Vom Tod in der Warengesellschaft zur Kritik der Ideologie des Todes
Einleitungsvortrag zum Exitseminar in Enkenbach/ Pfalz von Martin
Dornis, September 2007
»Ihr liebt das Leben wir lieben den Tod«
Mit diesem Schlachtruf sprengten antisemitische islamistische Fanatiker in
Barcelona unschuldige Menschen in die Luft. Ihre Botschaft: die westliche
Zivilisation wäre verderbt von Anbeginn und soll ersetzt werden durch
irgendetwas eigentliches, nämlich durch die direkte Herrschaft des
politischen Islam. Also Schluss mit Dekadenz, Entartung, Party feiern, Saufen
und anderem Konsumterror. Eine antisemitisch und antiwestlich inspirierte Linke
macht solches Gedöns an. Es macht sie an, weil das Eigentliche ganz
auf ihrer Linie liegt. Man skandiert (und relativiert dabei, bis sich die
Balken biegen): Tod wäre gleich Tod. Das ist eine der Hauptlosungen dieser
Linken. Auch in der Folge von 9/11 wurde immer wieder abgeleiert: DARÜBER
solle man sich doch jetzt nicht aufregen, woanders sterben viel mehr Menschen.
In einem derartigen Verständnis vom Tod manifestiert sich die völlige
Unfähigkeit der meisten Linken, die Warengesellschaft angemessen zu
kritisieren, woraus sie keine verkürzte, sondern vielmehr eine von Grund
auf reaktionäre Kapitalismuskritik entfaltet. Grund genug, sich einer
Kritik des Todes bzw. einer Kritik der Ideologie des Todes zu zuwenden und zu
prüfen, wohin sie führt.
1. Überflüssigkeit des Menschen
Zunächst ist der alltägliche Tod im Kapitalismus der Kritik zu
unterziehen. Diese Gesellschaft produziert aus sich heraus die
Überflüssigkeit von Menschen.
Der gesellschaftliche Reichtum in seiner Fülle ist in dieser Gesellschaft
prinzipiell der Nutzung durch die Individuen entzogen. Er erscheint, wie
Joachim Bruhn formuliert, nicht als Reichtum, sondern vielmehr als sein eigenes
Gegenteil, in der Verkehrung seiner selbst als ungeheure Warensammlung. Die
einzelnen Atome dieses gesellschaftlichen Reichtums, also die einzelnen
nützlichen Dinge, werden so erst zu Gebrauchswerten, die es nötig
haben, sich in anderen Waren zu spiegeln, d. h. in ihnen ihren Wert
darzustellen. Der Gebrauchswert drückt bereits die Bannung des
nützlichen Dings in eine dem einzelnen Menschen entzogene Form aus, ist
also keinerlei emanzipatorische Kategorie (vgl. hierzu: Hafner:
Gebrauchswertfetischismus, Scholz: Das Geschlecht des Kapitalismus). Als
Wertding ist das einzelne nützliche Ding gesellschaftlicher Ausdruck
inkarnierter gesellschaftlicher Arbeit, Arbeitsgallerte, Ausdruck eines
gesellschaftlichen Verhältnisses, in welchem der Reichtum den Einzelnen
entzogen ist. Sie können nicht an ihm partizipieren, es sei denn durch
Beteiligung am Warentausch, sprich: durch Betätigung als
Arbeitskraftbehälter. Als Wert drückt das einzelne nützliche
Ding abstrakte Arbeit aus. Diese ihre gesellschaftliche Seite ist an ihr selbst
nicht fassbar, kein Atom Naturgegenständlichkeit geht in sie ein. Die
gesellschaftliche Seite, der Wert, als Ausdruck des Verhältnisses kann nur
erscheinen und zwar geschieht dies notwendigerweise an einer anderen Ware. Das
Kernelement des kapitalistischen Reichtums ist also nicht die Ware, sondern
präziser gefasst: das Verhältnis von Ware zu Ware (vgl. Heinrich: Die
Wissenschaft vom Wert). Daher verselbständigt sich das Verhältnis der
Waren zu einem fetischistischen Verhältnis über den Menschen, obwohl
und weil es gleichwohl von ihnen selbst erzeugt wird. Mit anderen Worten: ihr
eigenes gesellschaftliches Verhältnis verselbständigt sich von ihnen,
nimmt ihnen gegenüber die Form eines gegenständlichen
Verhältnisses an bzw. das Gesellschaftliche erscheint an einem Ding, der
Ware in der Äquivalentform, letztlich am Geld und somit als
natürlich. Diese Genesis muss aber kritisch aufgedeckt werden. Sichtbar
wird nur die allseits wertkonservativ beklagte Isolation,
Kälte, Entfremdung bzw. Beziehungslosigkeit aber eben
nicht deren Genesis, die zu einem völligen Absehen von der
Körperlichkeit, einer vollkommenen Reduktion des nützlichen Dings auf
reine abstrakte Arbeitsquanta gekennzeichnet ist (damit sind wir übrigens
mitten im Thema, also beim Tod: Wertkonservative beklagen, dass der Tod heute
leider nicht mehr wichtig wäre, an den Rand der Gesellschaft
gedrängt wäre. Es gäbe sogar eine Verdrängung des Todes.
Ein so genanntes Bekenntnis zum eigenen Tod erscheint in diesem Kontext dann
folgerichtig als Moment der Befreiung. Aber gegen den Wert, der diese
Beziehungslosigkeit und Distanz setzt, haben Wertkonservative
definitionsgemäß nichts soviel dazu).
Im Warentausch wird also von der Qualität eines Dings abgesehen. Die
gesellschaftliche Bestimmung eines nützlichen Dings als Gebrauchswert
bedingt somit bereits paradoxerweise das Absehen von seiner Nützlichkeit.
Die Tatsache, dass der kapitalistische Reichtum den Individuen entzogen ist, er
als Warensammlung erscheint, bedingt die Konstitution eines gesellschaftlichen
Verhältnisses über den Individuen und ein völliges Absehen von
der stofflichen Qualität der getauschten Dinge. Die Tatsache, dass der
Reichtum den Individuen entrissen ist, dass er in privater Verfügung als
Ware erscheint, zwingt logisch zu objektiven Gedankenformen, zu realen
Abstraktionen, zu Abstraktionen somit, die in der Gesellschaft selbst logisch
zwangsläufig wirklich werden müssen. Er treibt zur Verdopplung der
Ware in Ware und Geld, schließlich zum Kapital als automatischem Subjekt,
welches von der permanenten Einverleibung menschlicher Arbeitskraft zehrt und
existiert. Das ist ein dynamisches, ständig Mehrwert setzendes
Verhältnis, in welchem die einzelne Arbeitskraft von der ihr als
Maschinerie entgegentretenden Kapital angewandt wird, statt sie selbst
anzuwenden. Hierbei konstituiert sich ein Prozess, in dem es keinen Anfang und
kein Ende gibt, dessen Resultat vielmehr immer zugleich sein Ausgangspunkt ist:
der Mehrwert wird stets erneut kapitalisiert. Das Kapital saugt im Zuge seiner
Entfaltung immer mehr tote Arbeit auf. Es verfestigt sich dabei immer weiter zu
einer über den Individuen stehenden Macht, die folglich immer stärker
zu seinen Anhängseln degradiert werden.
