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Aktuelles Heft

INHALT #173

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„We only die once“
JMT
Skindred, Forever Never
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Shoah
Benefizdisco
Saint Vitus
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Joey Cape, Tony Sly, Jon Snodgrass
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Von der Volksgemeinschaft zur Weltgemeinschaft
1917 – Anfang und Ende des Kommunismus?
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Von der Volksgemeinschaft zur Weltgemeinschaft

Die linke Rettung des regressiven Antikapitalismus

Vor ein paar Monaten habe ich in einem Text im CEE IEH ausgeführt,(1) dass die BRD nicht die Speerspitze der Barbarei darstellt und somit jeder antideutsche Widerstand heutzutage siebzig Jahre zu spät kommt und allein der Selbstinszenierung von Bewegungslinken dient, die möglichst radikal und umstandslos – nämlich unter Bedingungen, unter denen es keine Gefahr mehr darstellt – zu den Guten gehören wollen. Unter anderem reagierte ein Leserbriefschreiber(2) auf mich, der sich den Decknamen Dr. Benwey gibt und die Radikale Linke und deren Kritik an Deutschland in Schutz nimmt. Ich möchte hier nur auf einen Punkt eingehen, die Auseinandersetzung um Toni Negri und Michael Hardt. Auch wenn deren Wälzer Empire und Multitude nun schon etwas angestaubt sind, lässt sich daran gut illustrieren, wie sich die antinationale Utopie einer Weltgemeinschaft als Leitbild eines romantischen, regressiven Antikapitalismus eignet.

Tradition der Radikalen Linken

Gegen meinen Hinweis, dass die Radikale Linke angesichts ihrer unrühmlichen Tradition (UDSSR, China, DDR, etc.) die Extremismus- und Totalitarismustheorie nicht selbstgefällig und brüsk abweisen sollte, wendet der Leserbriefschreiber ein: „Wann ‚Radikale Linke` an der Macht gewesen sein sollen, bleibt des Autors Geheimnis. Die DDR-Staatsregierung so zu bezeichnen und damit anzudeuten, heutige Linke kämen aus dem gleichen Stall, ist grob fahrlässig und historisch rundum blödsinnig. Was hat Erich Honecker, die alte vaterlandstreue Dachlatte, mit einem mithin antideutschen, radikalen Linken im Jahr 2009 zu tun?“ Richtiger formuliert muss die Frage lauten: Was hat ein Honecker, der Mitglieder der Kommunistischen Partei war, 1934 gegen den Anschluss des Saarlandes ans Dritte Reich kämpfte und von den Nazis ins Zuchthaus gesteckt worden ist, mit jenem Staatsratsvorsitzenden der DDR zu tun? Was geschah? Sich nur die Rosinen aus der Tradition herauszupicken, ist gegenüber den Opfern dieser Tradition ungerecht und gegenüber den eigenen sozialistischen Idealen grob fahrlässig.
Notabene: Der Kalauer, den gelernten Dachdecker Honecker als „Dachlatte“ zu titulieren, ist dünkelhaft; er setzt die Überheblichkeit Studierter voraus und auch ein Unwissen über historische Umstände, die ärmeren Bevölkerungsschichten ein Studium verwehrten.

