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Aktuelles Heft

INHALT #171

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Editorial
• das erste: K.I.Z. zum Ersten
• das erste: K.I.Z. zum Zweiten
Masta Ace & Edo G: Der Tag-Team Abend!
A MOUNTAIN OF ONE
THE GIFT
Oi! The Meeting 2010 – warm up show
Oh my „SIR“ Rodigan – can't wait to see you rock again ...
Ohrbooten
When the bass gets connected...
Hot Christmas Hip Hop Lounge
Edge - the movie
Mr. Symarip (aka Roy Ellis)
New Moon over Europe Tour 2009
Muff Potter
The Adicts
Trip Fontaine, Patsy o' Hara
MITTE02: Dixon, Sevensol
Snowshower
Conne Island NYE clash
Veranstaltungsanzeigen
• review-corner buch: Den Deutschen ins Stammbuch geschrieben...
• review-corner buch: „Nur nicht heute Abend lass uns die Worte finden“
• review-corner film: Über den Pfad der Tugend und sein Ergebnis
• cyber-report: Offene Springquellen des Reichtums
• interview: „Revolutionen haben den Vorteil, daß man sie nicht prognostizieren kann“
• ABC: K wie Klassenkampf
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• das letzte: Wer hat uns verraten?

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K.I.Z. zum Zweiten

Wenn man sich kritisch gegenüber K.I.Z. äußert, wird einem entweder unterstellt, man wäre humor- und/oder ironieresistent, hätte keine Ahnung vom Rap-Biz und würde die Nachrichten zwischen den Zeilen nicht lesen können. Oder man sei einfach nur Feministin (also ohnehin Spaßverderberin).
Wer es nicht cool findet, dass „übertriebener“ Sexismus, „übertriebene“ Gewaltphantasien oder „übertriebenes“ Machogehabe Mittel sind, selbst um irgendetwas durch Übertreibung zum Einsturz zu bringen, wie in diesem Fall das langweilige, ätzende und sich ohnhehin selbst totlaufende Genre Deutschrap, wird schnell in eine politisch-überkorrekte Ecke gestellt und darf dann zusehen, wie gute Argumente und das Einstehen für gewisse Werte (z.B. verbale Gewalt gegen Frauen scheiße zu finden) in der Aufforderung, sich mitreißen zu lassen und es witzig zu finden, den Berg runtergehen, als hätte es in der hiesigen linken Szene nie einen Minimalkonsens gegeben.

Also, zurück zum Anfang. Das Album „Sexismus gegen Rechts“ wurde schon aufgrund seines raffinierten, ironischen Titels gelobt. Jeder kriegt sein Fett weg, klar, und dumm sind die als „Prolls“ bezeichneten Neuköllner wohl wider Erwarten auch nicht. So richtig erklären konnte von den MusikfeuilletonistInnen, die beweisen wollten, wie unverkrampft und jugendaffin sie sind, den Albumtitel zwar keiner, aber den Mythos, das wäre irgendwie raffiniert, streuten die meisten: „Zugegeben, man braucht dazu etwas Humor.“(3) Humor? Um trotzdem lachen zu können?

Auf die Idee, dass mit diesem Titel keine Verarsche von Sexismus oder Rechten betrieben werden sollte, sondern vielleicht alle möglichen Projekte und Initiativen mit dem Titel „x gegen Rechts“ (x ist bspw. Zivilcourage, Bildung oder Mut...) gedisst werden, kam niemand. Stattdessen wurde den Jungs unterstellt, sie kämen aus einer sexistischen und homophoben Gesellschaft und dem noch übleren Buisness des deutschen Porno-Rap und hätten sich deshalb mit dem Thema Sexismus auseinandersetzen müssen. Wenn sie jetzt Frauen als „Fotze“, „Hure“ oder „Drecksau“ bezeichnen, geschehe das also auf einer höheren Reflexionsebene und man darf da durchaus herzlich drüber lachen oder gar mitgrölen.

