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• das letzte: Konkret inkonkret
Ein Gespenst geht um in Europa das Gespenst des Kommunismus. Alle
Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dieses
Gespenst verbündet, schrieben Marx und Engels im Kommunistischen Manifest
und das ist im Gegensatz zu anderen Behauptungen in dieser Schrift eine
ziemlich wahre Aussage. Hass auf und Furcht vor radikaler Veränderung der
bürgerlichen Gesellschaft sind so alt, wie ihre revolutionäre
Durchsetzung selbst. Spätestens mit der Französischen Revolution, die
nicht in religiöser Verkleidung agierte, wie die niederländische und
englische Revolution, und die in ihrer theoretischen Begründung wesentlich
radikaler war, als etwa die amerikanische, entstand die Furcht vor dem
roten Terror (übrigens bevor La Grande Terreur 1793 wirklich
losging). Im Folgenden geht es um eine Rekonstruktion von Bildern und
Vorstellungen und um eine Darstellung der Veränderung des Antikommunismus.
Antikommunismus heißt hier erstmal die Ablehnung und Feindschaft
gegenüber der grundlegenden Veränderung der modernen Welt, im Sinne
der Aufhebung von Herrschaft. Das spannende, dass diese Ablehnung eben keine
wissenschaftliche Kritik ist sondern Ressentiment, das sich permanent
Widersprüche und Doppelstandards leistet, wollen wir im Folgenden zeigen.
Dass AntikommunistInnen gegenüber linken Bewegungen oder Theorien
feindlich eingestellt waren, heißt aber nicht unbedingt, dass diese
Bewegungen tatsächlich auf Kommunismus abzielten oder hinausgelaufen
wären. Bewegungen mit solch grundlegenden Forderungen hat es nur wenige
gegeben denn jene Bewegungen, denen eine solche Absicht unterstellt
wurde, teilten viele Ressentiments ihrer Gegner: Die Kritik an sagen wir der
UdSSR oder der deutschen Sozialdemokratie, sie seien antinational,
kosmopolitisch, wollten Familie und Moral zugunsten der freien Liebe
zerstören und eine Gesellschaft mit möglichst wenig Arbeit
einführen, wurden von den Protagonisten der ArbeiterInnenbewegung mit
Empörung zurückgewiesen.
Der Antikommunismus verrät uns also viel über die AntikommunistInnen,
aber wenig über die wirklichen sozialistischen, sozialdemokratischen,
linkssozialistischen, kommunistischen, anarchis-tischen usw. Bewegungen,
Parteien und Organisationen, gegen die er sich richtete. Antikommunismus ist
fester Bestandteil des nationalen Bewusstseins und Immunisierungsstrategie
gegen die Kritik an der bestehenden Gesellschaft. Er wird hin und wieder zum
beherrschenden Thema in der nationalen Öffentlichkeit(1) und ist als Abwehr
radikaler Kritik immer unterstellt. Der Mensch ist nicht so mag der
immer gleiche Leitsatz sein, mit dem jedwede Kritik zurückgewiesen wird.
Das Folgende soll eine Skizze des geschichtlichen Wandels dieses Gedankens
sein.
Wandel der Kommunismus-Bilder
Die qualitativen Sprünge dieses Bildes ergeben sich zumeist aus
Veränderungen der politischen Situation. Dennoch sind diese Sprünge
Teil einer Entwicklung, und die verschiedenen, hier beschriebenen Etappen bauen
aufeinander auf und überlagern einander. Dem Antikommunismus kommt es
nicht auf Kohärenz an; ein Denken, dass sich auf die Verteidigung des
Bestehenden versteift hat, ist wahllos bei den Argumenten, weil es sich durch
die Existenz der Gesellschaft, die es verteidigt, auf jeden Fall ins Recht
gesetzt sieht. Die Antikommunismen früherer Etappen existieren munter
neben den neueren her, Argumentationsweisen werden übernommen und neu
eingepasst für die nunmehr geltenden Verteidigungsformen des
Bestehenden.
