home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[160][<<][>>]

Wir danken der INEX für ihren kritischen Leserbrief. Wir hoffen, dass der Abdruck des Leserbriefs an wenig prominenter Stelle (Leserbrief-Rubrik) nicht als inhaltliche Positionierung oder gar als tückische Ränke der Redaktion gegen die INEX missverstanden wird. An dieser Stelle seien noch mal alle dem Conne Island nahe stehenden, unangepassten, subkulturellen usw. Personen dazu angehalten, dem Newsflyer ein „Erstes“ zu schreiben. Die Positionierung des Conne Island zur Extremismusthese finden INEX (und alle anderen Interessierten) im CEE IEH #155, einen redaktionell herausgegebenen Artikel, der die Hintergründe der Extremismusdebatte beleuchtet, an tatsächlich prominenter Stelle im CEE IEH #154.
dokumentation, 3.9k

Von der Jungen Union in den
CEE IEH Newsflyer?

Denkanstöße von INEX [Initiative gegen jeden Extremismusbegriff]
an die CEE IEH-Redaktion

Auf der Webseite des CEE IEH heißt es, dass der Conne Island Newsflyer “vom Conne Island herausgegeben wird, [...] um die kulturellen und politischen Aspekte zu beleuchten, unter denen wir uns dazu entschließen, Veranstaltungen anzubieten“. In der letzten Ausgabe (#159) erschien in der Eingangsrubrik „Das Erste“ unter dem Titel „Neues Spiel – Neues Glück“ ein Text, der sich kritisch mit antifaschistischen Mobilisierungen in die ostdeutsche Provinz auseinander setzt und sich in weiten Teilen wie eine Verlautbarung des „Extremismusforschers“ Eckard Jesse liest, welcher von der Jungen Union bis zur Jungen Freiheit gern herangezogen wird, um antifaschistische Projekte wie z.B. das Conne Island zu kriminalisieren. Auch wenn der Text namentlich mit Holger unterzeichnet ist, stellt sich vermutlich nicht nur uns die Frage, was die Redaktion des CEE IEH dazu bewogen hat, ihn (an prominenter Stelle) abzudrucken. Anfang des Jahres gründete sich INEX vor dem Hintergrund einer Kampagne gegen unangepasste antifaschistische, linke, subkulturelle Projekte, die auch im Conne Island als ernst zunehmende Bedrohung empfunden wurde. Ins Rollen gebracht wurde der Kriminalisierungsdiskurs vom Innenministerium Sachsen, angeführt von Albrecht Buttolo. Unterstützt wurde der sächsische Innenminister dabei von Wissenschaftlern wie Eckard Jesse, von regionalen Medien und CDU-PolitikerInnen. Als Argumentationsgrundlage dient(e) Buttolo, Jesse und Co. dabei die Extremismusformel, die Links und Rechts gleichsetzt und eine demokratische Mitte der Gesellschaft völlig losgelöst von diesen „Rändern“ konstruiert. Dass diese Position jetzt eins zu eins im Newsflyer des Conne Island verbreitet wird, können und wollen wir nicht verstehen.
Den Text „Neues Spiel – Neues Glück“ rahmt die Kritik an der Art und Weise, wie zu antifaschistischen Demonstrationen ins Leipziger Umland aufgerufen wird („Hooligansprache“), mit welchem Ziel und aus welchen Anlässen Mobilisierungen in die Provinz stattfinden („Strafexpeditionen“). Er stellt diese Mobilisierung aber auch grundsätzlich in Frage. Für Holger gibt es kein gesellschaftlich relevantes Naziproblem. Er hat lediglich ein Problem mit Nazigewalt, „weil sie menschenfeindlich ist, wie jede Gewalt“. Zu den nazistischen Einstellungsmustern und den ideologischen Versatzstücken, die Grundlage dieser Gewalt sind, schreibt Holger kein Wort. Die Feststellung „Rechte Einstellungen reichen bis in die ‚Mitte der Gesellschaft‘“ gehört für Holger „in die Mottenkiste“. Denn würden „‚rechte‘ Einstellungen so weit verbreitet sein, könnten nicht bekennende Linke bei jeder Gelegenheit das rechts sein mit dem Nazi-Sein in eins setzen. Das geht nur in einer linken Republik“. Holger versteht auch nicht die Kritik an der Gleichsetzung rechter und linker Politik. „Als ob das Problem nicht die rechten und linken Extremisten wären, sondern eine angebliche rechte Hegemonie, deren auch gewalttätige Bekämpfung dem Schutz der Demokratie dient“. Zusammenfassung: Eine rechte Hegemonie gibt es nicht, das von Holger ersehnte gewaltfreie Spiel rechter und linker Kräfte in der Demokratie wird lediglich von gewalttätigen „rechten und linken Extremisten“ bedroht. Und ganz normales „Rechts-Sein“ wird in der „linken Republik“ immer schwerer und von der Antifa mit „Vernichtungsgelüsten gegen die Zone“ bestraft.