Auf diese Weise konstituiert sich das berühmte wie berüchtigte
absolute und allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation (Marx).
Es handelt sich hierbei um ein Resultat der Verselbständigung der
gesellschaftlichen Bewegung des Kapitals über den Köpfen der
Individuen und gleichzeitig mitten durch sie hindurch. Sie sind absolut nicht
imstande, diese von ihnen selbst geschaffene Bewegung zu kontrollieren. Das
Wesen dieser Bewegung besteht darin, dass auf die Individuen und ihre
Bedürfnisse in qualitativer Hinsicht überhaupt keine Rücksicht
genommen wird. Auf diese Weise werden die Individuen in zweierlei Hinsicht
überflüssig. Erstens konstituiert sich die Kapitalbewegung ohne den
völlig austauschbaren Einzelnen. Zweitens zählen seine sinnlichen
Bedürfnisse nicht. Sie können, von der Grundkonstitution dieser
Gesellschaft her gedacht, nicht zähen. Hierin liegt begründet, dass
das Leben des einzelnen Menschen im Kapitalismus nichts zählt. Das
Individuum wird, solange nicht verwertbar, dem Elend preisgegeben (auch wo dies
so nicht geschieht: in den Metropolen, bei den wenigen Bessergestellten, die
das Glück haben, den Paß eines wohlhabenden Staates in der Tasche zu
tragen), erfährt es doch stündlich und täglich, dass es
letztlich nichts zählt. Menschen werden im Regelfall massenhaft dem
Hungertod preisgegeben, bei leicht heilbaren Krankheiten nicht eingegriffen,
bei Kriegen werden schließlich massenhaft die unbrauchbar gewordenen,
weil überflüssigen Arbeitskraftbehälter auf den Schlachtfeldern
geopfert. Auf diese Weise ist der erzeugte bzw. nicht verhinderte Tod
funktionell im Ablauf des kapitalistischen Verwertungsprozesses angelegt. Die
Warengesellschaft beruht grundsätzlich auf der Überflüssigkeit
des einzelnen, und diese Einzelnen bekommen dies auf mehr oder minder
drastische Weise vor Augen geführt. Nur vor diesem Hintergrund können
übrigens sämtliche Diskussionen über aktive und passive
Sterbehilfe, Euthanasie etc. betrachtet werden. Schließlich geht es dabei
zumeist um im kapitalistischen Sinne nicht mehr verwertbares Menschenmaterial.
Fazit: Der Tod ist im Kapitalismus alltäglich. Es handelt sich um eine
Gesellschaft, für die die Einzelnen überflüssig sind und in der
nicht um ihretwillen produziert wird. Die Einzelnen sind vom gesellschaftlichen
Reichtum grundsätzlich ausgeschlossen.
2. Die Ideologie des Todes
Im Folgenden stehen die ideologischen Bearbeitungen der prinzipiellen
Überflüssigkeit der Menschen im Mittelpunkt der Betrachtung.
Zunächst ist grundsätzlich auf den Begriff der Ideologie
einzugehen.
Zum Ideologiebegriff
Aus der Tendenz der Warengesellschaft, die Überflüssigkeit von
Menschen herzustellen, soll die Ideologie des Todes entwickelt werden.
Ideologie wird dabei in Anlehnung an Marx/Lukács als notwendig falsches
Bewusstsein verstanden. Eine Ideologie resultiert in diesem Verständnis
notwendig aus den bestehenden Verhältnissen. Dies bedeutet: 1. die
kapitalistischen Verhältnisse erzeugen dieses oder jenes Denken
zwangsläufig und damit enthält es über diese Gesellschaft immer
auch etwas wahres; 2. dieses Bewusstsein ist falsch; es wird also die
Möglichkeit von Wahrheit vorausgesetzt, von etwas Wirklichem, Objektivem
und diese Wahrheit wird in der Ideologie verfehlt. Und 3. heißt das: es
handelt sich um etwas Bewusstes, etwas Gedachtes, was sich für den oder
die Einzelne bewusst im Kopf abspielt, was immer auch heißt: das sich
Einzelne darüber erheben können. Die Notwendigkeit von Ideologie
bedeutet nicht etwa, dass jeder einzelne Mensch ihr zwangsläufig erliegen
muss. Ideologie wird in marxistischen und überhaupt linken und leider auch
wertkritischen Kontexten häufig, auch wenn das so direkt oft nicht benannt
wird, im Rahmen des Basis-Überbau-Modells gedacht. Es gäbe angeblich
eine materielle Basis, womit das gewissermaßen Handfeste, die
Ökonomie gemeint ist und darüber wölbe sich dann ein
staatlicher, politischer, religiöser, ideologischer Überbau. Das Sein
bestimme also angeblich das Bewusstsein. Und genau so fasse ich es hier nicht.
Die angeblich handfeste Basis ist vielmehr selbst sozusagen ideeller Natur. Die
tragenden Kategorien der Warengesellschaft sind, in den Worten von Marx:
objektive Gedankenformen. Die Ware, der Wert, das Geld, das Kapital existieren
als solche nicht nur in Form von materiellen Gütern, sondern auch in den
Köpfen der agierenden Individuen, die das Ganze betreiben. Kapital
gäbe es nicht, wenn es nicht gedacht werden würde (was aber nicht
bedeutet, dass es sich auf etwas Gedachtes beschränkt oder dass man es
willkürlich hinzu- oder gar wegdenken könnte). Ideologien leiten sich
somit nicht einfach aus der Gesellschaft/der Ökonomie ab, sondern sie sind
deren verselbständigter Teil, mit eigener Wahrheit und können
konstituierend auf und innerhalb des Ganzes wirken.
Im Nationalsozialismus wurde die deutsche Volksgemeinschaft selbst von
Ideologie, von der im inneren Kern antisemitischen nationalsozialistischen
Ideologie zur deutschen Verwertungsgemeinschaft zusammengeschweißt. In
der Ermordung von sechs Millionen Juden konstituierten sich die Deutschen
tatsächlich als Produktivkraft. Zugespitzt könnte man sagen, dass
Deutschland in dieser Zeit ein Produktionsverhältnis des Todes
darstellte (ISF: Flugschriften gegen Deutschland). Die Deutschen fühlten
sich via Ideologie direkt in den Wert hinein, Walter Benjamin nannte das die
Einfühlung in den Tauschwert. Ideologie wurde somit konstituierend
fürs Ganze. Ein kritisches Ideologieverständnis hat sich heute daran
zu messen, dies auf den Begriff bringen zu können.
Wir sind damit auch bei der Bedeutung des Todes in der Ideologie angelangt. In
dieser drastischen Form im Nationalsozialismus wurde Menschen systematisch und
planvoll das Leben genommen. Sie wurden gezielt umgebracht und zwar nicht
lediglich mechanisch-industriell sondern vielmehr in der Vielzahl der
Fälle von Angesicht zu Angesicht und aus bewusster Entscheidung, also wie
Goldhagen nachweist, nicht primär aus bürokratischem Zwang heraus
(vgl.: Goldhagen: Hitlers willige Vollstrecker). Die Deutschen wollten also
morden, sie wollten gezielt und ausdrücklich Juden morden, weil sie in
ihnen die große Bedrohung nicht nur für Deutschland, sondern
für die ganze Welt sahen. Die Deutschen wollten ihre historische Mission
erfüllen, sie hatten einen Auftrag. Gemordet wurde also hier
gezielt, nicht quasi als Nebenprodukt einer falschen Einrichtung der
gesellschaftlichen Verhältnisse. Gemordet wurde nicht gesteuert durch eine
invisible Hand, sondern planvoll (Ideologie ist notwendig und falsch, aber eben
auch bewusst). Gemordet wurde so zu sagen durch die visible hand
(Gerhard Scheit: Suicide Attac), die sichtbare Hand der deutschen Ideologie.
