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Israelsolidarität in der Praxis. |
Beitrag des AFBL bei der Veranstaltung Warum Israelsolidarität.Der AFBL, als eine aus Antifa-Zusammenhängen entstandene feministische und antideutsche Frauengruppe, hat die Entwicklung der Israelsolidarität in Leipzig seit fast 10 Jahren als Gruppe mitgetragen und in verschiedenen Zusammenhängen diskutiert. Für uns äußert sich diese vor allem in der politischen Praxis. In Leipzig gibt es insgesamt wenig Dissens darüber, dass Antisemitismus und Israelsolidarität zentrale Punkte linker, antifaschistischer Politik sind, deshalb finden wir es sinnvoll, einen Schritt weiterzugehen und zu versuchen, die Probleme innerhalb des israelsolidarischen Umfelds zu thematisieren, die sich oft im Konkreten zeigen. Die Fragestellung der heutigen Veranstaltung lautet: Was heißt Israelsolidarität heute, deshalb legen wir im Folgenden den Fokus auf die Darstellung unserer Positionierungen bei Aktionen und politischen Bündnissen und weniger auf deren theoretische Herleitung.Ein wichtiger Einschnitt für uns als Gruppe war das Jahr 2000. Der Beginn der zweiten Intifada, den darauf folgenden gesellschaftspolitischen Entwicklungen sowie den artikulierten antisemitischen Tendenzen im linken Spektrum gaben Anlass zur gesteigerten Auseinandersetzung und Positionierung in puncto Israel und Antisemitismus, sodass diese Themen zu einem unserer Schwerpunkte wurden. Zeitlich fielen diese Entwicklungen mit der Diskussion um den Antifa-Sommer zusammen, der zu Spaltungsprozessen innerhalb der Linken führte. Startpunkt der Auseinandersetzung in Leipzig waren antizionistische Äußerungen während der Save-the-Resistance-Demo 2000, bei der der AFBL Mitveranstalter war. Für uns als Gruppe wurde damals klar, dass der Antizionismus und Antisemitismus in der Linken klare antideutsche Positionen und Strukturen erforderte, um dem etwas entgegenzusetzen. Die Beschäftigung mit Deutschland als post-nationalsozialistischem Staat und damit auch mit den Kontinuitäten antisemitischer Weltbilder, führte zu einer stärker inhaltlich fundierten Integration in unserer politischen Auseinandersetzung. Zu den Eckpunkten unseres Verständnisses gehören dabei, dass der Vernichtungsantisemitismus als spezifische Form der Krisenbewältigung anzusehen ist und der Antisemitismus als bestehende Weltanschauung weiterhin existiert, die aus den Problemen kapitalistischer Vergesellschaftung resultieren. Israel als jüdischer Nationalstaat entstand als eine notwendige Konsequenz aus der Shoah und ist deshalb zu verteidigen. In der Auseinandersetzung mit linken Gruppen und Bündnissen thematisierten wir die Verknüpfung von Antizionismus und Antisemitismus sowie auch Kapitalismuskritik und Antisemitismus. In diesem Zusammenhang entstand u.a. ein Positionspapier zu Kapitalismuskritik und Antiamerikanismus und dessen struktureller Nähe zu Antisemitismus, welches z.B. genutzt wurde, um beim Deutschen Sozial Forum in Erfurt 2006 zu intervenieren. Seit 9/11 haben wir uns zudem verstärkt mit Antisemitismus in islamischen Ländern und Communities auseinandergesetzt und Veranstaltungen dazu organisiert, z.B. Politischer Islam im Iran mit Wahied Wahdat-Hagh. Die Akzeptanz israelsolidarischer Positionen gehört für uns zum Mindeststandard von Bündnispolitik. In Antifabündnissen scheint dies leider nicht selbstverständlich zu sein, so dass auch hier des Öfteren öffentliche Stellungnahmen bzw. der Hinweis auf die Paradoxien antifaschistischer Selbstverständnisse notwendig wurden. Verbote von Israelfahnen bei Antifademos sowie auch der vergebliche Versuch der DKP innerhalb des (Thor-Steinar)-Ladenschluss-Bündnisses einen Minimalkonsens abzuringen, stehen beispielhaft für die Schwierigkeit von Antifabündnissen und waren mehrfach Grund für uns diese nicht einzugehen. Dass vermeintliche Gewissheiten über antisemitische Kontinuitäten sowie die Verteidigung Israels als jüdischem Staat noch lange nicht ausreichen, zeigen auch die Auseinandersetzungen, die wir als Gruppe innerhalb zweier anderer Bündnisse hatten. Dass wir diese alten Geschichten wieder aufwärmen, ist nicht Selbstzweck, sondern soll aufzeigen, dass sich unterhalb dieses Konsenses noch genug Diskussionsstoff verbirgt, der zu Konflikten führen kann und für die konkrete Praxis unter Umständen relevant wird. Uns würde ein Meinungsaustausch über diese spezifischeren Probleme, z.B. das Verhältnis zur Realpolitik und ihren Vertreter_innen, durchaus interessieren. 