Einige Gedanken zum Rauchverbot, Faschismustheorien und linker Paranoia.
Das ist wichtig! Das passiert! Alle sind betroffen!
In den letzten Monaten wurde in der Öffentlichkeit sowie in verschiedenen
Medien eine breite und oftmals emotional aufgeladene Debatte um ein neues
Gesetz geführt, welches zu einer Einschränkung des Rauchens in
Speisegaststätten, Schankwirtschaften und Diskotheken, vulgo:
Restaurants, Kneipen und Clubs, führen sollte. Ebenso wie den leidigen
Auseinandersetzungen um die blutrünstige Baader-Meinhof-Bande und die
neuste Klimaapokalypse konnte man den Diskussionen um das Rauchverbot
trotz sporadischer Zeitungslektüre und intaktem Außenweltfilter kaum
entkommen.
Was machen die da oben?
Nachdem es in den vergangenen Jahren bereits diverse (Gesetzes-)Änderungen
auf dem bewussten Gebiet, zum Beispiel ein Rauchverbot an Schulen und in
Regionalbahnen gegeben hatte, sollte nun eine weiterreichende Beschränkung
des Rauchens in verschiedenen Bereichen erwirkt werden.
Der vorläufige Stand der Gesetzgebung sieht aus wie folgt: In Bildungs-
und Kultureinrichtungen, öffentlichen Verkehrsmitteln, Krankenhäusern
und Behörden wird das Rauchen in Zukunft nicht mehr erlaubt sein.
Leider kam es aufgrund des schrecklichen, unbedingt reformbedürftigen
bürokratischen Sumpfs in unserem Lande zu erheblichen Verzögerungen
bei dem Versuch für die Gastronomie ein bundesweit bindendes Gesetz zu
Anti-Werbung
Werbeanzeige des Philip Morris-Konzerns zu Diskussionen um Rauchverbote in Restaurants (1996)
Anti-Werbung
Aus der Sicht der Raucher sind Nichtraucher nicht die glücklicheren Menschen
(Siehe auch: Editorial)
erlassen. Es stellte sich heraus, dass das Gaststättenrecht im Zuge der
Föderalismusreform Ländersache geworden war, woraus sich die
Notwendigkeit einer Arbeitsgruppe bestehend aus Bundes- und
LandesgesundheitsministerInnen ergab. Diese bemühte sich infolgedessen um
eine einheitliche Gesetzgebung für die Gastronomie, redete dabei
natürlich mal wieder endlos um den heißen Brei herum und verprasste
die Gelder des braven Steuerzahlers für überflüssige
Luxusspesen, ohne dass ihr in der Frage die Entscheidungskompetenz obläge.
Diese befindet sich vielmehr in den Händen der Ministerpräsidenten,
die bei einem Treffen am 22. März endlich Nägel mit Köpfen
machen und das in Rede stehende Gesetz unter Dach und Fach bringen wollen, wie
man so sagt. Unstimmigkeiten gibt es derzeit nur noch in der Frage, ob es
Ausnahmen von der Regel geben solle, denn diese wird bekanntlich so will
es der Volksmund durch jene bestätigt. Hier profilierten sich unter
anderem die Herren Wulff und Platzek, die für spezielle
Raucheretablissements, gekennzeichnet durch ein R am Eingang bzw.
Schicht- (Nicht-) Rauchen nach/vor 21:00 Uhr plädierten. Ob diese bunten
Hunde ihre kuriosen Sparren allerdings durchsetzen werden, erscheint fraglich.
Mehr oder weniger rigide Einschränkungen des Rauchens an öffentlichen
Plätzen sind allerdings keineswegs nur in der BRD geplant, vielmehr wurden
ähnliche Maßnahmen in den letzten Jahren in fast allen
europäischen Staaten eingeleitet, etwa in Irland, Italien und Mazedonien.
Bei Wikipedia erfahren wir außerdem, dass es selbst in den exotischsten
Reiseländern, wie Bhutan und Uruguay, ein Rauchverbot gibt.
Wie die kurze Zusammenfassung (was bisher geschah) zeigt, handelt es
sich bei der Realpolitik um ein mühsames, verworrenes und schmutziges
Geschäft, wo man sich schon mal in die Niederungen der real existierenden
Gesetzbücher, der disparaten Interessen sowie medizinischer Fachliteratur
begeben muss, allesamt Dinge, deren bloße Vorstellung bereits ausreicht
um bei den meisten Linken ein Gefühl des Grauens hervorzurufen. Daher
nimmt es nicht Wunder, dass in diesen Kreisen anderen Aspekten als den eben
angedeuteten bei der Diskussion der Thematik Rechnung getragen wurde.
Selber Faschist!
Denn wenn dieses Thema, das uns zwar persönlich irgendwie betrifft, sich
aber auf den ersten Blick theoretisch völlig irrelevant ausnimmt, so muss
das nicht heißen, dass wir es nicht schafften, es für unsere Zwecke
zu bearbeiten, aufzuhübschen, attraktiver zu machen. Und siehe da:
Tatsächlich gelang es vielen Linken das dröge Fitzelthema so zu
interpretieren, dass es sich nun nahtlos in ihre Lieblingsdiskurse einpasst.
