der Islamophobie-Jäger führt.
Ein Begriff macht Karriere
Bereits die Verwendung des Wortes Islamophobie birgt Gefahren. So
wurde er zum ersten Mal 1979 von den iranischen Mullahs verwendet, die jene
Frauen, die sich weigerten, den Schleier zu tragen, zu schlechten
Muslimen degradierten, indem sie sie bezichtigten, islamophob zu
sein.(12) Auch Verstöße, wie Homosexualität oder Ehebruch,
werden dabei als Angriffe auf die islamische Moral gewertet und somit
mittels Gewalt verfolgt und zum Schweigen gebracht. Im Zuge der Geschichte
wurde dieser Begriff mehrfach aufgegriffen, um berechtigte Kritik am
Zwangscharakter islamischer Praxis verstummen zu lassen und als
antimuslemischen Rassismus zu denunzieren.(13) Beispielhaft für diese
Form der Diskreditierung steht die ausgerufene Fatwa gegenüber Salma
Rushdie aufgrund der Herausgabe seines Buches der Satanischen Verse(14),
oder die im Jahr 2006 global stattfindende Eskalation der Gewalt in islamisch
geprägten Ländern, resultierend aus den Karikatur- Darstellungen von
Mohammed in einer dänischen Zeitung. Im Zuge der Proteste schlossen sich
nach und nach immer mehr Organisationen der Forderung einer zu unterlassenden
Kritik am Islam an, wobei die im Dezember 2008 verabschiedete Resolution auf
der UN-Vollversammlung Zur Bekämpfung der Diffamierung von
Religionen, welche namentlich ausschließlich den Islam nennt, einen der
traurigen Höhepunkte dieser Entwicklung darstellt.(15)
Was guckst du?!
Als stellvertretende Stimme der eigenen Sache findet sich der Text
Kopftücher, Zwangsehen, patriarchalische Gewalt und die Sorge um
westliche Werte von Achim Bühl auf der Internetseite der NIR Leipzig. In
diesem Traktat wird anhand von Alice Schwarzer eine neo-orientalische
Sichtweise vorgestellt, bei der die Postulierung der westlichen Werte als
universell zu einer Abwertung anderer Kulturen führt.(16) Frau Schwarzer
wird im Folgenden daher als Vertreterin eines orthodoxen Feminismus
wahrgenommen, der wiederum in der Tradition eines kolonialen Feminismus
steht.(17) Entscheidend in diesem Zusammenhang ist der Blick respektive der
Standort der Perspektive, um eine Kritik verlauten zu lassen. Westlich
fungiert von daher als ein scheinbares Wertesystem einer sich überlegen
fühlenden weißen Rasse und wird demzufolge häufig als real
existierende Kategorie, ebenso wie der Islam, abgelehnt. Jene Sichtweise hat
Tradition und findet sich bereits in den Texten Saids und Foucaults.(18) Der
Orient wird hierbei als ein von imperialistischen Kolonialmächten
gedachtes Anderes wahrgenommen und dient häufig als Negativfolie
eigener Werte und Normen. Jedoch ist dies als Maskerade zu entlarven und die
Absicherung kolonialer Macht(19) als eigentliche Triebfeder bloßzustellen.
So verkommt schließlich auch die Befreiung der Frau zu einem zentralen
Kern kolonialer Strategie.(20) Die Sorge richtet sich dabei gegen die
Vernachlässigung der Geschlechterverhältnisse innerhalb westlicher
Länder zugunsten der Kritik am frauenfeindlichen Kernstück
islamischer Ideologie. Sie führt schließlich nicht nur zur
Hierarchisierung zwischen Frauen und zur Abwertung der muslimischen
Frau, sondern idealisiert auch die eigene Situation.(21)
Wo diese Sorgen Gestalt annehmen, bleibt jedoch oftmals das Geheimnis der
jeweiligen ApologetInnen. Eine Kritik an den Geschlechterverhältnissen
innerhalb westlicher Länder ist ebenso unabdingbar wie die notwendige
Benennung des qualitativen Unterschiedes zwischen strukturell und
rechtsstaatlich sich manifestierenden Diskriminierungsschemata. Letzteres
beinhaltet ein Wegbrechen der Instanz des allgemein gültigen
Rechtsgesetzes, dessen Existenz, bei aller berechtigten Kritik am Druck des
sexistischen Normalzustandes, jederzeit einen nicht zu
unterschätzenden Unterschied zwischen den verschiedenen
Gesellschaftsformen gewährleistet.