Eine kritische Auseinandersetzung mit antifaschistischen Mobilisierungen befürworten wir. Das betrifft sowohl hektisches und auf klassische Antinazi-Politik beschränktes Agieren, als auch die Beschränkung auf Aktionismus, mackerbetonten Sportgruppenstyle und inhaltslose Arroganz gegenüber „Menschen vom Land“ (mehr unter: http://inex.blogsport.de/2008/09/02/redebeitrag-zur-ladenschluss-demo/). Es ist wichtig inhaltsleeres Hedonismusgeschwafel und Identitätshuberei anzuprangern und den Finger in die Wunde heterosexistischen Hooliganismus zu legen.
Trotzdem und gleichzeitig finden wir es richtig, Nazis permanent zu skandalisieren und zu bekämpfen. Es ist notwendig, die Ausbreitung von jugendkulturellen Codes zu verhindern, die Naziideologien in ein popkulturelles Gewand packen. Und ebenso notwendig ist es, sich gegen die zunehmende Bedrohung durch Nazis auf der Straße zu organisieren. Das gilt nicht nur, aber in besonderem Maße in ländlichen Räumen.
Die Frage ist dabei jeweils, wie sinnvoll antifaschistische Aktionsformen unter den gegebenen Umständen sind. Kann dem Besetzen von öffentlichen Räumen durch Nazis (was in Form von Demonstrationen derzeit wöchentlich in Sachsen stattfindet) überhaupt sinnvoll entgegengewirkt werden, in dem man die gleichen Räume zur selben Zeit besetzt, also ab und zu „Präsenz zeigt“? Im Kontext kann und muss auch gefragt werden, wie z.B. alltäglichem bzw. staatlichem Rassismus oder autoritären Ordnungsvorstellungen begegnet werden kann.
Es gibt kein gesellschaftlich relevantes Nazi-Problem, berichtigt uns dagegen Holger im CEE IEH. Latente nazistische Einstellungen in breiten Bevölkerungsschichten, welche das Leben für Menschen schwer machen, die nicht den gängigen Normalitätsvorstellungen von weiß, deutsch, ordentlich und angepasst entsprechen, existieren nach seiner Problemdefinition einfach nicht. Das ist nicht nur gegenüber den Opfern von gewaltförmigen Übergriffen, Beschimpfungen und Nichtbeachtung ihrer Menschenwürde eine Frechheit, sondern auch der Abschied von einer politischen Analyse.
Als typische BewohnerInnen der sächsischen Provinz führt Holger die „Hartz IV-Bezieher ... Mandy und Rico vom Lande“ an, die für die coolen Checker aus der Stadt nur dummer deutscher Mob sind. Was aber, wenn Mandy und Rico keinen Bock auf Juden-, Neger- oder Schwulenwitze haben, wenn sie dem weißdeutschen bierseeligen Einheitsbrei in ihrem Ort nicht entsprechen (wollen)?
Ein Gespräch mit Mandy und Rico würde Holger dann schnell eines Besseren belehren. Sie könnten erzählen von jugendkultureller Monotonie, von den Schwierigkeiten ein selbstorganisiertes Jugendzentrum mit antifaschistischen und antirassistischen Standards zu bekommen oder von der Unmöglichkeit ein Punkkonzert oder eine queere Technoparty zu veranstalten. Vielleicht würden Mandy und Rico auch von Alltagsrassismus berichten, davon, dass die wenigen in Ostdeutschland noch verbliebenen MigrantInnen von dem Wunsch beseelt sind, so schnell wie möglich wegzuziehen und davon dass sich Ressentiments gegenüber „den Ausländern“ nicht nur bei organisierten Nazis, sondern auch bei „aufrechten Demokraten“ finden, die der „einheimischen Bevölkerung“ mit Multikultifesten die „Angst vor den Fremden“ nehmen wollen.
