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Wahl in den USA.


Anfang November wurde George W. Bush von einer großen Mehrheit der Amerikaner in seinem Amt bestätigt. Im Vorfeld der Wahl wurde ein Kopf an Kopf Rennen zwischen Bush und seinem demokratischen Herausforderer Kerry prognostiziert, weshalb es für viele Kommentatoren durchaus verwunderlich war, mit welch klarem Vorsprung Bush gewann. Bush hatte fast 3,5 Millionen Stimmen mehr als Kerry und damit auch absolut die meisten Stimmen, die ein Kandidat in einer amerikanischen Präsidentschaftswahl seit Jahrzehnten erhalten hat. Dies ist nicht zuletzt ein Resultat der immens hohen Wahlbeteiligung, die in engem Zusammenhang zur gesellschaftlichen Polarisierung der USA vor der Wahl steht.

Wie Karl Rove, der Hauptwahlkampfberater Bushs, meint, sei dies unter anderem dadurch zu erklären, dass in elf Bundesstaaten parallel zur Präsidentschaftswahl ein Referendum über die gay marriage abgehalten wurde. In all diesen Staaten im Mittleren Westen und im Süden der USA holte Bush die Mehrheit der Stimmen und die Heirat zwischen Homosexuellen wurde zugleich für illegal erklärt. Es gelang der republikanischen Partei, ihr traditionelles Wählerpotential, die christliche Rechte, in erstaunlichem Maße zu mobilisieren.
Das Wahlergebnis zeigt, dass sich die inhaltlichen Differenzen zwischen Bush und Kerry auch geographisch niederschlugen. Während Kerry die Wahl in den liberalen Staaten im Nordosten („New England“), in den urban geprägten Staaten an den Großen Seen und an der Westküste (von Kalifornien bis Washington State) für sich entscheiden konnte, holte Bush im „American Heartland“ die meisten Stimmen. Er gewann die Wahl im so genannten Bible Belt, in den Südstaaten und dem Mittleren Westen.
Die inhaltlichen Unterschiede zwischen Bush und Kerry in der Innenpolitik sind nicht zu übersehen und in folgenden Bereichen besonders evident: soziale Absicherung / Krankenversicherung (medicare), Abtreibung (pro life versus pro choice) und Steuerpolitik. In einem Land, in dem ungefähr ein Viertel der Bevölkerung keine Krankenversicherung hat, steht Bush für eine weitere Einschränkung der sozialen Sicherungssysteme. Außerdem ist er der erste Präsident in den USA, der trotz eines Krieges eine Steuersenkung für die Besserverdienenden durchgesetzt hat. Mit einer religiösen Argumentation stellt Bush des weiteren die seit 1974 bestehende Legalität von Abtreibung in Frage ebenso wie er sich vehement gegen die Stammzellenforschung ausspricht.
Dennoch ist es vollkommener Nonsens, wenn deutsche Kommentatoren eine Gefahr des christlichen Fundamentalismus in den USA ausmachen. Der amerikanische Präsident kann in seinen Reden noch so oft auf Gott rekurrieren, dies ändert nichts an der grundlegend anderen Rolle, die Religion in den USA hat. Sie war seit Gründung der USA eine Privatangelegenheit und es gibt weder Kirchensteuern noch eine sonstige staatliche Unterstützung für eine bestimmte Glaubensrichtung.
Trümmerfrau, 46.8k Wenn Wim Wenders meint, die USA befänden sich am Rande des Fundamentalismus ist mit Henrik Broder zu antworten, dass sich vielmehr Wim Wenders am Rand des Schwachsinns befindet.
In dem außenpolitischen Programm sind die Differenzen zwischen Bush und Kerry sehr viel geringer. Sie vertreten beide eine harte Haltung gegenüber den nuklearen Ambitionen der Mullah-Diktatur im Iran; im Gegensatz zu Europa, das mit seiner Politik des „Kritischen Dialoges“ de facto zu einer Stabilisierung der Verhältnisse beiträgt.
Wie Bush befürwortete auch Kerry den Irak-Krieg, auch wenn sein Abstimmungsverhalten im Senat widersprüchlich war. Kerry wollte vor allem die Politik im Irak auf eine breitere, multilaterale Grundlage stellen und weitere Staaten, namentlich Frankreich und Deutschland, stärker einbeziehen. Nur als Marginalie sei bemerkt, dass es sicherlich interessant gewesen wäre, zu sehen, wie Deutschland auf die Anfrage eines demokratischen Präsidenten Kerry reagiert hätte, sich stärker am Aufbau des befreiten Irak zu beteiligen.
Für beide Kandidaten ist eine Solidarität mit Israel eine Selbstverständlichkeit. Diese Frage steht glücklicherweise im amerikanischen Establishment ohnehin nicht zur Disposition. Zwar gilt Bush als der Israel-freundlichste Präsident seit langem, doch besteht an Kerrys Position ebenfalls kein Zweifel, wie in einem Strategiepapier von Jay Footlik, Kerry’s senior adviser on Middle East and Jewish affairs, evident wird. Dort heißt es beispielsweise:

Israel’s Security Fence Is A Legitimate Right of Self Defense / John Kerry supports the construction of Israel’s security fence to stop terrorists from entering Israel. The security fence is a legitimate act of self defense erected in response to the wave of terror attacks against Israeli citizens. He believes the security fence is not a matter for the International Court of Justice. […] / Israel’s Right to Respond to Terrorism / Kerry supports Israel’s right of self defense to eliminate threats to its citizens, including actions taken by Israel against Hamas, Islamic Jihad and other terrorist groups in Gaza. In spring 2002, when Israel launched Operation Defensive Shield to root out Palestinian terrorists and dismantle the Palestinian infrastructure, Kerry co-sponsored a resolution expressing solidarity with Israel and called for continued assistance in strengthening Israel’s homeland defenses. […]“

