• Titelbild
• Peter
• Editorial
• das erste: Bis auf die nackte Haut
• Purple Rain
• MITTE01
• The Legacy, Daggers, Lasting Traces
• Ich bin reines Dynamit....
• Intro Intim
• Sights and Sounds, Men Eater
• Mouse on Mars
• Sun Of A Bastard Tour
• Street Dogs, Civet, Lousy
• Moutique Ensemble
• Eskimo Joe
• Die Fussballmatrix
• Station 17
• Demo-Aftershow-Party
• Hellnightstour
• Absu, Pantheon I, Razor of Occam, Zoroaster
• electric island
• Celan, Dyse, Ulme, Exits to Freeways
• Veranstaltungsanzeigen
• ABC: R wie Rassismustheorie
• ABC: H wie Historikerstreit
• review-corner film: Inglourious Basterds
• review-corner film: Die Partei, die Partei, die hat immer recht...
• leserInnenbrief: Das Ende des Nationalsozialismus feiern!
• 20 Jahre antideutsch-antifaschistischer Widerstandskampf
• doku: Jahresbericht 2008
• Anzeigen
• das letzte: In eigener Sache
In Deutschland vergisst oder bearbeitet man nur allzu gerne die eigene
Geschichte. Und im Gegensatz zum Aufarbeiten, beinhaltet das Bearbeiten eben
immer auch eine mit Anstrengung verbundene Zurichtung des Materials. So setzt
sich in der deutschen Öffentlichkeit zunehmend ein Geschichtsbild durch,
welches die Beendigung des 2. Weltkrieges durch die alliierten
Streitkräfte und damit den symbolkräftigen 8.Mai eher
mit deutscher Trauer und Vertreibung in Verbindung bringt, als mit
deutscher Schuld. Nur wenige politischen Kräfte beharren richtigerweise
auch weiterhin auf einer sehr starken Gewichtung der deutschen Schuld und
verwehren sich gegen ein ausgewogenes Gedenkverhalten, welches ein
Gleichgewicht von dt. Schuld und Trauer einfordert. Teil dieses Beharrens ist
es, den 8. Mai als Tag der Besiegung zu feiern, und als Konsequenz ebenso den
Befreiungspassus a la Weizsäcker(1) in Frage zu stellen, bzw. anzugreifen.
Dem folgend rief die Leipziger Antifa (LeA) dazu auf, den 8. Mai als
Feiertag im Rahmen einer Demonstration zu begehen und im gleichen Atemzug das
Geschichtsbild der Leipziger Turbodemokraten (60 Jahre BRD - 40
Jahre geteiltes Deutschland - 20 Jahre vereintes Deutschland) zu
kritisieren (CEE IEH # 165).(2) Was die Gruppe jedoch nicht bedachte, war, dass
der 8. Mai auch für viele im ideologischen Sinn Deutsche ein Anlass zum
Feiern ist nämlich als Tag der eigenen Befreiung vom NS. Aus
diesem Grund ist der auf der Demonstration gehaltene und im CEE IEH (#166)
positionierte Redebeitrag der Initiative gegen jeden Extremismusbegriff
(Inex) eine richtige und unbedingt notwendige Ergänzung, wenn es darum
gehen soll den 8. Mai zu feiern.(3) Er weist auf den spätestens seit
Weizsäckers berühmter Rede veränderten Charakter der deutschen
Erinnerungspolitik hin, welcher den 8. Mai zum Tiegel von dt. Schuld und dt.
Trauer werden lässt.
So weit, so gut. Im zweiten Teil des Inex-Redebeitrags macht sich die
Initiative dann daran, den 8. Mai als Feiertag der Linken zu dekonstruieren und
äußert zwar einerseits berechtigte Gründe dafür, den 8.