Von einer „Linken Republik“, wie sie Holger halluziniert, in der Menschen mit Migrationshintergrund in wichtigen Positionen sitzen, in der der schwule Bürgermeister der Kreisstadt X mit seinem Freund zum Stadtfest geht, in der der Bau einer Moschee nicht mit dem Bau eines Atomkraftwerks gleichgesetzt wird und in der jüdische Einrichtungen ohne massiven Polizeischutz auskommen, würden Mandy und Rico jedenfalls nicht berichten. Mandy und Rico werden die Kritik an den „Lippenkenntnissen der aufrechten Demokraten gegen rechts“ teilen, wenn die Kommunalverwaltung nach Naziübergriffen auf ihren Jugendclub diesen einfach schließt und sich freut, dass nachts jetzt endlich Ruhe herrscht, dass keine Skaterkids mehr auf der Straße rumlungern, die Graffitischmierereien aufhören und dass die antifaschistische Jugendgruppe, die durch ihre Veranstaltungen den guten Ruf des Ortes beschmutzt hat, keinen Treffpunkt mehr hat. Für diese aufrechten Demokraten werden Mandy und Rico genauso wie für Holger so genannte „Linksextremisten“ sein, weil sie Nazistrukturen in der Region selbst skandalisieren, statt auf staatliche Demonstrationsverbote zu setzen, weil sie Kommunalpolitiker des Rassismus gescholten haben oder weil sie von der Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstützte Veranstaltungen zur Kritik der Arbeit organisiert haben. Dabei geht es Rico und Mandy nicht darum „zur Gewalt aufzurufen“, sondern darum „Räume zu erkämpfen“ und „rechte Hegemonie zu durchbrechen“. Das ist, wie auch der Aufruf, die Verhältnisse „zu rocken“, meist symbolisch gemeint.
Was übrig bleibt, ist der Vorwurf des „Extremismus“, der meist nichts anderes ist als der Vorwurf, politische Ziele mit „Gewalt“ durchzusetzen. Rechts und Links gehören zur Demokratie sagt auch Holger, aber nicht, wenn sie gewalttätig sind. Das ist ein Gewaltbegriff, der einem Verfassungsschutzbericht entspringen könnte und Diskussionen um Militanz und strukturelle Gewaltverhältnisse genauso wegwischt, wie er die inhaltliche Auseinandersetzung mit „Rechts“, „Links“ und „Demokraten“ konsequent vermeidet.
Von „linker Republik“, von „linker Deutungshoheit in der BRD“, von „links dominierten Medien“ sprechen AnhängerInnen der Extremismusformel, wie z.B. Eckhard Jesse. In typisch rechter Opfermentalität halluzinieren sie verschwörungstheoretisch eine anonyme linke Meinungshoheit, ohne genau zu benennen, wen oder was sie damit eigentlich meinen. Sie befinden „Rechts und Links gehören exakt gleichgesetzt“ und behaupten damit einerseits, die reale Existenz einer demokratischen Mitte, die sich sauber von den politisch-motiviert konstruierten Extremismen abgrenzen ließe. Gleichzeitig propagieren sie eine „Gleichgefährlichkeit“ dieser beiden Konstrukte.
Wer von einer „linken Republik“ spricht, lacht höhnisch über alle, die Opfer von Diskriminierung und Nazi-Gewalt geworden sind, sich dagegen einsetzen und deshalb prompt mit Extre-mismusvorwürfen konfrontiert werden, vor den Grenzen Europa ertrunken sind oder in den Genuss eines kostenlosen Fluges in Fesseln zurück in die Heimatdiktatur gekommen sind. Die Extremismusthese dient zur Legitimierung dieser Verhältnisse und zur Delegitimierung und Kriminalisierung der KritikerInnen solcher Verhältnisse.
Solche Positionen sind bzw. befördern eine Entsolidarisierung mit antifaschistischen, nichtrassistischen und anderen Initiativen, die ein linkes, emanzipatorisches Grundverständnis haben und versuchen, dieses in die Praxis umzusetzen. Wie steht eigentlich die CEE IEH-Redaktion und damit auch das Conne Island dazu? – fragt sich

INEX

Hartz IV-Imbiss am Bahnhof - Immer lecker essen, 44.0k

Der neue Antifa-Treffpunkt mit „Mandy und Rico vom Lande“?


home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[160][<<][>>][top]

last modified: 25.11.2008