Die beliebteste Variante einer linke Kritik am Rauchverbot geht etwa so:
Das Rauchverbot ist deshalb abzulehnen (faschistisch), weil es eine
Unterordnung des individuellen unter ein allgemeines Interesse bedeutet. Ziel
ist die Gesundheit des Volkskörpers bzw. die Befriedigung des
Bedürfnisses, dynamische, den Erfordernissen eines beschleunigten,
globalen Kapitalismus entsprechende Arbeitskraftbehälter heranzuziehen,
die außerdem keine Mehrkosten für die im Abbau begriffene
Gesundheitsfürsorge darstellen sollen. In der Forderung nach einem
Rauchverbot tritt ein ideologischer Gesundheitswahn/Körperkult zu Tage, es
manifestiert sich in der Forderung eines Rauchverbots eine gefährliche
Lustfeindschaft, die den Individuen eine Entsagung sinnlicher Genüsse
abverlangt und an das Verbot von Genussmitteln etwa im Islam erinnert. Dazu
passt auch die Antitabak-Bewegung im Nationalsozialismus, wo Rauchen als
Relikt der liberalen Lebensweise und Gefahr für das allseits
propagierte soldatisch-asketische Ideal bekämpft wurde.
Doch lässt sich der Faschismus auch auf der anderen Seite,
nämlich bei den Rauchern verorten. Wie das funktioniert lässt sich
auf dem empfehlenswerten Weblog nichtidentisches
(http://myblog.de/nichtidentisches) nachlesen:
Waren noch vor kurzem hedonistische Polit-Kalauer wie Sherry statt
Sharia in der antideutschen Szene in Mode, so würde der Autor der Artikel
Rauchen als Verkehrung und der Raucher-Shylock von der taz die
Parole Teermord statt Ehrmord als unzulässigen Analogieschluss
verwerfen.
Bei der Lektüre der psychoanalytisch inspirierten Artikel müssen wir
erfahren, dass eine Verwandtschaft des Rauchens mit der Todesontologie
des Islamismus bestehe, mehr noch, dass es gar einen Raucherdjihad zu
bekämpfen gebe. Da die schädlichen Wirkungen des Rauchens für
Konsumenten und deren Umwelt allgemein bekannt seien, müsse dem Rauchen
eine Art Todessehnsucht und Todesverachtung immanent seien, Selbstvernichtung
und Vernichtung des Anderen seien somit, wenn nicht Ziel, so doch zumindest
achselzuckend hingenommene Begleiterscheinungen des Rauchens. Der Zwang, dem
Rauchen aufgrund emotionaler Abhängigkeiten zu rauchenden Mitmenschen
ausgesetzt zu sein, sei eine Form der Zufügung von Schmerz, die das
Individuum durch das Kollektiv (der Raucher) erführe, vergleichbar etwa
der Frauenbeschneidung. Durch das Rauchen konstituiere sich ein Ersatzkollektiv
für all jene, die eine Partizipation an den herkömmlichen Kollektiven
zurückweisen, da sie deren Zwangscharakter durchschauen, an einer
wirklichen Befreiung aber scheitern.
Bushs War on German Smokers
Die lustigste Stellungsnahme zum Thema kam aber wie so oft von
den Steinzeitlinken aus dem Umfeld des Traditionsblatts junge welt:
Jürgen Elsässer, der kürzlich eine breite Leserschaft mit dem
Sciencefiction-Roman Angriff der Heuschrecken von seinen
belletristischen Talenten zu überzeugen vermochte, schreibt in eben diesem
Werk: Seit den siebziger Jahren haben Aliens mit der Kolonisation der
Erde begonnen. (
) Flankiert wird der ökonomische und
militärische Terror von einem Gehirnwäscheprogramm. (
) Die
Matrix wirkt mittels Hypnose das Kaninchen muß auf die Schlange
starren und an die Giftzähne glauben. Folglich ist es für die Aliens
essentiell, die Erdlinge in der Karnickel-Situation zu halten und
möglichst jede Form von zwischenmenschlichem Kontakt zu verhindern.
Deswegen muß beispielsweise auch das Rauchen verboten werden. Hast
Du mal Feuer?` ist nämlich eine der einfachsten Übungen in
Interaktion und selbst von Verklemmten lernbar. Stattdessen propagieren die
Aliens die elektronische Vernetzung (
).
Fazit
Versuchen wir ein Fazit zu ziehen: Der linke common sense hat recht, wenn er
auf die Verträglichkeit des Rauchverbots mit problematischen Ideologien
sowie sozialpolitische Aspekte aufmerksam macht. Trotz aller geschmacklosen
Übertreibungen hat die Nichtidentischen-Position den anderen
voraus, dass das Wohl des Individuums hier der Maßstab der Kritik ist.
Der unschlagbare Vorteil Elsässers Theorie liegt in ihrer Pragmatik, denn
das ganze Problem löst sich von selbst auf, wenn einst die Macht der
United States of Aliens gebrochen sein wird. Ein gewisses Maß an
Paranoia ist allen Positionen gemein. Vielleicht sollten ihre Vertreter sich
lieber mit Christian Wulff für die R-Plakette stark machen, anstatt
alle Themen im Grau in Grau eines ubiquitären Faschismus untergehen zu
lassen.
Johannes Knauss
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