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Zur Lage Israels

In den letzten Wochen führte das „Homefront Command“ Israels landesweit Übungen durch, die vor allem die Zivilbevölkerung auf das Schlimmste vorbereiten sollen. So wurden u. a. Terroranschläge in Haifa und der Abwurf von 220 Tonnen Raketen auf israelisches Territorium simuliert (im Gegensatz zu den 80 Tonnen Raketen der Hizballah von 2006) sowie mögliche Giftgasangriffe auf die Städte einkalkuliert. Zu diesem Zweck wird seit geraumer Zeit das alte Arsenal an Gasmasken, die angesichts der Angriffe Saddam Husseins auf Israel im Golfkrieg verteilt wurden, auf den neuesten Stand gebracht. Angesichts der tagtäglichen Meldungen in den Medien könnte man zur Auffassung gelangen, eine erneute Ausweitung der Kriegshandlungen gegen Israel stehe kurz bevor, und ein kleiner Tropfen nur könnte genügen, das Fass zum Überlaufen zu bringen. Denn randvoll ist es schon lange.

Israel am Pranger der Welt

Der erneute hysterische Aufschrei der Welt gegen Israel ist dabei nur symptomatisch für diese schon lang anhaltende und besorgniserregende Entwicklung.
Bei einem Einsatz der israelischen Navy gegen die aus unterschiedlichsten Nationen kommenden „Friedensaktivsten“, die mit Hilfsgütern an Bord ihrer Schiffe die israelische Seeblockade des Gazastreifens zu durchbrechen suchten, hat es Tote und Verletzte gegeben. Als das türkische Schiff „Mavi Marmara“ des „Free Gaza Movement“(1) geentert wurde, erwartete die aus Helikoptern abgeseilten israelischen Kommandos – im Gegensatz zu den anderen fünf Schiffen – ein wütender Lynchmob mit Waffen, von denen dieser uneingeschränkt Gebrauch machte. Und was machen Soldaten in einem solchen Moment? Richtig. Sie gebrauchen selbst ihre Waffen. Schon im voraus hatte die israelische Regierung bekannt gegeben, man werde verhindern, dass die „Solidaritätsflotte“ den Hafen Gazas erreichen werde, denn dadurch komme es zu einer Aufwertung der Hamas, und schlimmer noch: „freiwillige Widerstandskämpfer“ und Waffen könnten zu deren direkter Unterstützung gelangen.(2) Das israelische Angebot, die für die palästinensische Bevölkerung bestimmten Hilfsgüter in einem israelischen Hafen in Ashdod löschen zu lassen (mit Inspektion und anschließender Überstellung an die UN-Hilfsorganisation), wurde von den Organisatoren in den Wind geschlagen. Hier liegt das Kernproblem: „Free Gaza Movement“ meint die „Befreiung Gazas von der zionistischen Okkupation“, letztlich die Freiheit der Palästinenser von Israel. Freiheit in Relation zu Gaza bedeutet in diesem reaktionären Sinne, die Fragen nicht beantworten zu müssen, wer die Macht im Gazastreifen aufrechterhält und zu welchem Zweck Israel die Seeblockade überhaupt installiert hat. Niemand fragt nach dem antisemitischen und antiisraelischen Charakter der Hamas, die selbst noch nach den blutigen Kämpfen im Juni 2007 gegen die Fatah gefeiert wird und seit ihrer Entstehung im Jahre 1987 unerbittlich auf Basis ihrer Charta gegen Israel vorgeht. Es hat genügend Gründe gegeben, die Schiffe am Einlaufen in den Hafen von Gaza zu hindern.(3)
