...und der Kritik die Zähne zieht.
Einige Anmerkungen zum Text Reklame und Propaganda in CEE IEH #126
Man wundert sich schon bisweilen, was nicht alles Freunde und (auch
langjährige) Mitstreiter so alles auskramen an schon längst
überwunden geglaubten linken Vorurteilen, um ja nur nicht dem
Schicksal eines Kritikers in der Sache zu verfallen: nämlich vom Kritiker
in der linken Gemeinschaft zum Kritiker an der linken Gemeinschaft zu
werden.
(Manfred Dahlmann)
Hannes Gießler bemüht in seinem Text Reklame und
Propaganda in CEE IEH #126 den Begriff Propaganda, um in wohl kritisch
gemeintem Sinne gegen so genannte antideutsche Politikmacherei im
zweiten Teil seiner Einlassung und auf diesen Teil beziehe ich mich hier
- Stellung zu beziehen und diese quasi der Schaumschlägerei zu
bezichtigen. Geredet wird in diesem Zusammenhang u.a. von Fahnenappellen und
von dem inflationären Gebrauch von Schlagworten, die die
Wirklichkeit
überlagern.
Dass Politik nichts anderes ist, als sich re-levanten Einfluss zu verschaffen,
gesellschaftlichen versteht sich, sollte bekannt sein; ebenso, dass Politik
reformistischen Charakters und somit staatstragend ist. Wenn es laut Hannes
Gießler Politik sein soll, ein kollektives Selbstverständnis
Deutscher, seien sie nun links oder sonst was, mittels Polemik, Denunziation
und Übertreibung als Skandal kenntlich zu machen, also auch die betriebene
Praxis linker Kollektivgeister, so liegt wohl ein gewolltes
Missverständnis vor, was bei der ansonsten so akribisch eingeforderten
begrifflichen Arbeit, die man bei Antideutschen und insbesondere bei mir
zu vermissen wähnt, sehr verwundert. So soll es also Politik sein, wenn
man den linken Laden für sein fatales Treiben kritisiert, also nachgerade
nicht in Verdacht kommen sollte, sich in dieser Gemeinschaft Einfluss und
Anknüpfungspunkte zu verschaffen?
Angemahnt wird von Gießler, dass vom antideutschen ZK schier
unmögliche Aktivitäten abverlangt würden, die in keinem
Verhältnis zur Realität stünden, ja dieser sogar zuwider laufen.
Dieser Aktivismus würde den leise(n), bedächtige(n) und
differenzierende(n) Gedanke(n) zum Feindbild erklären. Dieser Gedanke sei
letztlich von einer Propaganda als Feindbild auserkoren worden, die sich als
Kritik getarnt am Denkenden vergeht, um zu nicht anstehenden entscheidenden
Schlachten aufzurufen schlicht: um Leute vom Denken abzuhalten und sie
zu verheizen.
Aufgeboten wird dazu ein Begriff, der von Horkheimer/ Adorno in den
Aufzeichnungen und Entwürfen innerhalb der Dialektik der Aufklärung
(Frankfurt am Main, 1988; 13. Auflage 2001, S. 272 f.) folgendermaßen
charakterisiert wird: Propaganda manipuliert die Menschen; wo sie
Freiheit schreit, widerspricht sie sich selbst. Verlogenheit ist unabtrennbar
von ihr. Die Gemeinschaft der Lüge ist es, in der Führer und
Geführte durch Propaganda sich zusammenfinden, auch wenn die Inhalte als
solche richtig sind. Noch die Wahrheit wird ihr ein bloßes Mittel, zum
Zweck Anhänger zu gewinnen, sie fälscht sie schon, indem sie sie in
den Mund nimmt. Man höre und staune. Leute, die im kritischen Engagement
eben mehr als die beschworene Kunst des Möglichen verstehen und denen es
eben nicht um die Nestwärme kollektiven sich In-die-Tasche-lügens zu
tun ist, manipulieren laut Hannes Gießler das Publikum und führen
die Lüge im Munde, wenn sie für Kritik und Parteilichkeit eintreten
und in diesem Sinne an einen Rest Vernunft appellieren, der nötig sein
wird, um sich im gegebenen politischen Szenario eine Atempause zu verschaffen.
Ist das der leise, bedächtige und differenzierende Gedanke, der
einen erheischt, wenn man sich der Philosophie widmet? Man möchte Leuten
fast von der Lektüre abraten, gäbe es da nicht die Möglichkeit,
sich von diesem Wissen, was einem die Lektüre bescheidet, nicht dumm
machen zu lassen, sondern zu Erkenntnissen zu gelangen, die auch im Sinne der
Kritischen Theorie eine Parteinahme geradezu erfordern: nämlich für
die Residuen von Freiheit und gegen die internationale Drohung des
Faschismus (Horkheimer/ Adorno)!