Problem der Radikalen Linken

Der Leserbriefschreiber versucht, meine Kritik an Negri und Hardt auf Schuldenken (Kritische Theorie gegen Postmoderne) zurückzuführen: „Es wäre [...] an der Zeit, genau dieses bornierte Schulendenken aufzugeben (und neben Marx und Adorno auch andere, ‚böse`, postmoderne Texte zu lesen) – nicht nur, um den eigenen Horizont ein wenig zu lüften.“
Ich bin der Auffassung, dass das Dilemma des Kommunismus in einer ungelösten Frage besteht: Wie nämlich sollen sich Individuum und Gemeinwesen jenseits eines verdinglichten ökonomischen Zusammenhangs und jenseits von Rechtsverhältnissen vermitteln, ohne dass die Vermittlung zuungunsten freier individueller Entfaltung entschieden wird, d.h. zugunsten einer Herrschaft der Gemeinschaft oder einer Herrschaft von Personen über Personen? Mit diesem Problem habe ich mich in den letzten Jahren in verschiedenen Artikeln zur Kritik der Politischen Ökonomie, zum real existierenden Sozialismus und zum Frühsozialismus auseinandergesetzt – nicht um es zu hypostasieren, sondern um die Voraussetzung zu schaffen, es zu negieren.(3) Wer diese Texte gelesen und nicht nur – wie der Leserbriefschreiber – reflexartig das Wort Marx vernommen hat, wird bemerkt haben, dass ich keine Schulbildung betreibe, sondern Marx am Springpunkt seiner Kritik der politischen Ökonomie kritisiere: der Perspektive einer Aufhebung des verdinglichten ökonomischen Zusammenhangs zugunsten „planmäßiger Kontrolle“ (Marx) der Ökonomie.
Beim Studium der Schriften Negris und Hardts ist mir neben einem schwammigen, raunenden, prätentiösen Jargon(4) auch noch aufgefallen, dass die Frage nach der Vermittlung von Individuen und Gemeinschaft von vornherein entschieden scheint – nämlich zum Vorteil von „Produktivität“ und „biopolitischer Gemeinschaft“.
Wenn der Leserbriefschreiber Negri und Hardt gegen meine angeblich überzogenen Vorwürfe in Schutz nehmen will, dann vielleicht besser, indem er keinen Metadiskurs über Schulbildung anfängt, der diese herbeiredet, sondern indem er ausführt, wie Negri und Hardt seinem Verständnis nach das Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft in der Konzeption der Multitude darlegen. Die „kleine Hilfestellung“ des Leserbriefschreibers, dass Multitude „etwa Vielheit“ heißt, punktet vielleicht im Small Talk auf einer Vernissage, bringt uns im Thema aber nicht weiter. Schließlich klingt auch ein Begriff wie „Pluriversum“ (Alain de Benoist), den die Neue Rechte mit Bedacht bemüht, erst mal ganz nett. Oder?
