Post aus Honolulu
Oder die Frage, wie es um deinen Lieblingsladen steht?
Jährlich treffen sich die BetreiberInnen des Conne Islands für ein
Wochenende zur Klausur außerhalb der regelmäßigen
Montagsplena. Das Treffen dient dazu, zurückliegende Diskussionen
auszuwerten, aktuelle Probleme zu benennen und zukunftsweisende Fragestellungen
zu formulieren bzw. diesbezüglich Beschlüsse zu fällen. Im
Allgemeinen wird also die verstrichene Saison betrachtet und der kommenden die
Grundlage geebnet. Und wie die letzten Jahre auch erwies sich die beschauliche
Pazifikinselkette Hawaii als prädestinierter Ort, um die angesetzten
Streitpunkte auszufechten und die Spende zur Bildungsoffensive
(1) in den
Bars von Honolulu umzusetzen.
Der folgende Bericht will zum einen die geführten Diskussionen
nachzeichnen, zum anderen einen Ausblick auf die nächsten Jahre im Conne
Island geben. Außerdem können Außenstehende so einen kurzen
Überblick über das Funktionieren des Conne Islands erlangen. Ganz
klar kann dem Bericht eines vorangestellt werden: Die Zukunft des Ladens
hängt in aller erster Linie vom ehrenamtlichen Engagement der
BetreiberInnen und des Umfelds ab.
(2) Nichts ist im letzen Jahr deutlicher
geworden als die Unabdinglichkeit des Konzeptes Ehrenamt und
Eigeninitiative.
Ehrenamt, Plenum und Eigeninitiative
Für das Conne Island ist es wohl die essentiellste Frage
überhaupt: Wie kann das Konzept der Ehrenamtlichkeit trotz schärfer
werdender gesellschaftlicher Bedingungen aufrechterhalten, bzw. angepasst
werden? Eine Antwort darauf musste bisher auf Grund fehlender Alternativen
ausbleiben, wird aber in Zukunft gefunden werden müssen. Bolognareform
sprich die Einführung verschulter Universitätsbedingungen
und staatlicher Arbeitszwang lassen das Zeitfenster für Engagement
im Conne Islands spürbar schrumpfen. Es bleibt aber auch zu fragen, ob
diese ständig formulierte Feststellung tatsächlich der entschiedene
Grund für das hinkende Alltagsgeschäft und die fehlende
Initiativkraft für (kultur)politische Projekte im Conne Island ist. Diese
kritische Frage wendet sich sowohl nach innen als auch an den subkulturelle und
politische Resonanzkörper des Conne Islands. Gerade jüngeren Leuten
im Dunstkreis des Conne Island fehlt zunehmend die Dynamik und das
Verantwortungsbewusstsein, Diskussionsprozesse anzukurbeln, mitzugestalten und
in praktikable Konsequenzen münden zu lassen. Dies wird besonders beim
Plenumsverhalten, welches selten über physische Anwesenheit junger Leute
hinausgeht, deutlich. Dabei bietet das Plenum und das Conne Island an sich die
seltene Möglichkeit, eigene Ideen, Gedankengänge und Projekte zu
verwirklichen und an der Insel Conne Island mitzufeilen, um im
gänzlich Falschen doch das etwas weniger Falsche zu suchen.
(3) Mit
Sicherheit hängt das defensive Verhalten der jungen SympathisantInnen des
Ladens (auf welcher Ebene auch immer: politisches Selbstverständnis,
subkulturelles Wirken oder schlichtes Alltagsgeschäft) auch mit den
autoritären Strukturen des Conne Islands zusammen. Um diesen Umstand
entgegen zu steuern, soll die Struktur des Plenums durch kleine Änderungen
verbessert werden. Klar ist aber auch, dass eine Lösung in aller erster
Linie vom Mut junger/neuer Leute abhängt, den autoritär
geprägten Conne Island-Klüngel zu durchbrechen und diesem
kräftig einzuheizen. Das richtige Instrument dafür ist und bleibt das
Plenum: Alle wichtigen Entscheidungen werden durch das Conne Island-Plenum
diskutiert und durch einen gemeinsam gesuchten Konsens gefällt. Es sind
demnach alle BesucherInnen, BetreiberInnen und SympathisantInnen aufgefordert,
das Conne Island (wieder vermehrt) durch ihre Plenumsteilnahme
mitzuprägen, Initiativen einzubringen und Kritik zu formulieren.
