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Aktuelles Heft

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• kulturreport: Adorno, der Jazz und ungarische Schnulzen
Nie wieder Antira!
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Adorno, der Jazz und
ungarische Schnulzen

Wenn Adorno über Jazz geschrieben hat, muss er zumindest aufgebracht gewesen sein. Kennt man seine philosophischen Schriften und liest zum ersten Mal den Artikel „Über Jazz“, so wundert man sich über die Gewalt der Sprache und über Adornos offensichtliche Abneigung gegenüber dem beschriebenen Gegenstand. Während sich die einen genau darüber die Hände reiben, weil sie Jazz nie leiden konnten und lieber zu Electric Island gehen, sehen andere hierin einen Beweis für die schon immer behauptete Ignoranz und den Eurozentrismus des Musiksoziologen. Während Adorno sicherlich in seinen kühnsten Albträumen nicht erahnt hätte, dass es mal so etwas wie Electric Island geben könnte und seine musiktheoretische Kritik des Jazz sicherlich umso schärfer für jede folgende Pop-Musik gelten muss, ist der Anlass für diesen Artikel eher die Auslegung „der anderen“. Die musiktheoretischen, -soziologischen und auch psychoanalytischen(1) Theorien des Kritischen Theoretikers gelten vielen als Inbegriff einer dekadenten, bildungsbürgerlich geprägten Kulturkritik, die sich, vom Standpunkt der „Hochkultur“ aus, über die „Kultur der Massen“ auslasse und sogar rassistisch über die häufig afro-amerikanischen Protagonisten des Jazz herziehe.
Ich will im Folgenden versuchen, an die Kritik Adornos heranzuführen um verständlich zu machen, warum er zwar tatsächlich weit davon entfernt war, ein Jazzkenner zu sein, aber gerade dadurch schärfere Gedanken zur popular music und ihrer Liebhaber formulierte. Und natürlich will ich ausführen, warum gerade diejenigen, die den Jazz seiner angeblichen Exotik wegen feiern und Adorno Rassismus unterstellten, die tatsächlichen Rassisten sind.