So leichtsinnig der Leserbriefschreiber die Traditionslinien zwischen Kommunisten der Vergangenheit und heutigen Kommunisten und Radikalen Linken kappt, so lächerlich findet der Leserbriefschreiber meine Kritik an heutigen Kommunisten: „Das Argument (Negri und Hardt würden die produktive Gemeinschaft verherrlichen und alles, was sich dieser nicht fügt, zerschmettern wollen, H.G.) geht an Negri und Hardt etwa soweit vorbei, wie die Behauptung, Westerwelle wäre ein ausgemachter Sozialist.“ Ich habe Negri und Hardt beim Wort genommen und zitiert, mehr – als sie hier nochmals und ausführlicher zu Wort kommen zu lassen – kann ich nicht tun: „Nur wenn das, was gemeinsam ist, Gestalt gewinnt, kann Produktion stattfinden und die allgemeine Produktivität steigen. Alles, was diese Macht zu handeln blockiert, ist nichts als ein Hindernis, das man zu überwinden hat – ein Hindernis, das durch die kritischen Kräfte der Arbeit und die leidenschaftliche Alltagsweisheit der Affekte umgangen, geschwächt und zerschmettert wird.“(5) Die „Hindernisse“, die „umgangen, geschwächt und zerschmettert“ werden, fassen sie unter dem Begriff der „Korruption“ zusammen, die als „Seuche, Frustration und Verstümmelung“ sogleich näher und schließlich in ihrer Wirkung auf die Gemeinschaft bestimmt wird: „Sie bricht die biopolitische Gemeinschaft auf und behindert deren Leben.“(6) An dieser Stelle taucht in Negris und Hardts Schrift überhaupt einmal die Kategorie der Individualität auf – just in dem Moment, in dem sie verschiedene Arten der Korruption auflisten: „An erster Stelle steht dabei Korruption als individuelle Wahl, welche der grundlegenden, durch die biopolitische Produktion definierten Gemeinschaft und Solidarität entgegensteht und sie verletzt.“(7) Ähnlich dem Marxismus deklamieren Negri und Hardt die Produktion, deren Notwendigkeit dahingestellt sei, als Quelle des Befreiungskampfes und der wahren Gemeinschaft. Der Adel der Produktion steht bei ihnen nicht zur Disposition – hierin prolongieren die Autoren eine mächtige Tradition des Abendlandes, die schon die Ordensregeln der Franziskaner, die Arbeits- und Sparethik des Protestantismus und die Heiligung produktiver Arbeit durch den Arbeiterkampfmarxismus speiste und in der Gegenwart unter anderem in der DIY-Ideologie der Autonomen- und Subkulturszene, der Hingabe ans Ehrenamt innerhalb linker Verbände und in der Bereitschaft des kreativen Präkariats zur unbezahlten 60-Stunden-Woche Blüten treibt. „Arbeit ist [...] produktiver Exzess. Dieser Exzess ist zum einen Folge eines kollektiven Emanzipationsprozesses, zugleich aber auch Substanz einer neuen gesellschaftlichen Virtualität der produktiven und befreienden Möglichkeit von Arbeit.“(8)
In dem Nachfolgewerk Multitude nehmen sie die offenen Angriffe gegen Individualität sichtlich zurück und bemühen sich, einen positiven Begriff von „Singularitäten“ in Szene zu setzen, gelangen dabei aber keinen Schritt weiter als der Marxismus, der die Befreiung des Individuums zwar versprochen, es aber bei schönen Worten belassen und das Problem, wie das in der bürgerlichen Gesellschaft erreichte Niveau individueller Freiheit jenseits verdinglichter Vermittlung aufrecht zu erhalten ist, verdrängt hat. So versichern sie uns hinsichtlich der Konstitution der Multitude in der Produktion: „Dabei negiert diese zunehmende Produktion des Gemeinsamen keineswegs die Singularität der Subjektivitäten, welche die Multitude bilden.“(9) Wie sich die „Singularitäten“ dabei konkret vermitteln sollen, teilen uns Negri und Hardt nicht mit. Man bekommt immer nur den gleichen Blumenstrauß von Begriffen vorgesetzt: das Gemeinsame, Multitude, Liebe, „kooperative soziale Produktionsprozesse.“(10)