Natürlich ist die Prämisse schon Schwachsinn. Wieso sollten junge Männer, die immer schon problemlos öffentlich Frauen beleidigen durften, ihre Gewalt-Sex-Phantasien vertonen(4) konnten und dafür gefeiert wurden, sich mit Sexismus auseinandersetzen müssen? Und die Folgerung ist ebenso absurd: Beleidigungen zuzuschreiben, sie würden zu kritischen Auseinandersetzungen führen, durch Ironisierung und Übertreibung eine Diskussion auslösen und auch noch selbstkritisch sein, ist schon sehr naiv. Funktionieren kann das nur, wenn das Gegenüber mitmacht, die eigene Rolle auch zur Disposition stellt – im Rahmen von Sexismus und Homophobie wäre das allerdings nicht besonders wünschenswert. Solche Ideologien schließen ein affirmatives Mitmachen aus. Soll etwa ein Schwuler die Tucke spielen, um dann homophob im Rahmen eines „ironischen“ Schwulenwitzes angemacht zu werden? Und – what the fuck – soll damit gezeigt werden? Dass es Diskriminierung gibt? Es wird offenbar, dass hier nur etwas schlimmer gemacht werden kann. Möglicherweise eignen sich diese Themen nicht besonders gut, um anhand von Ironie oder Subtilität kritisch angegangen zu werden. Ich frage mich, da ich nicht am 17.11. im Conne Island war, ob auch der Song „Spasst“ gespielt wurde, in dem es heißt: „Leih' mir deine Frau aus, dann wird wenigstens dein Sohn kein Spasst“.
Es reicht für eine Rechtfertigung auch nicht, dass in den Gewaltphantasien von K.I.Z. nicht nur Frauen, sondern auch Männer passiver Part sind. Es reicht auch nicht, zwei sich küssende Jungs im Musikvideo zu zeigen und ein paar Textzeilen zur Kritik am eigenen Genre einzuflechten. Das ist nichts Neues und im Rap auch absolut nicht unüblich. Seltsam nur, dass es auf einmal so dargestellt wird, als hätte K.I.Z. diese Selbstreferenz erfunden oder würde damit eine ganz neue Tür im Biz öffnen. Es wirkt fast, als hätte man es hier mit einer vom Überraschungseffekt geblendeten Musikliebhaberszene zu tun: da gibt es die eben genannten Elemente, und – wow – nicht nur Frauen werden gedemütigt, hier wird offen Homosexualität gezeigt – und dankbar schütteln Bildungsbürger, Preisverleiher, Arte-Fans und Musiksender den „Prolls“ die Hand dafür, dass sie nicht ganz so prollig sind, wie erwartet.

Man spricht sogar von überraschender Wortgewandheit und Intelligenz – ganz, als hätte das bürgerliche Musikfeuilleton einen Eingeborenenstamm im Urwald entdeckt und als wäre es nun völlig von den Socken, dass auch diese „Wilden“ eine Sprache haben. Dass nicht jeder, der aus Neukölln (ihr wisst schon, der Stadtteil, über den jede/r alternativ denkende Zeitungsleser gerade redet) kommt, ein Proll ist, scheint so faszinierend zu sein, dass die Ansprüche, die man an seine nicht vorverurteilten Mitmenschen hat, vor K.I.Z. dahinschmelzen wie Eis in der Sonne.
Im Text zu „Neuruppin“ suhlen sich K.I.Z. in Gewaltphantasien á la Zerstückeln, Fesseln, Frauen ausstopfen. Zugegeben, die Strategie, so überdrehten Mist über Mord, Folter und Vergewaltigung zu erzählen, dass es absurd wird, funktioniert schon. Es wird absurd. Aber mehr auch nicht. Beim besten Willen kann ich dem nichts Parodierendes abgewinnen, zumal das Sozialverhalten der jungen Männer, wie ein Bekannter, der mit diesen nachts zusammengestoßen ist, berichten konnte, nicht gerade frei von tatsächlicher Gewaltaffinitität ist. Ob es sich hier um method acting handelt oder ob diese Band was sie da textet ernst meint oder nicht, ist erstmal egal – verurteilen kann ich das so, wie es sich mir darbietet.