Wo ist da der Unterschied?!
Ein weiterer Text zur Harmonisierung jeglicher Differenz findet sich in Form
eines Interviews mit Werner Schiffauer auf der Internetseite dokumentiert. Auch
Schiffauer befindet sich in Bezug auf die Vielfalten dieser Welt mit seinen
Gesinnungsgenossen im Einklang und negiert folglich den Westen oder
den Islam. Vielmehr ist er darauf bedacht, Schweinereien auf Seiten des
Christentums zu benennen und brüskiert sich über die Amtsperiode
George W. Bushs. Zahlreiche Mitglieder der US- Regierung, unter anderem
Präsident George Bush, gehören fundamentalistischen christlichen
Sekten an, die zum Beispiel die Evolutionstheorie ablehnen und an Schulen
verbieten wollen oder den Krieg gegen Irak als Kreuzzug bezeichnen.(22)
Nun mag er mit seiner These nicht ganz falsch liegen, aber ein genaueres
Hinsehen entbehrt jegliche Gleichstellung mit islamisch geprägten
Ländern. So stellen die USA von Beginn an ein Land dar, dessen
verfassungsgegebene Trennung von Religion und Staat eine Privatisierung des
Glaubens vorsieht und, abgesehen von einzelnen Ausnahmen, mehrheitlich
anerkannt wird. Zur Sicherung der Einheit in der Vielheit bedurfte es einer
strikten Scheidung von Staat und Glauben. Die völlige Freiheit des
Glaubens wurde gewährt, dieser aber zugleich rigoros aus der
öffentlichen Sphäre ferngehalten. Er wurde privatisiert und dadurch
neutralisiert.(23) Gegenteiliges ist in vielen islamisch geprägten
Ländern der Fall. Ein Aufgehen in der Umma und die damit verbundene
Zersetzung öffentlichen und privaten Raumes zugunsten islamischer
Gesetzgebung schlägt sich in den Zielen vieler (Terror-)Organisationen
nieder und ist unlängst in mehreren Ländern in Kraft getreten. Ebenso
ist eine Entindividualisierung einzelner Subjekte, wie sie in Ländern
islamischer Prägung stattfindet, eine gänzlich andere Situation als
die in der USA und macht sich u.a. in Form von Tugendterror gegenüber
eigens aufgestellten Widrigkeiten bemerkbar.
Im weiteren Verlauf des Textes erkennt Schiffauer die hohe Wertstellung der
Familie innerhalb islamischer Wertstellung an, doch verfängt er sich
sogleich in Widersprüche in gewohnt relativistischer Manier. So merkt er
bezüglich der Hinweise auf die Ehrenmorde in islamischen Familien an, dass
diese unabhängig vom Islam auch in säkularen Familien geschehen und
preist sich sogleich als Islamexperte, wenn er wie folgt verlauten lässt:
Der Islam selbst lehnt Ehrenmorde und Zwangsehen ab. Es gibt für diese
Verbrechen keine theologische Begründung. Außerdem muss man zwischen
arrangierten Ehen und Zwangsehen unterscheiden. [
] Das (Ehrenmorde,
Anmerkung: S.) sind fürchterliche Taten, aber sie haben ursächlich
nichts mit Religion zu tun. Es gibt in zahlreichen Gesellschaften im
Mittelmeerraum Ehrenmorde, in muslemischen, christlichen und orthodoxen.(24) Die
vom NIR Leipzig aufgestellte These vielfältiger Formen des Muslim- Sein
wird plötzlich verneint und jegliche grausame Spezifika des Islam im
relativistischen Kanon zum Verstummen gebracht. Es erübrigt sich
hoffentlich ein genauerer Beweis bezüglich des qualitativen Unterschiedes
zwischen christlich geprägten, aber weitestgehend säkularen
Ländern, und islamischen Ländern in Hinblick auf Ehrenmorde und
Zwangsehen. Vielmehr sind erstgenannte Länder von einer Freiheit an Kritik
gegenüber geistigen Obrigkeiten bestimmt, die jeder islamische Staat
vermissen lässt. Seien es die Missbrauchsvorfälle innerhalb einiger
Jesuitenschulen vergangenen Jahres oder die karitative Darstellung geistlicher
Persönlichkeiten stets erfolgte beim reaktionären Zucken
einiger Pfaffen der mediale Aufschrei, sodass kurzweilig gar das Zölibat
als triebfrustrierendes Moment dargestellt wurde, welches sich
zwangsläufig in Gewalt gegenüber Kindern Bahn brechen müsse.