Warum Negri und Hardt blauäugig davon ausgehen können, dass Multitude Harmonie und Frieden bedeutet, wird im ersten Drittel von Empire deutlich, in dem sie erklären, wann und wie das Empire seinen Lauf nahm. Zu Beginn der Moderne hätte es einerseits die revolutionäre Tendenz gegeben, die schöpferischen Kräfte, die vormals Gott zugeschrieben worden sind, nun der Menschheit zuzuschreiben, anderseits wäre es zu einer konterrevolutionären Tendenz gekommen, den Menschen eine Ordnung aufzuzwingen und ihre schöpferische Kraft zu beherrschen und auszubeuten. Letztere Tendenz hätte sich durchgesetzt: „Ordnung gegen Begehren“(11), Empire gegen Multitude. Dem Lebendigen und Unmittelbaren sei ein künstliches Korsett angelegt worden: „Der Trias vis-cupiditas-amor(12), welche die produktive Trias spezifischer Vermittlungsinstanzen bildete, (wurde) eine Trias spezifischer Vermittlungsinstanzen gegenüber gestellt. [...] Was hier zum Zuge kommt, ist [...] eine Art abgeschwächter Transzendenz, welche die Erfahrung relativiert und jede Instanz des Unmittelbaren und Absoluten in Leben und Geschichte der Menschen aufhebt. Warum aber ist diese Relativierung nötig? [...] Weil jede Selbstkonstituierung der Menge sich einer vorgegebenen Ordnung zu unterwerfen hat und weil jede Behauptung, die Menschen könnten ihre Freiheit des Seins unmittelbar erlangen, sein subversiver Wahnsinn wäre.“(13) Negri und Hardt predigen die Feindschaft gegen Gesellschaft und die Erlösung durch Gemeinschaft. Das Böse sei die „Austreibung alles Lebendigen aus dem Erkennen und Handeln“(14), der „politische Apparat“(15), die „Souveränitätsmaschine“(16), das Gute sei das Lebendige, die „biopolitische Gemeinschaft“, deren Schmelztiegel die Produktion und dessen Feuer die Trias Kraft-Liebe-Begehren. Gleich einem Denker der Neuen Rechten beschwören sie den „Vorrang des Emotionalen, des Verschmelzenden“(17). Wie einst das Volk (beziehungsweise die Rasse) damit beworben worden ist, dass sein eigentliches Leben und Begehren unter dem aufgesetzten System (der Weimarer Republik, des Parlamentarismus, des Kapitals etc.) ächzt und es im Gegensatz zu „kalter“ Rationalität und „künstlichen“ Institutionen wahrhaftige Gemeinschaft verspricht,(18) so bewerben Negri und Hardt ihre „Gegen-Gobalisierung“(19), ihre Multitude. Sie müssen sich nicht um die Frage kümmern, wie die Menschen ihr Zusammenleben so organisieren werden, dass dieses jedem Menschen gerecht wird, sie vertrauen darauf, dass die Multitude im gemeinsamen Begehren an sich existiert.

