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Tief dringt das Messer in die Stirn des SS-Generals Hans Landa (Christoph
Waltz) ein. Das gestochene Hakenkreuz ist unter dem dicken, roten Kunstblut
kaum zuerkennen. I think this just might be my masterpiece. Diese Worte,
die Quentin Tarantino den Protagonisten Aldo Raine (Brad Pitt) am Ende von
Inglourious Basterds mit einem dicken Tennessee-Akzent in die Kamera
sprechen lässt, sind mehr als ein zynisch-humoristischer
Rausschmeißer bevor in dicken gelben Lettern der Abspann durchläuft.
Es ist ein Statement des Regisseurs über sich selbst, eine Evaluierung
seines Oeuvres und seines nunmehr siebten Films. Denn so sieht sich Tarantino:
Inglourious Basterds ist das meisterwerkhafte Ergebnis eines fast
zehnjährigen Planungsprozesses, in dem sich die Liebe zum Kino, die Freude
am Spielen mit dem Genre, die pointierten Dialoge und der typisch tarantinosche
Witz noch einmal zu gut zweieinhalb Stunden Film verdichten. Doch in diesem
Fall ist alles ein bisschen anders als beim normalen Hype um die Werke
des postmodernen Regisseurs par excellence. Denn diesmal bildet der 2.
Weltkrieg, genauer gesagt, das besetzte Frankreich zwischen 1941 und 1944 den
Stoff von Tarantinos Erzählung, wehrhafte Juden und geschlagene Nazis sind
ihre Protagonisten. Mit einem Film über den Nationalsozialismus scheint
Tarantino zunächst im Trend zu liegen, bedenkt man in diesem Jahr
gelaufene Streifen wie Defiance, Good oder The Reader. Doch
solche Vergleiche hinken, denn schon die Kategorisierung ein Film
über den Nationalsozialismus, mag bei näherem Hinsehen nicht
zu überzeugen. Wenn überhaupt, dann ist die Historie ein Arsenal
für Tarantinos Film-Laboratorium, in dem sich Fakten und Fäktchen
unter der Hand in Elemente eines postmodernen Kinomärchens verwandeln, das
nie nur auf das Vergangene irgendwie verweist, sondern immer auch auf sich
selbst als Medium, eine Art Kino des Kinos.(1) Anders gesagt: Zwar versucht
Tarantino gar nicht erst, einen Film über das Wesen des
Nationalsozialismus als Ganzes zu drehen (fraglich ist wie der aussehen
könnte), ob trotzdem richtige (oder eben falsche) Aussagen über den
Nationalsozialismus gemacht werden, ist zumindest streitbar. Auf den ersten
Blick stellt sich Inglourious Basterds vielmehr als Netzwerk an
Referenzen, genialen Einfällen und Querverweisen dar, eine Mischung aus
eindimensionaler Eindrücklichkeit und Ambivalenz, die es einem nicht
einfach machen will. So bringt Tarantino nicht nur das große Publikum vor
die Leinwände, sondern zieht vor allem den intellektuellen Blick und den
Cineasten an. Das wiederum schlägt sich in einer Unmenge an Literatur
nieder. Dass Inglourious Basterds auf den Nationalsozialismus Bezug
nimmt, dass er eine Reihe deutscher Schauspieler aufbietet, in Deutschland
gefilmt wurde und mit knapp sieben Millionen Euro durch den Bund gefördert
wurde, drehte aus Gründen, auf die noch zurückzukommen sein wird, die
mediale Schraube hierzulande (aber auch in den USA), noch ein Stückchen
weiter. Besprochen wurde durchaus kontrovers nicht nur die
lediglich für Tarantino-Fans interessante Frage, ob es sich hier um seinen
besten Film handle oder nicht, nicht nur sein Unterhaltungswert, sondern vor
allem Fragen von Nutzen und Nachteil der Historie für das Kino, Fragen der
Moral und der politischen Implikationen. Alles in allem, eine unangenehme
Ausgangsposition für eine relativ späte Rezension; viel gäbe es
zu schreiben und zuviel wurde schon geschrieben.
