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das Erste, 0.9k

Wenn ich nicht
rauchen kann…

Einige Gedanken zum Rauchverbot,
Faschismustheorien und linker Paranoia.

Das ist wichtig!
Das passiert!
Alle sind betroffen!

In den letzten Monaten wurde in der Öffentlichkeit sowie in verschiedenen Medien eine breite und oftmals emotional aufgeladene Debatte um ein neues Gesetz geführt, welches zu einer Einschränkung des Rauchens in „Speisegaststätten, Schankwirtschaften und Diskotheken“, vulgo: Restaurants, Kneipen und Clubs, führen sollte. Ebenso wie den leidigen Auseinandersetzungen um die blutrünstige Baader-Meinhof-Bande und die neuste Klimaapokalypse konnte man den Diskussionen um das „Rauchverbot“ trotz sporadischer Zeitungslektüre und intaktem Außenweltfilter kaum entkommen.

Was machen die da oben?

Nachdem es in den vergangenen Jahren bereits diverse (Gesetzes-)Änderungen auf dem bewussten Gebiet, zum Beispiel ein Rauchverbot an Schulen und in Regionalbahnen gegeben hatte, sollte nun eine weiterreichende Beschränkung des Rauchens in verschiedenen Bereichen erwirkt werden.
Der vorläufige Stand der Gesetzgebung sieht aus wie folgt: In Bildungs- und Kultureinrichtungen, öffentlichen Verkehrsmitteln, Krankenhäusern und Behörden wird das Rauchen in Zukunft nicht mehr erlaubt sein.
Leider kam es aufgrund des schrecklichen, unbedingt reformbedürftigen bürokratischen Sumpfs in unserem Lande zu erheblichen Verzögerungen bei dem Versuch für die Gastronomie ein bundesweit bindendes Gesetz zu
Anti-Werbung, 20.0k

Anti-Werbung

Werbung, 34.2k

Werbeanzeige des Philip Morris-Konzerns zu Diskussionen um Rauchverbote in Restaurants (1996)

Anti-Werbung, 30.4k

Anti-Werbung

Werbung, 22.1k

Aus der Sicht der Raucher sind Nichtraucher nicht die glücklicheren Menschen

(Siehe auch: Editorial)
erlassen. Es stellte sich heraus, dass das Gaststättenrecht im Zuge der „Föderalismusreform“ Ländersache geworden war, woraus sich die Notwendigkeit einer Arbeitsgruppe bestehend aus Bundes- und LandesgesundheitsministerInnen ergab. Diese bemühte sich infolgedessen um eine einheitliche Gesetzgebung für die Gastronomie, redete dabei natürlich mal wieder endlos um den heißen Brei herum und verprasste die Gelder des braven Steuerzahlers für überflüssige Luxusspesen, ohne dass ihr in der Frage die Entscheidungskompetenz obläge. Diese befindet sich vielmehr in den Händen der Ministerpräsidenten, die bei einem Treffen am 22. März endlich Nägel mit Köpfen machen und das in Rede stehende Gesetz unter Dach und Fach bringen wollen, wie man so sagt. Unstimmigkeiten gibt es derzeit nur noch in der Frage, ob es Ausnahmen von der Regel geben solle, denn diese wird bekanntlich – so will es der Volksmund – durch jene bestätigt. Hier profilierten sich unter anderem die Herren Wulff und Platzek, die für spezielle Raucheretablissements, gekennzeichnet durch ein „R“ am Eingang bzw. Schicht- (Nicht-) Rauchen nach/vor 21:00 Uhr plädierten. Ob diese bunten Hunde ihre kuriosen Sparren allerdings durchsetzen werden, erscheint fraglich. Mehr oder weniger rigide Einschränkungen des Rauchens an öffentlichen Plätzen sind allerdings keineswegs nur in der BRD geplant, vielmehr wurden ähnliche Maßnahmen in den letzten Jahren in fast allen europäischen Staaten eingeleitet, etwa in Irland, Italien und Mazedonien. Bei Wikipedia erfahren wir außerdem, dass es selbst in den exotischsten Reiseländern, wie Bhutan und Uruguay, ein Rauchverbot gibt.

Wie die kurze Zusammenfassung („was bisher geschah“) zeigt, handelt es sich bei der Realpolitik um ein mühsames, verworrenes und schmutziges Geschäft, wo man sich schon mal in die Niederungen der real existierenden Gesetzbücher, der disparaten Interessen sowie medizinischer Fachliteratur begeben muss, allesamt Dinge, deren bloße Vorstellung bereits ausreicht um bei den meisten Linken ein Gefühl des Grauens hervorzurufen. Daher nimmt es nicht Wunder, dass in diesen Kreisen anderen Aspekten als den eben angedeuteten bei der Diskussion der Thematik Rechnung getragen wurde.

Selber Faschist!

Denn wenn dieses Thema, das uns zwar persönlich irgendwie betrifft, sich aber auf den ersten Blick theoretisch völlig irrelevant ausnimmt, so muss das nicht heißen, dass wir es nicht schafften, es für unsere Zwecke zu bearbeiten, aufzuhübschen, attraktiver zu machen. Und siehe da: Tatsächlich gelang es vielen Linken das dröge Fitzelthema so zu interpretieren, dass es sich nun nahtlos in ihre Lieblingsdiskurse einpasst.

