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Aktuelles Heft

INHALT #181

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Editorial
• das erste: Was die LVZ Sonntagabend vom Tatort lernen könnte...
Fear and loathing im Moseltal
Runes, Hang the Bastard, Coldburn
65daysofstatic
Einen aufs Haus
MODESELEKTION Vol. 1
Shrinebuilder
Pantéon Rococó
Blood Red Shoes
„Trilingual Dance Sexperience“
dd/mm/yyyy, Women, Baths
»You are stronger than you think«
»Freunde im Groove«
Casper
Rise and Fall, Nails, Harms Way
Winds of Plague u.a.
Veranstaltungsanzeigen
• kulturreport: Campy Panzerluft und antisemitischer Kitsch
• ABC: G wie Gewalt
• review-corner film: Jud Süß – Ein Film ohne Anspruch
Linker Irrtum, schwerer Irrtum
Konzentriertes Ressentiment
Das ist doch alles nicht so einfach...
• doku: Oben bleiben. Weiter gehen.
• doku: Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie Scheiße ist Deutschland?
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• das letzte: Viel Spaß für wenig Geld

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Konzentriertes Ressentiment

In der vorletzten Ausgabe gab es ein Erstes von Hannes Gießler, das die linke Sprachkritik zum Thema hatte. Wie in privaten und semi-öffentlichen Kreisen vernommen werden konnte, hat jener Text bei sehr vielen Leuten ein diffuses Unbehagen hervorgerufen, das in Textform zu gießen sie jedoch leider unterließen(1). Leider? Oder müsste es nicht doch eher heißen: „zum Glück“? Denn eine Person meldete sich dann doch noch in der letzten Ausgabe zu Wort. Es war Autorin Lou Sander, die uns einen Tag vorm Redaktionsschluss folgenden Leserinbrief zukommen ließ: Dazu einige Anmerkungen.

Zunächst ist es bemerkenswert, dass Lou Sander meint, die Position der CEE IEH-Redaktion umstandslos mit der Gießlers identifizieren können. Warum? Offensichtlich weil wir seinen Artikel gedruckt haben. Es kommt Sander anscheinend gar nicht komisch vor, dass wir nach dieser Logik auch ihre bei uns veröffentlichten Positionen(2) teilen müssten, wovon zumindest die hier Schreibenden weit entfernt sind. Diese freimütig von z.B. uns eingestandene Distanz zu Sanders Positionen impliziert aber nicht, wie sie zu glauben scheint, dass wir im Umkehrschluss unsere Namen vorbehaltlos unter H. Gießlers Text setzen würden. Es drängt sich der Eindruck auf, dass Sander sich in etwas verfangen hat, dass ihr selbst ein guter Begriff sein müsste: einer binären Matrix.
An explizit ihrem Vorgehen zeigt sich wieder einmal, dass diejenigen, die am lautesten nach Differenzierung schreien, dazu am wenigsten in der Lage sind. Auf dieses Kuriosum wurde aber andernorts schon einmal hingewiesen(3).
Das CEE IEH ist durch eine relative Liberalität im Umgang mit Meinungen(4), die von den in der Redaktion vertretenen abweichen, bekannt. Diese Liberalität veranlasst Sander nicht etwa, ihr sorgfältig gepflegtes Ressentiment gegen das zweiköpfige Monster „Hannes Gießler/CEE IEH-Newsflyer-Redaktion“ zumindest rudimentär zu kaschieren – sagen wir einmal durch Argumente zum Beispiel. Nein, stattdessen wird ungeniert und mit den billigsten Mitteln rumgepöbelt: „der kleine Hannes“ – das ist nicht nur eloquent und geistreich, sondern reflektiert zugleich mehrere Dekaden der Kritik am Mackertum. Dabei werden Gießler dann Aussagen unterstellt, die mehr über die schlechten Absichten der Autorin als über den vermeintlich in Rede stehenden Text verraten.