Vom friedensunwilligen Gebaren der Hamas konnte sich jeder überzeugen. Nach dem israelischen Abzug aus dem Gazastreifen hatte nicht die erhoffte Wirkung eingesetzt, den Weg für eine bilaterale Staatenlösung des „Nahostkonflikts“ frei zu machen. Stattdessen wurden prompt alle Synagogen zerstört und es hagelte Raketen auf israelisches Territorium. Dies hatte die Blockade des Gazastreifens wiederum erst provoziert. Bei der koordinierten Aktion handelte es sich also von vornherei um eine unterstuetzende Geste für die Hamas, also um den propagandistischen Versuch, Israel international wieder einmal in ein schlechtes Licht zu rücken.(4)
Egal wie die Enterung des Bodes ausgegangen wäre, die Hamas hatte in Stellungnahmen schon vorher bekannt gegeben, der Sieg über Israel werde ihr gehören. Und Recht hat sie damit in einer manifest antiisraelischen Welt behalten, weil es ganz offensichtlich nicht darum geht, wie sich Israel konkret verhält, sondern darum, dass Israel überhaupt existiert. Der eliminatorische Antisemitismus als Gerücht über die Juden ist zum eliminatorischen Antizionismus als Gerücht über Israel geworden. International schauten die Medien ganz genau hin und waren schon im Vorfeld ganz gespannt auf den Ausgang der schwierigen Situation, in die Israel geraten war.
Wie auch immer man das Vorgehen des israelischen Militärs im Konkreten gegen die „Free Gaza Flotte“ bewerten mag (mangelnde Abwägung der Strategien zur Übernahme der Schiffe etc.), im Allgemeinen handelt es sich nur um einen kleinen Zwischenfall neben vielen anderen, der symptomatisch ist für die vielen Konflikte, denen Israel sich derzeit ausgesetzt sieht. Die hasserfüllten Schlagzeilen sind voll von haltlosen Beschuldigungen gegen Israel und selbst die offensichtlichsten Fakten, die für Israel sprechen, stoßen auf taube Ohren.(5)
Mit der Produktion dieser Negativschlagzeilen ist dabei vor allem verbunden, dass die Propagandaschlachten in den Medien zwischen Israel und Iran zugunsten des letzteren Landes ausfallen, das mehrfach offen mit einer Zerstörung des „zionistischen Regimes“ gedroht hat. Zugleich führen solche Vorfälle zu einer Verschärfung der diplomatischen Spannungen zwischen Israel und seinen Nachbarländern bzw. seinen engsten Verbündeten. Bspw. wurde aufgrund dieses Vorfalls ein Treffen zwischen dem amerikanischen Präsidenten und dem israelischen Ministerpräsidenten verschoben. Ebenso werden dadurch die vom Sicherheitsrat schon lange in Aussicht gestellten Sanktionen gegen den Iran weiter hinausgezögert. Mit diesem altbekannten Muster ist ein Zeitgewinn für den Iran verbunden, also eine Rückendeckung für jene, die ihren antizionistischen Worten Taten folgen lassen wollen.
Das wichtigere Problem, dem sich Israel derzeit ausgesetzt sieht, den Iran an der Produktion einer Atombombe zu hindern, tritt dabei in den medialen Hintergrund. Und nur zu gerne sähen die märtyrerwilligen Unterstützer des „palästinensischen Freiheitskampfes“ den suizidalen Iran im Besitz einer Atombombe. Es ließe sich in diesem Zusammenhang über das Treffen des iranischen Präsidenten Achmadinejad mit dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan spekulieren, der Israel im Dezember 2009 mit einem Erdbeben drohte, sollte Israel türkisches Territorium überfliegen, um iranische Atomanlagen zu treffen. Warum hatten es gerade „türkische Friedensaktivisten“ auf eine Eskalation angelegt?(6)

