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Aktuelles Heft

INHALT #170

Titelbild
Editorial
• das erste: Vereint im deutschen Geist der dialogbereiten Toleranz
Oaklands Seele
Codes in the Clouds, Pg.lost
Shuffle Me!
Prolls mit Verstand
Apoptygma Berzerk
Paradise Lost, Samael, Ghost Brigade
Dritte Wahl
Sechs Jahre ITS YOURS! Party
Vadim Imaginashun-Tour
The Living End
Miss Platnum
Friska Viljor
US Bombs
The Adicts
Jochen Distelmeyer
Fucked Up
Hot Water Music
Imperial Never Say Die! Club Tour 2009
electric island: KANN & friends
Masta Ace
Muff Potter
A Storm of Light, Minsk
Full Speed Ahead, Backfire
• ABC: E wie Emanzipation
• review-corner platte: Ja! Ich rede gern mit mir selbst!
• kulturreport: Like a virgin?
• doku: Post aus Honolulu
• doku: Über Fundamentalkritik und die feinen Unterschiede
• doku: Watch out for a new generation to push things forward!
• doku: Radio Blau von Abschaltung bedroht
• leserInnenbrief: Mit Schaum vor dem Mund
Anzeigen
• das letzte: 100 Zahnstocher inkl. Gebrauchsanweisung

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E wie Emanzipation

Emanzipation als Befreiung von Zwängen

Emanzipation, ob man den Begriff etymologisch herleitet oder nur dem Wortsinn nach umschreibt, wird meist als Erhebung, Herausarbeitung aus einem Zustand der Unfreiheit, von Zwang und Unterdrückung, hin zu einem Zustand der Freiheit verstanden. Wer das Wort Emanzipation im Munde führt, möge also zuerst das Wort Freiheit definieren. Aber wie das so ist mit Abstrakta, die weder fassbar noch begreifbar sind, verschlägt es da manchem die Sprache, der mit hehren Idealen angerückt war um von Befreiung zu sprechen. Wie soll man Freiheit beschreiben? Dieses Vorhaben erscheint reichlich schwierig zu realisieren. Und doch ist es trotz dieser Schwierigkeit notwendig und richtig, von Freiheit, von Emanzipation zu reden.
Die Freiheit, die wir meinen(1), ist nichts in der Welt vorhandenes, das nur darauf wartet, gefunden und definiert zu werden. Und doch wohnt diese Freiheit unserer Welt inne als Möglichkeit, die realisiert werden muss. Freiheit ist nicht per se undefinierbar, es gab nur noch keine Gesellschaft, in der Freiheit, wie wir sie meinen, möglich war. Es geht also um zwei Aspekte: Die Gesellschaft, in der ein Mindestmaß an Freiheit praktisch erfahr- und erlebbar sein muss, um Emanzipation denkbar zu machen. Und um jene Freiheit, die – nicht als ‚Mindestmaß`, sondern vollkommen – noch nicht realisiert ist.
Es ist festzuhalten, dass es durchaus verschiedene Grade von Freiheit und Unfreiheit in den verschiedenen Gesellschaften der Welt gibt und es notwendig und sinnvoll ist, zu differenzieren, auch wenn die Assoziation freier Individuen nirgends verwirklicht ist. Die Differenzierung ist aus zwei Gründen wichtig: einmal, weil sie den Blick für die Lebensbedingungen verschiedenster Personen schärft. Und andererseits, weil Freiheit sowohl konkret als auch absolut universell gedacht werden muss: konkret, insofern von Freiheit sprechen nur sinnvoll ist, wenn die Person, um die es geht, diese Freiheit auch ganz praktisch erlangen kann. Und universell insofern, dass Freiheit jedem Menschen zukommen muss.
Diese beiden methodischen Aspekte bilden die Grundlage materialistischen Redens über Freiheit. Berücksichtigt man diese Eckpunkte, führt es in eine scheinbar dilemmatische Situation. Einzelne Menschen, Individuen, als frei zu bezeichnen, ist falsch, solange sie in einer unfreien Gesellschaft leben. Gleichzeitig sind diese Individuen aber SchöpferInnen und BegrenzerInnen ihrer eigenen Gesellschaft und damit der Möglichkeit der befreiten Gesellschaft: „Wie können Menschen, die das Objekt wirksamer und produktiver Herrschaft gewesen sind, von sich aus die Bedingungen der Freiheit herbeiführen?“(2) Wie kann diese Schranke überwunden werden, die aus dem Zirkel der Unfreiheit hinaus führen würde? Das ist eine Frage, die nicht weniger meint als die Theorie der Revolution, und das führt uns zu Marx.