Die Ermordung der Juden war das innere Programm des Nationalsozialismus.
Ähnlich tritt es uns heute im Islamismus, bzw. im Ummasozialismus (Grigat)
entgegen. Ziel ist dabei die Auslöschung der Juden in Israel und
darüber hinaus und die möglichst vollständige Ausmerzung alles
dessen, was mit dem jüdischen Prinzip identifiziert wird, also die USA,
der gesamte Westen, die Emanzipation der Frauen, so begrenzt sie im Rahmen der
notwendig immer patriarchalen Warengesellschaft auch ist alles das
verfolgt man mit rasendem Hass. Diesem Agieren liegt ein Bekenntnis zum Tode
als solchem zugrunde: nicht lediglich zum Morden aus ideologischen
Gründen: Hitler schrieb in seinen Tagebüchern:
selbstverständlich wird das 1.000-jährige Reich keine 1.000
Jahre währen: aber die Leute werden in 1.000 Jahren noch vor den
Trümmern des 1.000-jährigen Reiches vor Ehrfurcht erzittern. Dieses
Bekenntnis zum Tode stellt zusammen mit dem Antisemitismus ein wesentliches
Verbindungsglied zwischen National- und Ummasozialismus dar: Wir lieben den Tod
mehr, als der Westen das Leben liebt! Auch für den Nationalsozialismus war
es bestimmend, sich für die eigene Nation aufzuopfern, in den Tod zu
gehen, der Tod wurde verherrlicht. Individuell nach einem glücklichen
Leben zu streben galt als dekadent und entartet. Man hatte sich der
Gemeinschaft aufzuopfern, für sie zu sterben. Aber auch die Gemeinschaft
selbst hatte letztlich entweder einen riesigen triumphalen Sieg zu erringen
oder in einem bombastischen Ereignis unterzugehen. Damit war der
Nationalsozialismus eine Selbstmordsekte im nationalen Maßstab. Der Tod
wurde hier gedacht als innere Erfüllung. Ein Leben, welches sich dem Leben
widmet, galt als oberflächlich, als nicht lebenswert. Das Leben hatte dem
Tode zu dienen. Hier stand das Leben im Dienste des Todes, könnte man
formulieren. In den Ideologien des Todes und der Nationalsozialismus wie
der Ummasozialismus sind wesentlich antisemitische Todesideologien (jede
Ideologie des Todes ist immanent antisemitisch, weil die Juden von den
Antisemiten mit jenen identifiziert werden, die das Leben lieben und die man
genau deswegen hasst) bekennen sich Kollektive zur immanent im
Kapitalismus angelegten Überflüssigkeit des Menschen und affirmieren
diese praktisch. Die Ideologie des Todes ist wesentlich eine Einfühlung in
den Wert. Die Verüberflüssigung von Menschen wird anerkannt, es wird
sich in diese Überflüssigkeit eingefühlt und sie wird praktisch
vollzogen. Dies zu verdeutlichen darum geht es mir zentral in diesem
Vortrag. Damit ist die visible hand der Ideologie des Todes
gewissermaßen als eine bewusste Verlängerung der invisible
hand des Werts zu betrachten. Die Ideologie ist also keineswegs lediglich
als Anhängsel oder auch nur als theoretische Rechtfertigung
kapitalistischer Verhältnisse zu betrachten. So notwendig sie aus diesen
resultiert und so sehr sie sein Ganzes rechtfertigt, so sehr kann sie
Eigenqualität gewinnen und als Teil des Ganzen bestimmend auf das Ganze
wirken.
Das Sein zum Tode
Diese Ideologie des Todes könnte folgend skizziert, auf ihre historischen
Quellen zurückgeführt werden. Wir würden hier bei Ernst
Jüngers Stahlgewittern und den Philosophien von Carl Schmitt und Martin
Heidegger landen. Auf letzteren will ich mich im Folgenden konzentrieren, da er
die umfassendste Konzeption einer Philosophie des Todes formulierte. Heidegger
wird oft abgesprochen, Antisemit zu sein, gerade aber seine Analyse des Seins
zum Tode, des Kernstücks seines Hauptwerks Sein und Zeit zeigt
aber, dass dem nicht so ist.
Heidegger konzipiert das menschliche Sein per se vom Tode her: er denkt den
Tod eines jeden Menschen prinzipiell als den zu dieser Person selbst
dazugehörigen: Der Tod ist wesensmäßig je der meine. Der
Tod macht das Leben zu einem Ganzen. Er wäre, meint Heidegger, spezifisch
und typisch für das jeweils eigene Leben. Der Tod kennzeichnet das
menschliche Leben, in dem er es zu seinem ihm gehörigen und spezifischen
Schluß bringt: (...) das Dasein (...) ist (...) auch schon immer
sein Ende (...). Der Tod ist eine Weise zu sein, die das Dasein übernimmt,
sobald es ist: sobald ein Mensch zum Leben kommt, sogleich ist er alt genug zu
sterben. Heftig attackiert Heidegger das übliche alltägliche Umgehen
mit dem Tode. Niemand wäre sich klar über die Bedeutung des Todes.
Man würde ihm immer nur ausweichen, ihn als ein rein
äußerliches Ereignis missverstehen. Heidegger nennt dies das
uneigentliche Sein zum Tode. Das heute so übliche Geraune von einer
Verdrängung des Todes hat hier seinen Ursprung. Aber auch durch
ständiges Denken an oder Grübeln über den Tod entkommt man laut
Heidegger nicht der Uneigentlichkeit. Man müsse sich auch hüten,
über den Tod verfügen, ihn beherrschen zu wollen (Selbstmord
verbietet sich damit für Heidegger). Es gilt, den Tod auszuhalten,
gespannt zu sein, um ihm ungehindert und ungeschmälert begegnen zu
können. Er ist als eine Möglichkeit, und zwar als eine
eigenste, eine unbezügliche, eine unüberholbare und eine gewisse
Möglichkeit zu betrachten, so das einschlägige Zitat. Ich
möchte das erklären, um verdeutlichen zu können, was Heideggers
berühmt-berüchtigtes Sein zum Tode, dieser Prototyp einer
Todesideologie denn nun wirklich meint.
Mit der Bestimmung des Todes als eigenster Möglichkeit will
Heidegger den Tod dem Man entreißen, also dem Gerede, der
alltäglichen Seichtigkeit, die zwar sagt man stirbt aber damit
meinen würde: Ich nicht. Indem jemand sich zu seinem Tod bekenne,
würde er sich von diesem Man befreien, und damit sich sein eigenstes
Seinkönnen ermöglichen.
Als unbezügliche Möglichkeit ist jemand auf sich selbst
gestellt, da er erkennt, dass es tatsächlich um seinen Tod geht, er kann
nichts auf Andere abladen, hat es nur mit sich zu tun.