Kunst und Kulturindustrie

Als unbedingte Vorraussetzung für die folgenden Betrachtungen muss festgehalten werden: als Unterhaltungsmusik verstanden, grenzt Adorno den Jazz ab von der Kunstmusik. Ob diese Unterscheidung tatsächlich legitim ist, d.h. ob es nicht überhaupt essentieller wäre, einen Begriff von Kunst in historischen, ästhetischen und gesellschaftstheoretischen Dimensionen zu entwickeln, um nicht immer so uneindeutig mit diesem nebulösen Wort zu hantieren, soll nicht Inhalt dieses Beitrags sein. Dazu bräuchte es mindestens einen eigenen Artikel. Aber die hier zunächst erstmal gesetzte Unterscheidung ist wichtig, denn nur im Kontext der von Adorno formulierten Kritik der Kulturindustrie – der marktorientierten Produktion und Distribution von Kulturprodukten als Waren – macht die Kritik des Jazz Sinn. Adorno dazu im Aufsatz „Zeitlose Mode. Zum Jazz“: „Im Jazz liegen Mechanismen, welche in Wahrheit der gesamten gegenwärtigen Ideologie, aller Kulturindustrie angehören, obenauf“ (GS Bd. 10.1, S. 129). Nur in der Betrachtung seines Verständnisses von Kunst, Kulturindustrie, Soziologie oder der Aufgabe von Gesellschaftskritik im Allgemeinen, sehe ich einen Zugang, auch Adornos Kritik des Jazz adäquat darzustellen. Auf einen Begriff von Kunst will ich mich daher in diesem Artikel vorwiegend negativ beziehen.
Adorno macht jedoch stark, dass in der Kunst Erkenntnis durch die Form der Werke vermittelt ist, nicht wie bspw. in der Philosophie durch ihren Inhalt. Die immanenten Formgesetze eines Werkes, also die Funktion der Teile im Bezug auf ihr Ganzes, haben also auch an sich eine Aussage. „Die verantwortliche Kunst richtet sich an Kriterien aus, die der Erkenntnis nahe kommen: des Stimmigen und Unstimmigen, des Richtigen und Falschen“ (GS Bd. 14, S.14). Musik, bzw. auch Kunst im Allgemeinen kann daher als mehr oder weniger unbewusste Geschichtsschreibung verstanden werden, welche vermittelt durch die Gestalt des Komponisten Aussagen über die Verfasstheit des Individuums in der Gesellschaft zulässt. Dies leistet sie dort am Besten, wo sie sich weitestgehend dem vereinnahmenden bzw. manipulativen Zugriff der Gesellschaft entzieht. Historisch war dies erstmals möglich mit der Loslösung der Musik aus dem Sakralen und dem mit der Moderne aufkommenden Status des Komponisten als autonomes Marktsubjekt. Diese Autonomie im Warentausch, wie sie sich in Europa seit dem 16. Jh., am drastischsten wohl aber mit der Industrialisierung im 18. und 19. Jh. durchsetzte, gewinnt aber eine neue Qualität mit der Entwicklung des Kapitalismus zu einer Massengesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Der aufkommende Fordismus, die Verwendung tayloristischer Maßnahmen wie des Fließbands auch in der Produktion von Kulturprodukten und nicht zuletzt das Aufkommen neuer Technologien wie dem Radio, der Schallplatte, der Fotokopie, dem Kino und später auch dem Fernsehen machten es nun möglich, kulturelle Güter wie Musik o.ä. einer breiten Masse anzubieten. Erstmals war nun auch der Bereich außerhalb der Sphäre der Produktion und materiellen Reproduktion weitestgehend vom Warentausch bestimmt. Von Freizeit im heutigen Sinn kann also hier überhaupt erst die Rede sein.(2)
Kunstwerke gaben durch die Möglichkeit ihrer industriellen Fertigung zwangsweise ihre Individualität auf (Bsp.: eine sinfonische Aufführung ist immer anders, eine Schallplatte klingt immer gleich). Problematisch für die kompromisslose Verwirklichung eines immanenten Formgesetzes in der Kunst war nun nicht mehr nur der ökonomische Zwang, welcher den freien Künstler dazu zwang, seine Erzeugnisse auf dem Markt darzubieten, sondern die von vornherein restlose Übertragung ökonomischer Kriterien auf den Entwurf und die Produktion von Kulturprodukten wie Film oder Musik. Während zuvor ein sich als freies Marktsubjekt verstehender Künstler noch die Möglichkeit hatte, seinem Kunstwerk einen individuellen Charakter zu verleihen, wird in der Kulturindustrie offen die Besonderheit der Waren durch die Planung ihrer profitablen Vermarktung, ihr Gebrauchswert durch ihren Tauschwert ersetzt. Der kritische Gehalt von Kunst wird in ihrer Massenproduktion aufgelöst und die individuellen Besonderheiten durch reproduzierbare Effekte, durch bloßes Spektakel ersetzt. „Indem das Detail sich emanzipierte, war es aufsässig geworden und hatte sich, von der Romantik bis zum Expressionismus, als ungebändigter Ausdruck, als Träger des Einspruchs gegen die Organisation aufgeworfen. Die harmonische Einzelwirkung hatte in der Musik das Bewußtsein des Formganzen, die partikulare Farbe in der Malerei die Bildkomposition, die psychologische Eindringlichkeit im Roman die Architektur verwischt. Dem macht Kulturindustrie durch Totalität ein Ende. Während sie nichts mehr kennt als die Effekte, bricht sie deren Unbotmäßigkeit und unterwirft sie der Formel, die das Werk ersetzt.“ (GS Bd 3, S. 146f.).
Die Kritische Theorie der Kulturindustrie und daher auch die des Jazz muss also in erster Linie als Kritik der Warenform, ihrer gesellschaftlichen Wirkung und Geltung, sowie deren Erscheinungsformen gelesen werden. Sie ausschließlich als „Kulturkritik“ misszuverstehen verkennt ihren eigentlichen Ursprung und Gehalt. Dieses Missverständnis, welches m.E. der meisten Kritik an Adornos Denken zugrunde liegt, gründet meist in der Unkenntnis oder Ignoranz gegenüber der Marxschen Wertkritik als Kritik der abstrakten Arbeit und ihrer synthetisierenden und gesellschaftsbestimmenden Funktion; eine Kritik, zu der die Kritische Theorie immer engen Bezug hatte.
Der Begriff der Kulturindustrie ist m.E. deswegen von so großer Bedeutung, weil mit der warenförmigen Durchdringung der Freizeit, also eigentlich ihrer historischen Entstehung überhaupt, die ehemalige „niedere Kultur“ (im Gegensatz zur „Hochkultur“) eine qualitative Veränderung erfuhr. Vor allem im Bezug auf die sog. leichte Musik. Die Befriedigung bestimmter Bedürfnisse – also z.B. das nach Tanz und Amüsement – wurde durch das Aufkommen industriell gefertigter Massenwaren umgeleitet, bzw. bestimmte Bedürfnisse wurden überhaupt erst geweckt. An die Stelle traditioneller Vermittlung – also beispielsweise dem örtlichen Tanzabend oder familiären Musizieren – trat die der Kulturindustrie entsprungene Schallplatte. Das Aufkommen des Jazz fällt mit dieser Wandlung historisch zusammen und er ist sozusagen die erste Musik, welche primär warenförmig erschien und nicht mehr nur in vormodernem Milieu auftrat.

