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Aufbegehren im Gummitwist.
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Ein Blick auf Popfeminismus und seine neuesten Publikationen Hot Topic – Popfeminismus heute und Missy Magazine – Popkultur für FrauenRaether/Stakemeier, Jungle World Nr. 14, 03. April 2008 Wenn der bis jetzt völlig unterkomplexe und untertheoretisierte Begriff Popfeminismus überhaupt zu etwas nützlich sein kann, dann zu einer feministischen Kritik der Popkultur Sonja Eismann, Jungle World Nr. 15, 10.April 2008 Die obenstehenden Zitate stammen aus der Anfang des Jahres in der Jungle World geführten Diskussion um Popfeminismus, deren Ausgangspunkt die Veröffentlichung Hot Topic Popfeminismus heute gewesen war. Diese stellte nach Angabe der Herausgeberin Sonja Eismann die erste deutschsprachige Publikation in diesem Bereich seit dem Erscheinen des Bands Lips Tits Hits Power? Popkultur und Feminismus dar(1). Was ist Popfeminismus, was kann und will er leisten? Hat er kritisches Potential und wenn ja, wie weitreichend ist dieses oder ist das ganze Projekt am Ende affirmativ nette Unterhaltung für Menschen, die sich für ein bisschen kritisch halten und sich für Popkultur interessieren? Entlang dieser Fragen entwickelte sich die Diskussion. Aus Anlass der ersten Ausgabe des Missy Magazines - Popkultur für Frauen im Oktober 2008, das von einigen Hot Topic-Autorinnen herausgegeben wird, wollen wir ausgehend von der Diskussion, die neue Zeitschrift und das Buch hinsichtlich ihres feministischen Potentials betrachten. Aus der Debatte lassen sich verkürzt zwei Positionen herausschälen: Die VertreterInnen des Popfeminismus wollen die Popkultur aus einer feministischen Position kritisieren. Ziel ist nicht die Kritik der Gesellschaft als Ganzes sondern die Sichtbarmachung der geschlechtlich geprägten Strukturen der Popkultur und der Angriff auf deren tradierte Rollenmuster. Die popfeminismus-skeptische Gegenposition kritisiert, dass sich Popfeminismus nur um seine eigene kleine Nische kümmert ohne Blick fürs Ganze. Daraus folgt dann, dass die Probleme von Leuten jenseits der queeren Popcommunity nicht beachtet werden. Im schlimmsten Fall bemüht sich die Kritik um die feministische Aneignung von Buffy The Vampire Slayer und fertig ist die moderne Frau. Das Argument, dass der Feminismus sich durch seine omnipräsente Stigmatisierung als unsexy das letzte große Kassengift im Kapitalismus(2) ist und deshalb auch sein Nachfolgemodell Popfeminismus sich nicht so einfach in Affirmation wenden lässt, verkennt, dass die feministische Forderung der zweiten Frauenbewegung nach rechtlicher und sozialer Gleichberechtigung sehr schön zusammen ging mit der Verwertbarkeit weiblicher Arbeitskräfte. Heute entspricht die genannte Forderung dem Selfempowerment eines Feminismus, der einer radikalen gesellschaftskritischen Grundlage entbehrt. So bleibt die Reflektion auf die Gesamtheit der Gesellschaft notwendige Voraussetzung und wenn alle Lebensbereiche unter dem Kapitalismus [...] gleich nah zum Zentrum [stehen, ... kann] eine radikale Kritik der Gesellschaft [...] ebenso an der Dekonstruktion des Sexes ansetzen wie an der des Staates. Beide jedoch müssen sich stets über die Produktionsverhältnisse, die sie miteinander verbinden, vermitteln.(3) Den Bereich der Popkultur zu kritisieren ist ein so nützliches und unterstützenswertes Unterfangen wie die Einführung von Frauenquoten. Das ist nicht wenig, bildet die Popkultur doch immerhin die Lebensrealität junger Frauen einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht, birgt aber immer auch die Gefahr in sich, es sich in der Popkuschelecke(4) gemütlich zu machen. Insofern lässt sich gegen eine feministische Kritik der Popkultur nichts einwenden, solange nicht missachtet wird, dass es bei einer solchen Kritik immer nur um eine auf eine Nische ausgerichtete pragmatische Kritik gehen kann. In dem Band Hot Topic Popfeminismus heute sind sehr unterschiedliche Artikel versammelt, die unter klassisch feministischen Themen wie Sexualität und Feminismus aber auch unter neueren wie Medien und Do-It-Yourself subsumiert werden. Nicht alle schaffen es, ausgehend von der eigenen popkulturellen Sozialisation auf