Diese Toleranz lassen Obrigkeiten des Islam vermissen. Demgemäß
werden Widerlichkeiten einiger selbsternannter Muslime als dem Islam
widersprechend gewertet, eine harsche Kritik an allzu aufbrausenden Muslimen
aufgrund vermeintlicher Verletzungen religiöser Gefühle unterbleibt
jedoch meist. Eher noch wird eine Lage imaginiert, die andere Ursachen und
Konsequenzen hatte die der Judenverfolgung.(25)
Summa Summarum
Islamophobie stellt somit einen Neologismus dar, dessen Wahrheitsanspruch
anzuzweifeln ist. Anfangs als islamistischer Kampfbegriff in Bewegung gebracht,
wird er heute von vielen Personen allerlei Couleur verwendet und hat
unlängst Einzug in angesehene Forschungseinrichtungen gefeiert.(26) Er
untergräbt häufig berechtigte Kritik am islamischen Wertesystem und
führt mit seiner Verwendung als neuer Rassismus zu einer weiteren
Verwässerung begrifflicher Schärfe von Rassismus. Das Recht
ungezügelter Kritik an Religion in jeder Form sollte ohne Unterlass
Ausgangspunkt emanzipativer Gedanken sein. Gleichwohl lässt die Benutzung
des Begriffes den Islam jedoch eine Sonderrolle einnehmen, die realpolitisch
schwer nachzuvollziehen ist und in ihren FürsprecherInnen Freunde
unsäglicher Differenz wiederfindet, deren Konzeption meist
kulturalistischen Ursprungs ist.(27) Insbesondere die Linke befindet sich
traditionsgemäß mit dem Christentum auf Kriegspfad, wobei diese
Religionsgruppe zu der meist verfolgten der Welt zählt und in Dutzend
Ländern als Opfer islamischer Gewalt herhalten muss, wie jüngst in
Alexandria geschehen.(28) Worte der Solidarisierung hört man in diesem
Zusammenhang selten.
Die Sorge über die Entblößung ideologischer Schnittmengen
mit Teilen der Rechten lässt es obendrein geradezu unmöglich
erscheinen, Kritik am Einzug islamischer Symboliken zu äußern, so
dass kritische Bemerkungen gegenüber dem Bau einer Moschee oder der
Einführung des Kopftuches in Schulen zumeist populistischen Personen
überlassen wird und Opposition sich meist erst gegen eben jene richtet,
ohne es als Genese islamischer Zwangsapparatur zu werten.
Islamophobie: Ein einfaches Wort übt einen schweren Druck aus. Man muss
es schon deshalb zurückweisen, weil es ein ganzes Wertesystem mit sich
schleppt, die Vorherrschaft der Sektierer begründet und eine
unerträgliche Erpressung versucht. Man sollte wählen: Entweder man
unterstützt die Gotteswütigen oder die Gemäßigten.
Glücklich die Skeptiker, die es schaffen, die Glut des Glaubens
abzukühlen.(29)
Shlomo