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das Erste, 0.9k

Meggle mit Chomsky im T(1)


Georg Meggle ist ein Wirrkopf. Das ist nicht neu. Es war an mehreren Stellen, auch hier(2), schon zu lesen. Aber, wie in einer Zeitschleife gefangen, die es so nur an ostdeutschen Universitäten geben kann, müssen wir uns wieder mit dem dummen Philosophie-Professor beschäftigen, der „in Leipzig weltberühmt“ (Henryk M. Broder über Meggle) ist. Georg Meggle tut es nämlich wieder: Er bricht Tabus, die es nicht gibt und droht nunmehr sogar damit nachzudenken: „[Universitäten] sind der Ort, für den – im jeweiligen Rationalitätsrahmen der verschiedenen Disziplinen – das offene, meinungsfreiheitliche und furchtlose solitäre und gemeinsame Nachdenken grundrechtlich zugesichert ist“(3) und zwar „(i)nsbesondere bei Themen, die mit Denk- und Redeverboten stark belastet sind.“(4) Man möchte ausrufen: Wenn er sich ans Denkverbot nicht halten möchte, kann das für ihn nur von Vorteil sein. Aber er bricht eben zuerst das Redeverbot, und das ist schade.
Aus diesem Grund waren am Ostermontag nicht nur 1.500 wohlwollende, sondern auch einige protestierende Leute ins Gewandhaus gekommen, um Noam Chomsky zu sehen und zu hören, das große alte Huhn der Anti-Globalisierungs-Bewegung und des gepflegten Antizionismus. Chomsky eröffnete an diesem Tag den Reigen von Expertinnen und Experten, die im Rahmen der RIVO DIP (Ringvorlesung Deutschland-Israel-Palästina) zu Wort kommen sollen. Georg Meggle hat alle eingeladen, die ihm so eingefallen sind: den israelischen Botschafter Shimon Stein(5), den Vertreter der Palästinenser in Deutschland Abdallah Franghi, Helga Baumgarten, die uns erklären will, warum Hamas in erster Linie eine soziale Wohlfahrtsorganisation ist und keine Terror-Brigade. Ein ganzes Jahr lang kann man jeden Montag um 19.00 Uhr im Hörsaal 13 der Universität einer ausgewogenen Mischung von Referentinnen und Referenten lauschen, deren letzter Uri Avnery sein wird – noch ein altes Huhn, nämlich das des antizionistischen Teils der israelischen Friedensbewegung. Und ganz am Ende wird Georg Meggle, der crazy Terror-Prof, in altbewährter Manier den Schlussstrich ziehen – diesmal unter den Nahostkonflikt und wird – wie immer – den Austritt Deutschlands und Frankreichs aus der Nato fordern und die Gründung von EURABIA, der Verbindung von „Arabien“ und Europa unter (Gott behüte!) Einbeziehung Israels, aber ohne die USA(6).
Zu der Veranstaltung mit Chomsky gibt es in diesem Heft die Dokumentation eines Flugblatts, das eine Aktion begleitete, in deren Rahmen vor dem Gewandhaus und im Saal Transparente gezeigt worden sind mit der Aufschrift: „Toleranz tötet: Keine Diskussion mit Antizionisten“ und „Gegen den Terror und seine Apologeten“. Die Veranstaltung selbst hatte skurrile Züge. Ohne zu lachen bekamen es sowohl Georg Meggle als auch ein unauffälliger Herr, der als Rektor der Universität, Spectabilität also, vorgestellt wurde und eine der langweiligsten Reden gehalten hat, die ich je gehört habe, beide also bekamen es hin – ohne auch nur eine Miene zu verziehen – zu sagen, dass so etwas nur im Rahmen einer Universität möglich ist: Dass eine solche Minderheiten-Meinung gegen den Mainstream vertreten werden kann nur im Rahmen der Freiheit der Universität. Leider sei jedoch – und spätestens hier hätten sie doch selbst lachen müssen – der größte Saal der Uni zu klein gewesen. Wofür: Ja, man glaubt es nicht, wenn man es nicht selbst erlebt hat: für die unterdrückte Minderheiten-Meinung!
Nach dieser Lesart war, es wird immer verrückter, die Mehrheit repräsentiert durch ca. zehn Leute, die Transparente gehalten haben. Zehn gegen 1.500 unterdrückte Buh-Rufer. Und ganz folgerichtig sprach Chomsky in seiner Reaktion dann auch von „totalitärem Verhalten“ – der zehn, nicht der 1.500. Stalin hätte ähnlich gehandelt. Und in den USA hätte man besonders eindrückliche Erfahrungen mit derartiger totalitärer Unterdrückung. In der Bilanz der Anti-Unterdrückungs-Aktivitäten der Minderheit ist versucht worden, einen der Transparent-Halter ganz anti-totalitär körperlich daran zu hindern, die Bühne zu betreten. Es flogen Papier-Flugzeuge auf die Protestierenden und am Ende, als Chomsky auf die Bühne kam, stellten sich ein paar Aktiv-Studenten vor das Transparent, auf dass Chomsky meinungsfreiheitlich daneben stehen könne, ohne dass lesbar bliebe, was auf dem Transparent stand. Die oben erwähnten abgedrehten Bemerkungen, die Noam Chomsky abweichend von seinem Redemanuskript zu Totalitarismus und dem Kampf gegen ihn – und damit den Simultan-Dolmetscher sichtlich überfordernd – machte, waren auch schon der Höhepunkt der ansonsten eher langweiligen Rede, in deren Verlauf dann noch Israel dafür getadelt wurde, dass es die unzähligen großzügigen Friedensangebote der Arabischen Welt nicht angenommen hat. Naja.
