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I) Menschen mit Migrationshintergrund
Mit leicht erhobenem Zeigefinger warnte Lou Sander davor, dass die Linke
in Leipzig weiter so homogen bleibt wie eine ostdeutsche Kleinstadt (CEE IEH
#177). Migranten und Leute nichtweißer Hautfarbe fühlen sich hier
nicht richtig wohl. Die Frage ist: Warum? Dabei ist man in der linken Szene
mehr als anderswo bemüht, Menschen nicht mit falschen Bezeichnungen vor
den Kopf zu stoßen. Man sagt nicht Ausländer oder Migrant, sondern
Bürger_in mit Migrationshintergrund, man spricht keinesfalls mehr
von Farbigen, sondern von Schwarzen, aber selbst das versucht man
zu vermeiden, da man keinen Menschen auf seine Hautfarbe festlegen und
reduzieren will. Wenn Person A in einer linken Disko Person B erklären
will, dass sie eine Person, nämlich den Schwarzen auf der Tanzfläche,
hübsch findet, vermeidet sie die hierzulande leichte Variante: Na
der hübsche Schwarze, der gerade tanzt, und wählt die schwierigere
Variante: Na der dort mit dem blauen T-Shirt, siehst du nicht. B:
Man, hier sind hundert Leute, zeig doch mal in die Richtung. A:
Man, ich kann doch nicht direkt drauf zeigen, das bekommt der doch mit.
B: Na meinst du den Großen mit dem Basecape. A: Nein, igitt,
den doch nicht. Ich meine den, der eher links dahinter ist. B: Ach, du
meinst den Sch..., eh den mit den schwarzen Haaren? A: Genau!
Es wird sich in der Linken wirklich angestrengt, politisch korrekt zu reden.
Mir selbst ist es mal passiert, dass ich in linken
Sozialpädagog_innenzusammenhängen auf einem Plenum auf den
strukturellen Antisemitismus hingewiesen wurde, der in meiner Sprache zugange
sei. Man dürfe nicht, wie ich, von Juden reden. Ich solle besser
von Menschen jüdischer Religion sprechen oder mit den Fingern
Anführungsstriche signalisieren, wenn ich Jude sage. Denn sonst
würde ich die Juden als Volk konstruieren und das sei strukturell
antisemitisch. Und ihr wollt die Juden jetzt also dekonstruieren, hatte
ich fast dagegen gehalten, mir dann aber gedacht, dass ich in diesen Kreisen
weiter mein Geld verdienen will also habe ich devot noch mal
nachgefragt, wie ich das mit den Fingern und den Anführungszeichen denn
genau machen solle.
Schimpfwörter, die in anderen Milieus, z.B. in
Fußballnachwuchsmannschaften, an der Tagesordnung sind: Neger,
Schwuchtel, Jude, Fotze, sind in linken Kreisen
völlig undenkbar. Und das hat natürlich sein Gutes. Die Frage ist
nur, warum in Fußballnachwuchsmannschaften der Anteil an Migranten
trotzdem höher ist. Da gibt man sich als Linker so viel Mühe! Und die
Schwarzen, die Migrant_innen und Menschen mit
jüdischem Familienhintergrund halten sich trotzdem weniger dort auf, wo
sie politisch korrekt bezeichnet werden. Warum?
Die erste These dazu von mir ist: Viele Menschen mit Migrationshintergrund
kennen den Linguistik Turn nicht. Als solcher wird in der
Geisteswissenschaft die Hinwendung zur Sprache und ihre Deutung als Bildnerin
von Wirklichkeit bezeichnet. Da die meisten Migranten nicht um diese in
akademischen Kreisen festgestellte Bedeutung von Sprache wissen, ist es
für sie weniger von Bedeutung, wie sie genannt werden. Meine zweite These
ist: Der Ton macht die Musik. Wenn man als Schwarzer in seiner Clique mit den
Worten Na alter Nigger, was geht bei dir heute empfangen wird, kann das
herzlicher gemeint sein und klingen, als wenn ein eingebildeter Gockel
verächtlich die Worte Mitbürger mit Migrationshintergrund
über seine Zunge gleiten lässt oder ein Linker mit besonnener Miene
umständlich die Wendung Bürger_innen mit Migrationshintergrund
oder Menschen, deren äußere Merkmale andere, weniger reflektierte
Menschen glauben lassen, sie hätten einen Migrationshintergrund heraus
bugsiert. Meine dritte These: Die politisch korrekte Sprache bedarf einer
großen Übung in Affektkontrolle. Man kann nicht sprechen, wie einem
der Schnabel gewachsen ist, sondern muss jedes seiner Worte überlegt und
auch in Hinblick auf die gerade üblichen Standards wählen. Die
Beherrschung und Verdrängung der Affekte ist jedoch eine Frage der
Übung und der Verhältnisse, in denen man groß geworden ist.