Gesellschaftliche Verhältnisse, die nach Emanzipation verlangen

Aber beginnen wir von vorn: Marx setzt sich in seinem Text „Zur Judenfrage(3) mit dem Begriff der Emanzipation auseinander. Hier geht es um die Frage, ob Emanzipation menschlich oder politisch gefordert werden sollte. Politische Emanzipation ist das, was wir mit Gleichstellung meinen – nach Bruno Bauer, mit dem Marx sich hier streitet, würde Gleichstellung dazu führen, dass Minderheiten unter das allgemeine Joch, also unter dieselben Zwänge wie die Mehrheit geraten, dies aber für Minderheiten zumeist eine realistische Verbesserung des Lebens bedeutet. Zugleich heißt es auch, dass die Ungleichheiten, die zwischen der Majorität und den Minoritäten herrschen, einfach durch juristische (durch das positive Recht) Gleichstellung formal entfernt werden, somit kein Politikum mehr sind und von Staats wegen ignoriert werden können.
Übertragen auf aktuellere Situationen hieße das: die Forderung, gleiches Recht auf Arbeit für Alle, führt (im Idealfall) zu einer sogenannten Chancengleichheit, insofern, dass jedeR sich persönlichen Wohlstand erarbeiten kann. Es heißt aber ebenso: Jeder Mensch muss arbeiten, um leben zu können. Vom Zwang der Arbeit, also früh aufzustehen, sich nach dem Arbeitsvertrag zu richten, ist niemand befreit, sondern im Gegenteil: alle fallen gleichermaßen unter diesen Zwang. Ungleichheit herrscht aber dennoch zwischen Unterschicht und Oberschicht, zwischen MigrantInnen und der weißen Mehrheitsgemeinschaft: In Deutschland sind die Bildungseinrichtungen wenig für vertikale soziale Mobilität durchlässig (heißt: wenige Menschen der Unterschicht oder mit Migrationserfahrung schaffen es, ein gutes Abitur oder gar ein Studium zu absolvieren und sich „hochzuarbeiten“). Diese Ungleichheit ist aber de jure abgeschafft – also kein politisches Problem mehr, sondern eines, welches die Menschen privat lösen sollen. Chancengleichheit herrscht also nur formal, die Probleme, welche sich aus der Chancen-Ungleichheit ergeben, muss jedeR privat für sich lösen.
Weshalb dieses Beispiel wichtig ist: in der modernen kapitalistischen Gesellschaft, die Marx kritisiert, ist Arbeit entfremdet. Da der Arbeitsbegriff von Marx einen eigenen Artikel verdient, nehmen wir hier nur den Begriff der Entfremdung heraus und setzen ihn in Zusammenhang mit der Frage nach Emanzipation und Freiheit.
Entfremdung des Arbeiters ist bei Marx vierfach definiert: Die Lohnarbeit entfremdet dem Menschen
„1. die Natur [...], 2. sich selbst, seine eigne tätige Funktion, seine Lebenstätigkeit, [und] so entfremdet sie dem Menschen die Gattung; sie macht ihm das Gattungsleben zum Mittel des individuellen Lebens. Erstens entfremdet sie das Gattungsleben und das individuelle Leben, und zweitens macht sie das letztere in seiner Abstraktion zum Zweck des ersten, ebenfalls in seiner abstrakten und entfremdeten Form. [...] 3. [wird also] das Gattungswesen des Menschen, sowohl die Natur als sein geistiges Gattungsvermögen, zu einem ihm fremden Wesen, zum Mittel seiner individuellen Existenz. Sie entfremdet dem Menschen seinen eignen Leib, wie die Natur außer ihm, wie sein geistiges Wesen, sein menschliches Wesen. 4. Eine unmittelbare Konsequenz davon, daß der Mensch dem Produkt seiner Arbeit, seiner Lebenstätigkeit, seinem Gattungswesen entfremdet ist, ist die Entfremdung des Menschen von dem Menschen. Wenn der Mensch sich selbst gegenübersteht, so steht ihm der andre Mensch gegenüber.“(4)

