Popkultur macht sich nicht an Ausdrucksmitteln fest
sondern an den strukturellen Gemeinsamkeiten. Meint also Hardcore genauso wie
vermeintlichen Chart-Pop, Techno und Underground oder
Verbiegungen wie Alternative.
Daß Pop irgendwie links sei, gilt als feste Größe.
Stimmt aber nicht.
Was bleibt von einer Gesellschaftskritik des Pop , wenn
dieser sich selbst edrosselt? Wer redet schon von subversiven Ansätzen,
ohne sich dafür bezahlen lassen zu wollen?
Noch nie war die Linke so popfeindlich wie heute. (S.Grether
in SPEX)
Es ist durchaus interessant festzustellen, daß
trotz Warholscher Pop-Art (das Reißen trivialer Objekte und deren Werte
aus ihrem gesellschaftlich codierten Kontext) das Medium Musik die Sperrspitze
nun schon seit Jahrzehnten darstellt. Die Wegbereiter Velvet Underground
fühlten sich zwar a'priori noch einem Kunstbegriff verhaftet, der sich
nicht zu einem Kulturbegriff modifizierte weil er zu sehr vom Politischen
entfernt hielt, doch das Aufgehen des Pop als gesellschaftlich relevant fand
dort seinen ersten theoretischen Unterbau.
Wenn heute der Pop als Phänomen eigener
Gesetzmäßigkeiten Anerkenntnis in allen westlichen bürgerlichen
Medien für sich verbuchen kann, so liegt das im Schwerpunkt an dem ihm
zugute gehaltenen seismographischen Fähigkeiten, die sich
Soziologen und Experten als Belege für ihre Analysen und
Ergebnisse zu eigen machen. Maßstab sind dabei die
verselbstständigten, ihrem ursprünglichen Sinn entleerten Codierungen
der verschiedenen Pop-Kulturen; die Entfernung also vom eigentlichen Ursprung
der jeweiligen kulturellen Strömung.
Das Abschöpfen der innovativen Produkte und der Versuch, die
einschlägigen Impulse nach ihrer Marktfähigkeit auszuschlachten,
treibt seit dem Bestehen, der Rezeption von MTV und seiner Epigonen vormals
nicht gekannte Blüten. Die Beschleunigung und das Verpuffen von
Hipness und üp-to-date-Sein sind das Ergebnis
einer Segmentierung des Pop, die einer losen Hierarchisierung
gleicht: Trendsetter sind erst die Marktforscher und
PR-Abteilungen. Sie sind die eigentlichen Machtzentren, die über Aufstierg
und Fall kultureller Strömungen innerhalb der Gesellschaft entscheiden.
Das heißt, Subversivität, die dem Pop in seiner Genese eigen ist,
erlangt ERST DANN eine Breitenwirksamkeit, wenn sie auf die Dimension von
Stellvertreterkriegen zurechtgestutzt ist. Solange fundamental-subversive
Phrasen nicht verselbstständigt sind ihre kulturell-politische Einbettung
nicht gleichbedeutende Taten heraufbeschwört und somit die
Marktmechanismen selbst vorgeführt würden, bleibt die populäre
Verortung in einem akzeptablen, unverbogenem Zusammenhang. Tritt sie aus diesem
Zusammenhang, beraubt sie sich ihrer archetypischen Essenz. Dergestalt erlangt
eine Verweigerungshaltung die entscheidende Funktion für den
Fortbestand.
Pop als Zugeständnis an den Mainstream zu begreifen, ist
grundsätzlich reformistisch. Verwerflich ist die Position deshalb, weil
sie die vielzitierte gesellschaftliche Relevanz in der Endkonsequenz verpuffen
läßt.