Das Politische bestimmt das Kulturelle
Dieser Leitsatz des Conne Islands wurde in der verstrichenen Saison
mehrfach auf eine harte Probe gestellt und liest sich heute eher wie eine
Maximalforderung an der sich orientiert wird, als eine Realitätsbekundung.
Die veränderten kulturellen Bedingungen, welche sich eigentlich eher
zugespitzt als verändert haben, und die totalitäre Kulturindustrie
formulieren heute mehr den je: Das Finanzielle bestimmt das Kulturelle. Dies
auch, weil Bands heutzutage mehr vom Konzertalltag leben als vom
Tonträgerverkauf, was automatisch höhere Gagenforderungen nach sich
zieht. Während die Bands früher auf Tour gingen, um ihre neue Platte
zu promoten, spielen sie heute eine CD ein, um ihre Tour zu bewerben.
Das kulturelle Angebot in Leipzig ist in der Breite enorm gewachsen, was sich
in der Eröffnung vieler neuer Locations als Konkurrenz für das Conne
Island niederschlägt. Gerade auf dem Pop- und Indiesektor ist das Conne
Island nur noch eine von vielen kulturellen Speerspitzen in Leipzigs
Kulturlandschaft. Diese Feststellung, die z.T. auch für elektronische
Tanzmusik zutrifft, wird das Conne Island allerdings nicht zurückwerfen,
sondern vielmehr dazu anspornen, das kulturelle Level hoch zu halten. Damit
einher geht auch das Bestreben, zukünftig offener für neue Ideen und
Ansätze zu sein. Die Genres HipHop, Hardcore und Oi-Musik haben es zwar in
Punkto Konkurrenz etwas leichter, nicht aber in Sachen Wirtschaftlichkeit.
Besonders das Umsetzen von HipHop-Konzerten ist meist nur mit hohen
Eintrittsgeldern gegenzufinanzieren, hat aber in Leipzig
Exklusivitätscharakter und so wird sich auch weiterhin die Elite des
internationalen HipHops im Conne Island die Klinke in die Hand geben. Hardcore
bleibt trotz extremer Durchkommerzialisierung eines der wichtigsten Standbeine
des Ladens, auch weil es wohl das politischste Musikgenre am Conne Island ist
und bleiben wird.
(4) Dass sich Kommerzialisierung und Politisierung von
Subkulturen nicht gegenseitig ausschließen, zeigt wie sehr Subkulturen
eben keine Nischenprodukte sind, sondern Teil der Kulturindustrie und sich
dieser nicht entziehen können und wollen. Eine Erkenntnis, der sich nun
auch die letzen vom Nischen-Konzept überzeugten Subkultur-Heinis nicht
mehr verweigern dürften.
Die spektakulärste kulturpolitische Diskussion der nahen Vergangenheit
strickte sich um die Oi!-Band
Stomper 98. Warum das Conne Island
Oi!-Konzerte macht und wie die Diskussion um die genannte Band geführt
wurde, kann auf unserer Internetseite und im CEE IEH nachgeschlagen werden.
(5)
Im Allgemeinen lässt sich am Genre Oi!-Musik am deutlichsten zeigen, wie
das Conne Island versuchen will, über Musik in die einzelnen Subkulturen
hineinzuwirken. Dabei wird bei Oi! nicht wie oft fälschlicherweise
angenommen ein Auge mehr zugedrückt als bei anderen Musikbands,
vielmehr sind die Anforderungen an Oi!-Bands teilweise härter als z.B. bei
dem ein oder anderen HipHop-Act. Wer sich an einer kritischen Diskussion
über Subkulturen wie z.B. Oi!, wie auch über jede andere im Conne
Island laufende Szenerie beteiligen will oder Vorwürfe gegen diverse Bands
vortragen möchte, ist dringend eingeladen und aufgefordert dies im Plenum
zu tun. Dieses Diskussionsangebot besteht seit je her und wird an dieser Stelle
erneut betont. Jede weniger ernst gemeinte und schwammig formulierte
Kritik wird keinen Einfluss auf die Konzertkultur des Conne Islands
ausüben und ist in der
Leipziger Rundschau oder bei
Indymedia am richtigen Platz. Ebenso sind aber auch die ProtagonistInnen
der einzelnen Subkulturen angehalten, ihre Szene kritisch zu beleuchten und
politische Missstände anzuprangern, denn ein Ausbleiben dessen raubt dem
Konzept Subkultur auch den letzten Funken an kritischem Potential.
Das Ungleichgewicht der Geschlechter beheben!
