Denkanstöße von INEX [Initiative gegen jeden Extremismusbegriff] an die CEE IEH-Redaktion
Auf der Webseite des CEE IEH heißt es, dass der
Conne Island Newsflyer vom Conne Island herausgegeben wird, [...] um die
kulturellen und politischen Aspekte zu beleuchten, unter denen wir uns dazu
entschließen, Veranstaltungen anzubieten. In der letzten Ausgabe
(#159) erschien in der Eingangsrubrik Das Erste unter dem Titel
Neues Spiel Neues Glück ein Text, der sich kritisch mit
antifaschistischen Mobilisierungen in die ostdeutsche Provinz auseinander setzt
und sich in weiten Teilen wie eine Verlautbarung des
Extremismusforschers Eckard Jesse liest, welcher von der Jungen
Union bis zur Jungen Freiheit gern herangezogen wird, um antifaschistische
Projekte wie z.B. das Conne Island zu kriminalisieren. Auch wenn der Text
namentlich mit Holger unterzeichnet ist, stellt sich vermutlich nicht nur uns
die Frage, was die Redaktion des CEE IEH dazu bewogen hat, ihn (an prominenter
Stelle) abzudrucken. Anfang des Jahres gründete sich INEX vor dem
Hintergrund einer Kampagne gegen unangepasste antifaschistische, linke,
subkulturelle Projekte, die auch im Conne Island als ernst zunehmende Bedrohung
empfunden wurde. Ins Rollen gebracht wurde der Kriminalisierungsdiskurs vom
Innenministerium Sachsen, angeführt von Albrecht Buttolo. Unterstützt
wurde der sächsische Innenminister dabei von Wissenschaftlern wie Eckard
Jesse, von regionalen Medien und CDU-PolitikerInnen. Als
Argumentationsgrundlage dient(e) Buttolo, Jesse und Co. dabei die
Extremismusformel, die Links und Rechts gleichsetzt und eine demokratische
Mitte der Gesellschaft völlig losgelöst von diesen
Rändern konstruiert. Dass diese Position jetzt eins zu eins im
Newsflyer des Conne Island verbreitet wird, können und wollen wir nicht
verstehen.
Den Text Neues Spiel Neues Glück rahmt die Kritik an
der Art und Weise, wie zu antifaschistischen Demonstrationen ins Leipziger
Umland aufgerufen wird (Hooligansprache), mit welchem Ziel und aus
welchen Anlässen Mobilisierungen in die Provinz stattfinden
(Strafexpeditionen). Er stellt diese Mobilisierung aber auch
grundsätzlich in Frage. Für Holger gibt es kein gesellschaftlich
relevantes Naziproblem. Er hat lediglich ein Problem mit Nazigewalt, weil
sie menschenfeindlich ist, wie jede Gewalt. Zu den nazistischen
Einstellungsmustern und den ideologischen Versatzstücken, die Grundlage
dieser Gewalt sind, schreibt Holger kein Wort. Die Feststellung Rechte
Einstellungen reichen bis in die Mitte der Gesellschaft
gehört für Holger in die Mottenkiste. Denn würden
rechte Einstellungen so weit verbreitet sein, könnten
nicht bekennende Linke bei jeder Gelegenheit das rechts sein mit dem Nazi-Sein
in eins setzen. Das geht nur in einer linken Republik. Holger versteht
auch nicht die Kritik an der Gleichsetzung rechter und linker Politik.
Als ob das Problem nicht die rechten und linken Extremisten wären,
sondern eine angebliche rechte Hegemonie, deren auch gewalttätige
Bekämpfung dem Schutz der Demokratie dient. Zusammenfassung: Eine
rechte Hegemonie gibt es nicht, das von Holger ersehnte gewaltfreie Spiel
rechter und linker Kräfte in der Demokratie wird lediglich von
gewalttätigen rechten und linken Extremisten bedroht. Und
ganz normales Rechts-Sein wird in der linken Republik
immer schwerer und von der Antifa mit Vernichtungsgelüsten gegen die
Zone bestraft.