Die Geburt des Jazz aus dem Geiste der Prostitution

Adornos erste längere Arbeit „Über Jazz“, 1936 unter dem Pseudonym „Hektor Rottweiler“ in der Zeitschrift für Sozialforschung veröffentlicht, beginnt mit den Worten: „Die Frage, was unter Jazz zu verstehen sei, scheint der eindeutig definitorischen Antwort zu spotten.“ (GS Bd 17, S. 74). Dass seine Kritik also schwerlich auf alle heute dem Jazz zugeordneten Genre bezogen werden kann, ist selbstverständlich. Musikalisch beschreibt er vorwiegend den frühen New Orleans, Dixieland und Chigago Jazz und den
Swing, aber auch der Bebop und Cool Jazz, also erste Vertreter des Modern Jazz, dürften ihm – wenn auch spärlich – bekannt gewesen sein(3). Zum Free Jazz oder späteren Formen freier Improvisation gibt er keine Auskunft. Wenn also im Folgenden von Jazz die Rede ist, so bewegt sich die Eingrenzung des Begriffs in diesem Rahmen.
Seine angebliche Unkenntnis des Materials, also der Subgenre und Spezifikationen des Jazz, wurde Adorno oft vorgeworfen. In einer Replik auf Adornos in der Zeitschrift „Merkur“ erschienenen Artikel „Zeitlose Mode. Zum Jazz“ (GS Bd 10.1 S. 123ff.) schreibt im Juni 1953 (ebenfalls im „Merkur“) Joachim Ernst-Berendt, dass die Unterscheidung zwischen kommerzialisiertem Jazz und „echte[m] (...) grundlegend für jede Beschäftigung mit dem Jazz“ sei(4). Dazu Adorno, der die Gewichtung dieser Unterscheidung als Wesensunterschied angreift: „das Prinzip, die rhythmische Verfahrensweise ist im raffinierteren Jazz und in der ordinären popular music dasselbe. Über einer unveränderlich durchgehaltenen Zählzeit werden, dort mehr, hier weniger, Synkopierungen ausgeführt und dann wieder ,zurückgenommen`, in dem gleichsam kollektiven Grundmetrum aufgehoben. (...) In beiden Gattungen (...) hat der fundamentale Rhythmus das letzte Wort“ (a.a.O.). Diese Charakteristik ist für Adorno wesentlich. Er spricht seltsamerweise nur von Synkopen und nicht vom Off-Beat, welcher im Jazz dominanter ist. Der Off-Beat ist der klassischen Musiktheorie unbekannt, weswegen er diesen wahrscheinlich als Synkope im Kleinen deutet(5). Doch die rhythmischen Variationen halten ja im Jazz tatsächlich die zugrunde liegende Zählzeit aufs strengste ein, strenger noch als im älteren Blues. Die Betonung bis dahin unüblicher Zählzeiten, z.B. seit dem Ragtime 2 und 4, wird ja auch oft als Parodie der Militärmusik (bzw. deren Betonung auf 1 und 3) mit ihren eigenen Mitteln angesehen, so wie ja auch die ersten Jazzbands in New Orleans sich aus der Instrumentierung klassischer Marching Bands zusammensetzten.
Diese völlige Anerkennung eines starren Metrums, aus der Marschmusik kommend, deutet Adorno im Sinne der Durchsetzung des modernen Verhältnis Arbeit-Freizeit. In der Tat fällt die Betonung eines festen Zeitmaßes in der Musik ja auch historisch zusammen mit der Entstehung moderner Arbeitsverhältnisse, die nicht nur erstmals die Menschen an einen vorgegebenen Arbeitstakt von Maschinen gewöhnten, sondern auch eine Abstraktion vom konkreten Arbeitsprozess möglich machte – eine wichtige Prämisse um Arbeitskraft abstrakt vergleichen, als Ware berechnen und tauschen zu können. Der „Beat“ kann als musikalischer Ausdruck der fordistischen Mobilmachung der Gesellschaft gesehen werden: Der Jazzmusiker, der „zwischen den markierten Taktteilen seine abenteuerlichen Sprünge machte, der die Akzente verschob und mit kühnen Glissandi die Töne verschleifte — er jedenfalls doch hätte der Industrialisierung enthoben sein sollen; sein Reich galt als Reich der Freiheit; hier war offenbar die starre Wand zwischen Produktion und Reproduktion gesprengt, die ersehnte Unmittelbarkeit wiederhergestellt“ (GS Bd 18, S. 796). Worte wie „hätte“, „galt“ oder „offenbar“ lassen keinen Zweifel daran, dass nach Adorno also die Züge des Jazz „eine Subjektivität [charakterisieren], die gegen eine Kollektivmacht aufbegehrt, die sie doch selber ,ist`; darum erscheint ihr Aufbegehren lächerlich und wird von der Trommel niedergeschlagen wie die Synkope von der Zählzeit. (…) Das eigentlich Entscheidende am Jazz-Subjekt ist, daß es sich, trotz seines individuellen Charakters, überhaupt nicht selbst gehört (…) Das ,Zerfetzen der Zeit`(6) durch die Synkope ist ambivalent. Es ist zugleich Ausdruck der opponierenden Scheinsubjektivität, die gegen das Maß der Zeit aufbegehrt, und der von der objektiven Instanz vorgezeichneten Regression.“ (GS Bd 17, S.77f.).
Ähnliches gilt für die genormte melodische Improvisation, welcher ja ein klares Akkordschema zugrunde liegt, dass zwar mit „dirty notes“, absichtlich zu tief angesetzten Stimmungen, chromatischen Anspielungen u.a. das den Akkorden zugrunde liegende Material auflockert, sich aber im Wesentlichen den harmonischen Spielregeln des Okzident fügt (einzig Anleihen in der Harmonik des Blues können als neu gelten). Selbst sog. „falsche Töne“ (z.B. eine Quarte zu einem Maj7-Akkord, oder eine erhöhte None in einem Dom7-Akkord),(7) die zuweilen in Improvisationen eingesetzt werden, erzielen ihre Wirkung gerade durch ihre „Falschheit“ im Gegensatz zur zugrunde liegenden und anerkannten Konsonanz, bzw. „Selbst die vielberufenen Improvisationen, jene hot-Stellen und breaks, haben bloß ornamentale, nie konstruktive und formsetzende Bedeutung.“ (GS Bd 17, S. 82). „Nirgends sind in ihm [dem Jazz] Dissonanzen und Effekte wie die dirty notes funktionell-harmoniebildend, sondern stets bloß stimulierende Zusätze zur traditionellen Harmonik.“ (GS 10.2 S. 807) Das Material der allermeisten Jazz-Standards ist ja auch den Musicals oder den Schlagern, wie man damals gesagt hätte, entlehnt und in acht- oder viertaktige Perioden mit klaren harmonischen Symetrieverhältnissen geordnet.