Diese Position wirkt popfeindlich. Der Pop kann- logisch- nicht die Politk
ersetzen. Er darf aber auch nicht zu deren Steigbügelhalter verkommen, wie
uns der Spiegel in Pop und Politik gern suggeriert. Die
Einflußnahme auf gesellschaftliche Veränderung oder gar deren
Auslösung stellt sich im Ansatz dann als antiquiert heraus, wenn damit
immer wieder von neuem ein Marsch durch die Instituionen
angeschoben wird, der historisch bekanntermaßen als gescheitert gelten
muß.
Die Wirklichkeit bestimmen heute Abbilder des Realen- die sogenannte mediale
Wirklichkeit tritt an seine Stelle. Über sie wird suggeriert, was den
gesellschaftlichen (Pseudo-) Diskurs bestimmt. Die Pop-Linke sieht darin eine
Kampfansage und nimmt den Kulturkampf an. Er richtet sich gar nicht
so sehr an der Verteidigung der kulturellen Hegemonie aus, sondern
will die Eigentliche erstreiten. Nur, für wen? Diese Frage ist nocht nicht
einmal formuliert, geschweige denn geklärt.
Das Aufbröseln der vormals einigermaßen monolithischen Subkulturen
läßt sich ohne größere Schwierigkeiten mitvollziehen und
-entscheidend- gestalten. So man denn will. Die Schlüsse, die daraus
gezogen werden, lassen vermuten, daß das Vordringen in die
Gesellschaft sozusagen auch vordringlich ist.
Plädoyer für eine Pop-Linke
Die Zuschreibung als Pop-Linke setzt voraus, daß sie sich als Bestandteil
der Linken begreift. Einer Linken, die in der Bundesrepublik nur noch als Rest
existiert. Insofern ist die Pop-Linke ein Produkt der historischen Entwicklung
der gesamten Linken. Ihr linkes Verständnis entspringt jedoch nicht der
kulturellen Politik sondern der politischen Kultur. Diese politische Kultur
muß sie als Unterschied zur benannten kulturellen Politk begreifen. Das
bedeutet, sie auferlegt sich ein Dogma, das ihr dann jeglichen
ästhetischen Spielraum läßt. Dieser Spielraum ergibt sich aus
der Bündnisfähigkeit gegenüber diversen Subkulturen
und deren Strömungen. Entscheidendes Moment dabei ist das kuturelle
Zusammengehen.
Die Pop-Linke erhebt somit keinen missionarischen politischen Anspruch und
bricht also mit der Vergesellschaftung ihrer Inhalte. So beraubt
sie sich weder ihrer Radikaltität noch ihrer subversiven Elemente, wird
weder durch Zugeständnisse verstümmelt noch abgeschliffen. Sie
begreift Pop als minoritär-heterogenes Segment, das seine ethischen Werte
reguliert und nicht von der sozialen Entwicklung abkoppelt.
Die Gefahr der Abkoppelung radikaler Inhalte liegt in der Vereinzelung
einschlägiger Parts einer funktionierenden Infrastruktur, die sich einer
kollektiven Praxis verpflichtet fühlt. Das heißt, die
Kompatibilität innerhalb der eigenen Strukturen wird zum Regulator der
oben erwähnten ethischen Werte. Dabei darf das Dogma der Politisierung
nicht zum vernichtenden Argument kulturell-ästhetischer Freiheiten werden.
Wird es das , kehrt sich der Anspruch zur Agit-Prop. und somit zur reinen
Polit-Show (Kunst als Waffe-Tradition).
Der Zwang, der sich durch kollektive Sozialisation niemals vermeiden lassen
wird, setzt Grenzen, die keine kulturellen sein dürfen! Das Durchbrechen
ästhetischer Ghettoisierung muß stets als Weiterung begriffen
werden. Nicht als Abtrünnigkeit oder gar Verrat.. Nur so sichert man eine
Fortentwicklung, die sich weder ewiggestrig noch antiquiert schimpfen lassen
muß. Insofern ist die Konservierung kultureller Werte ein von der Dynamik
ausgehebeltes, sich selbst fortschreibendes perspektivisches Produkt, um das
einem nicht bange sein muß. Ralf |