Entgrenzung der Radikalen Linken

Eine kurze Definition der Multitude gibt Negri an anderer Stelle: „Multitude ist der ontologische Begriff des Vollen gegen das Leere, der Produktion gegen parasitäre Relikte.“(20) Die Gegenüberstellung von Multitude und Empire offenbart sich hier deutlich als kitschig-philosophische Variante der klassischen Unterscheidung von schaffendem und raffendem Kapital. Diejenigen, die schaffen, sollen von den raffenden Parasiten befreit werden, die „parasitäre Maschine“, die „vampiermäßig das Blut der Lebenden saugt“, soll zerstört werden.(21) Bloß werden die Parasiten nicht mehr als Zersetzer der Nation und der Volksgemeinschaft bestimmt, sondern als imperiale Befehlsgewalt, die mittels Nationen das Weltvolk zersetzt. Nationen seien das Künstliche und Abstrakte, mittels dessen Herrschaft über die Multitude ausgeübt würde. „Mit anderen Worten: Die Souveränität wirkt durch die Kerbung des gesellschaftlichen Felds.“(22) Statt dass dieses von sich aus, urwüchsig und kräftig, gedeiht. In dieser Ideologie verschmilzt romantischer, regressiver Antikapitalismus mit linkem Kosmopolitismus, Antiimperialismus und Antinationalismus.
Staatskritik und Antinationalismus sind für sich genommen keinerlei Ausweis für eine gescheite linke Einstellung; bei Negri und Hardt bezeugen sie vielmehr den Hass auf eine künstliche Vergesellschaftung sowie ihren Glauben an eine harmonische Gemeinschaft, die nicht vermittels Rechtsverhältnissen und Institutionen, sondern unmittelbar durch Kraft-Liebe-Begehren konstituiert wird. In diesem Weltbild ist es nicht mehr die Volksgemeinschaft, die als Gemeinschaft dem kalten System entgegengestellt wird, sondern die Weltgemeinschaft, die verzerrte Variante des uralten Traums von einer vereinten Menschheit – als Fluchtpunkt des regressiven Antikapitalismus.
Auf der bösen Seite stehen das Parasitäre, der Imperialismus, Unterjochung und Nationen, die mit ihren Grenzen die natürliche Ordnung zerschneiden, auf der guten Seite stehen Produktivität, Menge, globale Gemeinschaft und Liebe: „Imperiale Befehlsgewalt erzeugt nichts Lebendiges und nichts Ontologisches. Aus ontologischer Sicht ist sie rein negativ und passiv. […] Imperiale Macht ist [...] ein Parasit, der von der Fähigkeit der Menge (Multitude, H.G.) lebt, immer wieder neue Energie- und Wertquellen zu schaffen. [...] Die virtuellen, konstituierenden Mächte stehen in einem endlosen Konflikt mit der konstituierenden Macht des Empire. Sie sind vollkommen positiv, weil ihr ‚Dagegen-sein` ein ‚Dafür-sein` ist, d.h. ein Widerstand, der zu Liebe und Gemeinschaft wird. [...] Die mobile Menge muss eine globale ‚Staatsbürgerschaft` erlangen. Der Widerstand der Menge gegen die Unterjochung – der Kampf gegen die Sklaverei, einer Nation, einer Identität anzugehören, und damit die Desertion aus der Souveränität und den Beschränkungen, die sie der Subjektivität auferlegt – ist vollkommen positiv.“(23)
Die moderne rechte Variante des reaktionären Antikapitalismus' bewegt sich seit Jahrzehnten auf diese linksradikale Variante zu. Auch dieser hat in verschiedenen Ausprägungen mit der Weltgeschichte Schritt gehalten und die Globalisierung in sein Denken aufgesogen wie der Lumpen die Nässe. In Zeiten globaler Gleichzeitigkeit (Internet, Popkultur, Mode und Fernsehen) will kaum noch jemand nationalchauvinistisch oder rassistisch argumentieren.(24) Es sind immer weniger Rasse, Volk, Ethnie und Nation, die von reaktionären Ideologen als positive, konkrete Bezugsgemeinschaften angerufen werden, sondern es sind mittlerweile – je nach politischer Fasson – die Völkerfamilie, die Weltgemeinschaft, die Kulturen oder das Pluriversum, die dem imperialistischen, amerikanischen, kulturlosen, parasitären und nationalistischen Kapitalismus als positive, konkrete Bezugsgemeinschaften entgegengestellt werden.
Die Volksgemeinschafts-Parole „Gemeinnutz vor Eigennutz!“ funktioniert ebenso auf globaler Ebene. Aber hier gelten nicht mehr nur Spekulanten und Finanzkapitalisten als Parasiten am gesunden Leib der Weltgemeinschaft, sondern nun auch Nationen, d.h. abstrakte Konstrukte, die im eigenen Interesse, d.h. egoistisch respektive imperialistisch handeln. Im Antizionismus kulminiert der moderne reaktionäre Antikapitalismus. Israel wird als die künstliche und imperialistische Macht schlechthin ausgemacht, die die Gemeinschaft bedroht. Was vormals dem Juden innerhalb der Volksgemeinschaft angelastet wurde, wird nun Israel innerhalb der Weltgemeinschaft attestiert: Egoismus, Kulturlosigkeit, die Bedrohung des inneren Friedens und die Störung innerer Harmonie. In dieser Projektion verwirren sich links und rechts. Zwischen der Gemeinschaft der Völker, dem Pluriversum und der Multitude, zwischen Ethnopluralismus, Internationalismus und Antiimperialismus gibt es keine schwerwiegenden Differenzen – zumindest nicht im Kampf gegen den gemeinsamen Feind.

