• Titelbild
• Peter
• Editorial
• das erste: Bis auf die nackte Haut
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• MITTE01
• The Legacy, Daggers, Lasting Traces
• Ich bin reines Dynamit....
• Intro Intim
• Sights and Sounds, Men Eater
• Mouse on Mars
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• Street Dogs, Civet, Lousy
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• Die Fussballmatrix
• Station 17
• Demo-Aftershow-Party
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• electric island
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• ABC: R wie Rassismustheorie
• ABC: H wie Historikerstreit
• review-corner film: Inglourious Basterds
• review-corner film: Die Partei, die Partei, die hat immer recht...
• leserInnenbrief: Das Ende des Nationalsozialismus feiern!
• 20 Jahre antideutsch-antifaschistischer Widerstandskampf
• doku: Jahresbericht 2008
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• das letzte: In eigener Sache
Je weniger die Leute wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden,
desto besser schlafen sie!
Bismarck
Irgendwann im November, wenn die Wahlplakate, diese Millionen auf Pappe gepappte
Pappnasen längst im Altpapier verschwunden sind, wenn Fernsehduell wieder
heißt, sich im Boxring gegenseitig die Fresse zu polieren, wenn also die
bürgerliche Gesellschaft zur Normalität zurückkehren und der
Deutsche wieder vier Jahre lang Untertan sein darf irgendwann im
November wird es einen furchtbaren Skandal geben: Das Bundesverfassungsgericht
wird die Wahl wiederholen lassen! Mon dieu! Zarte Sondierungsgespräche
zwischen den Grünen und der NPD werden ein jähes Ende finden, die
Verschmelzung von Die Linke.PDS mit dem politischen Shootingstar Freie
Sachsen zu einer neuen, einer schöneren SED muss warten, und die
Volkspartei SPD bekommt eine weitere Chance ihr historisches Ergebnis von 7,2 %
noch einmal zu unterbieten.
Ein Mann aber wird triumphieren. Martin Sonneborn, Bundesvorsitzender der
Partei die Partei.
Was war geschehen? Unter einem lächerlichen Vorwand, wurde den
Nachwuchspolitikern die Teilnahme an der Bundestagswahl untersagt
wogegen in einer Anhörung selbstverständlich Einspruch erhoben wurde.
Nachdem die versammelte Parteiführung den verstrahlten Bundeswahlleiter
Roderich Egeler nach Strich und Faden verarscht hatte, besorgte Sonneborn in
seinem Schlusswort den dazugehörigen Eklat:
Herr Egeler, ich möchte abschließend nur ganz kurz etwas
sagen: Ich finde es ein bisschen erstaunlich, dass in einer gefestigten
Demokratie hier eine solche Farce möglich ist. Ich möchte Sie darauf
aufmerksam machen, dass der letzte Wahlleiter in diesem Land, der derart
undemokratisch mit kleineren Parteien umgesprungen ist, 1946 von einem
alliierten Militärtribunal hingerichtet wurde. Es handelt sich um Hartmut
Frick, oder Willfried Fricken, den Reichswahlleiter der Nationalsozialisten.
Das nur als kleine Denkstellaufgabe für den Rest des Tages. Wir ziehen vor
den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.(1)
Zunächst hatte jedoch das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden,
nämlich, dass man sich erst nach der Wahl um die Angelegenheit
kümmern würde was aber bedeuten muss: Wahlwiederholung! Die
Partei frohlockte: Nehmen Sie sich für den 27. September etwas
Schönes vor: gehen Sie trinken oder mit Hund/Kindern ins Grüne!
Auch mit Die Partei der Film konnten sicher neue
Wählermassen für den Wiederaufbau der Mauer gewonnen werden.(2) In dem
unerhört langweiligen Splattermovie gelingt die Karikatur des
parlamentarischen Machtbetriebs vortrefflich, etwa im
Kanzlerkandidatinnen-Casting, wo die Partei junge Frauen im Bikini über
den Laufsteg jagt, um die politisch kompetenteste Bewerberin ausfindig
zu machen und gegen Merkel ins Rennen zu schicken oh Angie, dieses
einstmals unansehnliche Ding aus dem Osten, dem wiederum dank neuer Frisur und
einer grundsympathischen Bescheidenheit die Wählerherzen nur so zufliegen.