Die Vielzahl der erprobten Strategien zeugen von der unübersichtlichen und komplexen Bedrohungslage Israels. Objektiv kann kein Land der Welt etwaige Fehler bei der Abwehr so vieler Bedrohungen vermeiden.

Der Kampfs Israels gegen den „internationalen Terrorismus“

Israel steht vor dem Problem – wie auch andere Staaten, die ihre Staatsbürger und Institutionen vor islamistischen Anschlägen verteidigen müssen oder die in einem anderen Land Soldaten stationiert haben, um eine vom Terror bedrohte Regierung zu schützen –, wie man dem internationalen Terrorismus am besten Einhalt bieten kann. Denn bei dem Krieg gegen den Terrorismus handelt es sich nicht um Staatenkriege im herkömmlich völkerrechtlichen Sinne.(7) Während Israel als Mitglied der UN von der internationalen Gemeinschaft dazu angehalten wird, sich in Kriegszeiten nach den Grundsätze der UN-Charta zu richten, sind die Terrororganisationen Hamas, Hizballah u. a. davon ausgenommen. Sie agieren international, zwischenstaatlich – und das mit Unterstützung ihnen wohlwollender Staaten.

Israel hatte während der zweiten palästinensischen Intifada viele hunderte Opfer durch Selbstmordanschläge zu beklagen. Der Strategie, über staatliche Grenzen hinweg Attentäter zu schleusen, deren Intention es ist, so viele Zivilisten wie möglich zu töten, wurde durch den Bau einer Sperrvorrichtung zwischen dem israelischen und einem zukünftig palästinensischen Territorium begegnet. In Verbindung mit geheimdienstlicher Arbeit war jenes Vorgehen erfolgreich, denn die Anschläge gingen stetig zurück. Später, nachdem die Hamas sich in bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen gegen die Fatah behaupten konnte, setzte sie zudem auf die Strategie der Entführung von israelischen Soldaten. Die Entführung Gilad Shalits, der bis heute in den Bunkersystemen der Hamas „gefangen“ gehalten wird, hatte u. a. die „Operation Cast Lead“ im Dezember 2009 zur Folge.(8)
Diese Terrorstrategien, Angriffe auf Israel durch Selbstmordanschläge, Raketenangriffe auf Städte und Entführungen von Soldaten erhalten international Rückendeckung, wohingegen die Reaktionen Israels darauf durch Erlässe aufgrund von UN-Resolutionen verurteilt werden. Israel muss nun jedes Mal, wenn es vom Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch macht, international gerichtliche Verfahren über sich ergehen lassen, was zu den absurdesten Ereignissen führt.(9)

Wie auch der Abzug aus dem Gazastreifen ging der Abzug aus dem 1982 besetzten Süden Libanons nicht auf: Nachdem die Truppen abgezogen waren, entführte die Hizballah Soldaten, mit denen sie später ihre Anhänger aus israelischen Gefängnissen freipressen sollte. Durch den Krieg Israels 2006 gegen die Hizballah, die in den ersten Tagen der Kampfhandlungen tausende Raketen auf israelisches Territorium abfeuerte, konnten zwei wichtige Ziele nicht erreicht werden: die Geiseln herauszuholen und die Hizballah zu entwaffnen. Im Juli 2007 wurden die „Gefangenen“ ausgetauscht: zwei tote israelische Soldaten gegen ca. 200 lebende, der Hizballah nahe stehende Kämpfer.(10) An einer solchen Relation lässt sich die Absurdheit des israelischen Kampfes gegen den Terrorismus ausmachen: Israel muss in jeglicher Hinsicht Zugeständnisse machen, wohingegen die andere Seite willkürlich handeln kann.(11) Und das weitgehend unbehelligt von der internationalen Öffentlichkeit. Nach wiederholten Waffenlieferungen aus u. a. dem Iran ging die schiitische Hizballah zudem gestärkt aus dem Krieg hervor (trotz UN-Resolution 1701, die genau das verhindern sollte) und die Drohungen von ihrem Anführer Nasrallah werden derzeit auftrumpfender. Die „Partei Gottes“ hat nun schon an die 40.000 Raketen angehäuft (darunter Scudrakten, die das gesamte israelische Territorium treffen könnten), und wartet nur noch auf einen Anlass, um loszuschlagen. In absehbarer Zeit könnte sich also wiederholen, was die israelische Bevölkerung im Norden Israels schon einmal durchstehen musste, denn der letzte Krieg zog eine Abwanderungsbewegung in das Kernland und den Süden Israels nach sich. Bei den zukünftigen Kriegshandlungen wird Israel aber ganz pragmatisch (nicht wie im vorherigen Krieg) den Libanon selbst für eine Eskalation der Lage verantwortlich machen, denn die reguläre libanesische Armee – die die einzige souveräne Schlagkraft des Landes sein sollte, da es sich um einen souveränen Staat handelt – unternimmt wenig, um die Aktivitäten der Hizballah im Süden des Landes zu unterbinden. Israels Drohung gegen Beirut, es werde jeglichen Angriff von libanesischem Territorium aus auf Israel als feindseligen Akt zwischen dem Libanon und Israel behandeln, steht damit in der Tradition des Afghanistankrieges gegen die Taliban von 2001, der als Reaktion der USA auf 9/11 ausgebrochen war.
Der internationale Terrorismus ist aber auch auf einer anderen Ebene gefährlich, dann nämlich, wenn es zur Produktion und Verbreitung von Massenvernichtungswaffen kommt: Es handelt sich dann eben nicht, wie bei der Kubakrise von 1962 als die SU mit einem Atomschlag gegen die USA drohte, um eine Auseinandersetzung zwischen atomaren Großmächten, die durch ihre (mehr oder weniger rational) verhandelnde Politiker den Konflikt beilegen könnten.(12) Verhandlungen schließen ein, dass sich beide Seiten gegenseitig anerkennen, was einen Frieden überhaupt ermöglichen könnte. Warum aber um alles in der Welt sollte Israel sich mit Organisationen an einen Tisch setzen, deren Mitglieder stets den Finger am Abzug haben und nicht davor zurückschrecken würden, Massenvernichtungswaffen einzusetzen?
Als Israel September 2007 einen sich in Syrien befindlichen Atomreaktor zerstörte, zeigte es sich, wie mit solchen Krisensituationen präventiv am besten umgegangen werden kann.(13) Im Falle des Iran scheint die Lage dabei schon komplizierter, denn ohne die Unterstützung der USA scheint ein militärischer Alleingang Israels nicht Erfolg versprechend.(14) Zu hoffen bleibt, dass die USA ihrem pragmatischen Umgang mit dem Terrorismus – sie haben u. a. aus besagtem Grund eine „Terrorliste“ erstellt – auch weiterhin treu bleiben.(15)