Zu den konkreten Einlassungen Gießlers bezüglich meines Textes sei
folgendes zu sagen: Sicher kann man das, was ich zur gängigen Praxis (auch
einiger Antideutscher) in Bezug auf Antinazi-Demos oder auf theoretische
Erklärungsversuche hinsichtlich der als übermächtig empfundenen
Nazis zu sagen hatte, als Ausdruck eines übersteigerten Hanges zu
narzißtisch aufgeladenem Distinktionsbedürfnis werten; man kann das
ganze als gänzliche Fehlinterpretation zu den Akten legen, sofern es
widerlegbar ist. Was ich allerdings in Rechnung stellen möchte, und das
steht in meinem Text vom September, ist folgendes: Am 8. Mai haben
Linksradikale an prominenter Stelle dagegen protestiert, dass Nazis durch das
Brandenburger Tor marschieren. Dagegen hat auch das Personal des politischen
Berlin einiges einzuwenden gehabt. Mit anderen Worten hat man die
volksgemeinschaftliche, Entschuldigung: zivilgesellschaftliche,
Vorfeldorganisation abgegeben. Weiterhin hat das BgR das Papier zum
Rechten Konsens verfasst und im Problemaufriss ist eben von
rechts die Rede und dies ist nun einmal nichts anderes, als von
politprominenter Stelle behauptet wird, wenngleich sich die Intentionen auch
diametral unterscheiden. Weiterhin gilt die Parole des Aufstandes der
Anständigen nach wie vor und ich denke einiges spricht dafür, diesen
Aufstand, der nun einmal gewollt oder nicht von der
Bewegungs-Antifa mit veranstaltet wird, als in nazistischer Tradition stehend
zu kennzeichnen und dies eben nicht, weil hier jemand nach rechts tendiert bzw.
der NS als rechte Angelegenheit zu deuten wäre, sondern weil es sich um
ein allgemeines deutsches Bewusstsein handelt, das immerfort aktuell von
linkem Staatspersonal mobilisiert im Wartestand verharrt, um bei Bedarf
gegen wie auch immer geheißene Volksfeinde in Stellung zu gehen. Soweit
zur Wirklichkeit, die schon grausig genug ist, um sie manipulativ zu
überhöhen.
Weiterhin spricht Hannes Gießler davon, ich würde für eine
reine Linie eintreten, wo es nicht mehr möglich sei abzuwägen, graue
Zonen zu erblicken und einen pragmatischen Umgang zu pflegen, mit dem Ziel,
flexible Bündnispolitik zu betreiben. Diese flexible Bündnispolitik
wird erstens als erstrebenswert gehalten im Falle von Anti-Nazidemos unter
Beteiligung von attac und anderen Konsorten. Das zweite Beispiel ist die
Sicherheitslage für Israel und die USA. Plötzlich ist der ganze
Duktus des Differenzierens völlig unerheblich. Man vergleicht wahrlich
Äpfel mit Birnen, wenn ernsthaft die Gleichung aufgestellt wird, dass ein
Naziaufmarsch vom gleichen Kaliber sei wie die Bedrohung Israels seitens der
Antisemitischen Internationale, letztere womöglich auch nur ein Schlagwort
antideutscher Propaganda. Bezüglich der Solidarität mit Israel werde
ich es vielleicht mit Leuten zu tun bekommen, mit denen ich im Zweifelsfall
recht wenig gemein habe; mit denen mich aber zumindest ein Problembewusstsein
hinsichtlich der Gefahr für Israel und der potentiell eigenen Bedrohung
durch die geballte Gegenaufklärung des islamischen Faschismus und seiner
Handlanger verbindet und sich diese gemeinsame Bedrohung als plausibler
Bündnisgrund anbietet. Im Falle der angemahnten Flexibilität von
Hannes Gießler wegen einer Handvoll Nazis, um die sich auch noch die
ausführenden Organe des Gewaltmonopols ohne linkes Zutun kümmern, ein
strategisches Bündnis mit Leuten zu beschwören, die Israel ganz klar
an den Kragen wollen und die mehr oder minder offene Antisemiten sind, ist
leider keine Bagatelle. Der des Verstandes nicht verlustige wird wohl den
entscheidenden Unterschied bemerken, der sich auftut, sich einerseits mit
nennen wir sie Konservativen in ein Bündnis gegen
Antisemiten zu begeben, die derzeit tatsächlich alles in Grund und Boden
bomben, was ihrem Tugendterror widerspricht oder ob man sich mit linken
Antisemiten in ein Bündnis begibt, um im weiteren Bündnis mit den so
genannten Anständigen gegen eine Handvoll Nazis zu demonstrieren.
Was Hannes Gießler als eine angeblich geforderte reine Linie der
Antideutschen anprangert, ist in Wirklichkeit die Benennung von
Mindeststandards, die notwendig für so genannte flexible Bündnisse
sind ohne taktisches Geplänkel. Was linke Antisemiten und
Friedensfreunde angeht, so sollte sich jede Suche nach Grauzonen und nach einem
pragmatischen Umgang eigentlich von selbst verbieten. Soweit war man eigentlich
auch schon einmal in Leipzig, bevor man bemerkte, dass der Standpunkt des
Kritikers, der nicht konstruktiv sein will und kann, eben kein besonders
geselliger, sondern im Zweifelsfall ein recht einsamer sein wird. Man muss
schon einigen Scharfsinn entwickeln, um die Kritische Theorie seminaristisch
so zu verhunzen, dass sie zur Denunziation der Kritik und zur Rechtfertigung
eines linken Harmoniebedürfnisses herhalten muss, dessen Treiben
längst freundlich ausgedrückt regressive Züge
angenommen hat.
Mario Möller
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