Klug auch das große Finale: Die Werber von Scholz & Friends haben
Sonneborn eine neue Corporate Identity verpasst. Zukunftsfähige Politik
muss Kräfte bündeln! Die Partei fusioniert mit REWE zur SPARTEI,
einem Billigdiscounter für Wurstwaren und Reformen. Heute im
Angebot: Für einen schlanken Staat! Light Cola zum Dauertiefpreis für
79 Cent! Das warenförmige Wesen der Politik zum Greifen nah. Und
wahrhaftig ist die Politik nichts als eine (freilich besonders wahnhafte)
Dienstleistung. Nicht nur Politikberatung oder Meinungsforschung sind
käuflich, auch das politische Mandat selbst muss auf dem Markt der
Wähler nachgefragt werden um sich zu realisieren. Sogenannte
Inhalte spielen in den ganzheitlichen Marketingstrategien der Parteien
dabei eine untergeordnete Rolle. Wenn wie bei der sadistischen Sachsenwahl alle
Parteien es sich gleichermaßen zur Hauptaufgabe erklären, Sachsen zu
sein, starke Sachsen, ohne wenn und aber! dann gewinnen die konkurrierenden
Wahlangebote ihre spezifische Differenz eben aus ihrer Verpackung: Rot, Gelb(3),
Grün(4). Jeder hat so seine Lieblingsfarbe, nicht wahr?
Die Partei, das können wir heute mit Sicherheit sagen, ist auf dem Weg an
die Macht 8.200 Mitglieder sprechen eine deutliche Sprache. Doch wer so
erfolgreich ist, muss Nachahmer hervorrufen. Horst Schlämmer heißt
die Konkurrenz auf dem Politsatiremarkt. Der von ZDF/Constantin Film
produzierte Blockbuster Isch kandidiere! erscheint zunächst wie
eine dreiste Kopie des Partei-Konzepts: Auch Hape Kerkerling parodiert
grundlegende Momente des politischen Spektakels, er redet den umkämpften
Wählern skrupellos nach dem Maul (Die Horst Schlämmer Partei
ist liberal, konservativ, und links!), er faselt wie alle anderen vom heiligen
Wachstum (Alles soll mehr werden!) und hat wie jeder gute Volksvertreter
das Wohl der Gemeinschaft fest im Blick (Wer HSP wählt, der
wählt Gerechtigkeit!). Allein durch sein verstörendes
Äußeres zieht er das politische Spielchen in den Dreck. Denn aus dem
Maul eines stereotypen, asozialen Lüstlings mit Hasenfresse, Fettbauch und
Bierfahne klingen die bewährten Formeln der Steinmeiers und Obamas komisch
unvertraut. Der Parteijargon wird dahingesabbert wie ein feuchter Furz, und
zwar von einem Kleingärtner mit Sprachfehler, der nur nachplappert, was er
jeden Tag in der Glotze sieht.
Horst Schlämmer ist witziger als Martin Sonneborn. Muss man, um beim
Titanic Film nicht einzuschlafen, wenigstens ahnen, dass Gesellschaftskritik im
Spiel sein könnte, so strömt das Publikum zum Schlämmern ins
Cinestar, um endlich mal wieder schadenfroh einen Paradeproll auszulachen, der
noch elender daherkommt als man selbst. Ideologiekritisch allerdings die
Schlussszene: Mit seinem herzergreifenden closing statement gewinnt
Schlämmer das TV-Duell gegen Merkel(5). Hand in Hand mit der neuen First
Lady Alexandra Kamp (einer repräsentativen Mischung aus Michele Obama und
Carla Bruni) zeigt sich Schlämmer den begeisterten Anhängern, die
Yes weekend! Chöre gehen nahtlos über in Schlagermusik, eine
schwitzende Animateurin heizt dem Politmob mit Après-Ski Klängen
und tanzenden Häschen mächtig ein. Kennen wir alles. Laut Forsa
Umfrage wollen 18 % der Deutschen Horst Schlämmer als Kanzler sehen.
Wo blieb das Feuilleton um dem Kasperletheater einen Riegel vorzuschieben?
Nehmt uns endlich ernst! forderte Claudius Seidl in der FAZ, und meinte
damit auch das Lager der etablierten Parteien. Nährt sich das freche
Kabarett am Ende wohl vom Sittenverfall auf der Bundesbühne? Vorsicht:
Satiren drohen Wirklichkeit zu werden!
Der Kommentator versteht nicht: unsere Realität ist an Brutalität und
Blödsinn durch keine Satire mehr zu überbieten eben weil sie
real ist. In puncto Grausamkeiten hat die Titanic gegen die BILD keine Chance.