Als unüberholbare Möglichkeit verdeutlicht er jemandem
die äußerste Grenze seiner selbst, das äußerst
überhaupt nur denkbare.
Als gewisse Möglichkeit schließlich ist die
völlige Gewißheit des Todes gemeint. Man weiß, dass er kommt,
aber niemals wann. Der Tod passt damit so ganz und gar nicht in die
Abstufungsordnungen der Evidenzen über Vorhandenes. Mit dem ist,
lässt jemand sich wirklich auf ihn ein, nicht zu händeln, man
müsse sich da eben einfühlen, ist gleichzeitig aber aufgrund der
Gewissheit gezwungen, sich ihm zu stellen.
Aus diesen Überlegungen zieht Heidegger die Konsequenz, das der Tod ein
je (...) nur eigener wäre. Unmittelbar verbunden ist das Sein zum
Tode für Heidegger mit der Angst: durch den bevorstehenden Tod ist
menschliches Dasein stets mit dem Nichts konfrontiert, also mit der
möglichen Unmöglichkeit seines Daseins, woraus Heidegger
schließt: Das Sein zum Tode ist wesenhaft Angst. Die Konzeption
gipfelt letztendlich in der Freiheit zum Tode. Das liest sich bei
Heidegger so: Das Vorlaufen enthüllt dem Dasein die Verlorenheit in
das Man-selbst und bringt es vor die Möglichkeit (...) es selbst zu sein,
und zwar: in den leidenschaftlichen, von den Illusionen des Man
gelösten, faktischen, ihrer selbst gewissen und sich ängstigenden
Freiheit zum Tode. Der Tod wird zur eigenen Möglichkeit, die jemanden
erst als unverwechselbares Wesen konstituiert, der dem eigenen Leben quasi, wie
Sartre sich abgrenzend formuliert, das Siegel der Echtheit aufdrückt,
einem die spezifische Angst gibt, ohne die jemand kein Mensch wäre. Diese
Angst wird von Heidegger sehr heroisch gedacht, keineswegs als Feigheit, Furcht
oder Schwäche bewahre. Auf diese Weise soll man sich zur Freiheit
zum Tode bekennen, die einen zu einem echten und eigentlichen Menschen mache.
Die mögliche Ganzheit des menschlichen Lebens wird bei Heidegger
überhaupt erst durch den Tod gestiftet. Realisiert jemand diese Sichtweise
auf den Tod, so hat er sich zum eigentlichen Sein zum Tode emporgearbeitet
(vgl. Martin Heidegger: Sein und Zeit).
Mit dieser Ideologie darf Heidegger zu Recht als Begründer und Wegbereiter
der deutschen Ideologie vom Tode, als Begründer der Thanatologie gelten.
In diesem Sinne Georges Clemenceau: Dem Menschen ist es
eigentümlich, das Leben zu lieben Heidegger hielt dies für
seicht, oberflächlich und uneigentlich. Daher Clemenceau weiter: Die
Deutschen haben diesen Trieb nicht. In der Seele der Deutschen (...) findet
sich ein Mangel an Verständnis für das, was wirklich das Leben
ausmacht (...). Dagegen sind sie von krankhafter und satanischer Todessehnsucht
erfüllt. Was lieben diese Menschen den Tod! Zitternd, wie im Taumel (...)
schauen sie zu ihm auf wie zu einer Art Gottheit (...). Das beherrscht sie, das
ist ihre fixe Idee (vgl. Karl Löwith: Die Freiheit zum Tode). Eindeutig
zu kurz gegriffen ist diese Aussage, wenn tatsächlich nur von Deutschen im
engeren Sinne gesprochen wird, etwa von Leuten mit einer deutschen
Staatsgehörigkeit oder angeblichem deutschem Blut. Heidegger legte
vielmehr eine entscheidende Grundlage für eine deutsche Ideologie, das
Einfühlen in die Warengesellschaft, die weit über Deutschland
hinausreicht und sich gut globalisiert hat. Das von Heidegger entfaltete
Todesverständnis ist ein wichtiges Kernelement davon.
Heideggerkritik auf dem Boden der Ontologie
Heidegger ist immanent, also auf seinem eigenen Boden, heftig kritisiert
worden. Hannah Arendt und Jean Paul Sartre sind zwei recht gegensätzliche
Extreme für eine durchaus radikale Heideggerkritik. Radikal in dem Sinne,
dass sie sich nicht einfach damit zufrieden gibt, dass Heidegger in seiner
Philosopie weder zum Mord noch zur faschistischen Diktatur, noch auch nur zum
Rassenhass aufriefe, seine Philosophie sich also ganz grundsätzlich von
dem unterscheidet, was er tatsächlich tat (nämlich den
Nationalsozialismus zu unterstützen). Hannah Arendt überlegt in ihrem
Werk Vita activa wie sich die moderne Gesellschaft zum totalitären
Nationalsozialismus entwickeln konnte: Die Moderne habe die condition humaine,
die grundlegende Bedingtheit des menschlichen Lebens vernachlässigt.
Arendt sieht diese, im Gegensatz zu Heidegger, von dem aus sie als seine
Schülerin denkt, nicht nur, merke: nicht nur, im Tod, in der
Bedingtheit des menschlichen Daseins durch den Tod. Arendt sieht diese
Bedingtheit also nicht nur in der Bestimmtheit durch die Mortalität,
sondern auch in der Bestimmtheit durch die Natalität, das ist die Tatsache
des Geborenwerdens: Arendt entwirft ihre Ontologie also nicht
ausschließlich vom Tode aus, sondern vielmehr ausgehend von Geburt und
Tod. Geboren zu werden und zu sterben sei für die menschliche Existenz
spezifisch. Geburtlichkeit und Sterblichkeit bestimmen das Handeln, das aktive
Leben, die Vita activa, die sich, von diesem Ausgangspunkt aus betrachtet, in
dreierlei grundlegende Tätigkeiten unterscheidet das Arbeiten, das
Herstellen und das Handeln: die drei Grundtätigkeiten und die ihnen
entsprechenden Bedingungen sind nochmals in allgemeinster Bedingtheit des
menschlichen Lebens verankert, daß es durch Geburt zur Welt kommt und
durch Tod wieder verschwindet (Vita activa, S. 17). Per Geburt und Tod ist der
Mensch dem Kreislauf der Natur verbunden, muss sich am Leben erhalten, muss
also arbeiten, das heißt für Arendt: ständig wiederkehrende,
das Leben sichernde Tätigkeiten ausführen. Als Wesen, das einst
wieder verschwinden wird, ist der Mensch ein endliches Wesen und strebt
danach, sich über seine Existenz hinaus zu verlängern. So stellt er
Dinge her, lebt in einer Welt hergestellter Gegenstände, die ihn wiederum
ihrerseits bedingen. Das Herstellen ist somit die zweite Tätigkeit der
Vita activa.
Die Dritte ist schließlich das Handeln, gemeint ist damit freies
politisches Handeln, in der Menschen ihre Geschicke selbst gestalten, sich im
Diskutieren verwirklichen, statt lediglich bloße Selbsterhaltung zu
betreiben oder Dinge herzustellen, also das Verwirklichen menschlicher
Freiheit. Handeln begründet für Arendt Kontinuität, Geschichte
und Erinnerung. Diese Möglichkeit zu freiem Handeln begründet sich
nun bei Arendt ganz wesentlich durch die Natalität des Menschen: Im
Sinne von Initiative steckt in allen Tätigkeiten ein Moment von Handeln,
welches nichts anderes besagt, als das diese Tätigkeiten von Wesen
verrichtet werden, die durch Geburt zur Welt kommen, unter der Bedingung der
Natalität stehen. Da Handeln die entscheidende politische Tätigkeit
darstellt, könnte Natalität für politisches Handeln die
entscheidende Kategorie sein (ebd. S. 18).