Dass K.I.Z. Rampensäue sind(5) und die sonst angeblich eher gelangweilten Rapfans zum Tanzen anheizen, ist, wenn man bedenkt, mit welchem Inhalt das geschieht, eher ein bedrohliches als ein anziehendes Szenario: „Ich will ein Fick, sperr die Kinder ins Bad/eine Pille ins Glas, ihr freier Wille im Arsch/danach strahlt sie mich an, ich strahle zurück/ich habe ihr den Brennstabdildo in ihren Anus gedrückt“(6). Sehr komisch.
Indem man K.I.Z. verteidigt, kann man beweisen: he, ich bin nicht so verkrampft, ich lache auch gern mal über nen sexistischen Witz, kein Problem. So politisch korrekt oder gar feministisch bin ich nicht. Neben den üblichen Sexisten ist das traurigerweise auch für manche Frauen attraktiv. Endlich wird mal nicht in eine Ecke gedrängt, wer Sexismus oder verbale Gewalt gegen Frauen ankreidet. Alle, die sich als Feministinnen damit verteidigen wollten oder mussten, trotzdem sexy zu sein, bekommen von K.I.Z. eine Gelegenheit geliefert, sich einmal auf die sichere Seite zu schlagen. Danke, Ironie!

In einer Szene, in der es offenbar chic ist, die ein oder andere Ideologie gar nicht so ernst zu nehmen, beantwortet sich die Frage, wie K.I.Z. ins Conne Island geraten sind, von allein.
Und damit mich niemand falsch versteht: die ganze Aufmerksamkeit verdient diese Crew, die lediglich ein Genre und das dazugehörige Publikum bedient, gar nicht. Aber diejenigen, die glauben, K.I.Z. gegen scheinbare political correctness verteiden zu müssen, verdienen Aufmerksamkeit. Und das sind in der leipziger Szene nicht wenige gewesen.

Marianne Pabst

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Anmerkungen

(1) Kommentar eines Youtube-Users zum K.I.Z. Song „Ohrfeige“, Rechtschreibung im Original.

(2) http://www.wiseup.de/html/artikel-kiz.html

(3) Letzter Satz der Einleitung zum grauenhaften Artikel von Bianca Ludewig, a.a.O.

(4) Die Zusammenarbeit der Crew mit dem Rapper Frauenarzt spricht Bände. Ein Beispiel sei der Auszug aus dem Frauenarzt-Song Hure: „Hure, Hure was hast du getan/Eine Hure mit Schwanz, du ekelst mich an/Du leckst Eier für einen Plattenvertrag/Bekommst du es Arsch wird deine Latte erst hart/Du bist eine Hure, ich häng nicht mit einer Hure ab/Das ist der Grund warum ich nichts mit dir zu tun hab/Du Opfer, verdreh nicht immer die Wahrheit“.

(5) So der Musikbericht auf http://www.fr-online.de: „Aber auch in biederen Konzertsälen sind die überzeugten Rampensäue in der Lage, selbst traditionell von der eigenen Coolness gelangweilte Rap-Fans in eine brodelnde, Pogo tanzende Masse zu verwandeln. Dazu bedienen sich K.I.Z. nicht zuletzt Refrains, die zum Mitsingen prima geeignet sind. Dieses Arsenal wird auf ‚Sexismus gegen Rechts’ um weitere griffige Formulierungen erweitert: Demnächst dürften Minderjährige landauf landab begeistert ‚Lass die Sau raus!’ oder ‚Ich will töten’ im Chor kreischen“.

(6) Auszug aus dem Song „Glückskeks“.

 

23.11.2009
Conne Island, Koburger Str. 3, 04277 Leipzig
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