Hannes Gießler

Schönstes.Dorf

Literatur:

- Alain de Benoist, Schöne vernetzte Welt. Eine Antwort auf die Globalisierung, Tübingen u.a. 2001
- Toni Negri, Eine ontologische Definition der Multitude, in: Thomas Atzert u. Jost Müller (Hg.), Kritik der Weltordnung, Berlin 2003
- Toni Negri u. Michael Hardt, Empire, Frankfurt am Main 2002
- Toni Negri u. Michael Hardt, Multitude, Frankfurt am Main 2004

Anmerkungen

(1) 20 Jahre antideutsch-antifaschistischer Widerstandskampf, in: CEE IEH #169 (http://www.conne-island.de/nf/169/29.html)

(2) Dr. Benwey, Mit Schaum vor dem Mund, CEE IEH #170 (http://www.conne-island.de/nf/170/34.html)

(3) Der Verein freier Menschen, in: CEE IEH # 146 (http://www.conne-island.de/nf/146/23.html), Umgebessert, Eingetaktet, in: Jungle World Nr. 47, 22. November 2007 (http://jungle-world.com/artikel/2007/47/20755.html), Allgemeinwohl und Freiheit, in: CEE IEH #165 (http://www.conne-island.de/nf/165/21.html)

(4) Was etwa unter dem Begriff der Multitude subsumiert wird, ist zusammengenommen ein Unding. Nur weil alles irgendwie „von unten“ (Empire 418) kommt, soll alles irgendwie Multitude sein: „der fortdauernde Aufstand gegen die britische Herrschaft in Nordirland“, die „Schwulen- und Lesbenbewegung“ (Multitude 241) und „die Intifada gegen die israelische Staatsgewalt“ (Empire 67). Na das kann ja heiter werden: Katholiken, Islamisten und Schwule und Lesben – vereint im Kampfe! Vereint in der Gemeinschaft, vereint in der Liebe: „Jenseits bloßer Verweigerung oder als Teil dieser Verweigerung müssen wir auch eine neue Lebensweise und vor allem eine neue Gemeinschaft schaffen. Dieses Projekt führt [...] zur Menschheit im Quadrat, die bereichert ist um die kollektive Erkenntnis und Liebe der Gemeinschaft.“ (Empire 216)

(5) Empire 365f.

(6) Empire 398

(7) Empire 396f.

(8) Empire 365

(9) Multitude 385

(10) Multitude 230

(11) Empire 89

(12) Kraft-Begehren-Liebe

(13) Empire 92f.

(14) Empire 95

(15) Empire 97

(16) Empire 101

(17) Alain de Benoist, Schöne vernetzte Welt, 235

(18) Vgl. das Kapitel „System und Organisation“ in: Victor Klemperer, LTI. Notizbuch eines Philologen, 1946

(19) Empire 216

(20) Toni Negri, Eine ontologische Definition der Multitude, 125

(21) Empire 75

(22) Empire 334

(23) Empire 369. Man stelle sich vor, Aussagen gegen Parasiten kämen von deutschen Regierungspolitikern... Noch in zehn Jahren würden sie von antideutschen Aufrufen zitiert werden, um den postnazistischen Charakter Deutschlands zu bezeugen. Aber sofern solche Zitate von ausgemachten Radikalen Linken wie Negri und Hardt stammen, werden diese vom Leserbriefschreiber als „durchaus streitbar“ apostrophiert.

(24) Die denken so, wie sie es sagen. Das hat nichts mit „Strategie“ zu tun, wie Linke glauben machen wollen, die, um ihr Bild von „links versus rechts“ gewahrt zu wissen, die Neue Rechten nicht beim Wort nehmen, sondern hinter diesen einen verschworenen Kreis mit dem alten biologistischem Gedankengut wittern, der sich in der Öffentlichkeit wie der böse Wolf bei den sieben Geislein verstellt. Wie dieser seine Tricks habe, so auch die Neue Rechte: Diese „treten nicht mehr offen rassistisch in Erscheinung“, „Zur strategischen Durchsetzung der neu-rechten Vision beruft Alain de Benoist sich auf antikolonialistische und antiimperialistische Befeiungsbewegungen“, „er spricht in vermeintlich progressiver Manier“, „strategisch-plagiatorisch“, „Um eine offene rassistische und ausländerfeindliche Rhetorik zu umgehen“. (Imke Leicht, „Was kann denn dieser Mohr dafür...“, Jungle World 49/2009 (http://jungle-world.com/artikel/2009/49/39952.html)). Ähnlich, um eine Argumentation aus einem Vortrag Till Gathmanns aufzugreifen (www.kritikmaximierung.de/wp-content/uploads/mitschnitt_gegenohnefuer.mp3), denkt die autonome Linke, die sich über die „Strategie“ der Nationalen Sozialisten echauffiert, linke Codes zu kopieren, statt sich zu fragen, ob bestimmte Codes von den Nationalen Sozialisten authentisch verwendet bzw. warum sie „geklaut“ werden können. Gerade die uniforme, heroische Mode auf typischen Antifa-Demonstrationen passt maßgeschneidert zur faschistoiden Vermassung; die Autonomen haben ihre Schwarzer-Block-Ästhetik von Mussolinis Schwarzhemden-Aufmärschen „abgekupfert“.

22.01.2010
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