Und weil der Umgang mit dem Terrorismus so schwer auszuloten ist, fand der israelische Einsatz gegen die „Friedensaktivisten“ unweit vor der Küste des Gazastreifens statt. Damit sollte einer weiteren Untersuchung wie dem unsäglichen „Goldstone-Report“ (nach der „Operation Cast Lead“) der Boden unter den Füßen weggezogen werden: Durch die internationale Regelung, dass das Territorium eines „Staates“ bis zu 3km in das angrenzende Gewässer hineinreicht, wird eine völkerrechtliche Ahndung eines solchen Einsatzes nicht so einfach werden, denn auf „Hoher See“ gelten andere Regeln als auf dem Land.(16) Sollte nun eine internationale Kommission zur Untersuchung des Zwischenfalls eingesetzt werden, dann müssten zunächst die Fragen in den Vordergrund treten, wer wen mit welcher Intention angegriffen hat und welche Instanz in einem solchen unklaren Fall überhaupt als Recht sprechend auftreten könnte.(17)

„Internationaler Widerstand“ gegen Israel

Ein weiterer Umstand, der zu den sich immer wieder transformierenden Strategien des Terrorismus hinzukommt, ist die wachsende Bedeutung des „internationalen Widerstands“ gegen Israel: Bei der Aktion der „Free Gaza Flotte“ waren die unterschiedlichsten Nationalitäten vertreten, insbesondere europäische. Indem sich pro-palästinensische Aktivsten, der medialen Aufmerksamkeit wegen, weltweit organisieren und dies durch ihre provokante Aktion auch Erfolg verspricht, erhält die manifest antiisraelische internationale Gemeinschaft Auftrieb. Wahres Anliegen der „Friedensaktivsten“ kann dabei nur die Aufrechterhaltung des permanenten Kriegszustandes gegen Israel sein; folgerichtig hat der Iran beschlossen eigene Schiffe mit „Hilfslieferungen“ gen Gaza zu schicken.
Gleichzeitig wird durch pro-palästinensische Demonstrationen in den Ländern Druck auf jene Regierungen ausgeübt, deren Politik Israel unterstützt. Verstärkt wird eine solche Entwicklung in Zeiten polit-ökonomischer Krisen, die durch den Iran in Zukunft („Einsatz der Öl-Waffe“, Blockade der Straße von Hormus etc.) angeheizt werden könnten.
Für Israel ist in solchen Zeiten fortschreitender Diffamierung, Isolierung und Bedrohung das Verhältnis zu den USA entscheidend, wie sich an der Militärhilfeoperation „Nickel Grass“ im Yom Kippur Krieg 1973 zeigen lässt. Seit diesem Ereignis hat sich eine starke Partnerschaft zwischen den beiden Ländern entwickelt, die allerdings zurzeit auf eine harte Probe gestellt wird. Denn die weltweite Anprangerung Israels wegen des oben beschriebenen Vorfalls wird von Barak Obama gleichzeitig als „Imageschaden“ für die USA wahrgenommen. Dies ist vor allem mit dem amerikanischen Paradigmenwechsel „Change“ verbunden – seitdem wird u. a. auf eine Dialogbereitschaft mit dem „Islam“ gesetzt, was diplomatische Beziehungen mit dem Iran nicht ausschließt. Appeasement aber war in der Vergangheit keine Lösung und wird es auch in Zukunft nicht sein.
Nur allzu oft wird man durch die aktuellen Entwicklungen an die Lage der Juden vor der Shoa erinnert. So waren Hetze, Isolation und Drohungen gegen sie an der Tagesordnung. Zu hoffen bleibt, dass der einzige jüdische Staat auf Erden nicht alleine gelassen wird, wenn es darauf ankommt.