gesellschaftliche Strukturen hinzuweisen und bleiben leider zwischen ihren Platten, Kassetten und selbstgestrickten Tampons hängen. Einigen Artikeln gelingt es aber, ausgehend vom subjektiven Ansatz der Alltagserzählung die eigene Erfahrung in der gesellschaftlichen Realität und Struktur zu verorten und so die Kritik nicht gänzlich verpuffen zu lassen. Die ersten Artikel des Buches unter der Überschrift Sexualität/ Identität legen dann auch eigentlich ganz gut los. Zwei Beiträge von Julia Roth und Sarah Diehl zu Verhütung und Abtreibung rechnen mit der gesellschaftlichen Situation von Frauen ab, insbesondere mit der rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Lage bei Abtreibungen und mit den Zumutungen durch Zwangsberatungen bei Schwangerschaftsabbrüchen und der stagnierenden Erforschung von Verhütungsmitteln. Es fällt auf, dass die Texte zu den klassisch feministischen Rubriken Sexualität und Körper die interessanteren weil reflektierteren sind. Eine bloße Beschreibung des eigenen Werdegangs, wie es Katja Röckel in Bezug auf ihre Karriere im Freien Radio tut, entspricht allzu leicht der behaupteten Notwendigkeit zeitgeistiger Selbstfindung. Inhaltlich schließt sich daran der Artikel von Christiane Rösinger an, der das prekäre Leben vieler junger Frauen abfeiert und sogar den Tipp gibt, die zu leistende Lohnarbeit durch die listige Aufteilung in einen müßigen aber gut bezahlten Brotjob, und einen lustigen aber schlecht bezahlten Fun-Job zu bewerkstelligen. Eine Reflektion der ökonomischen, kapitalistischen Verhältnisse findet wie in den genannten Beispielen entweder gar nicht statt oder verirrt sich in dem Glauben, eine echte Alternative im D.I.Y.-Ethos prekärer Nischenökonomien qua Konsumkritik finden zu können. Somit kommt Stephanie Müller in ihrem zu Beginn durchaus ansprechenden Artikel über feministische Mode zu dem Schluss: Die wachsende Skepsis gegenüber Sweatshop-Labour, Konsumwahn und einem Modediktat (...) bringt (...) immer mehr KonsumentInnen dazu, aus den kapitalistischen Verwertungsketten auszubrechen.(5) Das Moment der kritischen Reflexion auf Geschlechterverhältnisse in einigen Passagen von Hot Topic, scheint in der ersten Ausgabe von Missy Magazine Popkultur für Frauen noch weiter in den Hintergrund gerückt zu sein. Dies liegt einerseits am Vorhaben der Herausgeberinnen, auf dem Zeitschriftenmarkt eine Nische zwischen den bereits unzählig vorhandenen Lifestyle-, Popkultur- und Frauenmagazinen finden zu wollen und auch zu müssen, um bestehen zu können. Gleichzeitig fällt die Abgrenzung zu den und das Rekurrieren auf die genannten Formate eher unspektakulär aus. Die Artikel fallen selbst verglichen mit ähnlichen Zeitschriften-Konzepten ungewöhnlich kurz aus und brechen meistens da ab, wo sie interessant werden würden. Sonja Eismanns Befragung ihrer Mutter zum Stöckelschuhzwang der 50er Jahre knüpft zwar an die (auto-)biographische Perspektive aus Hot Topic an, eine umfassendere Auseinandersetzung mit dem Frauenbild der Nachkriegszeit und die Frage nach historischen Wendepunkten bis in die Gegenwart muss durch die Beschränktheit des Textes auf eine halbe Spalte aber leider ausbleiben. Ein ausgeglicheneres Text-Bild-Verhältnis wäre für die zukünftigen Ausgaben wünschenswert, zum Beispiel steht im Interview mit der Schauspielerin Caroline Peters zum Thema Klischeehaftigkeit weiblicher Theaterrollen eine Spalte Text eineinhalb Seiten Bild gegenüber. Gerade weil viele Artikel in Form von Interviews die personifizierten Erfahrungen von Frauen meistens größere oder kleinere Bekanntheiten aus der popkulturellen Medienlandschaft behandeln, wäre eine ernst gemeinte Auseinandersetzung mit dem, was sie denken und sagen eine wirkliche Abwechslung. Denn das Neue im Konzept Missy wird wohl kaum in der (photographischen) Abbildung von Frauen liegen. Auch die Titelseite, dominiert von einem Foto der österreichischen Sängerin Soap&Skin, legt erstmal kaum die Vermutung nahe, es handle sich hierbei nicht um ein gewöhnliches Lifestyle-Magazin für junge Frauen. Leider tappt dann auch das ebenfalls im Heft enthaltene Interview mit der Künstlerin in die Falle, an anachronistische weibliche Rollenmodelle anzuknüpfen, wenn relativ unkommentiert vom Wilden