Der Mensch ist also von der Natur, sich selbst, vom Gattungswesen Mensch und von anderen Menschen entfremdet. Entlang Freuds Theorie könnte man jetzt noch auf die Triebunterdrückung (Unterdrückung der menschlichen Natur) oder -abspaltung eingehen, welche psychoanalytisch die Abspaltung der Bedürfnisse und des Begehrens des Individuums von sich selbst begründet, welche zugleich notwendig ist für Arbeit allgemein, besonders aber im Kapitalismus. Entlang der Kritischen Theorie nun kann man aufzeigen, wie eine in der Aufklärung durchgesetzte Ratio, welche den Geist als frei erklärt, gleichzeitig objektive, praktische Freiheit einschränkt:

„Naturbeherrschung, die umschlägt in Naturverfallenheit, ist auch das Grundthema der Dialektik der Aufklärung von Horkheimer und Adorno. Die herrschaftsförmige Vernunft, auch als Aufklärung bezeichnet, werde zum Opfer der eigenen Herrschaftsansprüche. Aufklärung, so wird kritisiert, setze den Naturprozess einfach fort, erreiche so Naturbeherrschung, aber enthalte auch das Potential zur Befreiung – aber nur gegen den Strich gebürstet – sonst zerstöre sich das Ganze selbst – daher: negative Dialektik. Eine Befreiung von Naturabhängigkeit (im Sinne eines Strebens nach absoluter Freiheit) über Herrschaft sei zum Scheitern verurteilt, weil die Gebundenheit des Menschen als selber Natur an Natur nicht überwindbar sei. Jeder Versuch der technischen Überwindung der Naturbedingtheit oder der perfekteren Ausbeutung bzw. Verwertung der Natur, treibe die Individuen weiter in die Abhängigkeit des gesellschaftlichen Naturzusammenhangs.“(5)
Der Prozess der Aufklärung, der eigentlich zu mehr Humanität und zu einer vernünftig eingerichteten Gesellschaft verhelfen sollte, führte zu Technokratie und blindem Fortschrittsglauben. Die in der Aufklärung angelegte, über den Wert vermittelte Herrschaft der Menschen über sich selbst und über andere Menschen, traf in Deutschland auf autoritären Etatismus und deutsche Ideologie – den Nazismus mit seinem modernen Antisemitismus und Antiliberalismus. Darin schlug die Barbarei durch, die im beherrschenden Denken bereits angelegt war.

Individuum und Gesellschaft

Individuum und Gesellschaft stehen in ständiger Vermittlung zueinander, können also nicht getrennt gedacht werden. Freiheit erfordert und erschafft Individualität. Davon gibt es tatsächlich immer noch viel zu wenig, und nicht, wie manche Linke sagen, zu viel. Wenn man Individualität nicht als Entfesselung des Subjekts(6), sondern als Entfaltung des Individuums versteht, wird klar, warum: Erstens ist wirkliche Individualität im Moment kaum zu erlangen(7). Zweitens ist wirkliche Individualität Grundlage von Emanzipation, aber gleichzeitig von ihrem Grad abhängig. Damit ist nicht gemeint, was der utopische Liberalismus meinte, also das Streben des Einzelnen nach Wohlstand, das zum Wohlstand der Gesellschaft führen würde. Darin enthalten ist wesentlich die kapitalistische Verwertung menschlicher Arbeit, weshalb auch der Mensch in einer bürokratisch-kapitalistischen Gesellschaft nur als austauschbares, verwertbares Subjekt zählt, nicht als individueller Mensch(8). Individualität muss anders gedacht, jedoch auf keinen Fall als antiliberaler Reflex abgeschafft werden. Zu bewahren ist, bei aller Kritik am Liberalismus und damit auch der aktuellen kapitalistischen Gesellschaft, das Versprechen der Individualität; wenngleich es auch radikalisiert werden muss und eine radikale Veränderung dieser Gesellschaft mit sich bringen müsste. Und dennoch muss das Bestreben nach Emanzipation vom einzelnen Individuum ausgehen, ja, es muss den Willen zu seiner Befreiung aus den gesellschaftlichen Zwängen selbst aufbringen und dieser Wille darf kein rein theoretischer bleiben. Insofern ist Freiheit keinesfalls unbedingt Vereinsamung, kein Egoismus, sondern Grundvoraussetzung für eine vernünftig eingerichtete Gesellschaft freier Menschen.
Das ist es auch, was Marx mit menschlicher Emanzipation meint, und warum er diese der politischen überordnet. Und um es auf die Spitze zu treiben: Wirkliche Gleichstellung ist strukturell ohnehin nur dann möglich, wenn wir uns in einer befreiten Gesellschaft befinden. In dieser würde automatisch Gleichheit herrschen, im Sinne einer Versöhntheit der Unterschiede zwischen den Menschen und zwischen Mensch und Gesellschaft, ohne diese Unterschiede einzuebnen oder dem Ganzen gleichzumachen. Der heute in Bourgeois und Citoyen, in ‚egoistisches Individuum` und ‚vergleichbarer Staatsbürger` geteilte Mensch wird auf sich selbst zurückgeführt, wird wieder organischer Mensch, Individuum und Teil der Gattung Mensch in einem:
„Alle [menschliche] Emanzipation ist Zurückführung der menschlichen Welt, der Verhältnisse, auf den Menschen selbst. Die politische Emanzipation ist die Reduktion des Menschen, einerseits auf das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, auf das egoistische unabhängige Individuum, andrerseits auf den Staatsbürger, auf die moralische Person.(9)