Deutschlands irregeleitete(n) Linke(n)

Das deutsch-israelische Verhältnis ist ambivalent. Auf einer regierungspolitischen Ebene ist es derzeit nicht schlecht. Allerdings steht Deutschland dem Iran aber als stärkster Wirtschaftspartner zur Seite. Da die Sphären Politik und Wirtschaft nicht zu trennen sind, hat sich „Israelsolidarität“ durch Deutschland nun an den durch den Sicherheitsrat verabschiedeten Sanktionen zu beweisen, denn vielen deutschen Unternehmen sollte schleunigst von der Regierung ein Strich durch die Rechnung gemacht werden.(18)
Nicht auszudenken aber wäre, wenn es in Zukunft zu einem Regierungswechsel zugunsten der „Linken“ kommen würde, deren außenpolitische Ausrichtung derjenigen der NPD ähnelt. Die ökonomische Partnerschaft zwischen Deutschland und dem Iran würde dann wahrscheinlich auch auf die außenpolitischer Ebene übertragenwerden. Einen bitteren Vorgeschmack davon lieferten die Prototypen solcher linksdeutsch-handfesten Befindlichkeiten.
Denn die linkesten aller Linken, Annette Groth, Inge Höger and Norman Paech, befanden sich am Bord der „Mavi Marmara“ und wollten ihren Traum, wie sie sich das zukünftige „deutsch-israelische Verhältnis“ vorstellen, ganz realistisch in die Tat umsetzen: Militärische Invasion der pro-palästinensischen Alliierten gegen Israel (über die Küste Gazas), Kriegsverbrechertribunal gegen die israelischen Regierungsoberhäupter und – Auflösung Israels. Palästina da, alles gut. Ihr Traum aber hatte sich schnell ausgeträumt, denn glücklicherweise war da ein starker jüdischer Staat, der ihren Auslandseinsatz unterbinden konnte. Ihr Traum ist dabei aus einem niederträchtig deutschen Geist geboren, denn für sie heißt aus der Vergangenheit lernen, Israel all das vorzuwerfen, was die Deutschen den Juden angetan haben. Entlastende Schuldumkehr in Reinform. Erfahrungsresistenz bleibt, wie sich am folgenden Beispiel außerordentlich gut demonstrieren lässt, ein Element des Antiisraelismus.
Auch nachdem der Wirrkopf Norman Paech, ehemaliger außenpolitischer Sprecher der „Linkspartei. PDS“, das Video, mit dem die israelischen Soldaten attackierenden Mob gesehen hatte, meinte er nur, dass er „zweieinhalb Holzstöcke“ gesehen habe, die sich auf dem Deck befanden. Es wird gelogen und projiziert, wo es nur geht, und aussprechen kann der Antisemit Paech tatsächlich keine Lüge, ohne sie selbst zu glauben.(19) Wie hoch man Scheiße in Deutschland stapeln kann, muss man an dieser Stelle fragen dürfen, denn Deutschland ist und bleibt das Geburtsland von Scheiße. Scheiße ist vor allem, dass gute Linke in Deutschland nun von israelischen „Kriegsverbrechen“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ schwadronieren können, ohne dass dies in den deutschen Medien als vergangenheitspolitisches Tabu thematisiert würde. Ist das aber erst einmal zur Normalität geworden, und lassen sich die Deutschen mehrheitlich für solche Positionen begeistern (als Krisenmeister sind sie nicht reifer geworden in Sachen Demokratie, wie Studien belegen), dann ist es auch hierzulande um progressive, soll heißen pro-israelische Positionen schlecht bestellt. Die Versuche, direkt in „Die Linke“ zu intervenieren (bspw. durch den BAK-Shalom), bleiben vom Standpunkt der Politik aus richtig, denn festigen sich solcherlei Positionen der Antizionisten ohne einen parteiinternen Widerstand, dann ist es um das deutsch-israelische Verhältnis zukünftig von vornherein schlecht bestellt.(20)

Leipzig und der antiisraelische Mob

Gut bestellt ist es für den pro-palästinensischen Protest auf den Straßen Deutschlands allerdings schon jetzt. Denn hautnah konnte man sich das, was sich im großen Maßstab in den Weiten des internationalen Gewässers abspielte, auch hier anschauen: in Leipzig. Dessen Einwohner sind nämlich so friedensbewegt, dass sie vor lauter Tränen um die gefallenen Deutschen (Stichwort: „Bombenholocaust“), äh Türken (Stichwort: „Massaker“, „barbarischer Akt“), die Vergangenheit schnell unter den Teppich kehren, oder besser: wieder hervorkehren. Denn die jüdischen Opfer von gestern müssen die israelischen Täter von heute sein. Wer hierzulande gegen solche Positionen offen protestiert, zieht schnell den Volkszorn auf sich.