Mai nicht zu feiern, argumentiert jedoch auf der anderen Seite von einem
äußerst seltsamen Standpunkt aus. Die Inex schreibt: Rein
faktisch war der 8. Mai 1945 jedoch tatsächlich die Voraussetzung
deutscher Weltmachtstellung, die sich im Einklang mit internationalen Rechts-
und Moralvorstellungen weiß. Mit diesem Tag begann die Ankunft
Deutschlands im Westen. Das ist der 8. Mai sicherlich auch, aber ist
dieses Datum rein faktisch nicht zu allererst einmal das Ende der
deutschen Barbarei? Ja ist es! Für das Nachkriegsdeutschland mag der 8.
Mai eine gewisse Bedeutung haben, für das nationalsozialistische
Deutschland ist der Tag jedoch wesentlich entscheidender, denn er markiert das
Ende des Nationalsozialismus.(4) Die heutige Position Deutschlands im
internationalen Gefüge ist aus linker Sicht sicherlich zu kritisieren,
aber im Unterschied zu 1933/45 befindet sich Deutschland heute im, wie die Inex
schreibt Einklang mit internationalen Rechts- und
Moralvorstellungen immerhin. Es darf also durchaus der Charakter
des 8. Mai im dt. Erinnerungsdiskurs kritisiert und aufgegriffen werden, aber
das ist noch lange kein Grund, den viel wichtigeren Aspekt des 8. Mai davon
verdrängen zu lassen. Die bedingungslose Kapitulation Nazideutschlands
muss, darf und sollte gefeiert werden.
An einer anderen Stelle findet sich im erwähnten Redebeitrag der Inex
folgendes: Von der kurzen Periode nach der deutschen
Reichsgründung 1871 abgesehen ist Deutschland heute so mächtig und
gleichzeitig gefestigt wie nie zuvor in seiner Geschichte. Zum Glück
stimmt das nicht. Und so bleibt an dieser Stelle nur der Demo-Aufruf der LeA zu
zitieren um ein Gegengewicht zu schaffen: Die Bundesrepublik ist weder
vor noch nach dem Anschluss der DDR ein 4.Reich oder auf dem Weg dorthin.
Später greift die Inex in ihrer Verlautbarung noch einmal den aktuellen
Erinnerungsdiskurs und die damit verbundene Universalisierung des
Nationalsozialismus auf und deutet damit auf einen wichtigen Aspekt in punkto
Schuldabwehr hin: Die Deutschen haben die eigene Verfangenheit in den
Zweiten Weltkrieg und den Holocaust erfolgreich veräußert und sie
der westlichen Welt als universell gültige Mahnung ihrer eigenen Grenzen
übertragen. Ist nicht genau dieser Umstand ein weiterer Grund
dafür, den Tag der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands als Symbol
für die Besiegung Nazideutschlands zu feiern? Muss nicht genau an diesem
Punkt mit dem Feiern des Kriegsendes und der Alliierten klar gemacht werden,
warum der 8. Mai ein Sieg und keine Niederlage war? Für die Inex
offensichtlich nicht, sie lässt ihren Redebeitrag damit ausklingen, dass
der 8.Mai kein Feiertag sei und schlussfolgert: Hier in Deutschland
gibt es nichts, aber auch gar nichts zu feiern noch nicht einmal den 8.
Mai.
Diese besonders steile These glaubt die Inex sich wahrscheinlich selber nicht,
warum hätte die Initiative sonst auf einer Demonstration mit dem Motto:
Es gibt nichts zu feiern, außer den 8.Mai! einen Redebeitrag
gehalten? Wichtiger aber ist, dass diese Schlussfolgerung falsch ist. Denn auch
wenn in Deutschland heute genügend politische Missstände
vorherrschen, sich eine Geschichtspolitik durchsetzt, welche Schuld- und
Opferrolle verschwimmen lässt und Deutschland eine führende Position
im internationalen Gefüge einnimmt, ist der Nationalsozialismus die
bedeutend größerer Katastrophe, deren Ende trotz gegenwärtiger
Missstände (und auch auf Kosten derer) gefeiert werden muss.
Bruno