Wenn man aus besseren Verhältnissen kommt, also aus gutem Hause stammt, in
einer bürgerlichen Wohngegend aufgewachsen ist, das Gymnasium besucht hat,
in der örtlichen Jungen Gemeinde oder in der Schülervertretung aktiv
war, wird man in die Affektkontrolle eher eingeübt sein, als wenn man sich
zuhause auf beengtem Raum und im Ghetto durchsetzen lernen musste und das
Aushalten und Ausleben von Affekten zur Bewältigung des Alltags
gehört. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen hochgeschraubt. Aber wer
schon mal im Naturkostladen eingekauft hat, wird vielleicht nachvollziehen
können, was ich meine: die Mütter mit ihrem Jutestrickbeutel, die ihr
Kind behutsam im Wiegetuch an ihren Körper gepresst tragen, jedes
Lebensmitteletikett mit ruhigem Blick fixieren, als wäre es ein Buch,
nicht durch den Laden rufen, sondern die zehn Schritte, fast auf Zehnspitzen,
bewusst zum Verkäufer gehen, um mit diesem ein intensives Gespräch
über das aktuelle Käseangebot zu führen, in einem Tonfall, der
in Kunstausstellungen oder Kirchen angemessen ist. In solchen Situationen
steigen in mir große Aggressionen auf; so als würden sich all die
Affekte, denen es diesem Naturkostladen in Hinblick auf für mich
gewohnte Verhältnisse mangelt, in mir sammeln und bündeln.
Mitunter verkrampfe ich auch in linken Plena dann, wenn dort zu oft von
Menschen mit ... Hintergrund gesprochen und dabei das Wort
Menschen weich und herzlich betont wird, jede Berufsbezeichnung und
jedes anschließende Relativpronomen gegendert daherkommt, jedes
Wort als Produkt eines politischen Geistesapparates über die Lippen
stolziert. Das Gebot der Normierung der Sprache macht mich fertig, vielleicht
gerade deswegen, weil ich das erwünschte Niveau der Affektkontrolle,
zumindest an der sprachlichen Oberfläche, zu halten imstande bin: aber nur
unter Anstrengung.
Wie muss es dann erst Leuten gehen, die in rauen Verhältnissen groß
geworden sind. Und da sogenannte bürgerliche Verhältnisse, die eine
privilegierte soziale Situation voraussetzen, in Deutschland einer Schicht
vorbehalten sind, die aus autochthonen Deutschen besteht, wird man Migranten
dort, wo sich die besseren Verhältnisse in der Sprache und überhaupt
im Umgang spiegeln, weniger zahlreich vorfinden als beispielsweise im
Kampfsportverein. Das kann natürlich kein Plädoyer dafür sein,
linke Verhältnisse prekäreren Verhältnissen anzuähneln.
Aber die Linken sollten zumindest mitdenken, dass ihre gut gemeinte Sprache am
Ende vielleicht nicht dem intendierten Ziel dient, Migranten zu integrieren,
sondern versehentlich dem Ziel, eine bestimmte soziale, akademische und
pädagogische Elite zu reproduzieren, aus der Menschen ausgeschlossen
bleiben müssen, weil ihnen der manierliche Umgang nicht gegeben ist oder
schlicht und ergreifend auf den Sack geht.
II) LehrerInnen und Lehrer_innen
Besonders wichtig ist es in der linken Szene, die Sprache zu gendern.
