Mit Nanni Balestrini habe ich gemeinsam, daß er
sich auch nicht für Fußball interessiert. Von Bedeutung ist das
Drumherum - weniger das Spiel - als das kollektive Gebärden am Rand
desselben. I Furiosi - Die Wütenden, Balestrinis letzter
Roman, erzählt von den Rot-Schwarzen Brigaden, den Fans des AC Milan. Aus
Gesprächen, die er mit verschiedenen Mitgliedern der Brigate Rossonere
führte, montierte er elf Gesänge ohne Punkt und Komma; in
rasanter Geschwindigkeit erzählen sie ihre Geschichte, ohne daß klar
würde, wer gerade spricht, sie sind gleichzeitig einer und alle. Die Fahrt
zum Auswärtsspiel, die damit beginnt, daß der bereitgestellte
Sonderzug klargemacht wird, falls dieser überhaupt noch über ganze
Scheiben verfügt, exzessiver Drogenkonsum zum Vorglühen; in der Stadt
des Spiels und der Bullen, also der Stadt der Auseinandersetzung, des Ziels
einfach, dann der Versuch möglichst viele Eigentumsdelikte in
möglichst kurzer Zeit auf die Reihe zu kriegen, die gegnerischen Fans zu
schlagen, wo man sie trifft, einfach Spaß und Randale eben. Die Gewalt
ist da und fertig ab. Balestrini hat nicht das geringste sozialarbeiterische
Interesse, irgendetwas zu erklären oder gar Lösungsmöglichkeiten
anzubieten: Die Gewalt vom Stadion hat kein Ziel sie ist reiner
Selbstzweck während in der Politik hattest du eins wenn du den
Arbeitgeberverband angegriffen hast hatte es einen Zweck da war ein politisches
Ziel du hast den Geruch von Tränengas gerochen und wußtest wo du
warst und was du machst und warum du es machst während die Gewalt im
Stadion keine Ziele hat es ist die reine Gewalt du hast in dem Moment keine
Ziele es gibt zwei entgegengesetzte Gruppen die sich im Namen von Nichts
bekämpfen.
Was interessiert, ist der politische Background der Rot-Schwarzen Brigaden, die
sich nicht umsonst namentlich an die Brigate Rosso anlehnen, jener
Stadtguerilla, die durch gezielte Schüsse in Arbeitgeberknie recht schnell
großes Ansehen erwarb. Entscheidend für Balestrini ist die Sympathie
vieler Milan-Fans mit der Autonomia-Bewegung, ihre Beteiligung an den Demos,
Fabrikbesetzungen, an dem Durchsetzen und Verteidigen autonomer Zentren
(aktuell: Das Leoncavallo in Mailand; alles ein kurzes Auf- und Abflackern:
Aber dann sind wir sonntags fast gar nicht mehr ins Stadion wir hatten
echt anderes zu tun man hat sich ausgeruht von den Auseinandersetzungen am
Samstag es wurden Mollies für die nächste Woche gemacht und dann gab
es die Plena vom Kollektiv bis dann aufeinmal alles vorbei war. heike |