K.I.Z. zum Zweiten
KIZ hat den deutschrap wieder zum leben erweckt [...] nicht so ein Dreck
wie EKO Fresh oder so. einfach kompromisslos Assozial, nicht so möchtegern
gangster.(1)
Ficken und Boxen bis man Kotzen muss, das ist der Weg der postmodernen
Unterwanderung(2) Maxim von K.I.Z.
Wenn man sich kritisch gegenüber K.I.Z. äußert, wird einem
entweder unterstellt, man wäre humor- und/oder ironieresistent, hätte
keine Ahnung vom Rap-Biz und würde die Nachrichten zwischen den Zeilen
nicht lesen können. Oder man sei einfach nur Feministin (also ohnehin
Spaßverderberin).
Wer es nicht cool findet, dass übertriebener Sexismus,
übertriebene Gewaltphantasien oder übertriebenes
Machogehabe Mittel sind, selbst um irgendetwas durch Übertreibung zum
Einsturz zu bringen, wie in diesem Fall das langweilige, ätzende und sich
ohnhehin selbst totlaufende Genre Deutschrap, wird schnell in eine
politisch-überkorrekte Ecke gestellt und darf dann zusehen, wie gute
Argumente und das Einstehen für gewisse Werte (z.B. verbale Gewalt gegen
Frauen scheiße zu finden) in der Aufforderung, sich mitreißen zu
lassen und es witzig zu finden, den Berg runtergehen, als hätte es in der
hiesigen linken Szene nie einen Minimalkonsens gegeben.
Also, zurück zum Anfang. Das Album Sexismus gegen Rechts wurde
schon aufgrund seines raffinierten, ironischen Titels gelobt. Jeder kriegt sein
Fett weg, klar, und dumm sind die als Prolls bezeichneten
Neuköllner wohl wider Erwarten auch nicht. So richtig erklären konnte
von den MusikfeuilletonistInnen, die beweisen wollten, wie unverkrampft und
jugendaffin sie sind, den Albumtitel zwar keiner, aber den Mythos, das
wäre irgendwie raffiniert, streuten die meisten: Zugegeben, man
braucht dazu etwas Humor.
(3) Humor? Um trotzdem lachen zu können?
Auf die Idee, dass mit diesem Titel keine Verarsche von Sexismus oder Rechten
betrieben werden sollte, sondern vielleicht alle möglichen Projekte und
Initiativen mit dem Titel x gegen Rechts (x ist bspw. Zivilcourage,
Bildung oder Mut...) gedisst werden, kam niemand. Stattdessen wurde den Jungs
unterstellt, sie kämen aus einer sexistischen und homophoben Gesellschaft
und dem noch übleren Buisness des deutschen Porno-Rap und hätten sich
deshalb mit dem Thema Sexismus auseinandersetzen müssen. Wenn sie jetzt
Frauen als Fotze, Hure oder Drecksau bezeichnen, geschehe
das also auf einer höheren Reflexionsebene und man darf da durchaus
herzlich drüber lachen oder gar mitgrölen.
Natürlich ist die Prämisse schon Schwachsinn. Wieso sollten junge
Männer, die immer schon problemlos öffentlich Frauen beleidigen
durften, ihre Gewalt-Sex-Phantasien vertonen
(4) konnten und dafür gefeiert
wurden, sich mit Sexismus auseinandersetzen müssen? Und die Folgerung ist
ebenso absurd: Beleidigungen zuzuschreiben, sie würden zu kritischen
Auseinandersetzungen führen, durch Ironisierung und Übertreibung eine
Diskussion auslösen und auch noch selbstkritisch sein, ist schon sehr
naiv. Funktionieren kann das nur, wenn das Gegenüber mitmacht, die eigene
Rolle auch zur Disposition stellt im Rahmen von Sexismus und Homophobie
wäre das allerdings nicht besonders wünschenswert. Solche Ideologien
schließen ein affirmatives Mitmachen aus. Soll etwa ein Schwuler die
Tucke spielen, um dann homophob im Rahmen eines ironischen
Schwulenwitzes angemacht zu werden? Und what the fuck soll damit
gezeigt werden? Dass es Diskriminierung gibt? Es wird offenbar, dass hier nur
etwas schlimmer gemacht werden kann. Möglicherweise eignen sich diese
Themen nicht besonders gut, um anhand von Ironie oder Subtilität kritisch
angegangen zu werden. Ich frage mich, da ich nicht am 17.11. im Conne Island
war, ob auch der Song Spasst gespielt wurde, in dem es heißt:
Leih' mir deine Frau aus, dann wird wenigstens dein Sohn kein Spasst.
Es reicht für eine Rechtfertigung auch nicht, dass in den Gewaltphantasien
von K.I.Z. nicht nur Frauen, sondern auch Männer passiver Part sind. Es
reicht auch nicht, zwei sich küssende Jungs im Musikvideo zu zeigen und
ein paar Textzeilen zur Kritik am eigenen Genre einzuflechten. Das ist nichts
Neues und im Rap auch absolut nicht unüblich. Seltsam nur, dass es auf
einmal so dargestellt wird, als hätte K.I.Z. diese Selbstreferenz erfunden
oder würde damit eine ganz neue Tür im Biz öffnen. Es wirkt
fast, als hätte man es hier mit einer vom Überraschungseffekt
geblendeten Musikliebhaberszene zu tun: da gibt es die eben genannten Elemente,
und wow nicht nur Frauen werden gedemütigt, hier wird offen
Homosexualität gezeigt und dankbar schütteln
Bildungsbürger, Preisverleiher, Arte-Fans und Musiksender den
Prolls die Hand dafür, dass sie nicht ganz so prollig sind, wie
erwartet.