Eine Solidaritätsdemonstration am 2.6.2010 gegen die israelische Blockade des Gazastreifens, also für die gefallenen Märtyrer der „Free Gaza Flotte“, bestehend aus dem Bündnis der „Gesellschaft für Völkerverständigung e.V.“, der „Sozialististischen Initiative“, SDS und „Die Linke“ brachte 80 Leute auf die Beine, darunter u. a. Volker Külow. Als Vorsitzender der Linkspartei in Leipzig hielt er eine Betroffenheitsrede über den Vorfall auf der „Mavi Marmara“, um Israel eine Lehrstunde in Sachen Geschichte zu erteilen. Und dies wahrscheinlich auf Grundlage derselben pazifistischen Einstellung, die ihn dazu trieb, eine Gedenkveranstaltung für die Niederschlagung des „Hitlerfaschismus“ auszurichten. Wer aber vom Antisemitismus nicht reden will, soll zu Israel schweigen. Unter den mutigen 80 befand sich auch der altbekannte Provinzprofessor Georg Meggle, dessen geistigen Ausgeburten hinsichtlich einer Rechtfertigung des Terrors gegen Israel allseits bekannt sein dürften.(21) Die Demoteilnehmer speisten sich zudem aus Anhängern des islamistischen Spektrums, und so entwickelte sich das Ganze zu späterer Stunde zu einem bedrohlichen Mob gegen eine am Rande ausgerichtete pro-israelische Gegenkundgebung. Es wurde getreten und geschlagen, was das Zeug hält. Ein neues Niveau erreichte dieses zuletzt am „Tag X“ in Erscheinung tretende Phänomen(22), denn diesmal war die Drohung zu hören, „es könne auch Tote geben“. Wahnsinn. Ein Schlachtfeld in Leipzig, fehlen nur noch die Äxte und andere echte Waffen. So weit ist es also schon gekommen: Diejenigen, die hierzulande für die Hamas Partei ergreifen, wollen sich an den „zionistischen Kreisen“ in Leipzig rächen, so als ob diese selbst auf den Schiffen die „Friedensaktivisten“ erschossen hätten. Und was machte die deutsche Polizei? Sie schaute nicht nur zu, sondern wirkte aktiv mit – auf Seiten der Angreifer.

In solchen Zeiten sollte man sich für ein Umdenken auch hierzulande einsetzen. Israelsolidarische Gruppen wie das BgAL (auch wenn bezweifelt werden darf, inwiefern sich ihre Form der „Solidarität“ konkret für Israel auswirkt und nicht etwa nur auf die hauseigenen Befindlichkeiten) sehen sich einem immer gewaltförmigeren Auftreten der Antiisraelis ausgesetzt. Querfront in Reinform. Das hat es schon einmal gegeben und dagegen sollte man sich Konzepte überlegen. Wenn in der Leipziger Innenstadt ein Nazistand aufgebaut wird, dann ist es geboten, etwas dagegen zu unternehmen. Wenn nun aber pro-palästinensische Aktivisten ihren Stand aufbauen und übelste Propaganda gegen Israel verbreitet wird, dann wird aus „multikultureller Rücksicht“ schon einmal ein Auge zugedrückt oder es wird darauf verwiesen, dass es sich doch auch um Linke handele. Antifaschisten müssten sich aber so langsam mit der Realität vertraut machen und die Demokratie an der Stelle verteidigen, wo es an der Zeit ist, vor allem gegen jene, die nichts, aber auch gar nichts mit Demokratie am Hut haben – denn sie stehen in Tradition der Messerattacken von Berlin.(23)
Insofern waren die pro-israelischen Kundgebungen in Berlin(24), Frankfurt und Leipzig(25) ein Anzeichen dafür, nicht klein beizugeben, wenn es darauf ankommt.

Schluss

Das Bedürfnis, Israel als „das Übel“ der Welt an den Pranger zu stellen, das Land und seine mehrheitlich jüdische Bevölkerung zu diffamieren, zu isolieren und schließlich „beseitigen“ zu wollen, steht in der Tradition des Treitschken Bedürfnisses, das ihn 1878 dazu trieb zu verkünden: „Die Juden sind unser Unglück!“. Die Lage Israels ist damit Resultat einer Entwicklung, die in der Tradition des Antisemitismus steht. Wenn die Aussage Horkheimers richtig ist, dass sich das Schicksal der Proletarier während der Shoa in den Juden zusammengezogen habe, und dass die Welt nur durch eine Kritik des (eliminatorischen) Antisemitismus verstanden werden könne, so ist es richtig, dass sich das Schicksal der Juden nun in Israel zusammengezogen hat, also die Welt nur durch eine Kritik am (eliminatorischen) Antizionismus verstanden werden kann. In Israel scheinen sich alle Probleme der Welt zusammengezogen zu haben; dies lässt sich nur durch die Kritik einer Welt verstehen, die Israel überhaupt erst notwendig gemacht hat.