Kolportage
Versuchen wir also einen Weg durchs Dickicht der möglichen Fragen an
Inglourious Basterds zu finden. Der Plot in Kürze: Es sind drei
Handlungsstränge, die Tarantino in fünf Kapiteln alle demselben Ziel
zuführt, einem Attentat auf die nationalsozialistische Führungsriege
bei einer Filmpremiere in Paris. Zunächst ist da Shosanna Dreyfus
(Mélanie Laurent). Sie entkommt einem Massaker an ihrer Familie und
leitet später ein Kino in Paris, das durch die kunstvoll arrangierte
Fügung Tarantinos zum Schauplatz des Attentats werden wird. Denselben Plan
verfolgen die Basterds, jene klandestin hinter den feindlichen Linien
agierende Truppe mehrheitlich jüdischer amerikanischer Soldaten unter dem
Kommando von Aldo Raine. Ihr Ziel ist es, so viele Nazis wie möglich zu
töten und zu skalpieren. Das menschgewordene Symbol für die Angst und
den Schrecken, die sie unter den Deutschen verbreiten wollen ist der
Bärenjude, Sgt. Donnie Donnowitz (Eli Roth), der seinen Opfern
bevorzugterweise mit einem Baseball-Schläger den Garaus macht. Der
Baseballschläger wiederum wurde medial zur Chiffre für die Diskussion
um die Darstellung der Gewalt, die in Inglourious Basterds schonungs-
und schnörkellos daherkommt, ähnlich wie in Tarantinos Erstlingswerk
Reservoir Dogs und grundverschieden vom aufwendig inszenierten und
hochästhetisierten Gemetzel aus Kill Bill. Und schließlich
gibt es den englischen Soldaten Lt. Archie Hox (Michael Fassbender)
seines Zeichens Filmkritiker und Cineast , der beauftragt wird, gemeinsam
mit den Basterds und einer deutschen Schauspielerin, die als
Doppelagentin arbeitet, die Premiere der Film im Film ist eine von
Joseph Goebbels (Sylvester Groth) gedrehte Hommage an den deutschen
Scharfschützen Frederick Zoller (Daniel Brühl) im wahrsten
Sinne des Wortes zu sprengen.
Tarantino ging es keinesfalls darum, einen historischen Film zu schreiben und
zu produzieren. Vielmehr gibt sich die Geschichte als Märchen: Once
upon a time... in Nazi-occupied France steht am Anfang in großen
Lettern, die dem Vorspann von The Good, the Bad and the Ugly entnommen
sein könnten, auf der Leinwand. Ein Märchen jedoch, das nicht in
einer Phantasiewelt spielt, sondern auf einen historischen Kontext Bezug nimmt,
der in jedem Zuschauer und jeder Zuschauerin eine Unmenge von Assoziationen
auslöst. Die eigentümliche Mischung aus historischen Fakten und
Fiktion wurde in den Besprechungen immer wieder als Kolportage beschrieben, dem
despektierlichen Gegenstück zur vermeintlich seriösen Reportage.
Kolporteure, das waren ursprünglich Hausierer, die mit einem Bauchladen
von Tür zu Tür zogen und Bücher verkauften. In Zeiten ohne
Telefon und Internet waren sie Überbringer von Nachrichten, Tor zur Welt,
Augen und Ohren am Gleis der Geschichte für jene weit ab vom Schuss. Der
2. Weltkrieg ist uns als historische Realität heute vielleicht
ähnlich fern, dafür als mediales Spektakel umso präsenter. Der
Holocaust nimmt als Chiffre in diesem Kontext eine feste Stellung ein.