Eine kritische Auseinandersetzung mit antifaschistischen Mobilisierungen
befürworten wir. Das betrifft sowohl hektisches und auf klassische
Antinazi-Politik beschränktes Agieren, als auch die Beschränkung auf
Aktionismus, mackerbetonten Sportgruppenstyle und inhaltslose Arroganz
gegenüber Menschen vom Land (mehr unter:
http://inex.blogsport.de/2008/09/02/redebeitrag-zur-ladenschluss-demo/). Es
ist wichtig inhaltsleeres Hedonismusgeschwafel und Identitätshuberei
anzuprangern und den Finger in die Wunde heterosexistischen Hooliganismus zu
legen.
Trotzdem und gleichzeitig finden wir es richtig, Nazis permanent zu
skandalisieren und zu bekämpfen. Es ist notwendig, die Ausbreitung von
jugendkulturellen Codes zu verhindern, die Naziideologien in ein popkulturelles
Gewand packen. Und ebenso notwendig ist es, sich gegen die zunehmende Bedrohung
durch Nazis auf der Straße zu organisieren. Das gilt nicht nur, aber in
besonderem Maße in ländlichen Räumen.
Die Frage ist dabei jeweils, wie sinnvoll antifaschistische Aktionsformen unter
den gegebenen Umständen sind. Kann dem Besetzen von öffentlichen
Räumen durch Nazis (was in Form von Demonstrationen derzeit
wöchentlich in Sachsen stattfindet) überhaupt sinnvoll
entgegengewirkt werden, in dem man die gleichen Räume zur selben Zeit
besetzt, also ab und zu Präsenz zeigt? Im Kontext kann und
muss auch gefragt werden, wie z.B. alltäglichem bzw. staatlichem Rassismus
oder autoritären Ordnungsvorstellungen begegnet werden kann.
Es gibt kein gesellschaftlich relevantes Nazi-Problem, berichtigt uns dagegen
Holger im CEE IEH. Latente nazistische Einstellungen in breiten
Bevölkerungsschichten, welche das Leben für Menschen schwer machen,
die nicht den gängigen Normalitätsvorstellungen von weiß,
deutsch, ordentlich und angepasst entsprechen, existieren nach seiner
Problemdefinition einfach nicht. Das ist nicht nur gegenüber den Opfern
von gewaltförmigen Übergriffen, Beschimpfungen und Nichtbeachtung
ihrer Menschenwürde eine Frechheit, sondern auch der Abschied von einer
politischen Analyse.
Als typische BewohnerInnen der sächsischen Provinz führt Holger die
Hartz IV-Bezieher ... Mandy und Rico vom Lande an, die für die
coolen Checker aus der Stadt nur dummer deutscher Mob sind. Was aber, wenn
Mandy und Rico keinen Bock auf Juden-, Neger- oder Schwulenwitze haben, wenn
sie dem weißdeutschen bierseeligen Einheitsbrei in ihrem Ort nicht
entsprechen (wollen)?
Ein Gespräch mit Mandy und Rico würde Holger dann schnell eines
Besseren belehren. Sie könnten erzählen von jugendkultureller
Monotonie, von den Schwierigkeiten ein selbstorganisiertes Jugendzentrum mit
antifaschistischen und antirassistischen Standards zu bekommen oder von der
Unmöglichkeit ein Punkkonzert oder eine queere Technoparty zu
veranstalten. Vielleicht würden Mandy und Rico auch von Alltagsrassismus
berichten, davon, dass die wenigen in Ostdeutschland noch verbliebenen
MigrantInnen von dem Wunsch beseelt sind, so schnell wie möglich
wegzuziehen und davon dass sich Ressentiments gegenüber den
Ausländern nicht nur bei organisierten Nazis, sondern auch bei
aufrechten Demokraten finden, die der einheimischen
Bevölkerung mit Multikultifesten die Angst vor den
Fremden nehmen wollen.