So heißt es bei ihm: Und Sander macht daraus im Handumdrehen: In diesem einen Satz stecken nicht weniger als vier Verfälschungen: Gießler hat nicht behauptet, dass „[alle] Schwarze[n] Menschen“(5) (1) es „cool finden“(2) wenn „weiße“ (3) „Typen“ (4) sie „Nigger“ nennen. Als erstes fragen wir uns, warum aus der Clique in Gießlers Text bei Sander „weiße Typen“ geworden sind? Wo kommen die auf einmal her? Und selbst wenn bei Gießler weiße „Typen“, also Männer, gemeint wären, dann offensichtlich nicht irgendwelche dahergelaufenen Rassisten, wie Sander suggeriert, indem sie seine Aussage generalisiert und entkontextualisiert. Das Gedankenexperiment aus dem Text bezieht sich eindeutig auf eine sehr konkrete Situation im Freundeskreis, wo daher persönliche Anerkennungsstrukturen bereits vorausgesetzt sind. Hannes Gießler will also keineswegs dem weißen Durchschnittsdeutschen das Recht vindizieren, Afro-Deutsche unbekannterweise als „Nigger“ zu titulieren. Sander insinuiert aber unverschämterweise in ihrem Brief, dass die CEE IEH-Redaktion und den Autor genau dieses rassistische Bedürfnis nach Enthemmung umtriebe. Ob es Schwarze gibt, die die „Nigger“-Anrede unter den genannten Bedingungen in Ordnung finden, vermögen wir nicht zu beurteilen. Sollte das nicht der Fall sein, ist der Wortgebrauch selbstverständlich auch in diesen Fällen zu unterlassen und ggf. zu sanktionieren. Lou Sander hat hier aber gar keine Bedenken, stellvertretend für „die Anderen“, von ihr als „schwarz“ markierten Menschen zu sprechen, und weiß, was die eben so cool finden und was nicht. Sie rassifiziert sich eine Welt zurecht, in der stets und unter allen Umständen die Hautfarbe zu entscheiden hat, wie man sich zueinander verhält und nicht etwa Freundschaft oder ein sarkastisch-distanzierter Umgang mit Beleidigungen. Es bleibt ein Rätsel, warum in dieser Welt „weiß“ klein geschrieben wird, aber eben „Schwarze Menschen“ ihre Hautfarbe in großen Lettern vor ihrem Menschsein tragen. Will Lou Sander damit andeuten, dass „weiße Typen“ sowieso Menschen sind, aber bei einer dunkleren Hautfarbe besser noch darauf hingewiesen werden sollte, dass es sich um Menschen handelt, weil das ja in der Vergangenheit wissenschaftlich umstritten war?

Es ist aufgrund des Pragmatismus zur sprachphilosophischen Binse geworden, dass semantische Bedeutungsgehalte durch spezifische lebensweltliche Gebrauchskontexte beeinflusst werden. Vielleicht hat sich Lou Sander damit noch nicht beschäftigt? Das wäre ja nicht schlimm. Musste sie aber deshalb gleich einen garstigen Vorwurf formulieren, um das Argument „politisch korrekt“ aus dem Weg zu räumen? Für dieses Vorgehen, jemandem explizit zu unterstellen, er würde rassistische Praktiken fördern oder verharmlosen, gibt es einfache Beschreibungen: Denunziation, Verleumdung, Unterstellung oder Rufmord wären nur einige davon.

Ähnlich steht es mit dem Professorinnen-Beispiel. Hannes Gießler hat überhaupt nicht darüber gesprochen, ob sich „alle“ Professorinnen angesprochen fühlen, wenn er „Professor“ sagt. Von Professoren und Professorinnen war vielmehr gar nicht die Rede. Gießler hat mittels eines persönlichen Beispiels gezeigt, dass die Abstraktionsleistung, alle Leute, die den Lehrberuf ausüben, durch das Wort „Lehrer“ sprachlich zu symbolisieren, eben auch „rückwärts“ funktioniert: Wenn man Lehrer sagt, kann man an Lehrerinnen denken. Die Tatsache, dass das Symbol grammatisch männlicher Form ist, bedeutet demzufolge nicht, dass in seiner Verwendung die durch es bezeichneten Frauen im Bewusstsein der Sprecher verschwinden. Was ist gegen dieses Argument einzuwenden? Nichts. Man könnte aber, gegen Hannes Gießler, ergänzen, dass dieser Sachverhalt eine offensive sprachliche Repräsentationspolitik nicht notwendigerweise überflüssig macht, dass symbolische Ordnungen nicht nur funktionieren sollen, dass „Mit-Gemeint-Sein“ unzureichend ist, dass sich in Sprache patriarchale Herrschaft sedimentiert usw. usf. Man kann aber auch einfach, wie Lou Sander, irgendeine ganz andere Aussage daraus machen, die irgendwie sexistisch klingt. Das ist ja auch viel bequemer und erspart einem den mühsamen Weg des Denkens und der Diskussion.