Tarantino blendet sie aus. Es gibt keinen Verweis im Film auf die Vernichtung
der Juden und das ist auch gar nicht nötig, denn Tarantino rechnet mit den
Assoziationen des Publikums, spielt stellenweise mit ihnen und unterläuft
sie. Er setzt auf Irritationen, auf Brüche, die so zu einer ständigen
Reibung mit dem historischen Assoziationsfeld führen: Sei es die Musik am
Beginn des ersten Kapitels, komponiert von Ennio Morricone und einem Western
von Sergio Sollima aus dem Jahre 1966 entnommen. Oder die übergroße
Sherlock-Holmes-Pfeife, die der SS Mann Hans Landa genüsslich raucht,
während er einen Franzosen verhört und ihm nach und nach durch
Charme, Rhetorik und Hartnäckigkeit das Genick bricht, bis dieser die bei
ihm versteckten Juden verrät. Der Film ist sich seiner eigenen
Inszenierung bewusst und umgeht damit das Problem der Authentizität, in
das vermeintlich realistische Filme über den Nationalsozialismus immer
wieder zielsicher hineinsteuern. Das zeugt einerseits von einem hohen
künstlerischen Bewusstsein Tarantinos. Doch dieses Bewusstsein
korrespondiert anderseits, so könnte man angesichts der derzeitigen
Filmproduktionen vermuten, mit einem Zeitgeist, für den die historischen
Realien nach und nach ihr Eigengewicht verlieren zu scheinen und sie eingehen
in das Vorratslager der Kulturindustrie.(2) Das kann man als Pietätlosigkeit
kritisieren, wie es vor allem in anglo-amerikanischen Besprechungen geschehen
ist.(3) Einer solchen Kritik scheint es auf den ersten Blick vor allem darum zu
gehen, den Nationalsozialismus den vermeintlich ernsten und darum irgendwie
authentischen Genres vorzubehalten und sie geht genau deswegen an Tarantino
fehl. Denn abgesehen von der Feststellung, dass die künstlerische
Auseinandersetzung mit dem 2. Weltkrieg und der Shoa schlichtweg kein Novum ist
und es sich eher lohnen würde, über das jeweilige wie zu
sprechen, bezieht sich Tarantino gerade auf jene Ebenen der Kultur, in denen
die bildliche Referenz auf den Nationalsozialismus immer schon Thema war, jene
Klassiker wie The Dirty Dozen (1967) oder B-Movies wie Enzo G.
Castellaris Quel maledetto treno blindato (1978), dessen amerikanischer
Titel Inglorious Basterds Tarantino das Stichwort lieferte. Tarantinos
Film nun einfach als großen Kommentar über das Kino zu lesen,
heißt wiederum nicht, dass sich nicht trotzdem Spannungen und Reibungen
mit der Realgeschichte ergeben können, die durchaus politischer Natur
sind. Diese zu erzeugen, könnte man aber ebenso gut als Stärke des
Films auslegen. Zumal sich in Inglourious Basterds etwas realisiert, das
der Geschichte diametral entgegensteht, was überhaupt gerade der Wut auf
die Geschichte entspringt. Und diese Rachephantasie, als die der Film immer
wieder auch von Tarantino selbst beschrieben wurde, die sich in Inglourious
Basterds durch das Umschreiben und neu Arrangieren der Historie inszeniert,
ist zunächst ein völlig berechtigtes Bedürfnis. Nicht nur im
Kino, auch in der Literatur ist dieses im ganz und gar positiven Sinn
infantile Bedürfnis genrebildend gewesen, bspw. in der
alternative history novel. Diese lief im Falle des 2. Weltkrieges
freilich meist andersherum: Was wäre, wenn Hitler gesiegt hätte?(4) Was
nun im Falle Tarantinos zur Kritik geführt hat, ist weniger, den
umgekehrten Weg gegangen zu sein was, wenn der Krieg vorzeitig beendet
werden könnte , sondern vor allem die Art und Weise der
Umschreibung, die vor allem als eins beschrieben wurde: Inversion.
Inversion
Quentin Tarantino rewrites the Holocaust, schrieb ein amerikanischer
Kritiker. Stimmt dieses Urteil? Befragt man Inglourious Basterds nach
dem Ort der Geschichte in der Erzählung, steht am Anfang die
nationalsozialistische Gewalt, das Massaker an der Familie von Shosanna
Dreyfus, alles Folgende ist Reaktion auf diese Gewalt. Auch findet das Attentat
im Film 1944 statt, da kann von einer Verhinderung des Holocaust den
Tarantino, wie bereits erwähnt, ausblendet nicht mehr die Rede
sein. Das Ende des Films ist eine verfrühte Beendigung des Krieges,
durchgeführt im Akkord durch die Basterds und Shosanna Dreyfus.
Falsch darum das Urteil, Tarantino schreibe die Geschichte des Holocaust um,
richtig ist vielmehr die Feststellung, dass das Ende der
nationalsozialistischen Barbarei durch wehrhafte Juden herbeigeführt
wurde. Und genau da setzen die Ambivalenzen des Films ein. Denn Tarantino
verdoppelt die Gewalt, lässt die Juden fast schon symmetrisch reagieren.