Rhythmus im Blut

Diese Parodie des Metrums und der Harmonik bei gleichzeitiger Unterwerfung unter deren Formgesetze wurde hingegen oft und wird teilweise auch noch heute durch den Anteil angeblich afrikanischer Ursprünge im Jazz erklärt, da seine Entwicklung ja von der afro-amerikanischen Bevölkerung der Südstaaten in den USA ausging. Adorno bestritt dies bereits in den 30er Jahren und erklärte das Spannungsverhältnis Beat/Off-Beat aus der Sklaverei und der Disziplinierung durch die modernen Arbeitsverhältnisse, unter denen die schwarze Bevölkerung unvergleichlich mehr leiden musste: „Wieweit der Jazz überhaupt mit genuiner Negermusik zutun hat, ist überaus fraglich (…) Soweit bei den Anfängen des Jazz, beim Ragtime vielleicht, von Negerelementen die Rede sein kann, dürfte es weniger um archaisch-primitive Äußerungen als um die Musik von Sklaven sich handeln (...); keine Archaik gibt es im Jazz denn die aus Moderne mit dem Mechanismus der Unterdrückung gezeitigte. Nicht alte und verdrängte Triebe werden in den genormten Rhythmen und genormten Ausbrüchen frei: neue, verdrängte, verstümmelte erstarren zu Masken der längst gewesenen.“ (GS Bd 17, S. 82ff.).
Die falsche, aber geläufigere Zuordnung des Jazz zu angeblichen afrikanischen Wurzeln der Musiker dürfte aber nicht gerade wenig zum Erfolg des Jazz beigetragen haben, da dies vor allem für seine weißen Jazzliebhaber eine Art romantische Konnotation mit sich brachte. Der Jazz wurde als exotisch und sich der modernen Arbeitsdisziplin widersetzend empfunden. Duke Ellington hat mit seinen Jungle Style Partys das Trugbild angeblicher Exotik adäquat aufgegriffen und letztlich die rassistische Rezeptionshaltung der Weißen damit bedient. Doch der Jazz entsprang nicht dem Dschungel, sondern den Bordellen New Orleans. Die falsche Exotik sollte ein Bedürfnis der vom Fordismus gehetzten Massen befriedigen: „Die Society hat ihre Vitalmusik, wofern sie sie nicht von Anfang an nach Maß herstellen liess, nicht von Wilden, sondern von domestizierten Leibeigenen bezogen.“ (GS Bd 17, S. 83).
Ich finde es unumgänglich hier auf den unhinterfragten Gebrauch des Wortes „Neger“ bei Adorno hinzuweisen. Definitiv hätte er sich um die kollektivistische und diskriminierende Konnotation des Wortes Gedanken machen können, nur wäre es falsch, ihm hier Rassismus zu unterstellen. Sein Anliegen ist ja eben nicht, die afro-amerikanische Bevölkerung als besonders und exotisch hinzustellen, sondern eben diese Auffassung als Degradierung dieser Menschen zu Repräsentanten einer angeblich genuinen Kultur zu kritisieren. Der Brisanz des Themas wegen hier ein längeres Zitat: „[Ich möchte] die Neger gegen ihre Entwürdigung verteidigen, die ihnen widerfährt, wo man ihre Ausdrucksfähigkeit für die Leistung von Exzentrikclowns mißbraucht. (...) Ist es nicht eine Beleidigung der Neger, die Vergangenheit ihres Sklavendaseins seelisch in ihnen zu mobilisieren, um sie zu solchen Diensten tauglich zu machen? (...) Der Jazz ist schlecht, weil er die Spuren dessen genießt, was man den Negern angetan hat (...) Ich habe kein Vorurteil gegen die Neger, als daß sie von den Weißen durch nichts sich unterscheiden als durch die Farbe“ (GS Bd 10.2, S.808f.).