Das Conne Island versucht auf den verschiedensten Ebenen seien es
politische Diskussionsabende, Debatten im Newsflyer/Radio oder neue Musiktrends
unglaublich progressiv zu sein. Mit Hinblick auf die
Geschlechterverhältnisse ist das Conne Island aber selbst gemessen
an formaljuristischen Standards meilenweit von Progressivität
entfernt. Jede Drogeriekette, jedes Kohlekraftwerk und jedes Parlament
Westeuropas sind in Sachen Gender fortschrittlicher als der überwiegend
von Männerseilschaften dominierte Eiskeller. Diese Selbstkritik zu
formulieren, hat lange gebraucht und das Conne Island steht im
Diskussionsprozess um Konsequenzen aus dieser Erkenntnis noch ganz am Anfang.
Die Dominanz von Männlichkeit umfasst, wie leicht festzustellen, fast alle
Bereiche des Ladens: Bei 75% unserer Musikveranstaltungen stehen
ausschließlich Männer auf der Bühne, die fast immer von
Männern ins Conne Island geholt werden, mehr als die Hälfte der
Anstellungen im Conne Island werden von Männern ausgefüllt (mal vom
Anteil der unentgeltlich im Conne Island aktiven Frauen ganz zu schweigen) und
bei Politikveranstaltungen referieren sowohl vom Podium aus, als auch aus dem
Publikum heraus überwiegend Männer. Erste Schritte entgegen dieser
Normalitäten, wie das Umschwenken vom Zivildienstes hin zum FSJ, die
Quotierung der Turntables bei Tanzveranstaltungen, des Podiums bei
Diskussionsabenden und die Bevorzugung von Frauen bei neu zu besetzenden
Stellen, sind zwar beschlossen, aber auch nicht mehr als eben nur erste
Schritte. In Zukunft werden größere Anstrengungen notwendig sein, um
zumindest ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis am Laden anzustreben.
Dieser Anspruch muss ständig reflektiert werden und soll in alle
Ladenbereich einfließen, besonders aber ins harte
Männergeschäft des Bookings. Ein hochgestecktes Ziel, an dem sich
das Conne Island spätestens beim nächsten Hawaii-Ausflug messen muss.
Der Generationskonflikt, der keiner ist
Auch ohne Mentalcoach und anderlei Hippie-Methoden konnte der scheinbare
Gordische Knoten in der Auseinandersetzung um die Verjüngung des Conne
Islands zumindest gelockert werden und das nicht nur durch den Bau eines
Spielplatzes für die ganz Kleinen. Deutlich scheint heute vor allem, dass
der Eiskeller kein Mehrgenerationsladen ist, sondern von einem
fließenden Generationsmodell lebt. Gerade das unverschränkte
ineinander gleiten verschiedener Crews und Altersgruppen trägt dazu bei,
dass das Conne Island nicht zu einem autoritär geprägten
Zwei-Generationen-Projekt wird, bei dem die ältere Generation das
Schwergewicht bilden würde. Auch hat sich in diesem Zusammenhang die
Erkenntnis durchgesetzt, dass für dynamisches und innovatives Wirken am
Laden das biologische Alter keine Rolle spielt, sondern die Melange aus
frischem Wind neuer Leute und der Erfahrung alter Hasen. Dennoch bleiben die
15-30jährigen das angestrebte Hauptzielpublikum, wobei die Realität
diese dogmatischen Grenzen ohnehin nach oben und unten aufsprengt.
Trotz der Lockerung des Tonfalls in der Generationsdebatte bleibt die
Schieflage der Verantwortungsverteilung zwischen alten und neuen/jungen Leuten
im und am Eiskeller unübersehbar. Bis dato wurde diese Schieflage in
erster Linie für die Anstellungsverhältnisse konstatiert. Hier konnte
allerdings durch eine Verjüngung im Bereich der gastronomischen und
musikalischen Versorgung unserer Gäste für zumindest temporäre
Entspannung gesorgt werden, dies auch vor dem Hintergrund, dass weitere schon
lange am Conne Island wirkende Personen ihren Posten in Aussicht gestellt
haben.
Perspektivisch gesehen scheint die Schieflage in der ehrenamtlichen Struktur
das wesentlich größere Problem für das Conne Island zu werden.
Außerdem hat sich auch in der Generationsdebatte das Genderproblem des
Ladens gezeigt. Während es für Männer
verhältnismäßig einfach ist sich in die Laden-Klüngel
einzufügen, gilt es für (junge) Frauen offensichtlich
größere Schwellen zu überwinden.