Das legen zumindest einige Bilder nahe, besteht doch das Finale des Films
darin, dass 350 Nazis, inklusive der Führungsriege um Hitler, Bormann,
Göring und Goebbels, in einem Kino eingesperrt und dort durch Bomben und
Feuer in Rauch verwandelt und durch zwei Basterds mit Maschinengewehren
niedergemäht werden. (5) Einerseits wird das Kino durch
hochentzündliche Nitratfilme gesprengt der Sieg des Kinos gegen die
Nazis, wie Tarantino es im Vorfeld ausdrückte. Anderseits agieren die
beiden Basterds effektiv als Selbstmordattentäter und Tarantino
lässt bis zuletzt offen, ob dies dem Plan oder den Umständen
geschuldet war. Am Ende wird das Gesicht Shosanna Dreyfus` die das Ende
der Nazis in einem Film ankündigt, den sie in das Premierenmachwerk
hineingeschnitten hat in den aufsteigenden Rauch projiziert, völlig
unspektakulär wird Hitler erschossen und das Kino fliegt schließlich
in die Luft. Diese Umkehrung der Rollen veranlasste einen Autoren der
Frankfurter Rundschau zu der hyperbolischen, noch weit über die
konstatierte Inversion der Rollen hinausgehenden Überschrift Ein
Grab in den Lüften, eine Anspielung auf Paul Celans Todesfuge.(6)
Tarantino mache die Juden zu Nazis, so also die geäußerte Kritik.
Das eingeritzte Hakenkreuz der umgekehrte Judenstern, das Kino als
invertiertes Krematorium.(7) Damit spiele Tarantino in einen vornehmlich
innerjüdischen Diskurs hinein, in dem es um die Wehrhaftigkeit der Juden
angesichts der nationalsozialistischen Gewalt ging und dem das Wort von den
Lämmern, die sich zur Schlachtbank führen ließen, entnommen
ist.(8) Es wäre an dieser Stelle fehl am Platz, die tatsächlichen
Möglichkeiten des Widerstandes und seine Realisierung aufzulisten.
Vielmehr ist die Frage, ob sich Nazis und Juden im Film tatsächlich
angleichen und wie der Widerstand im Phantasieraum des Kinos denn aussehen
soll; ob er sich überhaupt Fragen der Moral und der Pietät
unterwirft. Das wiederum ist vor allem für die Frage der Rezeption von
Bedeutung, und wer glaubt sie beantworten zu müssen, kann das nur, indem
man den Charakter der Gewalt untersucht, die in Tarantinos Film zur Darstellung
kommt. Die Gewalt der Basterds und Shosanna Dreyfus' ist grausam, keine
Frage. Den Juden filmisch aber aufzubürden, auch im Widerstand noch
moralisch ihrem Gegner überlegen zu sein, wäre billig. Zumal zwischen
der ideologisch motivierten Gewalt der Nazis und der im Film inszenierten
jüdischen politischen Reaktion immer noch ein Unterschied besteht,
eben der zwischen entgrenzter wahnhafter Gewalt und einer verzweifelten Antwort
eines Angegriffenen. Einsichten in diese Konstellation bringt Tarantino fast im
Vorbeigehen unter, so zum Beispiel wenn Hans Landa in wenigen Sätzen das
Wesen der antisemitischen Idiosynkrasie auf den Punkt bringt. Auch Figuren wie
der SS-Sturmbannführer Hellstrom (August Diehl) oder Frederick Zoller
nehmen von unterschiedlichen Seiten her Facetten des Nazis (und ihrer
Darstellung im Film) in den Blick, ja im Grunde sind sie spiegelbildlich
konzipiert. Während Hellstrom relativ nah an einer traditionellen,
eindimensionalen dunklen und bösen Darstellung des Nazis angesiedelt ist,
durchbricht Zoller auf den ersten Blick diese Perspektive, kommt scheinbar nett
und sympathisch daher, um dann beim ersten Zeichen des Widerstands durch
Shosanna in Brutalität umzuschlagen, die er freilich bereits in
seiner filmisch honorierten Heldengeschichte unter Beweis gestellt hat.