Damit auch jene, die der linken Szene nicht angehören und auch keinen
pädagogischen, akademischen und staatlichen Berufen, in denen sich
Gender Mainstreaming durchgesetzt hat, nachgehen, wissen, was gemeint
ist, sei hier aus einem Protokoll des Basler Gesundheitsdepartements zitiert:
Bereits die mildeste und häufigste Form der Trennung einer `Rolle
des Verantwortungstragens' (Arzt/Ärztin) von einer `Rolle des
sich-Anvertrauens und sich-Unterordnens' (Patient/in) reduziert die
Eigenverantwortlichkeit, mit der der/die Patient/in Entscheidungen in Bezug auf
seine/ihre Gesundheit trifft. Damit wird der/die `beratende Arzt/Ärztin'
zum/zur `entscheidenden Arzt/Ärztin'. In bestimmten Situationen haben
Patient/in und Arzt/Ärztin natürlich keine andere Wahl (zum Beispiel
bei einer Notfallbehandlung eines Bewusstlosen). Doch bereits die Entscheidung,
ob ein vom Arzt/Ärztin empfohlener Wahleingriff durchgeführt werden
soll, will der/die mündige Patient/in in Eigenverantwortlichkeit selbst
treffen. Demgegenüber nimmt der/die unmündige Patient/in seine/ihre
Eigenverantwortlichkeit nicht wahr, ohne dass er/sie durch zwingende
Gründe daran gehindert würde.(1)
Als ich ein Kind war, hat niemand gegendert. Ich war unbelastet. Wenn
ich zuhause gefragt wurde, ob ich lieb zu den Lehrern war, tauchten vor meinen
Augen all die Lehrer auf. Es waren Frauen. Nach zehn Jahren Sozialisation in
linker Szene und Sozialpädagogenkreisen denke ich mehr und mehr an
männliche Lehrer, wenn ich Lehrer, an Lehrerinnen, wenn ich
Lehrerinnen, und an Lehrerinnen und Lehrer, wenn ich Lehrerinnen
und Lehrer höre. Was die deutsche Grammatik an sich nicht vorsieht, hat
die Linke vollbracht: die Identifikation des grammatikalischen Genus mit dem
biologischen Geschlecht. Im Grunde stimmt das Genus in der deutschen Sprache
nicht mit dem Geschlecht überein: das Kind statt der oder
die Kind, das Mädchen statt die Mädchen (Sg.),
der Löffel statt das Löffel, die Sonne statt
das Sonne usf. Für die Nichtübereinstimmung von Genus
und Geschlecht ist das Geschwister' ein besonders anschaulicher Fall:
grammatikalisch ein Neutrum, vom Wortstamm her weiblich und in der Bedeutung
übergeschlechtlich.(2) Ähnlich verhält es sich mit
Berufsbezeichnungen: die Lehrer meint an sich nicht, dass darunter nur
männliche Lehrer inbegriffen seien. Erst Linke haben das
Missverständnis zur Regel gemacht, das Genus mit dem Geschlecht zu
identifizieren. Und wenn dies erst mal geschieht, dann gibt es schwerlich ein
Zurück. Umso öfter man Texte liest, in denen gegendert wird,
umso stärker stellt sich der Zusammenhang von Genus und Geschlecht her.
Unter der Bezeichnung die Lehrer sammeln sich vor dem inneren Auge
plötzlich nur noch Lehrer mit männlichem Geschlecht.
Das Problem von solcherart gegenderter Sprache ist mit den Jahren vielen
Feministen offenbar geworden: Die geschlechtliche Identität spielt sich in
den Vordergrund. Dabei wollte man oder mensch doch die
Gleichberechtigung der Geschlechter durchsetzen. Nunmehr ist deren Trennung
umso wichtiger geworden: Jedes Relativpronomen bekommt plötzlich zwei
Geschlechter, die den/die LeserIn, der/die den Text liest, anspringen.