Chris

Anmerkungen

(1) http://www.freegaza.org

(2) Gestützt waren diese Befürchtungen sowohl auf die Ankündigungen der „zivilen Passagiere“, man werde in einen heiligen Krieg gegen Israel ziehen, sowie auf den Fakt, dass die IHH (Turkish Relief Foundation oder The Foundation for Human Rights and Freedoms and Humanitarian Relief) Verbindungen zu Hamas und Al-Quaida unterhält. Ihre Mitglieder geben also nur vor humanitäre Ziele zu verfolgen. Die israelische Durchsuchung von Schiffen auf internationalen Gewässern ist dabei mehr als nötig, wie eine abgefangene Waffenlieferung an die Hizballah im November 2009 gezeigt hat (http://www.haaretz.com/news/israel-navy-chief-hezbollah-bound-iran-ship-carried-hundres-of-tons-of-arms-1.4791).

(3) Nachzulesen in einer Stellungnahme des israelischen Botschafter bei den Vereinten Nationen in Genf, Aharon Leshno Yaar, auf einer Sondersitzung des UN-Menschenrechtsrats. http://www.mfa.gov.il/MFA/Foreign+Relations/Israel+and+the+UN/Speeches+-+statements/AmbLeshno-Yaar_UN_Human_Rights_Council_1-Jun-2010.htm

(4) Hierzu ein Artikel der einige Tage vor dem Zwischenfall erschienen ist. http://www.welt.de/die-welt/politik/article7831836/Verblendete-Menschenrechtler-auf-demWeg-nach-Gaza.html

(5) Dass die Hilfsgüter trotz Blockade des Gazastreifens (installiert 2007) die palästinensische Bevölkerung erreichten, kann nachgelesen werden (http://www.mfa.gov.il/MFA/About+the+Ministry/Behind+the+Headlines/Israeli_humanitarianlifeline_Gaza_25-May-2010.htm)

(6) Die Türkei ist als national-säkulare Vermittlerin zwischen der westlichen Welt und dem Islam – seit der Abschaffung des Kalifats 1924, also der einsetzenden Trennung von Religion und Staat durch Kemal Atatürk – ein entscheidender Indikator dafür, ob und inwiefern der Islam reformierbar und modernisierbar ist. Mit den derzeitigen Entwicklungen scheint sich die progressive Entwicklung in ihr Gegenteil zu verkehren. Dies ist vor allem der fehlgeschlagenen Bemühung der christlich geprägten EU geschuldet, die Türkei in ihre Reihen aufzunehmen, sowie dem Machtvakuum im arabischen Raum, das sich mit dem Sturz der afghanischen Taliban und Saddam Husseins ergeben hatte. Nun suchen nicht-arabische Länder wie der Iran und die Türkei ihre Vormacht in dieser Region auszubauen – unter reaktionär-islamischen Vorzeichen (dazu Leon de Winter http://www.welt.de/kultur/article8004293/Der-Islam-und-die-nuetzlichen-Idioten.html). Der Kurswechsel der türkischen Regierung gegenüber Israel hat sich in diesem Zusammenhang schon seit längerer Zeit abgezeichnet, spätestens mit dem Eklat auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, als Erdogan Shimon Peres mit wüsten Beschuldigungen überzog. Höhepunkt dieser negativen Entwicklung ist der auf den Einsatz gegen die „Mavi Marmara“ folgende Abzug des türkischen Botschafters aus Israel; ob Israel damit tatsächlich der wichtigste militärische Verbündete in der „islamischen Welt“ verloren geht, ist aber noch nicht ausgemacht. Das türkische Militär hat bekannt gegeben, es beob-achte die türkisch-iranischen Annäherungen auf Regierungsebene mit großer Skepsis.

(7) Ausführlich hierzu Herfried Münklers Buch „Die Neuen Kriege“.

(8) Von einer Gefangennahme kann in diesem Zusammenhang nicht gesprochen werden. Es handelt sich viel eher um eine Geiselnahme, denn es stehen sich nicht zwei stehende Heere mit uniformierten Soldaten gegenüber, die sich an Regeln im Krieg halten, also den Status des Gefangenen auch anerkennen müssten. Eine humanitäre Behandlung wird also von Israel erwartet, von der Hamas hingegen nicht.

