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Weniger Staat – mehr Terror?

      „Those who would give up essential liberty, to purchase a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.“
      Benjamin Franklin

      „We must decide which liberties are so essential to a democracy – such as freedom os dissent – that they must never be compromised, and which are amenable to some compromises in order to help secure a great deal of long-term safety.“
      Alan Dershowitz
Lieber den Terroristen in der Hand wegen der Kamera auf dem Dach, oder aufschreien, weil mit „Kanonen auf Spatzen“ geschossen wird, wenn lang und hart umkämpfte Rechte präventiv an den Kampf gegen den Terror abgetreten werden? Wenn es darum geht, Stellung zu den politischen Maßnahmen gegen den islamistischen Terror zu beziehen, sind viele unter uns verunsichert. Wie bequem es jetzt doch wäre, mit konservativer Gesinnung durch die Welt zu laufen und sich zu freuen, dass es nun einen manifesten Grund gibt, schon lang erwünschte sicherheitspolitische Maßnamen durchzubringen: Kampf gegen den Terror und Kampf gegen das Pack im eigenen Lande, da sind doch gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
Doch wer bisher aus guten Gründen die umfassende Kameraüberwachung an

15 Jahre Gitarrensoli, 8.2k 15 Jahre Plakatwand, 25.2k Zum Wohlsein, 26.5k Zum Eiskeller, 18.1k Zur Herrenrunde, 21.7k 15 Jahre Transparente, 15.2k Zur Bühnenshow, 9.1k