Die Differenz der Geschlechter wird zur ständig geäußerten
Tatsache. Das ist ein Graus für eine neue Generation von Feministen, die
sich der Queer-Theorie verpflichtet fühlen und auf Queerpartys Bärte
ankleben und Lidschatten auftragen, um mit diesem theoretisch fundierten
Konzept der Performance Rollenklischees zu hinterfragen und zu verwirren. Diese
neue Generation behauptet mehr oder minder, dass nicht nur die Klischees von
Frau und Mann sozial konstruiert sind, sondern auch die biologischen
Geschlechter. Wenn man von LehrerInnen redet, dann reproduziere man die
Vorstellung von zwei Geschlechtern. Also schreiben die Queer-Feministen nicht
LehrerInnen, sondern Lehrer_innen, wobei _ den Raum
für jene lassen soll, die sich weder als weiblich noch als männlich
definieren. Klar gibt es Leute, denen ihr Geschlecht keinen Pfifferling wert
ist, die ohne eindeutiges Geschlecht auf die Welt gekommen sind oder ihr
biologisches Geschlecht ablehnen und sich sogar umoperieren lassen. Die Frage
ist nur, warum man gerade diese Tatsache sprachlich in den Vordergrund
rücken sollte. Dass die Differenz von Grundschullehrern und
Gymnasiallehrern, die von Deutsch- und Sportlehrern oder die von Lehrern in
einem Angestellten- und solchen in einem Beamtenverhältnis in der
Bezeichnung die Leher_innen hinten runter fällt, stört ja auch
niemanden. Warum also ist gerade die geschlechtliche Identität so wichtig,
dass man sie neuerdings überall mit erwähnen muss?
Wahrscheinlich wird den Queer-Feminst_innen bald bewusst werden, dass
das Gender-Gap, also dieses _ zu kurz greift, beziehungsweise an
der falschen Stelle verwendet wird. Nehmen wir wieder die Bezeichnung
Lehrer_innen. Das Gender-Gap suggeriert an dieser Stelle, dass die
Mannigfaltigkeit geschlechtlicher Identitäten, von der die Queer-Theorie
ausgeht, zwischen der männlichen und der weiblichen Identität zu
verorten ist; es reproduziert die binäre Logik der Geschlechter in dem
Sinne, dass die beiden Geschlechter die Pole sind, zwischen denen alles Weitere
noch Platz hat. Ich aber würde von mir behaupten, dass ich außerhalb
der Logik von Mann und Frau stehe. Es gibt daher, um mir gerecht zu werden, nur
eine Alternative (von mir hiermit patentiert): das Double-Gender-Gap.
Lehrer_innen_, also mit einem zweiten _ jenseits von Mann und
Frau, müsste es heißen, damit auch ich mitgenannt und nicht
vergessen werde.
Letztlich scheitern alle sprachlich korrekten Bezeichnungen an einem Problem,
das Nietzsche in Über Lüge und Wahrheit im
außermoralischen Sinne, dem m.E. schönsten Text in der Geschichte
der Philosophie, erörtert hat. Begriffe machen Einzeldinge und Einzelwesen
kommensurabel und identisch und gleiten, wenn sie für bare Münze
genommen und nicht als durchschaut werden, über alle Differenzen hinweg.
Natürlich ist es ein richtiges Anliegen, die Differenzen trotzdem in der
Sprache widerzuspiegeln. Bloß sollte man sich dabei nie einbilden,
Begriffe finden zu können, die ihre Natur, also die Tatsache, dass sie
Verschiedenes verallgemeinern, abgeschüttelt haben. Die Lösung des
Problems, so interpretiere ich Nietzsche, liegt nicht in der Suche nach
den passenden Begriffen, sondern in dem Eingeständnis, dass
Begriffe Metaphern für die Wirklichkeit sind. Auch durch den Begriff
Lehrer_innen werden sich einige, die damit bezeichnet werden sollen,
eher veralbert als erkannt fühlen einfach weil er geschlechtliche
Identitäten in den Fokus rückt. Noch alberner wird es, wenn die
korrekten Begriffe offensichtlich nur Staffage sind. Wenn eine 50-Jährige,
die selbstbewusst auftritt und vielleicht vorgestern erst ihren Mann vor die
Tür gesetzt oder ihrem Chef die Meinung gegeigt hat, von einer
20-Jährigen Linken mit Piepsstimme gemaßregelt wird, weil sie
wir Lehrer sagt, dann ist das grotesk.