Recycle

Das oben beschriebene, ambivalente Einspannen angeblich vormoderner, rebellierender oder scheinexotischer Momente in ein musikalisch zutiefst modernes Korsett (rhythmisch, harmonisch, ästhetisch im Allgemeinen) ist der Charakter der Kulturindustrie, genauer: der Warencharakter par excellence. Nicht zufällig fällt der Siegeszug des Jazz historisch in eins mit dem der Schallplatte. Er war die erste weltweit rezipierte Popmusik der Geschichte und als solcher natürlich auf dem Markt mit Problemen konfrontiert, wie sie sich in jedem Versuch ergeben, Waren gewinnbringend zu produzieren und zu verkaufen. Im Buhlen um den Absatz seiner selbst „sind alle Formelemente des Jazz durch die kapitalistische Forderung nach seiner Tauschbarkeit völlig abstrakt vorgeformt. (...) Die urtümlichen Züge an ihm sind die warenhaften: die starre, gleichsam, zeitlose Unbewegtheit in der Bewegung, die maskenhafte Stereotypie, das Ineins von wilder Erregtheit als dem Schein des dynamischen und Unerbittlichkeit der Instanz, die über solche Erregtheit herrscht. Vor allem aber das Gesetz, das eines des Marktes so gut ist wie eines der Mythen: er muß gleichzeitig stets dasselbe sein und stets das Neue vortäuschen.“ (GS Bd 17, S. 82 u. 84)
Da den konkreten Waren – auch den Kulturprodukten – im Prozess der Wertverwertung nur der konkrete, sinnliche Teil des Formwandels des Kapital zukommt, sie also im prinzipiell endlosen Kreislauf G-W-G` nur den Zweck haben, den in der Produktion erpressten Mehrwert zu erwirtschaften, ist ihr Gebrauchswert nur Mittel zum Zweck, den Tauschwert zu realisieren.
Wie an keiner Musik vor dem Jazz – wohl aber an beinahe jeder nach ihm – lässt sich dieses Prinzip anhand der musikalischen Form nachvollziehen. Er „wird von der Funktion beherrscht und nicht von einem autonomen Formgesetz. (…) Jazz ist nicht, was er ,ist` – karg und mit einem Blick zu durchdringen ist sein ästhetisches Gefüge bei sich selber –, er ist, wozu man ihn braucht.“ (GS Bd 17, S. 76 u. 77).
Die oft gelobte Tendenz des Jazz, andere Genre – auch die älterer, sog. Klassischer Musik – sich einzuverleiben und zu verwerten, kann also auch gedeutet werden als die Tendenz des Marktes, noch nicht durch den Warentausch vermittelte Gebiete – territorial und sozial – zu erschließen. Am Beispiel der Musik von Duke Ellington, der Adorno zufolge Debussy als seinen Lieblingskomponisten nannte, wird folgendes beschrieben: „Am auffälligsten ist der impressionistische Einfluß in der Harmonik. Nonenakkorde, Sixte ajoutée und andere Mixturen, wie der stereotype blue chord, parallele Verschiebung von Akkorden und was immer der Jazz an vertikalen Reizen zu bieten hat, ist von Debussy entlehnt. Aber auch die Behandlung der Melodik, gerade in den konsequenteren Stücken, hat impressionistische Modelle. Die Auflösung in kleinste, nicht dynamisch entwickelte, sondern statisch wiederholte Motivformeln, die einzig rhythmisch umgedeutet werden und um einen unverrückbaren Mittelpunkt zu kreisen scheinen, ist spezifisch impressionistisch. Aber sie wird vom Jazz um ihren Formsinn gebracht.“ (GS Bd 17, S. 90)(8)
Die Verbindung eigener Musik mit Ungewohntem zum Zwecke des besseren Absatz muss keineswegs immer Intention der Komponisten und Protagonisten gewesen sein (auch wenn dies nicht nur in der eingreifenden Funktion der Plattenfirmen oft der Fall war und ist). In der Analyse und Deutung seiner gesellschaftlichen Funktion hat dies aber für den Jazz keine primäre Bedeutung. „Selbst das Gestrige muß vom Jazz erst harmlos gemacht, aus seinem historischen Zug herausgelöst werden, ehe es marktfähig wird. Auf dem Markt fungieren die impressionistischen Zutaten als Reiz.“ (GS Bd 17, S. 91)
Nur vor dieser Interpretation macht die Kritik am Jazz Sinn, als Kritik einer Warenform. Nicht die für Adorno in der Rezeption eines Kunstwerkes ausschlaggebenden immanenten Formgesetze des Werkes – das Verhältnis der Teile zum Ganzen und das zugrunde liegende musikalische Material – haben im Jazz den Vorrang, sondern seine Darstellung und Funktion (welche eben nicht, wie vor-kulturindustrielle „Hochkultur“, eigenen Gesetzten folgt, sondern denen des Marktes).
Adorno aber eine generelle Feindschaft zum Jazz zu unterstellen ist in vieler Hinsicht falsch. Er kritisierte nicht, dass Menschen sich amüsieren wollen, und sei es in Form des Warenkonsums, sondern die Verklärung des Jazz als Kunst. Kunst hatte für ihn nur als Avantgarde eine Berechtigung und nur einige wenige Zeitgenossen ließ er als wirkliche Künstler gelten (Arnold Schönberg oder Samuel Beckett zum Beispiel). In einem Interview sagte er einmal:

So findet man durchaus auch einige Würdigungen des Jazz in seinen Werken. So schreibt Adorno zuweilen ganz untypisch: „An einzelnen komplizierten Rhythmen und Kombinationen im Jazz mag ich mich freuen“ (GS Bd 10.2 S. 807). Und – im Bezug auf die sog. „leichte Musik“ – würdigt er auch folgendes: „Lernen ließ sich am Jazz die Emanzipation der Betonung von der Zählzeit; eine anständige, ob auch sehr begrenzte und spezielle Sache, die die Komponisten längst wußten, die aber vom Jazz aus vielleicht eine gewisse Breite in der reproduktiven Praxis erlangte“ (GS Bd. 18, S. 798f.) Auch leugnet er keineswegs den progressiven Charakter des Jazz völlig, nur eben nicht bezogen auf sein Material: „Die Innovationen liegen vorwiegend im Bereich rhythmischer und instrumentaler Tricks. Die Spielweisen zumal von Klarinette, Trompete, Saxophon, Posaune und Schlagzeug haben dem Jazz sehr viel zu verdanken.“ (GS Bd 18, S. 71)(10)

Swing tanzen verboten!