Nun sind alle Tätigkeiten gleichermaßen auch an der Natalität
orientiert, da sie für die Zukunft sorgen. Aber beim Handeln ist dies
stärker ausgeprägt: Der Neubeginn, der mit jeder Geburt in die
Welt kommt, kann sich nur darum in der Welt zur Geltung bringen, weil der
Neuankömmling handeln kann, einen Neuanfang setzen kann. Die Moderne
stützt sich nun aber ganz aufs Arbeiten. Herstellen und Handeln
verkümmern oder verschwinden hingegen. Deshalb käme es zu
totalitären Entwicklungen. Versichert sich das Denken auf die Bestimmtheit
durch Geburt, so erkennt es die Wichtigkeit auch des Herstellens und des
Handelns, welches in der totalitären Gesellschaft ausgeschaltet ist. Auch
Arendt propagiert (wie Heidegger) ein wahres Ganzseinkönnen des Menschen,
aber das ist bei ihr ein durch Arbeiten, Herstellen und Handeln
ausgefülltes. Sie trennt sich von Heidegger, dessen Ganzsein sie als ein
falsches, nämlich in der völkisch-romantischen Bewegung, also der
deutschen Ideologie, begründetes sieht. Der Krise der Arbeitsgesellschaft
und der Weltlosigkeit des animal laborans setzt Arendt in scharfer Absetzung
von Heidegger also nicht das Sein zum Tode entgegen, sondern das politische
Handeln und das Herstellen. Statt Sein zum Tode heißt es bei ihr: Sein
zur Welt, in die man hineingeboren wurde und in der man nicht ewig sein wird.
Was bei Heidegger Man und Gerede heißt, tritt bei Arendt als Kritik der
Arbeit auf, deren Vorherrschaft über den modernen Menschen ihn in ein
handlungs- und denkunfähiges animal laborans verwandle. Auch
späterhin akzeptierte Hannah Arendt Heideggers angebliche Abwendung vom
Nationalsozialismus gerade nicht. Heidegger bestimmte später den Menschen
als den Hirten des Seins. Arendt lehnt ein menschliches Dasein als
Funktion der Seinsgeschichte als gehorsame Antwort auf den Ruf des Seins
rundweg ab. Sie akzeptierte Heideggers Wendung vom Willen zur Macht zur
heiteren Gelassenheit nicht, forderte stattdessen die radikale Umwendung vom
Sein zum Tode auf die Vita activa, speziell aufs politische Handeln.
Mit ihrem Programm bleibt Hannah Arendt allerdings der Ontologie verhaftet.
Zwar wendet sie sich klar gegen Heidegger, deckt die antisemitischen
Implikationen seiner Ontologie, die vom Tode ausgeht, auf. Aber sie bleibt
selbst betontermaßen Ontologin. Sie formuliert ausdrücklich keine
Gesellschafts,- Erkenntnis- und Ideologiekritik, daher zurecht das
Nothing in Bezug auf die Frage nach wichtigen Werken der kritischen
Theorie, die ihr eine Studentin einst stellte Nichts. Damit
handelt es sich bei Arendts Konzeption um einen grundsätzlich positiven
Ansatz, keiner der ein per se falsches Sein der Kritik unterzieht, und der die
Verschleierungen und Verstrickungen der einzelnen Individuen bloßlegt.
Das wäre für sie vermutlich nichts als Determinismus. Ihr Ansatz
zielt auf ein positives Aufzeigen der menschlichen Bedingtheiten. Dabei
rechtfertigt sie unter der Hand den Tod dann doch als Existential, wie sie auch
die Arbeit als Teil der Vita activa rettet, sofern sie durch Herstellen und
Handeln ergänzt wird. Bei dieser Kritik an Hannah Arendt muss aber die
Abgrenzung zu jenen linken AntirassistInnen klar und deutlich betont
werden. Ich meine damit jene, die nicht müde werden, Arendt
runterzubuttern, weil sie angeblich rassistisch wäre und den Westen
über alles schätzen würde. Das Problem dieser Antirassisten
besteht darin, dass sie selbst keinen Begriff von Rassismus und Antisemitismus
haben und in dieser Hinsicht weit hinter Hannah Arendt zurückfallen.
Auch Jean Paul Sartre setzt sich von Heidegger explizit ab, wobei sein
Einverständnis mit seinem Vordenker größer bleibt als bei
Hannah Arendt. Umso interessanter sind allerdings seine Auseinandersetzungen
mit ihm. Gründlicher noch als Arendt setzt sich Sartre vom Sein zum Tode
ab. Er ergänzt nicht den Tod als Existenzial etwa durch die
Natalität, sondern er meint, dass der Tod, da er absurd wäre,
überhaupt nicht zur menschlichen Ontologie gehöre. Der Tod ist
für ihn nichts anderes als ein bestimmter Aspekt der Geworfenheit
und des Seins für andere, nichts als gegebenes Es ist
widersinnig, daß wir geboren sind, es ist widersinnig, daß wir
sterben, der Tod ist die äußerliche und faktische Grenze
meiner Subjektivität, damit ist der Tod ganz im Gegensatz zu Heidegger
nicht meine Möglichkeit ich bin nicht frei um des
Sterbens willen, sondern ich bin ein freier Sterblicher. Alle meine
Entwürfe sind daher vom Tode unabhängig. Daher gibt es kein
eigentliches oder uneigentliches Verhalten zum Tode. Sterben werden wir
vielmehr noch obendrein. Der Tod gibt dem Leben also keinen Sinn,
sondern er nimmt ihm jeden Sinn, er ist die jederzeit mögliche Nichtung
aller meiner Möglichkeiten. Der Tod lässt sich nicht erwarten, man
kann sich nicht auf ihn beziehen. Der Tod kann somit nicht zur ontologischen
Struktur des Menschen gehören. Meinen Tod sowas gibt es
somit bei Sartre nicht: es gibt kein die Person konstituierendes
Vermögen, das meinem Tode eigentümlich wäre. Der Tod kann, weil
er Tod ist, nicht als mein Tod bezeichnet werden und infolgedessen genügt
die Wesensstruktur des Todes nicht, aus ihm jenes die Person angehende und
qualifizierende Ereignis zu machen, das man erwarten kann (vgl. Sartre: Das
Sein und das Nichts)
Allerdings dürfen bei aller Radikalität der Abgrenzung die Parallelen
zu Heidegger nicht übersehen werden und dies ist härter zu
beurteilen, als bei Hannah Arendt, da Sartre explizit und noch nach dem
Verbrechen des Nationalsozialismus den Existenzialismus in zwei
grundsätzliche Richtungen, den religiösen (etwa Kierkegaard und
Jaspers) und den atheistischen, das sind Heidegger und er selbst
einteilte. Beide verbindet die Konzeption von der Existenz, die der Essenz
vorausgehe, der zentrale Gedankengang, der der sartreschen Philosophie den
Namen stiftete: der Mensch ist nicht definierbar, weil er anfänglich
überhaupt nichts ist, er wird sein, wie er sich geschaffen haben wird, es
gibt keine menschliche Natur, der Mensch ist nichts anderes, als wozu er
sich macht, der Mensch ist zuerst ein Entwurf, der sich subjektiv lebt,
anstatt nur ein Schaum zu sein oder eine Fäulnis oder ein Blumenkohl
(vgl.: Sartre: Der Existenzialismus ist ein Humanismus). Mit dieser Bestimmung
des Menschen als freies, durch nichts determiniertes Wesen entscheidend
ist nur das cogito macht auch Sartre sich zum Ideologen und
Ontologen in Heideggers Tradition. Auch Sartre geht von einer positiven Aussage
über die Ontologie des menschlichen Seins aus. Letztendlich entwirklicht
Sartre theoretisch sogar den Tod was bedeutet, ihn praktisch
unangefochten zu lassen, indem er ihn völlig aus seiner theoretischen
Konzeption herausnimmt. Es liest sich hier fast so, als sei Heidegger immerhin
der ehrlichere Existenzialist, der immerhin zu den Konsequenzen eines im Tode
mündenden Denkens steht, während Sartre 1943 den Tod eskamotiert, um
Heidegger samt seiner philosophischen Grundidee nur ein Jahr später desto
unbesehener zu retten. Ein leider sterblicher Mensch hat
nämlich rein gar nichts von Sartres theoretischer Versicherung, der Tod
gehöre neben der Geburt als absurder Vorgang nicht zur menschlicher
Grundverfasstheit. Was nützt es, wenn die Gesellschaft, in der Menschen
leben, sich nicht darum kümmert? Allerdings: die Wirklichkeit objektiver
Gedanken waren leider nicht Sartres Sache: Der Tod, die Arbeitslosigkeit,
die Unterdrückung eines Streiks, das Elend und der Hunger sind keine
Ideen. Es sind Wirklichkeiten des Alltags, die in ihrer ganzen Schrecklichkeit
gelebt werden, die Dinge, nicht die Ideen, sind gediegene und bisweilen
unüberwindbare Hindernisse (vgl. Sartre: Materialismus und Revolution).