Man spricht sogar von überraschender Wortgewandheit und Intelligenz
ganz, als hätte das bürgerliche Musikfeuilleton einen
Eingeborenenstamm im Urwald entdeckt und als wäre es nun völlig von
den Socken, dass auch diese Wilden eine Sprache haben. Dass nicht jeder,
der aus Neukölln (ihr wisst schon, der Stadtteil, über den jede/r
alternativ denkende Zeitungsleser gerade redet) kommt, ein Proll ist, scheint
so faszinierend zu sein, dass die Ansprüche, die man an seine nicht
vorverurteilten Mitmenschen hat, vor K.I.Z. dahinschmelzen wie Eis in der
Sonne.
Im Text zu Neuruppin suhlen sich K.I.Z. in Gewaltphantasien á la
Zerstückeln, Fesseln, Frauen ausstopfen. Zugegeben, die Strategie, so
überdrehten Mist über Mord, Folter und Vergewaltigung zu
erzählen, dass es absurd wird, funktioniert schon. Es wird absurd. Aber
mehr auch nicht. Beim besten Willen kann ich dem nichts Parodierendes
abgewinnen, zumal das Sozialverhalten der jungen Männer, wie ein
Bekannter, der mit diesen nachts zusammengestoßen ist, berichten konnte,
nicht gerade frei von tatsächlicher Gewaltaffinitität ist. Ob es sich
hier um method acting handelt oder ob diese Band was sie da textet ernst meint
oder nicht, ist erstmal egal verurteilen kann ich das so, wie es sich
mir darbietet.
Dass K.I.Z. Rampensäue sind
(5) und die sonst angeblich eher gelangweilten
Rapfans zum Tanzen anheizen, ist, wenn man bedenkt, mit welchem Inhalt das
geschieht, eher ein bedrohliches als ein anziehendes Szenario: Ich will
ein Fick, sperr die Kinder ins Bad/eine Pille ins Glas, ihr freier Wille im
Arsch/danach strahlt sie mich an, ich strahle zurück/ich habe ihr den
Brennstabdildo in ihren Anus gedrückt
(6). Sehr komisch.
Indem man K.I.Z. verteidigt, kann man beweisen: he, ich bin nicht so
verkrampft, ich lache auch gern mal über nen sexistischen Witz, kein
Problem. So politisch korrekt oder gar feministisch bin ich nicht. Neben den
üblichen Sexisten ist das traurigerweise auch für manche Frauen
attraktiv. Endlich wird mal nicht in eine Ecke gedrängt, wer Sexismus oder
verbale Gewalt gegen Frauen ankreidet. Alle, die sich als Feministinnen damit
verteidigen wollten oder mussten, trotzdem sexy zu sein, bekommen von K.I.Z.
eine Gelegenheit geliefert, sich einmal auf die sichere Seite zu schlagen.
Danke, Ironie!
In einer Szene, in der es offenbar chic ist, die ein oder andere Ideologie gar
nicht so ernst zu nehmen, beantwortet sich die Frage, wie K.I.Z. ins Conne
Island geraten sind, von allein.
Und damit mich niemand falsch versteht: die ganze Aufmerksamkeit verdient diese
Crew, die lediglich ein Genre und das dazugehörige Publikum bedient, gar
nicht. Aber diejenigen, die glauben, K.I.Z. gegen scheinbare political
correctness verteiden zu müssen, verdienen Aufmerksamkeit. Und das sind in
der leipziger Szene nicht wenige gewesen.
Marianne Pabst
Anmerkungen
(1) Kommentar eines Youtube-Users zum K.I.Z. Song Ohrfeige,
Rechtschreibung im Original.
(2) http://www.wiseup.de/html/artikel-kiz.html
(3) Letzter Satz der Einleitung zum grauenhaften Artikel von Bianca Ludewig,
a.a.O.
(4) Die Zusammenarbeit der Crew mit dem Rapper Frauenarzt spricht Bände.
Ein Beispiel sei der Auszug aus dem Frauenarzt-Song Hure: Hure, Hure was
hast du getan/Eine Hure mit Schwanz, du ekelst mich an/Du leckst Eier für
einen Plattenvertrag/Bekommst du es Arsch wird deine Latte erst hart/Du bist
eine Hure, ich häng nicht mit einer Hure ab/Das ist der Grund warum ich
nichts mit dir zu tun hab/Du Opfer, verdreh nicht immer die Wahrheit.
(5) So der Musikbericht auf
http://www.fr-online.de: Aber auch in biederen
Konzertsälen sind die überzeugten Rampensäue in der Lage, selbst
traditionell von der eigenen Coolness gelangweilte Rap-Fans in eine brodelnde,
Pogo tanzende Masse zu verwandeln. Dazu bedienen sich K.I.Z. nicht zuletzt
Refrains, die zum Mitsingen prima geeignet sind. Dieses Arsenal wird auf
Sexismus gegen Rechts um weitere griffige Formulierungen erweitert:
Demnächst dürften Minderjährige landauf landab begeistert
Lass die Sau raus! oder Ich will töten im Chor kreischen.
(6) Auszug aus dem Song Glückskeks.