In der ersten Phase des Antikommunismus wird im Zuge der bürgerlichen
Revolutionen von 1789, 1830 und 1848 Communismus zu einem relativ
unbestimmten Synonym für Umsturz, Rebellion, Zerstörung der
gottgewollten Ordnung. Die Jakobinermütze und die brennende Kirche werden
zu Symbolen für die Umwertung aller Werte, die Zerstörung jener
Tradition, die allein dem Menschen den Halt gäbe. Communismus,
soweit das Wort schon im Gebrauch ist, wird als verrückte Wahnidee des
Verteilens aller Güter und der Ermordung der Reichen gehandelt; im
Kommunismus ist der Mensch, der sich gegen Gott erhebt, am Werk. Zugleich wird
über Socialismus als Heilmittel gegen die sozialen Übel jenes
Gemischs aus kapitalistischer Entwicklung und vorbürgerlicher Herrschaft,
das damals in Europa vorherrschte, in bürgerlichen und anderen Kreisen
diskutiert. Antikommunismus ist in dieser Epoche eine Denunziation
demokratischer Bewegungen, hier tritt er also in Erscheinung als
Verteidigungsideologie des Adels.
Mit der Pariser Commune und dem Erstarken der sozialistischen
ArbeiterInnenbewegung wird der Kommunismus als Bewegung der primitiven,
unaufgeklärten Massen, die von böswilligen Agitatoren aufgehetzt sind
(s. erster Punkt), dargestellt. Da Kultur und Zivilisation auf Privateigentum
beruhen würden, würden die gefährlichen Klassen diese
zerstören, wenn sie mit ihren verrückten Vorstellungen sich
durchsetzen würden. Die unteren Klassen seien die Verlierer jenes
Lebenskampfes, der allein jene Anstrengungen erzwingen würde, auf
denen alle großen Kulturleistungen und alle Zivilisation beruhen
würde. Die gesichtslose Masse sei niemals in der Lage, die
Gesellschaft zu führen, sie müsse notfalls mit Gewalt niedergehalten
werden; ihre Minderwertigkeit zeige sich an ihrer gesellschaftlichen Stellung.
Dabei verfuhren die Ideologen tautologisch: Die Leute seien
minderwertig, weil sie unten seien und unten seien
sie, weil sie minderwertig seien. Diese rassistische Herleitung des
Wesens eines Menschen oder einer Menschengruppe fungiert als
Verteidigungsideologie des Bürgertums.
Mit dem Übergang in die kolonial-imperialistische Ära wird die Idee
vom Kommunismus als internationale Bewegung, die die eigene Nation
schwäche und zerstöre betont. Zugleich wird der Sozialismus als Teil
der Degenerationserscheinungen der westlichen Welt, als krankhaftes Symptom der
modernen städtischen Entwicklung verstanden. Zum Einen der Sozialismus als
pazifistische Bewegung, der dem eigenen Volk die Waffe aus der Hand schlage, in
einer Welt von Feinden, eben weil er die Wahrheit des ewigen Kampfes um
Lebensraum und Macht nicht anerkenne. Zum Anderen die Befürchtung,
Sozialismus als Aufhebung der Konkurrenz bewirke den Zerfall der Zivilisation,
die Förderung der Minderwertigen gegenüber den
Gesunden. Zum Dritten, die Vorstellung, die sozialistische
ArbeiterInnenbewegung predige den Klassenhass und entzweie damit das Volk und
mache es handlungsunfähig. Nicht nur in Deutschland verbindet sich dieser
Antikommunismus mit dem Antisemitismus: Feindliche Mächte, die im Geheimen
wirken, wollen dem Vaterland ans Leder, hier wirkt der Antikommunismus als
nationale Integrationsideologie.
Mit der Oktoberrevolution und der Errichtung der UdSSR wird Kommunismus zum
Bild für brutalen Terror, der asiatischen Bedrohung (ob es nun die Hunnen,
Mongolen oder die gelbe Gefahr ist) Europas durch Bestialität und
Umwertung aller Werte. Der Kommunismus wird zu einer mörderischen
bedrohlichen Macht, die im Dienste des Bösen, des Weltjudentums steht oder
schlicht selbst das Böseste ist. Von Moskau gelenkt, grabe und wühle
der Weltkommunismus überall und versuche durch die Weltrevolution eine
Welt des Terrors herbeizuführen. Der faschistische Antikommunismus ist
nicht bloß ein Instrument der Herrschenden um eine sozialistische
Revolution zu verhindern, wiewohl das für manchen Kapitalisten oder
Großgrundbesitzer Grund für die finanzielle Unterstützung
gewesen sein mag, er ist Teil einer Ideologie eines Weltkreuzzugs, die einen
Weltkrieg für die eigene Macht legitimiert, d.h. hier funktioniert er als
Rechtfertigung des Imperialismus. (Für die deutschen Nazis hingegen
war der Kampf gegen den Bolschewismus nur ein Teil ihres Kampfes gegen
das Weltjudentum.)