Das Ergebnis der Veranstaltung: Kein Presse-Echo. In Worten: gar keins. Sieht man von einem strunzdummen LVZ-Artikel ab: „(E)in Antiamerikaner ist der amerikanische Patriot ebenso wenig wie der Jude Chomsky Antisemit“. Vielmehr sei Chomsky „ein konsequenter Streiter für die Wahrheit, die gerade im Nahost-Konflikt eben nicht eindimensional oder als Schwarz-Weiß-Klischee daherkommt“. Achso. Ansonsten waren zwar ungefähr 20 Fotografen da, die ein regelrechtes Blitzlichtgewitter veranstaltet haben, als die Leute mit dem Transparent auf die Bühne gingen. Aber es ist in keiner weiteren Zeitung auch nur eine kleine Meldung über das Ereignis, dass der „meistzitierte Intellektuelle der Welt“ (New York Times über Noam Chomsky) in Leipzig zu einem ‚brisanten Thema‘ vor 1.500 Leuten, begleitet von ‚heftigen Protesten‘ gesprochen hat. Offensichtlich war auch den Redaktionen der Stil des Vortrags dann doch zu langweilig, um darüber zu berichten. Das ist natürlich einerseits ein Misserfolg für die Protestierenden. Andererseits ist es eine gute Botschaft, dass Georg Meggle mit seinem saudämlichen Konzept gründlich gescheitert ist, die Öffentlichkeit zu schocken, indem endlich laut gesagt werden darf, was erstens alle denken und was zweitens von den Gleichen, die im Rahmen der Vorlesungsreihe sprechen werden, jeden Morgen in den Frühmagazinen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verlautbart wird.
Chomsky und Meggle – zwei durchgeknallte Professoren mit Anti-Amerika-Extra-Meise. Einer am weltberühmten Massachusetts Institute of Technology und immerhin von den Medien international beachtet, der andere an der Universität Leipzig und von der LVZ hofiert. Beide aber sind sich einig, dass weitgehend sinnfreies Antizionisten-Geplapper für eine Universität und für die Öffentlichkeit unerlässlich ist. Wer sich dagegen ausspricht, handelt totalitär. Meggles Projekt EURABIA kann sich mit solchen Kleinigkeiten wie Logik (oder schlichter Mathematik: Mehrheit / Minderheit) nicht aufhalten, auch darauf wurde an dieser Stelle schon vor über einem Jahr hingewiesen. Nur: Es ändert sich nichts. Und so werden wir uns wohl schon demnächst wieder mit Georg Meggles „furchtlosem solitären Nachdenken“ beschäftigen müssen. Als einen der Nächsten hat er Peter Singer eingeladen. Das ist der, der zum Beispiel sagt: „Tötet man eine Schnecke oder einen 24 Stunden alten Säugling, so vereitelt man keine Wünsche [...], weil Schnecken und Neugeborene unfähig sind, solche Wünsche zu haben.“(7) Und für Peter Singer und seine Theorie vom lebenswerten und lebensunwerten Leben hat Georg Meggle auch schon mal – im Rahmen von Erwägungen, „wie gut oder wie schlimm für x sein Tod wäre“(8) – den „Wert des Lebens“ eines hypothetischen Kranken errechnet: 50.000 Mark.
Gefährlich ist, wenn Dumme fleißig werden.

Sven

Fußnoten
(1) Der Titel geht auf Meggles Einteilung des Terrorismus in „schwachen T“, „starken T“ und (neuerdings) „extrem starken T“ zurück.
(2) Mausebär: „Was sagt Terror-Ted“ dazu?, CEE IEH #105 (www.conne-island.de/nf/105/3.html)
(3) www.uni-leipzig.de/%7Esonntag/
(4) www.uni-leipzig.de/%7Edip/index.php?id=16
(5) ...der aus Termingründen dann doch seinen Mann für Öffentlichkeitsarbeit geschickt hat
(6) vgl. Meggles Abschlussvortrag der Ringvorlesung „Terror und der Krieg gegen ihn“ (2003)
(7) Peter Singer, Praktische Ethik, S. 122f., hier zitiert nach: www.uni-heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauersin.htm
(8) Georg Meggle: „Euthanasie und der Wert eines Lebens“, in Grazer Philosophische Studien, Bd. 41, 1991


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last modified: 28.3.2007