III) Als weiblich und männlich wahrgenommene Menschen
Ein weiteres Problem, das auf die Sprache fixierte Queer-Aktivist_innen
haben und minder-elegant lösen, offenbart sich, wenn sie über
Sexismus und die Unterdrückung der Frau sprechen und schreiben. Wenn
Frauen unterdrückt werden, muss es sie auch irgendwie geben. Dann
heißt es: Menschen, die als weiblich wahrgenommen werden, werden
unterdrückt. Nun, mir geht es nicht darum, mich über das Problem der
Unterdrückung und geschlechtlicher Rollenbilder lustig zu machen.
Worüber ich mich lustig mache, ist das Unvermögen, Bezeichnungen
etwas lockerer zu nehmen. Man könnte ja auch sagen: Frauen werden
unterdrückt, ohne sich als Frau auf den Begriff Frau reduziert zu
fühlen. Es würde ja auch kein Linker, der eine Grippe hat,
äußern, er müsse zu einem als Arzt wahrgenommen Menschen
oder zu einem Menschen mit ärztlichem Hintergrund. Man geht
zum Arzt und weiß zurecht, dass der Arzt damit leben können
wird, dass er in einem bestimmten Kontext auf seinen Beruf festgelegt wird,
ohne dass zugleich erwähnt wird, dass er ein Mensch ist. So sollte es auch
mit Frauen und Migranten sein. Man ist nicht nur Frau oder nur Migrant, wenn
man in einem bestimmten Zusammenhang so bezeichnet wird. Wenn über die
Unterdrückung der Frau gesprochen wird, dann ist in diesem Moment die
Kategorie Frau die treffende. Und wenn man die Asylgesetzgebung erörtert,
dann sind die davon betroffenen Menschen Migranten, unabhängig davon, ob
sie in einem anderen Kontext Liebende, Fußballer, Popper oder Mütter
sind.
Offensichtlich werden die Probleme, die in dieser Welt existieren, wenn man
Frau oder Migrant ist, auf der Ebene der Sprache bekämpft. Doch so wenig
dort ihre Ursachen liegen, so verzweifelt wirkt dort der Versuch ihrer
Lösung. Menschen, die im Mittelmeer ersaufen, weil sie unbedingt nach
Europa wollen, scheitern nicht am Rassismus in der Sprache, sondern daran, dass
die Europäer ihren Reichtum, etwa das Gesundheitssystem, nicht mit
Millionen Afrikanern teilen wollen, die mit gutem Grund nach Europa wollen.
Womöglich ist an den Grenzen und Asylrechten, die diese Migration
verhindern, nicht nur die Sprache nicht schuld, sondern nicht mal der
Rassismus. Das illustriert die Südgrenze der USA, die von schwarzen und
weißen Polizisten gegen Eindringlinge bewacht wird.
Auch Queer-Aktivist_innen setzen sich vornehmlich mit Sprache
auseinander, kaum aber mit den religiösen, historischen und sozialen
Wurzeln der Rollenbilder. Dass die Sprache nicht so entscheidend ist, wie
suggeriert wird, lässt sich am Beispiel der englischen Sprachraums
andeuten. Die englische Sprache ist wesentlich geschlechtsneutraler und
trotzdem unterscheiden sich die Verhältnisse zwischen den Geschlechtern
nicht so wesentlich, dass sie die Vehemenz, mit der in der linken Szene
mitunter gegendert wird, rechtfertigen könnten. Die Frage ist:
Warum diese Vehemenz? Meine Vermutung: Mit der Sprache kann die eigene
politische Identität sichtbar gemacht werden. Buttons, Aufnäher,
Aufkleber, ein bestimmter Kleidungsstil, Musik und viele Plakate und Graffitis
im eigenen Kiez waren in der linken Szene immer viel zu wichtig. Solche Zeichen
sollen den eigenen Kosmos markieren, sie dienen der Abgrenzung nach außen
und der Identifikation nach innen, d.h.: einer klaren Identität. Dieser
kommt eine Szene-Sprache gelegen. Einzelne, die mit gutem Beispiel voran gehen
wollen, können sie grne sprechen, wird sie eingefordert, wird sie zum
Problem.
Hannes Gießler