Nach dem Zweiten Weltkrieg wird der Kommunismus zum Synonym für
sowjetisches Weltmachtstreben im Regelfall ohne jüdische
Weltverschwörung. Als Teil der totalitären Bedrohung der
westlichen Demokratie wird der Kommunismus dem Faschismus gleichgesetzt, wobei
er natürlich zugleich der gefährlichere, weil noch existierende und
weltweit agierende sei. Ehemalige Faschisten und die C-Parteien haben dabei
noch in 50er Jahren durchaus die Betonung auf die Bedrohung des Abendlandes
gelegt. Hier fungiert Antikommunismus als Integrations-ideologie für
Faschisten und als Rechtfertigung des Kalten Kriegs.
Mit der Entspannungspolitik und der 68er-Bewegung wird der Kommunismus zu einem
gescheiterten Projekt, in das sich nur totalitäre
Träumer verlieben können. Die Renaissance des Marxismus(-Leninismus)
wird als Ausdruck des jugendlichen Idealismus zugelassen, zugleich aber als
irrationale Protesthaltung den Jugendsekten und Drogen gleichgesetzt, wo auch
wohlmeinende Naivlinge für finstere Zwecke eingespannt werden.
Gleichzeitig werden aber die Sozialliberalen, die diesen neuen, etwas
gelasseneren Antikommunismus predigen, des schleichenden Übergangs zum
Sozialismus bezichtigt; Demokratisierung, Emanzipation und sexuelle Revolution
werden als Taktik der KommunistInnen bei der Zerstörung der westlichen
Welt denunziert. Anfang der 70er Jahre fuhr der bürgerliche Staat einen
ambivalenten Kurs: Einerseits wurden Projekte, die durchaus ein
gesellschaftskritisches Selbstverständnis aufwiesen, gefördert
andererseits hagelte es Berufsverbote für linksradikale StaatsdienerInnen,
und das nicht nur für LehrerInnen. Schluss mit der Toleranz ist
spätestens seit Mitte der 70er Jahre, als der angelinkste Reformidealismus
nicht mehr gefragt war, und als 1977 die letzte Offensive(2) der RAF
scheiterte.
1986-89 verkleidete sich der Antikommunismus in die besorgte Betrachtung, ob
die Reformen Gorbatschows gelingen, greifen etc. Das Echo auf die Selbstkritik
(Perestroika) des Führers des Warschauer Pakts war durchweg positiv, und
nicht zu verwechseln mit dem blöden Reformidealismus von Linken, die
hofften, mit einer verwandelten Sowjetunion nunmehr auch im Westen voran zum
Sozialismus schreiten zu können.
Nach 1989 gibt es kaum mehr KommunistInnen, denn viele von denen, die sich
zuvor noch so nannten, nahmen die praktische Selbstaufgabe des
Realsozialismus sowjetischer Prägung zum Anlass, ihre theoretische
Kritik am Kapitalismus gleich mit zu beerdigen. Dass Antikommunismus trotz
dieses Siegeszugs der Marktwirtschaft auch heute noch Konjunktur hat,
äußert sich einerseits in den politischen Kampagnen der Rechten und
der politischen Selbsthygiene der Linken, welche stets darum bemüht sind,
etwaige kommunistische Töne in den eigenen Reihen möglichst schon im
Keim zu ersticken. Andererseits zeigt sich die Aktualität des
Antikommunismus in dem Engagement der Federführenden der politischen
Medienöffentlichkeit, welche sich in aller Regelmäßigkeit aufs
Neue gefordert sehen, den ideologischen Kampf gegen Kommunismus zu führen
gegen einen Kommunismus, der ihnen wohl niemals tot genug sein wird.
Ambivalenz des Arbeiters
Aus heutiger Sicht mag die Lektüre früherer antikommunistischer Werke
erstaunlich sein: Die Gleichsetzung von ArbeiterInnen und Kommunismus war in
früherer Zeit keineswegs bloß eine versponnene Theorie von Linken,
die sich über die Wirklichkeit hinwegtäuschen wollten, sondern auch
von den Gegnern akzeptierte Wirklichkeit. Auch wenn sie so absolut nie
hingehauen hat aus einer Lage erwächst nun mal kein Bewusstsein,
sondern immer nur aus der Interpretation einer Lage ist doch zu
beobachten, dass die Verteidiger der bürgerlichen Gesellschaft in den
unteren Klassen Feinde erblickten. Geschult an dieser Erfahrung, schien
KommunistInnen und SozialistInnen das Lob des deutschen Arbeiters durch die
Nazis nur als ein Fall sozialer Demagogie, das heißt, als einer neuen,
besonders hinterlistigen Taktik ihres alten Gegners, des Kapitals.