Wer Wirklichkeiten und Ideen fein säuberlich trennen zu
können glaubt, ist tiefer im von Sartre selbst verabscheuten vulgären
Materialismus verankert, als er selbst ahnen könnte.
Kritik der Ontologie
An Sartre wie an Arendt zeigt sich das Festhalten an der Ontologie, speziell:
an der Wesensbestimmung des Menschen. Beide sind aber guten Willens zur Kritik
des Kapitalismus wie des Antisemitismus. Aber die Lektüre beider
verdeutlicht gerade die Notwendigkeit einer Kritik an der Ontologie, das
Vorstoßen zur Ideologiekritik, das Erkennen einer Einheit von Subjektivem
und Objektivem, wie es die Warengesellschaft durchzieht. Wir haben es hier mit
einer Gesellschaft zu tun, die sich durch die Existenz objektiver
Gedankenformen auszeichnet. Die Crux materialistischer Gesellschaftskritik
besteht damit darin, nicht Existenziale auszutauschen und abzuziehen, sondern
die Heideggersche Ideologie des Todes als das zu betrachten, was sie ist:
nämlich als Ideologie, das heißt als zugleich notwendiges und
falsches Bewusstsein einer fetischistischen Gesellschaft von sich selbst: eine
Denkweise, die an die in dieser Gesellschaft angelegte grundsätzliche
Überflüssigkeit des einzelnen Menschen anknüpft und diese
ausdrückt. Aber und das ist entscheidend, sie diese eben falsch
ausdrückt und damit affirmiert. Sartre wie Arendt prüfen die
Heideggersche Ideologie von Sein zum Tode nicht in ihrem Zusammenhang zu einer
in sich falschen Gesellschaft, betrachten sie nicht als Ausdrucksform einer
ganz bestimmten und in sich verkehrten Vermittlungsform und damit nicht als
konsequenten Ausdruck dieser Art von Gesellschaft. Heidegger hat damit Recht,
wenn er feststellt, dass die Menschen unter dem Banne des Todes stehen und zwar
sobald sie geboren sind und dass sie mit jeder Faser ihrer Existenz davon
durchzogen sind. Insofern drückt seine Ideologie die Wahrheit über
diese Gesellschaft aus. Heideggers Sein zum Tode ist das in jedem
Menschen der Warengesellschaft tickende Schicksal, in der alles, was ist,
tatsächlich nur wert ist, das es zugrunde geht aber: und hier wird
Heideggers Denken falsch: er affirmiert diesen Sachverhalt und spitzt ihn zu.
Es soll so sein, jeder hat das anzuerkennen und noch mal an sich selbst zu
vollstrecken, also das nicht einfach nur hinzunehmen (was schon eine immense
Zumutung wäre), sondern diese Nichtigkeit tätig und denkend zu
bejahen, sich selbst als Sein zum Tode zu konstituieren, dies als
Möglichkeit, ja Freiheit zu begreifen und sich tatsächlich vom Tode
her zu entwerfen und die damit verbundene Angst als den Menschen als Menschen
auszeichnendes Existenzial zu begreifen. Genau an dieser Stelle ist die
Unterscheidung zwischen den Toden anzusetzen, die Grundlage dafür, zu
erkennen, das Tod eben gerade nicht gleich Tod ist. Und ganz genau in seiner
Konzeption des Einfühlens ins Sein, das für den Menschen immer schon
ein Sein zum Tode wäre, wird Heidegger zum explizit deutschen Ideologen,
der in der Bejahung des Todes die Tiefe erblickt und damit implizit die
jüdische Oberflächlichkeit eines Lebens geißelt, welches sich
nicht dem Tod verschreibt, sondern oberflächlich dem Schein und dem Tand
verhaftet bliebe, anstatt sich mit Grundsätzlichem zu beschäftigen:
dem Unerbittlichen tief ins Auge zu blicken, sich furchtlos dem Schicksal zu
stellen: der Tod ist ein Meister aus Deutschland.
Solche Denker des Todes wollen den Bann dieses Seins nicht brechen, sondern
sich ihm aktiv ausliefern. Das Ziel dieser Philosophie ist nicht Befreiung von
der Überflüssigkeit der Menschen, nicht ein gutes und angstfreies
Leben für alle, sondern stattdessen ein Sichentwerfen vom Tode her.
Ontologie wäre, wie es Adorno in der Negativen Dialektik ausführt,
einzig denkbar als negative: Wenn irgend wäre Ontologie ironisch
möglich, als Inbegriff von Negativität. Was sich selbst gleichbleibt,
die reine Identität, ist das Schlechte (...). Wollte man eine Ontologie
entwerfen und dabei dem Grundsachverhalt folgen, dessen Wiederholung ihn zur
Invariante macht, so wäre es das Grauen (...); gut erst das der Ontologie
Entronnene (Adorno, Negative Dialektik, S. 128). Dies ist als Absage an alle
Philosophie zu verstehen, die als Ontologie auftritt, also mit dem Anspruch,
Positives über das Sein auszusagen. Möglich ist einzig und allein die
erkenntniskritische Reflexion auf den falschen Gesellschaftszusammenhang und
das Aufweisen der verkehrten Vermittlungen zwischen Gesellschaft und
Erkenntnis. Sich zu fragen, ob nun der Tod das menschliche Dasein strukturiert
oder ob nicht auch die Geburt oder ob nicht beide außerhalb liegen, das
menschliche Dasein vielmehr durch Endlichkeit strukturiert ist all das
sind falsche Fragen, auf die es prinzipiell keine richtigen Antworten gibt.