Und der viel gelobte Christoph Waltz in seiner Rolle als Hans Landa? Hier
überlagern sich Ideologie und kompromissloser Instrumentalismus. Landa ist
zwar wahnhaft gründlich, sadistisch und von der Nobilität seiner
Aufgabe überzeugt, allerdings wird dies insofern gebrochen als er das
System verstanden hat, den deutschen Pöbel verachtet und zu
allererst an sich selbst denkt, statt an die Ideologie (ganz anders als das
Opfer von Donnie Donnowitz` Baseball-Schläger).(9) Dies zeigt sich nicht
zuletzt in seinem versuchten Seitenwechsel am Ende des Films. Vieles an ihm
erinnert an Jonathan Littells Max Aue aus dem Roman Die Wohlgesinnten,
in dem möglichst viele Elemente (nota bene) faschistischer Ideologie
zusammengelegt werden. Doch das sind Fragen und Reflexionen, gegen die sich
Inglourious Basterds in gewisser Weise sperrt und vielleicht ist das
auch ganz gut so, schließlich ist ein Film ein Film und keine historische
oder theoretische Abhandlung. Und trotzdem ist kein Film ohne seinen
historisch-gesellschaftlichen Ort, undenkbar ohne Verweise auf Bedürfnis-
und Assoziationsstrukturen seines Publikums. Ist das Unwohlsein, das einen bei
dem oben beschriebenen Szenario des Films beschleicht deswegen eine
Befindlichkeit? Der Hinweis auf das Eigengewicht der Versatzstücke der
Geschichte, die in den Film Eingang finden eine Scheu vor der Konsequenz eines
Kunstwerks? In Deutschland möglicherweise nicht.
Tarantino in Germany
Auffällig ist zunächst, dass der Film in Deutschland euphorischer
besprochen wurde als bspw. in den USA. Überraschend ist dies zunächst
nicht, wäre es doch schlicht gegen jede Standortlogik, wenn ein solch
deutsches Kinoereignis (bezüglich der Besetzung, der Förderung
und dem Drehort) durchweg negativ besprochen würde. Es liegt jedoch der
Verdacht nahe das zeigen sowohl Besprechungen als auch die wahrgenommene
Reaktion beim Publikum , dass sich der Film in Deutschland durchaus als
Ereignis der Befreiung eignet: dem Film gelingt, was die Deutschen
versäumt haben, grölend und lachend lässt sich post festum am
Sieg über die Nazis teilhaben und wer den Film in einem der großen
Kinos gesehen hat, wird dieser Beschreibung durchaus zustimmen können. Die
Nazis sind kein lastender Schatten der Vergangenheit mehr(10), es
erlöst sich was, sogar von Katharsis war die Rede.(11) Dass dann
noch Brad Pitt gegenüber Christoph Waltz in den Hintergrund zu treten
scheint: ein Segen für die deutsche (bzw. die österreichische)
Kinoseele. Das tut den Ambivalenzen des Films durchaus unrecht und es scheint
nicht zuletzt die Erwartung an einen Tarantino gewesen zu sein, die
diese Reaktion nach sich ziehen musste, nach dem Motto, wenn Tarantino einen
Film über die Nazis macht, dann wird man sich auch amüsieren
können. Vergleicht man jedoch Trailer und Film, kommt Inglourious
Basterds weder so gewalttätig, noch so komödienhaft daher, wie
man erwarten hätte können. Doch gerade weil Tarantinos Werk
von vornherein eher als Actionfilm wahrgenommen wurde, bietet sich die
Identifikation über jede historische Referenz hinweg umso leichter an. Das
daraus auch eine Entwertung des historischen Rahmens folgt, ist zumindest
anzunehmen. Dabei wäre es nicht das Schlechteste, wenn mit Tarantino die
filmischen Auseinandersetzungen mit den Nazis erstmal ein Ende hätten. Bis
auf die Hitler-Darstellung kommt Inglourious Basterds ohne Nazi-Kitsch
aus und die Art und Weise wie gerade Hitler fast schon im Vorbeigehen dem
Maschinengewehrfeuer zum Opfer fällt, stellt eine angenehme Antithese zum
deutschen (filmischen) Narrativ über den Nationalsozialismus dar. Wo sich
in Der Untergang vom Führer im Moment seines Todes pietätvoll
abgewendet wird, hält Tarantino einfach drauf. Das als entspannend zu
empfinden wäre nicht das Gefühl der Befreiung, das oben beschrieben
wurde, sondern die Erleichterung vom schlichtweg nervigen deutschen
Einfühlungskino.
Robert Zwarg