Die Linke legte sich die Gleichsetzung von Volk und Links schon
deswegen zurecht, weil sie sich für die Rechte des Volkes stark machte.
Ihre Idee war: Wir sind für das Volk, also muss das Volk für die
Linke sein. Diese Gleichsetzung wurde mit dem aufkommen
konterrevolutionärer Massenbewegungen brüchig, in der Menschen gegen
die eigene Emanzipation auf die Straße gingen. Ohne einen
Geschichtsoptimismus á la Der Sozialismus wird siegen ist die
eigenartige Blindheit der Linken, die NationalistInnen, RassistInnen und
AntisemitInnen nicht als solche erkennen, nicht zu verstehen. Wer, wie viele
Leute in den Zwanzigern und Dreißigern, den Faschismus nur als einen
temporären Aufstand der Zurückgebliebenen gegen die Zukunft begreift,
nimmt den Faschismus nicht ernst und kann ihn daher auch nicht richtig
bekämpfen.
Die Neubewertung des Volkes durch die politische Rechte hätte bei den
Linken alle Alarmglocken schrillen lassen müssen. Mit dem Bild des
sozialistischen Agitators und noch mehr des jüdischen Hintermannes, der
die eigentlich guten ArbeiterInnen aufhetzt, beginnt die Aufspaltung des Bildes
des Arbeiters in das des guten produktiven Arbeiters und das des bösen
streikenden Proleten.
Diese ambivalente Sicht auf die Arbeiterklasse hat durchaus ihren tieferen
Sinn: ArbeiterInnen sind im Produktionsprozess Notwendigkeit und Problem
zugleich. Sie sind jene Klasse, die den Reichtum schafft, der auch ihre Armut
produziert, und das lieben die Faschisten an ihnen: Das selbstlose Opfer, den
Dienst am Volke in der Produktionsschlacht, der genügsame Stolz auf die
Produkte der eigenen Anstrengungen, ohne dass mensch selbst etwas von ihnen
hätte. Eben jene geheime Qualität der Ware Arbeitskraft, mehr
Wert zu schaffen; die notwendige Bereitschaft der Arbeitskraftbesitzer sich zum
Mittel zu machen, ohne allzu viel davon zu haben; und schließlich jene
psychischen Leistungen, die dem eigenen unerfreulichen Leben seinen
höheren Sinn geben: Der Stolz, arm, aber ehrlich zu sein, der Hass auf den
Luxus, die quasi-militärische Disziplin der damaligen Fabrikarbeit. Die
andere Seite des Arbeiters aber ist die aus seiner Rolle erwachsende Macht
Mann der Arbeit aufgewacht, und erkenne Deine Macht. Alle
Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will, dichtete damals die
ArbeiterInnenbewegung. Dazu kam die damals durchaus verbreitete Verachtung
für die feindliche bürgerliche Welt, ihre Moral und ihre Kultur; der
Hass auf jene Verhältnisse, die alles wirklich Interessante einem/r
vorenthalten. Die ArbeiterInnen sind im Kapitalismus an ein entgegengesetztes
Interesse gefesselt, und die Aufspaltung des ArbeiterInnenbildes reflektiert
genau dies: Die Angewiesenheit auf die Verhältnisse als das affirmative
Bild des blonden, muskelstrotzenden Arbeiters der Faust, den Gegensatz zum
kapitalistischen Interesse als die hassverzerrte Karikatur des verkommenen,
roten Proleten.
Der Antikommunismus ist die Ehrenrettung der deutschen ArbeiterInnen, der es
erlaubt, dieser Klasse ihre sozialistische Bewegungsform zu verzeihen. Fast
genauso formuliert es Hitler auch, wenn er den Grund für den Erfolg der
sozialistischen ArbeiterInnenbewegung in der Ausnutzung des Elends der
ArbeiterInnen durch jüdische AgitatorInnen sieht. Dies macht die
Schlagkraft des Nationalsozialismus und Faschismus im Gegensatz zu den
damaligen Konservativen, Jungkonservativen und Volkskonservativen aus: Die
FaschistInnen halten das Volk nicht per se für minderwertig, ihrem Konzept
eines Herrenvolks von Untertänigen liegt ein ganz ernst gemeintes Lob des
Volkes zugrunde. Die Feindschaft gegenüber dem Volk ist dem Misstrauen in
seine Fähigkeit, die roten VerführerInnen zu durchschauen, gewichen.
