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Eine Lektion in Heimatschutz.


Das Homeland Security Department, jene Behörde, die für den Katastrophenschutz der Vereinigten Staaten verantwortlich ist, wird in deutschen Medien einhellig mit Ministerium für Heimatschutz übersetzt. Und da man sich mit dieser Angelegenheit, dem Heimatschutz, in Deutschland genauestens auskennt, lässt man sich auch so schnell nichts vormachen. Denn immerhin ist man in Deutschland erprobt, was Ausnahmesituationen betrifft – und dies nicht zuletzt deshalb, weil hierzulande permanent Heimatschutz betrieben wird, und nicht – wie in den USA – nur wenn eine schwere Naturkatastrophe im Anmarsch ist. Deshalb bedarf es in Deutschland auch keiner Nationalgarde oder eines eigenen Ministeriums, um Gefahrensituationen abzuwenden. In Deutschland packen alle an, denn die Überwindung von nationalen Bedrohungen ist traditionell Volkssache.

Die gesellschaftlichen Sitten einhalten (1984), 82.3k

Die gesellschaftlichen Sitten einhalten (1984)

Dies ist zumindest manifeste Überzeugung derjenigen Volksgenossen, die den USA zwar herzliches Beileid übermitteln, im gleichen Atemzug jedoch mahnend den Zeigefinger heben, um dem mächtigsten Land der Welt salbadern ihre freilich gutgemeinten Ratschläge zu präsentieren. Und wenn es in der deutschen Regierungsspitze heißt, die USA hätten sich das Desaster durch mangelnden Umweltschutz selbst eingebrockt (Trittin) oder ein starker Staat, hätte den Amerikanern möglicherweise das Leid erspart (Schröder), so drückt das auf politischer Ebene aus, was ohnehin viele Deutsche denken, die ihrer Politik zwar nichts zutrauen, in der Sache aber mit ihr übereinstimmen. Im Grunde sind die USA selbst dafür verantwortlich, wenn ihnen Schlimmes widerfährt, so die eigenartige aber nicht ganz unbekannte Logik. Trifft es ein beliebiges Dritte-Welt-Land, ist das Mitleid der internationalen Staatengemeinschaft grenzenlos,(1) das Schicksal hat es nicht gut gemeint mit den ohnehin schon arg Gebeutelten. Sobald aber eine Naturkatastrophe, das Land heimsucht, das in Sachen internationaler Krisenhilfe immer als erstes reagiert, mischt sich Skepsis ins generelle Mitleid jener Gutmenschen. Waren die USA für den Tsunami im indischen Ozean nun wirklich nicht verantwortlich, so muss ihre schnelle Hilfe bestimmten geopolitischen Interessen gegolten haben. Geht es im eigenen Land drunter und drüber und lässt schnelle Hilfe auf sich warten, dann müssen es abermals besondere Interessen sein, die die dringend benötigte Hilfe verhindern. In beiden Fällen soll es – so die skeptischen Gutmenschen – weniger um die Opfer gehen, als vielmehr um andere Interessen, die die Regierung der Vereinigten Staaten im Sinn hat. Welche Interessen bei der schlechten Organisation der Nothilfe für die Opfer des Wirbelsturms eine Rolle spielen, teilt die FAZ mit: „Katrina und 9/11 sind untrennbar aneinandergekettet. Dabei ist nicht der Hurrikan, aber sein diabolisches Resultat nicht zuletzt einer Politik zuzuschreiben, die sich damit abgefunden hat, daß in New Orleans achtundzwanzig Prozent der Einwohner in Armut leben und von ihnen wiederum vierundachtzig Prozent Schwarze sind.(2) Weil also der amerikanischen Regierung Schwarze, und arme Schwarze erst recht, egal sind, hat man sich bei der Hilfsaktion nicht sonderlich bemüht. Was der amerikanische Rapper Kanye West ausspricht („George Bush doesn’t care about black people.“), greifen deutsche Medien dankbar auf. So sieht die SZ in der amerikanischen Hip-Hop-Szene absurder Weise eine neue engagierte Protestbewegung: „Eine Speerspitze des Volkszorns formiert sich da, die mit Hip-Hop eine ähnlich breite Jugendkultur nutzen kann, wie es die Protestbewegung vor dreißig Jahren mit dem Rock tat.(3) Wogegen aber protestiert werden soll, spricht der Autor dieser Zeilen nicht aus, denn das liegt ja mit dem Hip-Hop als einer Kultur mit afroamerikanischem Hintergrund schon auf der Hand. Der schwarze Rapper Kanye West hat den Deutschen aus der Seele gesprochen. Er hat ihnen eine Antwort auf das gegeben, was die Fernsehbilder zeigen – schwarze Menschen in Not. Dass New Orleans eine Stadt ist, in der rund zwei Drittel der Bevölkerung schwarz sind, kann sich der deutsche Fernsehzuschauer sowieso nicht vorstellen – schon gar nicht im eigenen Land, wo Heimatschutz groß geschrieben wird.(4) Und so kehrt der Rassismus dorthin zurück, wo ihn die Deutschen haben wollen: nach Amerika. – Kein Wunder also, dass auf mdr-Sputnik davor gewarnt wurde, für die Opfer der Wirbelsturmkatastrophe zu spenden. Es sei möglich, dass die Gelder in die Hände „rassistischer Hilfsorganisationen“ gelangten, verkündete der Radiosender. Das antiimperialistische Wochenblatt Freitag 36 unterstellt der US-Regierung zwar nicht Rassismus, dafür aber weiß es genau, dass diese aus Katastrophen grundsätzlich Kapital schlägt: „Ob es Präsident Bush und den regierenden Republikanern aber gelingt, aus dem Hurrikan wie damals aus 9/11 politische Vorteile zu ziehen – das scheint momentan unwahrscheinlich.(5), orakelt das linke Blatt voller Häme.
Zum Glück sind die USA nicht auf Ratschläge aus Deutschland angewiesen. Und zum Glück werden auch in der Kommission zur Untersuchung der schlechten Organisation der Hilfstransporte und des überforderten Krisenmanagements nur Amerikaner sitzen – schwarze und weiße.

Roman

Fußnoten

(1) Das ist freilich nur der Fall, insofern Naturkatastrophen in diesen Ländern mediale Aufmerksamkeit erhalten.
(2) FAZ, 10.9.2005
(3) SZ, 7.9.2005
(4) Man muss nur mal die Großstadt verlassen und das Leipziger Umland in Begleitung von Freunden oder Bekannten bereisen, deren Aussehen dem mitteleuropäischen Standard nicht entspricht, um zu sehen wie heimatbewusst die hiesigen Bürger auf heimatfremde Einflüsse reagieren.
(5) Freitag 36, 9.9.2005

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last modified: 28.3.2007