Satire muss überzeichnen, um zu wirken, und findet ihren Meister doch
stets im Naturalismus der verkehrten Welt. Denn wie könnte man die
Wahlkampagne der einstigen Ossirechtlerin Vera Lengsfeld überspitzen, die
einen Schnappschuss von Merkel im Abendkleid mit galaktischem Galabusen am
eigenen Leib nachstellt, und mit dem Wahlversprechen Wir haben mehr zu
bieten! untertitelt? Wie sollte man das Plakat des Grünen
Ortsverbands Kaarst noch toppen, auf dem zwei weiße Hände einen
nackten, dunkelhäutigen Frauenhintern umklammern: Der einzige Grund,
schwarz zu wählen! Die Partei Die Linke.PDS, druckt in Leipziger
Randgebieten die Deutschlandfahne mit der Ergänzung: Für eine
neue soziale Idee! mehr als den Nationalsozialismus kann man auch dem
übelsten Genossen nicht unterstellen.
Alle diese lustigen Knallerbsen und Superböller beruhen auf bestimmten
ideologischen Zügen unserer Staatlichkeit eine Kritik der Politik
muss diesen sorgfältig nachgehen, indem nicht Entgleisungen und
Verfehlungen, sondern die funktionierende Normalität der
parlamentarischen Herrschaft untersucht wird.(6)
Hierfür beispielhaft veröffentlichte Johannes Agnoli 1968 die
Transformation der Demokratie, deren Gegenstand er folgendermaßen
umriss:
Die geschichtliche Funktion des bürgerlichen Staats vorausgesetzt
(und nicht erst abgeleitet`), die Reproduktion einer kapitalistisch
produzierenden, bürgerlich bestimmten Gesellschaft zu garantieren, galt es
zu untersuchen, wie diese allgemeinen Funktion im Einzelnen, in ihren
Einrichtungen und durch ihre Organe funktionierte: Wie werden staatliche
Institutionen genutzt und transformiert, um als Instrumente der
Friedensstiftung in einer konfliktual strukturierten Gesellschaft zu dienen, um
mögliche Einbrüche unbotmäßiger (akkumulationswidriger)
Impulse oder Bewegungen einzudämmen?(7)
Auf Grundlage der Marxschen Klassenanalyse als Einsicht in den
unvermeidlichen Antagonismus zwischen dem Ausbeuter und dem Rohmaterial seiner
Ausbeutung(8), zwischen Mehrwert abschöpfendem Kapital und Mehrwert
produzierender Arbeit, negierte Agnoli die verblendenden parlamentarischen
Grundkategorien der Repräsentation (welche dem Bürger die
Souveränität enteignet und ihn gleichzeitig im Mythos der
Selbstbestimmung befriedet), des Pluralismus (der den Klassenkampf auf einen
kleinkarierten Verteilungsstreit reduziert) und des Gemeinwohls (das
schließlich platonisch einem Jeden das Seine für die
trügerische Gemeinschaft abverlangt und die Sehnsucht nach Harmonie,
Ausgleich und Kompromiss abruft, um die tatsächlichen systematischen
Interessengegensätze zu kaschieren). Die im Bundestag die Verfassung
tragenden Parteien bilden die plurale Fassung einer
Einheitspartei: In den Parlamentsausschüssen arbeiten sie konstruktiv
zusammen, als Fraktionen ein und desselben Apparats, der schlicht den
ganzen Scheißladen am dampfen hält.(9) Das Geheimnis des
Parlamentarismus lautet, die Unterdrückung akzeptabel zu machen.(10)
Das Getriebe macht sich verdächtig, weil es zu rund läuft.(11) Und der
bare Busen ist nur Symbol für den allgemeinen Systemstriptease: nie war
ein Wahlkampf heuchlerischer. Wir erleben die Selbstentblößung der
Politik bis auf die nackte Haut.
Anarchisten und Syndikalisten verwerfen prinzipiell jede parlamentarische
Tätigkeit, weil sie der Ansicht sind, dass die Interessen der Bourgeoisie
als Klasse den Interessen des Proletariats so diametral entgegengesetzt sind,
dass jede Vermittlung auf dem Boden des bürgerlichen Parlamentarismus
nicht nur zwecklos, sondern direkt schädlich für die Arbeiter ist,
indem sie den Klassenkampf zur würdelosen Komödie gestaltet und
lähmend auf die revolutionäre Energie und Initiative der Massen
wirken muss. Das freieste Wahlrecht kann an dieser Tatsache nichts ändern
und alles Gerede von der Demokratie ist nur eitle Schaumbläserei,
denn politische Freiheit ohne ökonomische Gleichheit ist Lüge und
Selbstbetrug.(12)
Studienrat Groll