Emanzipation

Emanzipation ist bedingt durch die Erkenntnis, dass die Gesellschaft, in der wir leben, auf nichts anderem basiert als auf den Individuen, die sie erschaffen, also uns – dass aber gleichzeitig eine permanente Vermittlung stattfindet, und damit ein (permanentes) Spannungsverhältnis zwischen den Menschen, zwischen Menschen und Gesellschaft, und zwischen Gesellschaft und Natur herrscht, in das die einzelnen Menschen eingebunden sind. Dermaßen, dass es sie ohnmächtig erscheinen lässt. Dies nennt Adorno den permanenten Verblendungs- und Schuldzusammenhang.(10) Diese Vermittlung aber ist nicht abzuschaffen und durch Unmittelbarkeit zu ersetzen, sondern muss erkannt, durchschaut und bewusst im Sinne der Humanität von Menschen für Menschen gelenkt werden. Dass dafür eine Vernunftkritik, als Erkenntniskritik, so notwendig ist wie ein allumfassender Begriff von Menschheit – insofern, dass niemand ausgeschlossen ist – ergibt sich. Freiheit der Menschen ist nur in einer befreiten Gesellschaft möglich.
Emanzipation betrifft alle zwischenmenschlichen und Mensch-Umwelt-Verhältnisse, aus denen die Welt gestrickt ist. Die Versöhnung des Subjekts mit der Natur im Individuum wäre nach Adorno und Horkheimer Bedingung der Möglichkeit von Freiheit. Die Beendigung von Ausbeutung und Herrschaft von Menschen über Menschen, direkt oder vermittelt, durch Maschinen, Patriarchat, Macht, Arbeitsverträge, Waffen oder Wert, ist Grundlage für und Folge von Emanzipation.
Dieser Bedeutungskatalog liest sich pathetisch und macht gleichzeitig traurig, und vielleicht ist das der Grund, weshalb von Emanzipation und Freiheit in der Linken kaum noch die Rede ist. Humanität als Telos zu nennen und der Produktion und dem Tausch gegenüber zu stellen ist erstmal simpel, birgt aber einige Tücken und Probleme. Eigentlich müsste hier die Diskussion um Emanzipation erst anfangen – stattdessen wird häufig anarchistisch von Subversion und Protest gegen die Gesamtscheiße gesprochen, oder realpolitisch sich auf die eigene (oder der Bewegung eigenen) Ohnmacht berufen. Beides ist verständlich, aber nicht emanzipatorisch.
Es soll nicht bestritten werden, wie wichtig die unter den geltenden gesellschaftlichen Verhältnissen erlangten Freiheiten sind. Und doch ist unter den geltenden kapitalistischen Produktionsbedingungen die Freiheit, die wir meinen, nicht möglich. Dies führt zu einer weiteren Frage: was ist der Kommunismus, den wir meinen?


Marianne Pabst und Virginia Spuhr [outside the box-Redaktion]

outside the box ist eine Zeitschrift, die Gesellschaftskritik mit feministischem Fokus betreibt. Für weitere Informationen siehe: http://outside.blogsport.de
Die erste Ausgabe von outside the box erscheint im November.

Anmerkungen

(1) Anlehnung an den Vortrag von Justus Wertmüller et alter vom 08.08.2009 in Berlin: Die Freiheit, die wir meinen. Zum Verhältnis von iranischer Protestbewegung und Israelsolidarität. In: Bahamas Nr. 58, September 2009.