2004 gab es den Versuch mehrere antideutsche Antifagruppen zu vernetzen. Das Bündnis wollte grundsätzliche antideutsche Positionen formulieren und festsetzen. Die bedingungslose Solidarität mit Israel nahm dabei eine zentrale Stelle ein. Als von einigen Gruppen eine genauere Bestimmung gefordert wurde, zeigte sich schnell, dass es kaum Bereitschaft gab, sich der Diskussion zu stellen. Letztlich scheiterte das Bündnis unter anderem auch an dieser Verweigerung, Phrasen mit Inhalt zu füllen. Lange Zeit waren wir auch Teil des hiesigen Bündnis gegen Antisemitismus. Im Zuge einer israelsolidarischen Kundgebung während des Iran-Spiels zur Fußball-WM 2006 kritisierten wir die Einladung des OBM Burkhard Jung und des Grünen Politikers Reinhard Büttikofer als Gastredner, da diese unserer Meinung nach keine vertretbaren Positionen erwarten ließen. Ohne auf die inhaltlichen Punkte einzugehen, wurden uns linke Befindlichkeiten vorgeworfen, aufgrund derer wir Bündnisse mit bürgerlichen Parteien ausschließen würden. Davon war nie die Rede gewesen, aber mit dem Argument, dass in der Unterstützung Israels auf jegliche verfügbaren Kräfte zurückgegriffen werden müsse, wurde uns relativ deutlich zu verstehen gegeben, dass das Bündnis mit bürgerlichen Kräften, vor allem der DIG, in punkto Israelsolidarität viel versprechender sei als die Rücksichtnahme auf linke Einwände. Hier war anscheinend der Drang nach Abgrenzung gegen den historisch unreflektierten linken Impuls, so der Vorwurf an uns, stärker gewesen als die Diskussion um Inhalte und die Frage, wie weit man sich in seiner Israelsolidarität auf realpolitische Prämissen und Bündnisse einlässt. Große Uneinigkeit bestand auch in der unterschiedlichen Bewertung mit den zur antizionistischen Uni-Vorlesungsreihe Deutschland-Israel-Palästina geladenen Redner_innen. Ein recht polemisch formulierter Text zur kritischen Teilnahme bei einer Veranstaltung mit dem israelischen Friedenaktivist Uri Avnery stieß bei uns auf Kritik.(1) Zwar fanden wir es richtig zu kritisieren, dass Avnery in dieser antiisraelischen Veranstaltungsreihe als israelischer Kronzeuge vorgeführt wurde, der nun endlich ausspricht, was Israel als Besatzungsmacht den Palästinenser_innen antut. Den an Avnery formulierten Vorwurf, sein Geld damit zu verdienen, mit der Darstellung dieser Sichtweise in der außerisraelischen Presse das antiisraelische Ressentiment zu befriedigen, fanden wir jedoch nicht nur aufgrund der antisemitischen Konnotation des unlauteren Gelderwerbs problematisch. Auch den absurden Vergleich von Avnery mit Lord Haw-Haw fanden wir unpassend. Lord Haw-Haw wurde der Sprecher einer englischsprachigen Radiosendung genannt, die während des Zweiten Weltkrieges von Deutschland ausgestrahlt wurde. Es ist anmaßend, mit einem maßgeblich im deutschen Kontext entstandenen Konzept von Israelsolidarität politische Positionierungen von Israelis, die von der politischen Konstellation und Bedrohung im Nahost-Konflikt direkt betroffen sind und in diesem Kontext Stellung beziehen, polemisch zu diffamieren. ] Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich unser Verständnis von Israelsolidarität stärker in der Auseinandersetzung mit Zuständen in Deutschland sowie im Kontext von Antizionismus hierzulande entwickelt hat und auch in diesem Rahmen äußert. Die praktischen Formen sind vielfältig: Veranstaltungen zu organisieren, Texte zu schreiben und öffentlich wie intern zu diskutieren, gehört ebenso dazu wie die Thematisierung von Antizionismus in Bündnissen. Die Erfahrungen haben aber auch gezeigt, dass eine konstatierte Israelsolidarität noch kein Grund ist, ohne weitere Fragen und Kriterien ein Bündnis oder eine Zusammenarbeit einzugehen. Denn erstens beschäftigen uns noch andere Aspekte der Gesellschaftskritik und zweitens sagt das Bekenntnis zur Israelsolidarität allein wenig über dessen Umsetzung aus, vielmehr müssen israelsolidarische Positionen immer wieder in der Kritik neu formuliert und diskutiert werden. Die Offenheit für Diskussionen und das Austragen eventuell auftauchender Konflikte stellt eine unerlässliche Bedingung dafür dar, zu einer Verständigung darüber zu kommen, was Israelsolidarität heute heißen kann und soll. AFBL Fußnoten (1) Der Text ist zu finden unter: www.israel-soli.de/texte.html
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