Abschließend sei noch darauf aufmerksam gemacht, nach welchem nur allzu bekannten Muster der Leserinnenbrief gestrickt ist. Es werden hier, ganz binär und manichäisch, zwei klar abzugrenzende Gruppen konstruiert: die (potentiell) Rassistischen einerseits und die politisch Korrekten andererseits. Endlich mal wieder was eindeutiges: Gut und Böse. Die Bösen sind hegemonial, na klar. Die beherrschen den Diskurs, sitzen an den Hebeln der Macht im CEE IEH, haben alle die gleiche Meinung wie ihr mächtiger Vormund Hannes Gießler und sind wahrscheinlich „weiße Typen“, darauf kommt's an! Auf der anderen Seite haben wir den Widerstand, die „Leser_innen“, hier lebt die Vielfalt. Die sind zwar auf der richtigen Seite, die aber leider verworfen und marginal. Ihre Versuche, per Gegendiskurs zu landen, waren bis jetzt immer vergeblich. Dabei hat man es schon so oft versucht! Na ja und Lou Sander hat irgendwie auch keine Lust und Kraft mehr. Aber sie weiß bestimmt, dass ganz viele hinter ihr stehen, dass sie für die schweigende Mehrheit der Reflektierten steht. „Ihr habt`s aufgegeben? Kann ich auch verstehen.“ Der Klügere gibt nach.
Die Wahrheit sieht anders aus. Zwar regen sich viele auf. Dass sie es aber aufgeben, zu diskutieren, würde zunächst einmal voraussetzen, dass sie damit jemals ernsthaft begonnen hätten. Lou Sander schmiert stattdessen denen Honig ums Maul, die nur unter Gleichgesinnten am Stammtisch zetern, und suggeriert, dass man sich bereits voll in der Diskussion mit der leiderleider starrsinnigen CEE IEH-Redaktion und dem leiderleider unbelehrbaren Hannes Gießler verausgabt habe. Und sie suggeriert das sogar noch in einem Fall, in dem man sich tatsächlich bisher nur privat echauffiert hat. Was für ein schlechter Witz!

Wer sich auf der Grundlage von Gerüchten, Lügen und Szenebefindlichkeiten zu einer kuscheligen Gemeinschaft der Empörten formieren will: bitte! Man kann niemandem zum eigenständigen Denken zwingen. Das ist aber noch kein Argument gegen die Thesen von Hannes Gießler(6). Wer linke Sprachregelungen lieber als verdinglichte „Errungenschaften“ abnickt, als einen bewussten Umgang mit ihnen zu befördern, wer eine Gegennorm akzeptiert und auf Nachfragen mit irrationalen und verleumdenden Unterstellungen kontert, statt eigene Überzeugungen argumentativ zu rechtfertigen, der muss kritisiert werden. Wer wirklich etwas zu sagen hat, der soll einen Text schreiben. Und wer schweigt, stimmt zu.

Chris / Bruno/ Johannes Knauss / sisyphos (Mitglieder der CEE IEH-Redaktion)

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Anmerkungen

(1) Dieser Text wurde geschrieben, bevor die in diesem Heft abgedruckten Antworten auf Hannes die Redaktion erreichten.

(2) u.a. „Nie wieder Antira“ im CEE IEH #177 (http://www.conne-island.de/nf/177/20.html)

(3) Vgl. Halli Galli in CEE IEH #161 (http://www.conne-island.de/nf/161/19.html)

(4) Ja, MeinungEN, im Plural. Eine hybride Identität ist für uns eben kein Fremdwort, sondern gelebte Praktik.

(5) Lou Sander schreibt nicht „alle“, aber ihr Anliegen hätte gar keinen Sinn, würde sie in diesem Satz mit „Schwarze Menschen“ nur irgendwelche beliebigen konkreten Personen meinen.

(6) Wirkliche Argumente und Auseinanderetzungen sind so zum Beispiel in den in diesem Heft gedruckten Antworten auf Hannes Gießler zu lesen.

25.10.2010
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