Impressionen von 15 Jahre Conne Island
öffentlichen Plätzen, das Abhören von Telefonaten oder solch teils willkürlich verdachtserbringenden Instrumente wie die Rasterfahndung abgelehnt hat – sei er linker Aktivist, Datenschützer oder überzeugter Liberaler – muss nun überlegen, ob er seine Freiheit an islamistische Terroristen oder lieber an den Staat abtreten möchte. Wer glaubte, das Dilemma verlassen zu können, indem die Bedrohungssituation durch die islamistischen Terroristen heruntergespielt wird, dem haben die Kofferbombenattentäter vom 30.07. dieses Hintertürchen zugeschlagen. Dass sie nun hinter Schloss und Riegel sitzen, ist den Kameras am Kölner Hauptbahnhof zu verdanken.
Ergo: Es muss umgemodelt werden – nicht nur „klassische“ Argumentationsmuster, sondern auch und gerade klassische Handlungsmuster. Denn die Erstellung einer Anti-Terror-Datei, also die Wiederauflage einer Vernetzung deutscher Sicherheitsapparate seit 1945, kann nicht mehr sein als entweder sinnloser oder totalitärer aber politischer Aktionismus. Die bisherigen Attentäter jedenfalls hätten, da unauffällig und unbelastet, diese Datenbank eh nicht zu fürchten gehabt. Kameras an öffentlichen Plätzen bewirken vielleicht, dass Drogendealer ihre Geschäfte an andere Orte verlagern und jener Platz von gesellschaftlich nicht erwünschtem Übel befreit wäre; den islamistisch motivierten Attentäter aber werden sie kaum von seinen Plänen abhalten (oder hat Allah etwas dagegen, wenn das Martyrium gefilmt wird?). Die Ziele von Attentaten sind „weiche“, also beispielsweise zivile Straßenbahnen, Züge etc. Eine hübsche Vorstellung sind in diesem Zusammenhang die [fuß]fesselnden Vorschläge des alten CDU-Haudruffs Norbert Geis, etwa an Bahnhöfen Sicherheitskontrollen wie in Flughäfen einzuführen. Warum nicht auch vor dem Betreten der Innenstadt oder überhaupt öffentlicher Räume Kontrollen wie beim Fifa-Fanfest durchziehen und HartzVI-Empfänger zur Sicherung Leipziger Straßenbahnen abkommandieren. Gefahr gebannt? Nein, so einfach ist dem Dilemma eben nicht zu entkommen.
Es entzieht sich einer oberflächlichen Darstellung und zugleich eines noch so faulen Kompromisses. Wie sollte dieser denn aussehen? Wir überwachen nur ein bisschen, damit im Gegenzug Islamisten nur ein bisschen bomben? Eine Ausweitung der Überwachung aber ist in diesem Fall nicht mit der Senkung der Kriminalitätsrate begründet, sondern mit einer Senkung der ‚Anschlagsrate` auf Null. Ohne sich dem monokausalen Erklärungsansatz „Terror bekämpfen heißt Armut bekämpfen“ (frei nach Kofi Annan) hingeben zu wollen, sollte klar sein, dass eine solch` kurzfristige und symptomatische ‚Bekämpfung` ihre Wirkung verfehlen muss und eine staatstotalitäre Dynamik gewinnt. Zu schlechter Letzt kommt dem Attentäter eine Kamera noch entgegen, kann er doch so noch dem Märtyrerfetisch frönen und seine Botschaft, dass Allah hu akbar sei, medienwirksam verbreiten.
Macht es in Anbetracht dieser anscheinenden Sinnlosigkeit doch Sinn, sich auf klassische linke Positionen zurückzuziehen und sich für die individuellen Freiheiten gegen den Staat zu engagieren? Dies käme nur einer Reaktivierung klassischer Feindbilder gleich. Solch ein Dogmatismus ist nur durch eine gehörige Portion Realitätsverweigerung durchzusetzen. Wenn man sich aber von der klassischen Linken emanzipieren will, ist es deswegen im Umkehrschluß richtig, sich Anleihen aus dem konservativen Lager zu holen, das doch ganz andere Ideale verfolgt? Welche Richtung ist die eleganteste, wenn Freiheit von zwei Seiten – dem „schützenden“ Staat und dem Islamismus – bedroht wird, was sind nunmehr die Handlungsmaximen?
Jenseits der Kategorien drängt sich die praktische Frage auf, durch welches Verhalten ein Maximum an Freiheit für den Einzelnen zu wahren ist. Ja, es muss umgemodelt werden, oder besser: ausdifferenziert. Informationen müssen notwendigerweise gewonnen werden, um hinter die Strukturen islamistischen Terrorismus blicken zu können (Es hat den Anschein, als wüssten jene, die ihn nun mit ein paar Kameras bekämpfen möchten, am wenigsten von ihm. Man kommt um eine Auseinandersetzung mit der lebensfeindlichen Ideologie der Islamisten nicht herum, will man nicht nur symptomatisch agieren.). Es stellt sich die Frage nach den Methoden der Recherche und der Art der Verwendung der gewonnenen Informationen. Ein abgehörtes Telefonat kann unter Umständen vielen Menschen das Leben retten. Aber es droht zugleich die Gefahr, dass die Maßnahmen auch den Cannabisdealer dingfest machen. Wie steht es in diesem Zusammenhang um Material, welches z.B. Vergewaltigung, Menschenhandel, Mord betrifft und potentiell aufklären könnte?
Man läuft leicht Gefahr, Überwachung à la carte zu affirmieren und darüber hinaus zu vergessen, dass man nur ein größeres durch ein kleineres Übel verhindert. Man mag sich als Nicht-Terrorist der Überwachung nicht ausgesetzt wähnen – jedoch nur, wenn man zugleich nichtarabischer Herkunft ist. Hat man eine dunklere Hautfarbe, ist die Kamera auf einen gerichtet und man schnell eine Nummer in der Anti-Terror-Datei. Wahrscheinlich sollten an dieser Stelle mal die Probleme und die Diskussionen in Israel unter die Lupe genommen werden. Dort gibt es schon ewig eine viel größere Bedrohung durch den Terror und zugleich den Willen zu Demokratie und individueller Freiheit. Vielleicht kann man von den Lösungen oder vielmehr Kompromissen, die in Israel gefunden wurden, lernen – natürlich nur im gleichen Maße, wie man sich den Unterschied im Grad der Bedrohung vergegenwärtigt.
Aus der moralisch geleiteten Debatte um Überwachung als Schutz vor Terrorismus wird letztlich wohl ein Schwellenwertmodell resultieren. Ein solches impliziert immer die Gefahr, dass bei der zwangsläufig willkürlichen Festsetzung einer Schwelle diese ebenso variabel bleibt und damit jederzeit zu Ungunsten der Freiheit umzudefinieren ist. Will man es darauf ankommen lassen, Überwachungstendenzen so einen Nährboden zu verschaffen, wenn es doch gilt, ein Maximum an Freiheit rausschlagen zu wollen? Nein, will man nicht! Aber hat man eine andere Wahl? Originelle Antworten bitte an http://www.bmi.bund.de.

Andika

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last modified: 28.3.2007