Von einer Linken Republik, wie sie Holger halluziniert, in der
Menschen mit Migrationshintergrund in wichtigen Positionen sitzen, in der der
schwule Bürgermeister der Kreisstadt X mit seinem Freund zum Stadtfest
geht, in der der Bau einer Moschee nicht mit dem Bau eines Atomkraftwerks
gleichgesetzt wird und in der jüdische Einrichtungen ohne massiven
Polizeischutz auskommen, würden Mandy und Rico jedenfalls nicht berichten.
Mandy und Rico werden die Kritik an den Lippenkenntnissen der aufrechten
Demokraten gegen rechts teilen, wenn die Kommunalverwaltung nach
Naziübergriffen auf ihren Jugendclub diesen einfach schließt und
sich freut, dass nachts jetzt endlich Ruhe herrscht, dass keine Skaterkids mehr
auf der Straße rumlungern, die Graffitischmierereien aufhören und
dass die antifaschistische Jugendgruppe, die durch ihre Veranstaltungen den
guten Ruf des Ortes beschmutzt hat, keinen Treffpunkt mehr hat. Für diese
aufrechten Demokraten werden Mandy und Rico genauso wie für Holger so
genannte Linksextremisten sein, weil sie Nazistrukturen in der
Region selbst skandalisieren, statt auf staatliche Demonstrationsverbote zu
setzen, weil sie Kommunalpolitiker des Rassismus gescholten haben oder weil sie
von der Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstützte Veranstaltungen zur Kritik
der Arbeit organisiert haben. Dabei geht es Rico und Mandy nicht darum
zur Gewalt aufzurufen, sondern darum Räume zu
erkämpfen und rechte Hegemonie zu durchbrechen. Das ist,
wie auch der Aufruf, die Verhältnisse zu rocken, meist
symbolisch gemeint.
Was übrig bleibt, ist der Vorwurf des Extremismus, der meist
nichts anderes ist als der Vorwurf, politische Ziele mit Gewalt
durchzusetzen. Rechts und Links gehören zur Demokratie sagt auch Holger,
aber nicht, wenn sie gewalttätig sind. Das ist ein Gewaltbegriff, der
einem Verfassungsschutzbericht entspringen könnte und Diskussionen um
Militanz und strukturelle Gewaltverhältnisse genauso wegwischt, wie er die
inhaltliche Auseinandersetzung mit Rechts, Links und
Demokraten konsequent vermeidet.
Von linker Republik, von linker Deutungshoheit in der
BRD, von links dominierten Medien sprechen AnhängerInnen
der Extremismusformel, wie z.B. Eckhard Jesse. In typisch rechter
Opfermentalität halluzinieren sie verschwörungstheoretisch eine
anonyme linke Meinungshoheit, ohne genau zu benennen, wen oder was sie damit
eigentlich meinen. Sie befinden Rechts und Links gehören exakt
gleichgesetzt und behaupten damit einerseits, die reale Existenz einer
demokratischen Mitte, die sich sauber von den politisch-motiviert konstruierten
Extremismen abgrenzen ließe. Gleichzeitig propagieren sie eine
Gleichgefährlichkeit dieser beiden Konstrukte.
Wer von einer linken Republik spricht, lacht höhnisch
über alle, die Opfer von Diskriminierung und Nazi-Gewalt geworden sind,
sich dagegen einsetzen und deshalb prompt mit Extre-mismusvorwürfen
konfrontiert werden, vor den Grenzen Europa ertrunken sind oder in den Genuss
eines kostenlosen Fluges in Fesseln zurück in die Heimatdiktatur gekommen
sind. Die Extremismusthese dient zur Legitimierung dieser Verhältnisse
und zur Delegitimierung und Kriminalisierung der KritikerInnen solcher
Verhältnisse.
Solche Positionen sind bzw. befördern eine Entsolidarisierung mit
antifaschistischen, nichtrassistischen und anderen Initiativen, die ein linkes,
emanzipatorisches Grundverständnis haben und versuchen, dieses in die
Praxis umzusetzen. Wie steht eigentlich die CEE IEH-Redaktion und damit auch
das Conne Island dazu? fragt sich
INEX
Der neue Antifa-Treffpunkt mit „Mandy und Rico vom Lande“?
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