Notwendig ist auch hier die Kritik der Fragen selbst, die prinzipielle
Zurückweisung jeder positiven Ontologie, die, wie auch immer sie konkret
ausgeführt wird, stets schon eine Rechtfertigung falscher
gesellschaftlicher Verhältnisse ist.
Statt Ontologie ist Erkenntniskritik nötig: Die Identität ist
die Urform der Ideologie. An dieser Stelle spitzt sich der verschlungene
Zusammenhang zwischen der gesellschaftlichen Objektivität der
Gedankenformen, die die bestehende Gesellschaft bestimmen und dem Bewusstsein
der Individuen über diese bis zum Äußersten zu, ohne das beides
indes ineinander aufgelöst wird. Die Kritik der Identitätslogik ist
das zentrale Moment der negativen Dialektik. Hier werden zwei Problematiken
miteinander verknüpft: Einerseits der Warentausch in seiner Vermittlung
über den Wert, der die Dinge als gleichwertig konstituiert, von ihnen
abstrahiert, sie zu Gebrauchswerten stempelt, bei denen nichts als die
abstrakte Benutzbarkeit zu irgendetwas zählt, in der völlig von der
besonderen Qualität eines Gegenstandes abgesehen wird, wobei das Ding in
seiner ihm eigenen Qualität verschwindet dies betrifft auch die
Individuen, die als Charaktermasken und Arbeitskraftbehälter fungieren und
einander in dieser Gesellschaft komplett austauschbar und damit mindestens als
Einzelne, unter Umstände aber auch in ihrer Gesamtzahl,
überflüssig sind. Andererseits hat man es dabei aber mit
Gedankenformen zu tun. Diese Verhältnisse existieren auch als notwendige
Gedankenformen. Sie müssen gedacht werden, um zu existieren, aber sie
existieren als Gedachte, sie sind reale Abstraktionen, die von den Menschen in
dieser Gesellschaft tatsächlich vollstreckt werden. Sowohl im Denken als
auch real in dieser Gesellschaft wird damit praktisch und ideell von der
Qualität der Dinge abgesehen. Sie werden zu gleichen austauschbaren
Arbeitsgallerten, die als einzelne überflüssig und dem Verschwinden
preisgegeben sind. In diesem Sinne zielt Identität, das Gleichmachen in
Tausch wie im Denken aufs Verschwinden dieses Dings hin: Identität
ist Tod (Adorno). Die durch den Wert gestiftete Identität kann nicht als
solche existieren. Sie kann sich nur zeigen, so wie der Wert einer Ware nur an
einer anderen, also im Verhältnis erscheinen kann. Das Wesen dieser
Gesellschaft zeigt sich den in sie steckenden und in sie verstrickten
Individuen also per se immer nur als das, was es gerade nicht ist, insofern
also vorab ideologisch, als notwendig falsches Bewusstsein. Die in der
Warengesellschaft gestiftete Identität als eine falsche, über die
Dinge hinweg gehende, sie zum Verschwinden bringende, drückt sich im
Denken zwangsläufig als diese Realität verschleiernde aus, als
Ideologie. Damit ist die Identität tatsächlich, wie Adorno sagt, die
Urform der Ideologie. Die Identität ist eine, die das Einzelne zum
Verschwinden bringt. Die Ideologie vom Sein zum Tode ist damit ein
schonungsloser Ausdruck und brutale Rechtfertigung wie Zuspitzung der
gesellschaftlichen Verhältnisse. Das Sein zum Tode korrespondiert mit dem
Wert: Bloch wies darauf hin: So wenig Individuen die Stunde ihres Todes
wissen, so unerwartet und unvorhersehbar brechen Wirtschaftskriege und
Katastrophen herein, stürzen Börsenkurse, wechseln Regierungen,
brechen Kriege aus, werden Feldzüge begonnen, so wenig ist nicht zuletzt
der individuelle Lebenslauf kalkulierbar und planbar der Tod ist der
Prototyp jedes verhängten Schicksal als eines ebenso ungewollten wie fremd
eingreifenden wie unbegriffenen (Bloch: Das Verschwinden des letalen Nichts im
sozialistischen Bewußtsein). Eine Kritik an Heideggers Todeslehre kann
nur dann wirkungsvoll sein, wenn sie diese als das begreift, was sie ist, wenn
sie Hand an die Identitätslogik beziehungsweise an alle Ideologienbildung
legt und damit die Warengesellschaft als solche angreift.
3. Tod, Todestrieb und seine Natürlichkeit
Wir sind Menschen und als solche sind wir Natur und als solche sind wir nun mal
sterblich, so hört man es oft und so klingt es ja auch recht plausibel.
Aber genau dies ist auch die grundlegende Rechtfertigung der Ideologie des
Todes. Weil wir sterben sind wir des Todes und weil wir des Todes sind ist
alles menschliche Streben nach einer Welt ohne Not, Qual und Angst letztlich
(im wahrsten Sinne des Wortes) sinnlos und oberflächlich. Heidegger will
nun mal auch nichts anderes, als die Bedingungen analysieren unter denen
menschliches Dasein steht. Daher ist streng darauf zu achten, was man sich
alles so unter der Hand einkauft: Licht auf diese Problematik wirft die
zentrale psychoanalytische Kategorie des Todestriebs, das wohl schärfste
und umfassendste Argument für eine dem Menschen innewohnende Todes- und
Vernichtungstendenz: Freud bestimmt den Trieb generell als ein dem
lebenden Organischen innewohnenden Drang zur Wiederherstellung eines
früheren Zustandes und argumentiert: Wenn also alle organischen
Triebe konservativ, historisch erworben und auf Regression, Wiederherstellung
von Früherem gerichtet sind, so müssen wir die Erfolge der
organischen Entwicklung auf die Rechnung äußerer, störender und
ablenkender Einflüsse setzen. Wir können also zusammenfassen:
Wenn wir es als ausnahmslose Erfahrung annehmen dürfen, daß
alles Lebende aus inneren Gründen stirbt, (...) so können wir nur
sagen: Das Ziel alles Lebens ist der Tod (...) (Freud: Jenseits des
Lustprinzips). Freud geht also von einem Todestrieb aus, der allem Lebendigen
innewohnt. Worauf Freud in seinen Analysen der Kriegstraumata stieß,
durch die er sich zur teilweisen Aufgabe des Theorems der Wunscherfüllung
in jedem Traum genötigt sah, war allerdings der Todestrieb genau jener
Individuen, die die grundlegenden Bedingungen der Warengesellschaft in sich
verinnerlicht hatten, die sich mit Gewalt unter Abgrenzung nach Außen zum
bürgerlichen Subjekt zusammenhalten müssen, welches vorab unterm
Diktat seiner Überflüssigkeit steht, welche durchaus spontan
vollstreckt werden und sich mit unentwegten Abwehrmechanismen, speziell der
pathischen Projektion zusammenhalten muss. Ein derartiges Individuum steht dann
auch quasibiologisch unter der Herrschaft des Todestriebs und nicht anders
erscheint es auch dem Begründer der Psychoanalyse, der sich
schließlich mühsam (er ist kein Ideologe des Todes sondern alles
andere) zur Ansicht eines dem Menschen innewohnenden Todestriebs durchringen
muss: Vielen von uns mag es auch schwer werden, auf den Glauben zu
verzichten, daß im Menschen selbst ein Trieb zur Vervollkommung wohnt,
der ihn auf die gegenwärtige Höhe geistiger Leistungen und ethischer
Sublimierung gebracht hat (...) Allein ich glaube nicht an einen solchen
inneren Trieb und sehe keinen Weg, diese wohltuende Illusion zu schonen (ebd).