und Tierischen und vom Leiden müssen der Künstlerin während ihrer Bühnenperformances die Rede ist. Neben den Künstlerinnenportraits und der Besprechung von Produkten aus den Bereichen Musik, Kunst, Internet, Mode, Film und Literatur, erscheinen uns ein paar Artikel besonders interessant, weil sie das bekannte Zeitschriften-Gebiet für einen Augenblick verlassen. Dazu zählt das witzig geschriebene Plädoyer gegen das Abstillen, eine Art Erlebnisbericht über den ersten Dildokauf und die Anleitungen, wie man Platten ineinander mischt und vor allem, wie frau sich einen Bart anklebt. Mehr davon! Zwischen diesem teils etwas belanglosen, teils überraschend-witzigen Themenreigen wirkt die Reportage über Genitalverstümmelung in Burkina Faso dagegen eher Fehl am Platz und legt die Vermutung nahe, man wolle nur nicht den Eindruck der politischen Unbedarftheit erwecken. Ohne Zweifel sind alle Vorhaben, die Präsenz von Frauen in der medialen Öffentlichkeit und ihr Mitwirken daran zu erhöhen, nach wie vor unbedingt notwendig. Die konsequente Beschränkung auf Künstlerinnen, die konsequent weibliche Besetzung der Redaktion und die Suche nach weiblichen Themen nicht nur aber auch jenseits von dem, was landläufig darunter verstanden wird, machen Missy trotz inhaltlicher Unschärfe zu einem wichtigen Projekt. Weil aber eine Theoretisierung der Kategorie Frau durchweg ausbleibt, könnte die Fokussierung auf die Zielgruppe Frauen nicht als notwendige Reaktion auf eine männliche Über-Präsenz in den Medien sondern als biederer Essenzialismus missverstanden werden. Dazu trägt beispielsweise auch die Dominanz heterosexueller Sexualität in der Rubrik Sex bei. Den Bericht über den ersten Dildokauf mit dem Bußgang zum eigenen Freund enden zu lassen, um ihm den neu gekauften Dildo zu gestehen, der vielleicht ein bisschen größer ist als seine Ausstattung, schmälert den Unterschied zu anderen Frauenmagazinen erheblich und wäre wirklich nicht nötig gewesen. Ein durch die unkommentierte Verwendung der Kategorie Frauen offeriertes Wir ist leicht anschlussfähig an die Propagierung einer weiblichen Unternehmerinnen-Identität im Postfordismus. Längst haben reaktionäre Beruhigungsblätter von SZ-Magazin bis NEON an den angeblich für den Netzwerk-Kapitalismus besser ausgebildeten, flexibleren, teamfähigeren Frauen sowohl als Thema als auch als Zielgruppe gefallen gefunden. So hat die NEON längst erkannt, dass das, was Frauen an dem Aufstieg in die Chefetagen hindert, ein strukturelles Problem ist und setzt sich in ihrer Juniausgabe 2008 mit dem medial breit getretenen neuen Feminismus auseinander, was in Missy und Hot Topic übrigens mit der Begründung, die Fronten zwischen second und third wave lieber kitten als vergrößern zu wollen, bislang ganz ausblieb. Auch die Herausgeberinnen von Missy verknüpfen im Vorwort ihre Forderungen nach der Emanzipation von Frauen mit der Plattitüde von der notwendigen Selbstermächtigung: Das Magazin solle bei Macherinnen und Leserinnen das Gefühl auslösen, dass wir super sind, alles erreichen können und jetzt sofort damit anfangen müssen. Die mehrere Artikel beinhaltende Rubrik Mach es selbst kann leicht als neoliberales Credo (miss-) verstanden werden, auch wenn (oder gerade weil?) die Herausgeberinnen darin vielleicht viel mehr eine Anknüpfung an Praxen der subkulturellen D.I.Y. sehen mögen. Wie schon für Hot Topic beschrieben, wird das eigene, prekäre Arbeitsfeld zwischen Popkultur und Journalismus bejubelnd mit dem Euphemismus des Spielplatzes belegt. Weiter heißt es in Missy: Wir haben keine Lust mehr, den Jungs immer nur beim Spielen zuzusehen, wir wollen selbst spielen. Wäre es nicht besser, statt dessen Ernst zu machen?! Ripper Giles Fußnoten (1) Eismann, Sonja: Einleitung. In: Dies. (Hg.): Hot Topic Popfeminismus heute. Ventil Verlag, Mainz 2007, S. 11. (2) Eismann, Sonja: Bewegung vortäuschen. In: Jungle World Nr. 15, 10. April 2008. (3) Raether, Johannes Paum / Kerstin Stakemeier: Arbeit ist keine Party. In: Jungle World Nr.14, 03. April 2008. (4) Raether/ Stakemeier, Jungle World Nr.14. (5) Müller, Stephanie: Putting the F-word on the fashion map. Wenn Mode radikal wird. In: Eismann, 2007, S. 173. |
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