Adorno identifiziert den Jazz noch in den 30er Jahren mit der deutschen Tanzmusik. Zwar gab er später zu, dass seine „soziologische Interpretation des Jazz (...) empfindlich an dem Mangel spezifisch amerikanischer Kenntnisse krankte“ (GS Bd 10.2 S. 703), jedoch veranlasste ihn das kaum dazu, einige seiner Thesen zu widerrufen oder zu spezifizieren – wie er es bspw. im Aufsatz „Auf die Frage: Was ist deutsch“ (GS Bd 10.2, S. 691) für das Verhältnis der Deutschen zu ihrer Kultur und ihrer geistesgeschichtlichen Entwicklung im Vergleich zur amerikanischen Situation tat. Adorno glaubte vor Beginn des zweiten Weltkrieges und seiner Emigration, dass die Entwicklung des Kapitalismus hin zu autoritären Staatsformen und Wirtschaftsmonopolen weltweit ähnlich verlaufen würde und die Menschheit im Zuge der Wirtschaftskrise global einen „Rückfall in die Barbarei“(11) beschreite. Das Kapitel „Kulturindustrie, Aufklärung als Massenbetrug“ der „Dialektik der Aufklärung“ beschwört daher immer schon das Äußerste: jedes Radio sei im Prinzip schon die Goebbelsschnauze, der kulturindustrielle Konsument sei „virtuell schon der Nazi“ ( GS Bd 3, S. 178) und das ganze Prinzip verschiebe die „Befriedigung auf den Tag des Pogroms“ (GS Bd 3, S. 160)(12). Dies nahm Adorno auch für den Jazz an. Fälschlicherweise rückte er ihn zu sehr in die Nähe einer marschgeprägten Tanzmusik und sah sich in der Entwicklung des Jazz hin zum Swing bestätigt, da dieser ja noch mehr auf Improvisationen und – wenn man so will – musikalische Aufmüpfigkeit verzichtete. Er unterschätzte den Off-Beat und die Synkopen des Jazz und spielte deren Bedeutung herunter. Ältere Formen der Tanzmusik – Ländler, Walzer, Polka u.a. – suchen ja eben diesen Gegensatz zum Beat nicht. Und in der Attraktivität des Off-Beat drückt sich m.E. eben nicht nur eine konformistische Erholung vom Arbeitstakt in der Sphäre der Freizeit aus, sondern er artikuliert auch eine Opposition zum Staat, der ja ebenfalls im Fordismus aufrüstete und in vielfältigere Instanzen des gesellschaftlichen Lebens eingriff als zuvor(13).
Diese Aufrüstung begann schon mit dem Einbruch der Moderne zu den Klängen der Marschmusik. In der Habsburgermonarchie bspw. 1740 mit dem Gleichschritt eingeführt, stand der Marsch symbolisch für die Nivellierung des Individuums im Kollektiv des Heeres. Mit den ersten Riesenheeren und der eingeführten Wehrpflicht im 19.Jh. wurden die Heereskapellen zu riesigen Formationen mit Blechblasinstrumenten und schwerem Schlagwerk, die nicht nur überall zu hören waren, sondern mit der Fortsetzung in Dorfs- und Werkskapellen auch mehr und mehr den Alltag in Stadt und Land beeinflussten.
In Deutschland und Österreich schweißte sich die Gesellschaft schließlich wie nirgends sonst zu einem Volksstaat zusammen und so erlangte auch die Marschmusik hier einen großen gesellschaftlichen Stellenwert. In der Enzyklopädie „Die Musik in Geschichte und Gegenwart“ wird die Bedeutung des Marsches für die Bevölkerung dementsprechend glorifizierend beschrieben: „Sehr beliebt bei der Bevölkerung waren das tägliche Aufziehen der Wache und der Straßenmarsch mit klingendem Spiel, und auch bei Platz, Garten und Saalkonzerten bewies der Marsch eine magische Anziehungskraft. Nach den Erweiterungen des preußischen bzw. deutschen Heeres in den 1860er und 1890er Jahren erlebte die Militärmusik hinsichtlich ihrer Verbreitung eine zweite Blütezeit; in Berlin fanden an Sommerabenden zwanzig bis dreißig Militärkonzerte statt. Die Marschproduktion erlebte eine Hochkonjunktur. Jahr für Jahr erschienen neue ,Schlager`, jedoch auch manche ,Perlen`, die sich bis in die Gegenwart erhalten haben (…) Ständig vergrößerte sich die Zahl der Marsch-Liebhaber. Gelegentlich wurden Preiskonkurrenzen für Marschkompositionen ausgeschrieben (so 1857 und 1912, später 1934), und gute Kompositionen wurden (…) nachträglich ,zum Armeemarsch` ernannt.“(14).
Gerhart Scheit schreibt hierzu, dass die Marschmusik die Deutschen von der Freizeit direkt in den Vernichtungskrieg führte. Der Off-Beat und die Synkopierungen des Jazz – sozusagen die privat-individuelle Konsumtionsform im Gegensatz zur kollektiven des Marsches – wurde dann auch dementsprechend als „Negermusik“ oder „Kulurbolschewismus“ im nationalsozialistischen Deutschland verdammt und offiziell verboten.
Adorno deutete die Abschwächungen der individuellen Improvisation des Jazz in der Entwicklung hin zum Swing in den 30er Jahren als Rückschritt zur unverhohlenen Betonung des Beat und sozusagen als Kapitulation vor diesem. Nur so erklärt sich mir, warum er 1933 über die ersten Rundfunkverbote für Jazzmusik in Deutschland schrieb: „gleichgültig, was man unter weißem und unter Negerjazz verstehen will, hier gibt es nichts zu retten; der Jazz selber befindet sich längst in Auflösung, auf der Flucht in Militärmärsche und allerlei Folklore. (…) längst schon lag unter den bunten Schnörkeln des Jazz der Militärmarsch bereit.“ (GS Bd 18, S. 795 u. 798) Der ausgehaltene Widerspruch zwischen Individuum (synkopierender Solist) und Kollektiv (Metrum haltende Band) ebenso wie feine Nuancen im Spiel der Rhythmusgruppe (z.B. Bass auf dem Beat/Metrum, Schlagzeug leicht davor, Akkorde etwas „laid back“ also hinter dem Beat) machen ja gerade den besonderen Reiz des Jazz aus und sorgen für den charakteristischen, schwer mit Noten zu fixierenden „Swing“ (als musikalisches Merkmal, nicht als Jazzära). Jeder Vergleich von amerikanischen Big Bands mit damaligen deutschen Tanzorchestern bietet hierfür genügend Anschauungsmaterial. Das Übergewicht des Marsches in der Auffassung der Musik ergibt den „deutschen Swing“. Diese interpretatorischen Feinheiten hat Adorno eben übersehen bzw. wahrscheinlich nicht wahrgenommen, aber sie sind für den Jazz und v.a. seine gesellschaftliche Funktion und Stellvertreterrolle mehr als bedeutend. Dass auch in Deutschland Jazz gespielt und Jazzplatten verkauft wurden, verweist auf Gemeinsamkeiten im fordistischen Zustand der Gesellschaft und der Kulturindustrie in den USA und der Weimarer Republik. Aber – um es metaphorisch zuzuspitzen – während Amerika swingend die bürgerlich-demokratische Ordnung mit New Deal und deficite spending am Leben erhielt, begingen die Deutschen zu guter deutscher Marschmusik den Massenmord an 6 Millionen Juden und legten Europa in Schutt und Asche.
Der Jazz war ja gerade in seiner Entwicklung eine antirassistische Bewegung. Benny Goodman bspw. hatte eben durch seinen kommerziellen Erfolg genügend musikalische Autorität um erstmals öffentlich schwarze und weiße Musiker gemeinsam auf der Bühne stehen zu lassen (z.B. Teddy Wilson und Lionel Hampton im Benny Goodman Quartett) und der spätere Bebop stand ja geradezu für eine selbstbewusst auftretende schwarze Musikszene, die engen Kontakt zur Bürgerrechtsbewegung hatte. Während also den Deutschen ihr Antisemitismus und Rassismus wichtiger war und sie die Marktgesetze zugunsten der nationalsozialistischen Staatsordnung ausschalteten, war es gerade das Primat der Ökonomie, welches in den USA dem Rassismus den Boden unter den Füßen entzog.