Über was sonst noch geredet wurde
... war zum Beispiel die Stellenvergabe im Conne Island. Diese wird auch
weiterhin durch das Plenum im Konsens entschieden, obwohl dieses Vorgehen in
den letzten beiden Fällen in einem ziemlichen Desaster endete. Erleichtern
soll das Vergabeverfahren ein Diskussionsleitfaden mit schriftlichem
Stellenprofil und zuvor ausgehandelten und gewichteten Kriterien, sowie ein
Konsensprinzip, welches nur durch ein eindeutiges Negativ-Veto gegen eine/n
KandidatIn ausgehebelt werden kann. Schlussendlich soll eine schnelle und
zielstrebige Debatte den KandidatInnen eine lange Wartezeit auf ein Ergebnis
ersparen. Keine lange Wartezeit müssen InteressentInnen für das
Füllen von Cafe-Diensten im gemütlichsten Cafe des Leipziger
Südens befürchten, eine kurze Einweisung wird reichen, um den Laden
im Laden zu schmeißen. Allerdings sollten sich Café-Dienste darauf
einstellen, dass ein verändertes und verbessertes Küchenkonzept noch
mehr Gäste zum Schlemmen und Saufen in den Eiskeller ziehen wird als
ohnehin schon. Nicht verändert hat sich die Drogenpolitik des Conne
Islands: Wer beim Hantieren mit illegalen, harten Drogen im Conne Island
ertappt wird, fliegt raus! so die Drogenbeauftragte des Ladens Sandy
Büchse.
Und was sonst noch zu bereden sein wird
...ist die Frage, ob es sich lohnt, eine Gelddruckerei im (Eis)Keller zu
installieren. Falls nicht, müssen wohl oder übel andere
Möglichkeiten ausgelotet werden, um die Lücken im Finanzetat zu
schließen. Eine wenn auch absurde Idee wäre z.B. die
Conne Island-Wegfahrt im nächsten Jahr nicht in die Karibik zu gestalten,
sondern in irgendein hässliches Ex-DDR-Ferienheim zu fahren, dann
nämlich könnte auch über eine effektivere Verwendung der
Spende zu Bildungsoffensive nachgedacht werden. Eine realistischere
erste Möglichkeit den Finanzhaushalt des Conne Islands besser in den Griff
zu bekommen, ist es allerdings für mehr Transparenz auf dem Finanzsektor
zu sorgen, um frühzeitig mit Kürzungen zu hantieren. Kürzungen
allerdings mit Sicherheit nicht an den Personalkosten, dort sollte vielmehr mal
über eine Aufstockung nachgedacht werden, müssen doch Conne
Island-MitarbeiterInnen zum zehnten Mal in die Nullrunde gehen, ein Zustand,
den nicht einmal die Fundis der Grünen hinnehmen würden. Die
Finanzsituation des Conne Islands wird auf jeden Fall im nächsten Jahr zu
den vorderen Diskussionspunkten gehören müssen.
Das wichtigste dann aber ganz zum Schluss liebe Stadt Leipzig: Wir
tanzen euch so lange auf der Nase rum, stören Stadtratssitzungen, Besetzen
eurer Büros oder zersägen im Notfall den Uni-Riesen, bis ihr uns
unsere Bude saniert!
Conne Island, Oktober 2009
Anmerkungen
(1) Ehemals Antifa-Mark
(2) Dies impliziert genauso die Mehrarbeit derjenigen, die versuchen mit dem
mageren Gehalt, welches das CI an Angestellte zahlt, zu leben.
(3) Dies nur als Fußnote, weil es schon oft formuliert wurde: Eine Insel
ist selbstverständlich abhängig vom Festland, besteht aus derselben
Materie wie das Festland und es gelten die gleichen physikalischen Bedingungen.
Dennoch haben Inseln ihren ganz eigenen Charakter. Den gesellschaftlichen
Bedingungen kann sich das Conne Island nicht entziehen, aber es kann einen Raum
für Kritik an gesellschaftlichen Bedingungen bieten.
(4) Politischste Musikgenre heißt nicht zwingend politisch
bestes Musikgenre. Aber dem Hardcore wird durch seine SupporterInnen noch am
ehesten zugesprochen als gesellschaftskritisches Moment wirken zu können,
wobei die Betonung auf können liegt.
(5) http://www.conne-island.de/nf/159/5.html,
http://www.conne-island.de/nf/160/3.html,
http://www.conne-island.de/nf/161/4.html