(2) Marcuse, Herbert: Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft. München 1994, S. 26.

(3) Marx, Karl: Zur Judenfrage. In: Marx-Engels-Werke, Band 1. Berlin (DDR).

(4) Marx, Karl: Ökonomisch-philosophische Manuskripte. In: Marx-Engels-Werke, Band 40. Berlin (DDR) 1976, S. 516f.

(5) Böhme, Micha: Die Verdinglichung gesellschaftlicher Verhältnisse im Subjekt. Natur und Geschlecht als Grenzbegriffe. In CEE IEH #165, siehe http://www.conne-island.de/nf/165/22.html

(6) Mehr zum Problem von Individuum und Subjekt bei: Bruhn, Joachim: Was deutsch ist. Zur kritischen Theorie der Nation. Freiburg 1994, oder auch bei Paschukanis, Eugen: Allgemeine Rechtslehre und Marxismus. Versuch einer Kritik der juristischen Grundbegriffe. Freiburg 2003, sehr lesenswert hier auch das Einführungskapitel von Gruber, Alex und Ofenbauer, Tobias: Der Wert des Souveräns. Zur Staatskritik von Eugen Paschukanis.

(7) Auch hier ist die oben besprochene Differenzierung wichtig und sinnvoll: natürlich ist in einigen Gesellschaften wesentlich mehr Individualität möglich als in anderen, und diese Freiheit muss, auch wenn sie noch nicht Kommunismus ist, aufrecht erhalten werden.

(8) Mehr zur Überflüssigkeit des Individuums im Kapitalismus siehe: Dornis, Martin: Der Wert und der Tod. Vom Tod in der Warengesellschaft zur Kritik der Ideologie des Todes Einleitungsvortrag zum Exitseminar in Enkenbach/ Pfalz. September 2007. In CEE IEH #157, siehe http://www.conne-island.de/nf/152/19.html
In diesem Text schlüsselt Martin Dornis sehr nachvollziehbar und folgerichtig auf, wie Wertform, Kapitalform und die Überflüssigkeit des Einzelnen im Kapitalismus zusammenhängen. Dies ist grundlegend für das Verständnis vermittelter Herrschaft und deren Wirken, sowie für das Wissen um die Notwendigkeit von Emanzipation.

(9) Marx, Karl: Zur Judenfrage. A.a.O., S. 370.

(10) „Vielen klingt die Ausrede plausibel, gegen die barbarische Totalität verfingen nur noch barbarische Mittel. Unterdessen jedoch ist ein Schwellenwert erreicht. Was vor fünfzig Jahren der allzu abstrakten und illusionären Hoffnung auf totale Veränderung für eine kurze Phase noch gerecht erscheinen mochte, Gewalt, ist nach der Erfahrung des nationalsozialistischen und stalinistischen Grauens und angesichts der Langlebigkeit totalitärer Repression unentwirrbar verstrickt in das, was geändert werden müsste. Ist der Schuldzusammenhang der Gesellschaft, und mit ihm der Prospekt der Katastrophe, wahrhaft total geworden – und nichts erlaubt, daran zu zweifeln –, so ist dem nichts entgegenzusetzen, als was jenen Verblendungszusammenhang aufkündigt, anstatt in den eigenen Formen daran zu partizipieren. Entweder die Menschheit verzichtet auf das Gleich um Gleich der Gewalt, oder die vermeintlich radikale politische Praxis erneuert das alte Entsetzen. Schmählich wird die Spießbürgerweisheit, Faschismus und Kommunismus seien dasselbe, oder die jüngste, die ApO hülfe der NPD, verifiziert: die bürgerliche Welt ist vollends so geworden, wie die Bürger sie sich vorstellen. Wer nicht den Übergang zu irrationaler und roher Gewalt mitvollzieht, sieht in die Nachbarschaft jenes Reformismus sich gedrängt, der seinerseits mitschuldig ist am Fortbestand des schlechten Ganzen. Aber kein Kurzschluß hilft, und was hilft, ist dicht zugehängt. Dialektik wird zur Sophistik verdorben, sobald sie pragmatistisch auf den nächsten Schritt sich fixiert, über den doch die Erkenntnis der Totale längst hinausreicht.“ (Adorno, Theodor W.: Marginalien zu Theorie und Praxis. In: ders.: Stichworte. Frankfurt am Main 1969, S. 179.

 

26.10.2009
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