The Shape Of Jazz To Come(15)

Dass Adorno diese feinen Unterschiede in der Musik nicht registrierte, ist zweifelsohne seiner Ignoranz gegenüber dem musikalischen Material geschuldet. Da er trotz seiner „amerikanischen Erfahrung“(16) die Entwicklung der popular music und des Jazz nicht verfolgte, mangelt es seiner Kritik in großem Maße an Präzision und an Eindeutigkeit im Bezug auf musikalische Nachweise. Dies geht soweit, dass er – ähnlich der marschgeprägten älteren Generation nach 1945, für die ja auch alles „Jazzmusik“ war, was seit den 50ern an musikalischen Neuerungen aufkam – Elvis Presley dem Jazz zuordnet und die Diskrepanz zwischen Bebop und Rock`n`Roll als Konflikt von Jazzfans untereinander beschreibt: „Die Jazz-Hörer sind sich untereinander uneinig, und die Gruppen pflegen ihre besonderen Varietäten. Die technisch voll Sachverständigen schmähen die grölende Gefolgschaft des Elvis Presley als Halbstarke.“ (GS Bd 14, S. 191-192).
Paradoxerweise ist es aber genau jene Unkenntnis, welche vielleicht die weitere Entwicklung des Jazz hin zum Free Jazz und der freien Improvisation mit Adorno hätte versöhnen können. In seinen „musikalischen Aphorismen“ schrieb er: „Entweder der Jazz müßte auf die Metrik, die Harmonik – die mit dem Verzicht auf Symmetrie auch keine symmetrischen Kadenzen mehr bilden dürfte –, schließlich die Melodik aus den Synkopen die Konsequenz ziehen, wie es Strawinsky vor zehn Jahren tat. Dann fällt die Schranke zwischen Jazz und Kunstmusik und damit auch das lockende Angebot neuer Natur. Oder der Jazz muß die Synkopen aufgeben und sich nur auf die große Trommel verlassen. Dann kommt er zum Treuen Husaren. Er hat den zweiten Weg gewählt.“ (GS Bd 18, S. 25).

Heute wissen wir, dass die Avantgarde des Jazz genau jenen Weg beschritt, den Adorno ihm nicht vorraussagte. Die Besinnung auf die große Trommel überließ der Jazz dem Rhythm`n`Blues, dem Rock, dem Soul und späteren Entwicklungen aus ihnen.

Arthur

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Die Zitation der Form „GS Bd 1, S.1“ (für dieses Beispiel: Gesammelte Schriften Band 1, S.1) bezieht sich auf: „Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1986, Herausgegeben von Rolf Tiedemann.

Quellen

- Bd. 10.1, S. 123-137 Zeitlose Mode. Zum Jazz.
- Bd. 14, S.14ff.: Dissonanzen. Musik in der verwalteten Welt – Über den Fetischcharakter in der Musik und die Regression des Hörens.
- Bd 3, S. 141-191 Dialektik der Aufklärung – Kulturindustrie. Aufklärung als Massenbetrug.
- Bd 17, S. 74-109: Über Jazz (unter Pseudonym Hektor Rottweiler).
- Bd 18, S. 795-805: Abschied vom Jazz.
- Bd 10.2 S. 805ff. Replik zu einer Kritik der „Zeitlosen Mode“.
- Bd 18, S.70-72: Neunzeh Beiträge über neue Musik, darin: „Jazz“.
- Bd 10.2 S. 702ff.: Wissenschaftliche Erfahrungen in Amerika.
- Bd 10.2, S. 691ff.: Auf die Frage: Was ist deutsch?
- Bd 14, S.178-198: Einleitung in die Musiksoziologie – Typen musikalischen Verhaltens.
- Bd 18, S. 25: Musikalische Aphorismen [22].