(9) In Großbritannien wurde nach dem Zweiten Weltkrieg ein Gesetz erlassen, das es ermöglicht, Kriegsverbrecher zu verhaften, sobald sie britisches Territorium betreten. Nachdem Palästinenser gegen die israelische Ex-Außenministerin Zipi Livni eine Anklage wegen „Kriegsverbrechen“ im Zuge der „Operation Cast Lead“ erhoben haben, drohte ihr die Verhaftung. Mit der Möglichkeit ein solches Verfahren international überhaupt anzustrengen, werden die historisch eindeutig belegten Termini ins Gegenteil verkehrt.

(10) http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/middleeast/israel/2420843/Israel-and-Hizbolla-complete-controversial-prisoner-exchange.html

(11) Solcherlei Terrororganisationen benutzen Zivilisten als Schutzschild, tarnen sich mit israelischen Uniformen (um friendly fire zu provozieren), schießen ihre Raketen auf Städte ab etc. pp.

(12) Wer einen guten Film zum Kalten Krieg sehen möchte, der dieses Gleichgewicht der Angst satirisch darstellt, sollte sich „Dr. Strangelove or: How I learned To Stop Worrying And Loving The Bomb“ (1964) von Stanley Kubrik anschauen.

(13) http://www.jewishpolicycenter.org/826/the-attack-on-syrias-al-kibar-nuclear-facility

(14) Wie es um ein militärisches Vorgehen gegen den Iran bestellt ist, sollte die Oppositionsbewegung den erwünschten Regimechange nicht mehr rechtzeitig herbeiführen, lässt sich am folgenden Artikel nachvollziehen: http://www.haaretz.com/magazine/week-s-end/can-israel-afford-to-slow-down-iran-s-nuclea-program-1.291309

(15) Entscheidend vor allem deshalb, weil Länder wie Russland oder die Türkei diese Liste durch Gesten zu unterlaufen suchen. So hat Moskau hochrangige Hamasmitglieder empfangen und Erdogan einen Besuch des Gazastreifens angekündigt.

(16) Siehe hierzu http://www.icrc.org/ihl.nsf/385ec082b509e76c41256739003e636d/7694fe2016f347e1c125641f00d49ce

(17) Die völkerrechtlichen Probleme, die sich mit dem Seerecht ergeben, wurden schon während der Übergriffe somalischer Piraten auf Frachtschiffe thematisiert, und bis heute scheint nicht ganz geklärt zu sein, was „Gerechtigkeit“ auf „Hoher See“ bedeutet. Die Institutionalisierung eines Seegerichtshofes durch die UN kann dabei als ein Schritt in diese Richtung verstanden werden; problematisch bleibt das aber, wenn, wie in anderen UN-Organisationen, eine antiisraelische Grundstimmung vorherrschend ist.

(18) Ausführlicher hierzu eine Buchbesprechung zum deutsch-iranischen Verhältnis (http://www.conne-island.de/nf/172/16.html) und ein aktueller Text Matthias Küntzels (http://www.matthiaskuentzel.de/contents/47-tage-auf-die-es-ankommt)

(19) Siehe ein „Interview“ mit Paech auf youtube: http://www.youtube.com/watch?v=yslBzuMYQSc&feature=related

(20) Zur Entwicklung des BAK-Shalom, siehe folgende Stellungnahme: http://www.verbrochenes.net/2010/06/08/verlierer/

(21) Siehe hierzu u. a. „Was sagt Terror-Ted dazu?“ (http://www.conne-island.de/nf/105/3.html), „Meggle mit Chomsky im T“ (http://conne-island.de/nf/121/3.html)

(22) Als der Irak 2003 von den USA, GB u. a. angegriffen wurde, um Saddam Hussein zu stürzen, gab es eine Anti-Irak-Kriegs-Demo mit 40.000 Teilnehmern. Aus dieser heraus kam es zu Übergriffen von Pali-Fahnen-Trägern auf eine in der Nähe der amerikanischen Botschaft abgehaltene pro-amerikanischen Kundgebung.

(23) http://www.nadir.org/nadir/initiativ/aanb/pics/RIM.pdf

(24) http://www.redaktion-bahamas.org/aktuell/gaza3.html

(25) BgAL-homepage zur Kundgebung in Leipzig (http://www.israel-soli.de/) sowie ein Artikel über deutschlandweite Kundgebungen (http://www.pi-news.net/2010/06/auch-leipzig-und-frankfurt-stehen-zu-israel/)

 

04.08.2015
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