Für Freud bedeutet es einen scharfen Bruch innerhalb seines theoretischen
Konzepts, den Todestrieb einzuführen, gewissermaßen eine Konzession
an die destruktive Natur der Psyche der von ihm untersuchten Patienten.
Während Freud jedoch die Triebe generell für biologische Mitbringsel
hielt, ist es ihm doch immerhin zugestehen, dass es von Anfang an ein
biologisches Substrat geben muss, welches dann gesellschaftlich
präformiert wird. Das, was man letztlich Trieb nennt, ist bereits durch
und durch gesellschaftlich bestimmt. Zwar gibt es eine biologische
Ausgangsbasis, aber diese lässt sich nicht ausdestillieren (vgl. Freud:
Trieb und Triebschicksal). Dass das menschliche Leben tatsächlich
permanent getrieben ist, kann aber nicht als anthropologische Konstante
herhalten, sondern ist bereits als Ausdruck der Natur unter Bedingungen einer
gewaltsamen, misslingenden Ich-Bildung unter den Bedingungen der
Warengesellschaft zu betrachten. Diese gewaltsame Ichbildung ist primär
durch eine konträre, feindliche Gegenüberstellung von Es und Ich
sowie Über-Ich gekennzeichnet sowie durch einschneidende
Verdrängungsleistungen, die schließlich dazu führen, dass sich
einem die eigenen Gefühle, Gedanken und Wünsche in Form des
Unbewussten entziehen. Praktisch lässt es sich dann versuchen, dirigierend
und korrigierend auf die Auswirkungen des Triebhaushalts einzuwirken. So ist
auch der dem einzelnen Individuum innewohnende Drang zum Tode ein Produkt
gewaltförmiger und falscher Ichbildung in der Warengesellschaft.
Primär ist die uns entgegentretende Natur, die uns biologisch gegeben
anmutet, bereits ein Produkt gesellschaftlicher Vermittlung. Daher ist die
Vermutung einer biologisch dem Einzelnen innewohnenden Tendenz zum Tode hin
skeptisch zu betrachten. Vielmehr ist es die in dieser Todestendenz angelegte
Überflüssigkeit des einzelnen Menschen, die sich psychisch dann auch
im Einzelnen abspiegelt. Wenn die Ideologen des Todes sich also auf eine
natürliche Sterblichkeit des Einzelnen beziehen, so beziehen sie sich
primär auf die in dieser Gesellschaft angelegte Überflüssigkeit
des einzelnen Individuus, auf die Tatsache, das jeder hier ein unwichtiges,
immer schon verschwindendes Etwas ist, dem dieses Verschwinden auch ins
Triebschicksal eingeschrieben ist. Und dieses Triebschicksal ist ein
gesellschaftlich erzeugtes. Die Basis der Ideologie des Todes ist also ein dem
Individuum innewohnendes Faktum der gesellschaftlich generierten
Überflüssigkeit des Einzelnen es muss also zwangsläufig
als biologisch gegeben erscheinen. Ohne dies freilich zu sein. Der Tod ist
jedenfalls eine Institution gesellschaftlicher Herrschaft und Unterwerfung. Das
Einverständnis mit ihm ist ein Einverständnis mit gesellschaftlicher
Herrschaft (vgl. Marcuse: Die Ideologie des Todes).
4. Tod ist nicht gleich Tod abschließende Thesen
Die Losung von der Verdrängung des Todes bietet alle Ansatzpunkte dazu,
sich in ein Sein zum Tode hinein zu fühlen und gesellschaftliche Gewalt
zu rechtfertigen und zuzuspitzen.
Der Tod ist und bleibt ein Meister aus Deutschland. Dies hängt
ausdrücklich nicht am deutschen Staat oder der deutschen Sprache. Die
Ideologie des Todes gründet auf der völkisch-romantischen
Einfühlung in den Wert, die historisch erstmals in Deutschland auftrat.
Eine materialistische Kritik des Todes zielt nicht auf Lebenskunst oder
heitere Gelassenheit sondern auf eine Umwälzung der
gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen der Mensch ein elendes und
geknechtetes Wesen ist. Sie zielt damit aber auch darauf, die Verhältnisse
so einzurichten, dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches
geschehe.
Tod ist nicht gleich Tod. Zwischen dem in der kapitalistischen Entwicklung
angelegten und dem durch die Ideologie des Todes gerechtfertigten liegt ein
Unterschied ums Ganze. Diesen zu begreifen, treibt zur Gesellschaftskritik.
Die Ideologie des Todes stellt den Schnittpunkt zwischen der die
Warengesellschaft beherrschenden Identitätslogik und der Ideologienbildung
dar. An diesem Punkt wird die Verselbständigung der Ideologien deutlich.
Bei aller Kritik an der Ideologie von der Verdrängung des Todes verweist
der Tod tatsächlich auf den Menschen als Teil der Natur, auf die
Herrschaft über sie und damit auch über sich selbst. In dieser
Beherrschung muss tatsächlich auch im streng psychoanalytischen Sinne (!)
verdrängt werden. Der Todestrieb konstituiert sich aufgrund der
gewaltförmigen und schiefen Ich-Bildung, am unversöhnten
Verhältnis zwischen der menschlicher Gesellschaft und der Natur und daraus
folgend zwischen dem Ich, den Trieben und dem Über-Ich. Aus dieser
gewaltvollen Zusammenfügung resultiert die innere Strebung, diese
aufzulösen, die von Freud so genannte konservative Natur der Triebe.
Es ging in meinem Vortrag nicht ums Sterben sondern um den Tod. Das ist zu
unterscheiden, obwohl die Frage, ob immer gestorben wird für
Gesellschaftskritik grundsätzlich nicht irrelevant ist. Entscheidend im
hier von mir vorgetragenen Kontext war aber die durch die warenförmige
Vergesellschaftung erzwungene Überflüssigkeit der Menschen und deren
regressiv-ideologische Verarbeitung. Der Tod ist kein biologisches Faktum,
sondern eine gesellschaftliche Institution der Herrschaft und Unterwerfung.
Gesellschaftskritik bleibt aber misstrauisch gegenüber anthropologischen
Konstanten und steht auf Seiten derer, die sich für eine Verlängerung
des menschlichen Lebens und für einen Sieg über den Tod aussprechen.
So wie es immer ein natürliches, der Gesellschaft zugrunde liegendes
Substrat geben muss, so gibt es dieses doch immerhin nie ohne gesellschaftliche
Vermittlung. Das gilt auch für das Sterben.
Die Kritik der Ideologie des Todes zielt auf die Verwirklichung einer
Gesellschaft, in der alle Menschen ohne Angst leben können.
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