Die bürgerliche Gesellschaft kann auf Dauer nicht darauf beruhen, dass die
eine Klasse die andere unterdrückt. Sie braucht die nationale Integration
aller, weil bürgerliche Verhältnisse auf der Herrschaft des Volkes
über das Volk beruhen, auf der Unterwerfung der Menschen unter die von
ihnen selbst geschaffenen Verhältnisse. Eine demokratische Gesellschaft
und ihre erfolgreiche Verknüpfung von Kapital und Arbeit ist politisch
stabiler und ökonomisch effektiver als die offene Klassenherrschaft des
19. Jahrhunderts. Sie erteilt allen gleichermaßen die Freiheit zur
Teilnahme an der Konkurrenz und unterwirft sie so deren Ergebnissen.
Dieser historische Schritt, die Modernisierung der Antikommunismus, ist der
eigentlich qualitative Sprung: Die Entdeckung des Volks durch die politische
Rechte und seine Einbindung in das nationale Projekt.
Zerstörung der Welt
Die sozialdarwinistische Vorstellung des Konkurrenzkampfes von Individuen,
Völkern, Rassen als naturnotwendige Selektion, als Voraussetzung für
Entwicklung wichtiger Tugenden, als Verhinderung von Entartung und
Degeneration, war eine pseudowissenschaftliche Gegenhaltung zum
evolutionären Sozialismusbegriff der ArbeiterInnenbewegung. Populär
sind solche Vorstellungen z.B. durch Ideen wie Dann arbeitet doch keiner
mehr, wenn allen alles gehört, dann strengt sich doch keiner mehr
an, wenn alle nur nach Genuss streben, wird doch alles verjuxt. Diese
Vorstellungen projizieren die gesellschaftliche Realität des Kapitalismus
in das Wesen des Menschen. Die Durchschlagskraft solcher Vorstellungen
sollte mensch nicht unterschätzen, schon weil sie auf reale Erfahrungen
zurückgreift, die sie zu bestätigen scheinen. Tatsächlich
bemühen sich SchülerInnen möglichst wenig zu arbeiten, mit
öffentlichem Eigentum wird rabiat umgegangen, Menschen verhalten sich
unvernünftig. Oft mag es sogar so erscheinen, als ob allein die
Rationalität des Marktes und die harte Drohung von Armut und Untergang
allein den eigentlich ziemlich unvernünftigen Menschen zur Vernunft
zwingt. Freilich ist es eine eigentümliche Verarbeitung gesellschaftlicher
Realität die da geschieht, weil weder der demolierten Telefonzelle, dem
Krankmachen auf der Arbeit oder dem durchgeknallten Liebhaber das Wesen des
Menschen anzusehen ist, sondern nur der Umgang bürgerlicher
Konkurrenzsubjekte mit eben jener Welt, in der sie leben. Gegen die schlichte
Frage, warum Menschen nicht in der Lage sein sollten, ihre Gesellschaft
vernünftig einzurichten, ihre Bedürfnisse nach einem gemeinsamen Plan
zu befriedigen, und mit den unterschiedlichen, vielleicht hin und wieder sogar
tatsächlich entgegengesetzten Interessen umzugehen, wird eben nur der
bürgerliche Blödsinn von der Natur des Menschen präsentiert
(siehe Zitate weiter unten).
Zusätzlich kommt noch das Argument, dass es die ewige Knappheit an
Gütern sei, die das Gegeneinander der Menschen erzwingt bzw.
avancierter: weil der endlichen Menge an Gütern die angeblich unendlichen
Bedürfnisse des Menschen gegenüber stünden. Außerdem folgt
noch die Warnung, dass im Überfluss alles versinkt. Über diesen
Glaubenssatz darf mensch nicht lange nachdenken, um ihn zu glauben. Also: Der
Mensch ist nicht so, die Welt sowieso nicht, und das ist auch ganz gut so, weil
sonst die Welt unterginge. Auch wenn die folgende kleine Zitatenauswahl etwas
altbacken wirkt sie ist es nicht.(3)
Monarchistisch-konservativ