Die beliebteste Variante einer linke Kritik am „Rauchverbot“ geht etwa so: Das Rauchverbot ist deshalb abzulehnen („faschistisch“), weil es eine Unterordnung des individuellen unter ein allgemeines Interesse bedeutet. Ziel ist die Gesundheit des „Volkskörpers“ bzw. die Befriedigung des Bedürfnisses, dynamische, den Erfordernissen eines beschleunigten, globalen Kapitalismus entsprechende Arbeitskraftbehälter heranzuziehen, die außerdem keine Mehrkosten für die im Abbau begriffene Gesundheitsfürsorge darstellen sollen. In der Forderung nach einem Rauchverbot tritt ein ideologischer Gesundheitswahn/Körperkult zu Tage, es manifestiert sich in der Forderung eines Rauchverbots eine gefährliche Lustfeindschaft, die den Individuen eine Entsagung sinnlicher Genüsse abverlangt und an das Verbot von Genussmitteln etwa im Islam erinnert. Dazu passt auch die Antitabak-Bewegung im Nationalsozialismus, wo Rauchen als „Relikt der liberalen Lebensweise“ und Gefahr für das allseits propagierte soldatisch-asketische Ideal bekämpft wurde.

Doch lässt sich der Faschismus auch „auf der anderen Seite“, nämlich bei den Rauchern verorten. Wie das funktioniert lässt sich auf dem empfehlenswerten Weblog „nichtidentisches“ (http://myblog.de/nichtidentisches) nachlesen:
Waren noch vor kurzem hedonistische Polit-Kalauer wie „Sherry statt Sharia“ in der antideutschen Szene in Mode, so würde der Autor der Artikel „Rauchen als Verkehrung“ und „der Raucher-Shylock von der taz“ die Parole „Teermord statt Ehrmord“ als unzulässigen Analogieschluss verwerfen.
Bei der Lektüre der psychoanalytisch inspirierten Artikel müssen wir erfahren, dass eine Verwandtschaft des Rauchens mit der „Todesontologie des Islamismus“ bestehe, mehr noch, dass es gar einen „Raucherdjihad“ zu bekämpfen gebe. Da die schädlichen Wirkungen des Rauchens für Konsumenten und deren Umwelt allgemein bekannt seien, müsse dem Rauchen eine Art Todessehnsucht und Todesverachtung immanent seien, Selbstvernichtung und Vernichtung des Anderen seien somit, wenn nicht Ziel, so doch zumindest achselzuckend hingenommene Begleiterscheinungen des Rauchens. Der Zwang, dem Rauchen aufgrund emotionaler Abhängigkeiten zu rauchenden Mitmenschen ausgesetzt zu sein, sei eine Form der Zufügung von Schmerz, die das Individuum durch das Kollektiv (der Raucher) erführe, vergleichbar etwa der Frauenbeschneidung. Durch das Rauchen konstituiere sich ein Ersatzkollektiv für all jene, die eine Partizipation an den herkömmlichen Kollektiven zurückweisen, da sie deren Zwangscharakter durchschauen, an einer wirklichen Befreiung aber scheitern.

Bushs War on German Smokers

Die lustigste Stellungsnahme zum Thema kam aber – wie so oft – von den Steinzeitlinken aus dem Umfeld des Traditionsblatts „junge welt“:
Jürgen Elsässer, der kürzlich eine breite Leserschaft mit dem Sciencefiction-Roman „Angriff der Heuschrecken“ von seinen belletristischen Talenten zu überzeugen vermochte, schreibt in eben diesem Werk: „Seit den siebziger Jahren haben Aliens mit der Kolonisation der Erde begonnen. (…) Flankiert wird der ökonomische und militärische Terror von einem Gehirnwäscheprogramm. (…) Die Matrix wirkt mittels Hypnose – das Kaninchen muß auf die Schlange starren und an die Giftzähne glauben. Folglich ist es für die Aliens essentiell, die Erdlinge in der Karnickel-Situation zu halten und möglichst jede Form von zwischenmenschlichem Kontakt zu verhindern. Deswegen muß beispielsweise auch das Rauchen verboten werden. ‚Hast Du mal Feuer?` ist nämlich eine der einfachsten Übungen in Interaktion und selbst von Verklemmten lernbar. Stattdessen propagieren die Aliens die elektronische Vernetzung (…).“

Fazit

Versuchen wir ein Fazit zu ziehen: Der linke common sense hat recht, wenn er auf die Verträglichkeit des Rauchverbots mit problematischen Ideologien sowie sozialpolitische Aspekte aufmerksam macht. Trotz aller geschmacklosen Übertreibungen hat die „Nichtidentischen“-Position den anderen voraus, dass das Wohl des Individuums hier der Maßstab der Kritik ist. Der unschlagbare Vorteil Elsässers Theorie liegt in ihrer Pragmatik, denn das ganze Problem löst sich von selbst auf, wenn einst die Macht der „United States of Aliens“ gebrochen sein wird. Ein gewisses Maß an Paranoia ist allen Positionen gemein. Vielleicht sollten ihre Vertreter sich lieber mit Christian Wulff für die „R“-Plakette stark machen, anstatt alle Themen im Grau in Grau eines ubiquitären Faschismus untergehen zu lassen.

Johannes Knauss

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last modified: 28.3.2007