Anmerkungen

(1) Adornos psychoanalytische Beschreibung des Jazz und seiner Fans will ich hier aus verschiedenen Gründen unbearbeitet lassen. Seine Ansichten sind m.E. recht gut versammelt im vierten Abschnitt des in der Aufsatzsammlung „Prismen“ herausgegebenen Beitrags „Zeitlose Mode. Zum Jazz“. Gleiches gilt für die Entwicklung und Beschreibung verschiedener Hörtypen, darunter der des Jazzexperten und Jazzfans. Adorno entwickelt diese Modelle in der „Einleitung in die Musiksoziologie“, v.a. im ersten Kapitel: „Typen musikalischen Verhaltens“, in welchem er skizziert, welche verschiedenen Funktionen Musik für ihre Konsumenten hat.

(2) Vgl. Das Essay „Freizeit“ von T.W. Adorno (http://www.conne-island.de/nf/103/22.html).

(3) Darauf weist diese Aussage hin: „immer wieder ist der Jazz von der Kulturindustrie und damit von der musikalischen und gesellschaftlichen Konformität aufgefangen worden; berühmte Stichworte seiner Phasen wie swing, be-bop, cool jazz sind zugleich Reklameslogans und Male jenes Absor-ptionsprozesses.“, GS Bd 14, S. 213.

(4) zit. Nach Adorno, Theodor W. GS Bd 10.2, S. 805.

(5) Als Off-Beat wird die Akzentuierung sonst unbetonter Zählzeiten bezeichnet. Während das Metrum also auch dem Empfinden nach gleich bleibt, wird durch die Betonung der Zählzeiten 2 und 4 (z.b. im Swing) oder in kleinerem Verhältnis jedes zweiten Achtels (1 und 2 und 3 und...; z.B. im Ska) ein leichterer, „hüpfender“ Charakter erzeugt. Eine Synkope betont zwar auch sonst unbetonte Zählzeiten, aber eher mit dem Effekt, ein neues Metrum vorzutäuschen. Wikipedia führt hier ein gutes Beispiel an: die letzte Phrase der Strophen im Lied „Y.M.C.A“ der Village People: „need to be unhappy...“, „ways to have a good time...“ usw.

(6) Eine Vorform des Jazz war der Ragtime. Zwar war Ragtime reine Klaviermusik, wurde auskomponiert und enthielt keine Improvisationsstellen, aber in ihm wurden erstmals die Zählzeiten 2 und 4 betont. „Ragged time“ heißt in etwa so viel wie „zerrissene Zeit“ und verweist auf den Effekt, den diese Neuerung bei den Zuhörern hatte.

(7) Eine gewisse Kenntnis musiktheoretischer Begriffe muss ich hier leider vorraussetzen. So etwas wie „falsche Töne“ kann ich nicht rein verbal erklären. Am Ehesten würden sich wahrscheinlich noch Dissonanzmuster sich überlagernder Wellen zur Darstellung anbieten – aber auch diese physikalische Sichtbarmachung würde die Sache nicht einfacher machen – im Gegenteil. Ich muss die interessierte Leserschaft also darauf verweisen, eine/n musizierenden Freund/in um ein Vorspiel zu bitten.

(8) Speziell zur impressionistisch gefärbten Harmonik im Jazz hier ein anschauliches Beispiel: Das Klavierstück „Le Tombeau de Couperin“ von Maurice Ravel, besonders der Satz Forlane wirkt seiner komplexen Harmonik und „schiefen Töne“ wegen auf heutige Zuhörer irgendwie jazzy. Das Stück wurde aber bereits um 1914 herum geschrieben – in einer Zeit, in der der Jazz harmonisch noch in den Kinderschuhen steckte und derlei komplexe, hochoptionale Akkorde nicht kannte. Zu hören u.a. hier: http://www.youtube.com/watch?v=DBsIr8WVVCQ

(9) O-ton in der Dokumentation „Der Bürger als Revolutionär“ ab Minute: 42:05, zu finden unter http://video.google.com/videoplay?docid=-4549678118721641665

(10) Gemeint ist die Experimentierfreude und der unorthodoxe Umgang mit den Instrumenten im Jazz. Oft dem autodidaktischen Lernen der ersten Jazz-Musiker geschuldet, wurden viele neue Klangfarben und Effekte aus den Instrumenten „geholt“. Diese wiederum fanden später wieder Einzug bei einigen Komponisten der Neuen Musik.

(11) Vgl. Theodor W. Adorno/Max Horkheimer: „Dialektik der Aufklärung“ und der einführende ABC-Text dazu: http://www.conne-island.de/nf/172/18.html

(12) Vgl. Hannes Gießler: Beliebigkeit und Gegenaufklärung. Zur Janusköpfigkeit der Kulturindustrie. (http://www.conne-island.de/nf/140/19.html)

(13) Vgl. Gerhard Scheit, „Roll Over Adorno“ (http://www.extrablatt-online.net/PDF_A3/5_Gerhard_Scheit_-_Roll_Over_Adorno_Teil1.pdf)

(14) Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Hg.v. Friedrich Blume. Bd. 9., Kassel 1961, S. 321.

(15) Ist der Titel eines von Ornette Coleman und Don Cherry 1959 aufgenommenen Albums, das den Übergang zum Free Jazz markiert und für die folgende Loslösung von traditionellen Formschemen im Jazz wegweisend war.

(16) Vgl. „Wissenschaftliche Erfahrungen in Amerika“ GS Bd 10.2, S. 805 ff.

20.05.2010
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