Im Wahlkampf wurde in den USA heftig darüber gestritten, ob der Irak-Krieg ein integrales Element des war on terror ist, wie ihn die Bush-Administration darstellt, oder nicht. Viele Liberale argumentierten, dass der Krieg eine Ablenkung vom eigentlichen Problem, nämlich Al Quaida und islamistischer Terror, sei und er außerdem dazu geführt habe, das Streben des Iran nach Atomwaffen zu verstärken, weil dieser jetzt glaube, dass nur eine nukleare Bewaffnung ein Schutz vor einem Einmarsch der US-Army sei.
Von konservativer Seite wurde Kerry vorgeworfen, in vielen Fragen keine eigenständige Position zu vertreten. Er stehe nicht für etwas, sondern sei einfach nur Anti-Bush und in höchstem Maße opportunistisch.
Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass der Wahlkampf in den USA und die äußerst vehement abgelaufenen Diskussionen zu einer starken Polarisierung der Gesellschaft geführt haben, was sicherlich noch eine Weile andauern wird. Dies ist jedoch lediglich ein Indiz dafür, dass die USA eine gut funktionierende bürgerlich-parlamentarische Demokratie sind.
Gefährdete Jugend, 29.7k In der deutschen Diskussion über die amerikanische Wahl und deren Beurteilung waren aber nicht die realen Verhältnisse in den USA ausschlaggebend, sondern ein tief sitzendes antiamerikanisches Ressentiment.
Wie jede Ideologie zeichnet sich der Antiamerikanismus durch ein Abschotten gegen jegliche Erfahrungen aus, die dem a priori feststehenden Ressentiment entgegenstehen oder es gar widerlegen könnten. Dan Diner resümiert dies in dem Buch Feindbild Amerika. Über die Beständigkeit eines Ressentiments folgendermaßen: es handelt sich „beim diagnostizierten Ressentiment des Antiamerikanismus nicht um allemal berechtigte Einwände gegen diese oder jene kritikwürdige Haltung der Vereinigten Staaten beziehungsweise deren Politik [...], sondern eher um das Ergebnis einer verschrobenen Welterklärung, einer affektgeladenen Rationalisierung von gesellschaftlich Unverstandenem.“
Der Antiamerikanismus hat in Deutschland und Europa eine lange historische Tradition und er ist immer noch von trauriger Aktualität. Der pathologische Hass auf George W. Bush, in den alles rein projiziert wird, was die Europäer an den USA verachten, ist omnipräsent und manifestierte sich in den Monaten vor der US-Präsidentschaftswahl in gebündelter Form.
Im folgenden seien einige, partiell anekdotenhafte Beispiele dargeboten, die als durchaus repräsentativ für die gesellschaftliche Stimmung in Deutschland und Europa gelten können.
In vielen Ländern wurden Umfragen durchgeführt, wen die Menschen zum Präsidenten der USA wählen würden und, welch erstaunliches Ergebnis, Kerry wäre in allen europäischen Staaten als klarer Sieger hervorgegangen. Wen die Menschen in Deutschland oder England zum amerikanischen Präsidenten wählen würden, ist ungefähr so interessant wie Berichte im MDR über ostzonale Kleingärtnervereine. Doch bei den Umfragen ließ man es nicht bewenden. Die für ihre notorische Israelfeindschaft bekannte britische Tageszeitung The Guardian forderte ihre Leser auf, Briefe an amerikanische Bürger zu schreiben, die in Clark County, Ohio leben, einem der für die Wahl ausschlaggebenden swing states, und sie davon zu überzeugen, wählen zu gehen und gegen Bush zu stimmen. Wörtlich hieß es im Guardian: „write a personal letter, citizen to citizen, explaining why this election matters to you.“ Dieser Aufforderung kamen insgesamt 14.000 Menschen nach, darunter Prominente wie John le Carre, dessen Brief in der Zeitung abgedruckt wurde.
In den USA gab es adäquate Reaktionen auf diesen Versuch, das Abstimmungsverhalten zu beeinflussen. In Antwortbriefen heißt es zum Beispiel: „Go back to sipping you tea and leave our people alone.“ Häufig wurde auf den Unabhängigkeitskrieg der USA gegen Großbritannien Bezug genommen und immer wieder betont, dass der Kriegseintritt Amerikas sowohl im Ersten wie im Zweiten Weltkrieg Europa vor den Deutschen gerettet habe.
Ein Amerikaner brachte es auf den Punkt: „If it wasn’t for America, you’d all be speaking German.“ Damit ist wohl alles gesagt.
Auch in alltäglichen Situationen hier in Leipzig tritt der Antiamerikanismus immer wieder zu Tage. Ein kanadischer Bekannter von mir saß im Park am Hauptbahnhof und trug eine Rote Mütze, auf der ein weißes Maple Leaf abgebildet war und in großen, nicht zu übersehenden Lettern Canada stand. Von einer Gruppe junger Männer, die an ihm vorbeikam, wurde er als „Amerikanisches Schwein“ beschimpft. Er, der den USA nicht gerade freundlich gesonnen ist, realisierte zunächst nicht, dass er beschimpft wurde, denn schließlich hatte er eine kanadische Mütze auf, was selbst dem Englischen unkundige Zonis erkennen könnten. Ein paar Tage später erzählte er mir die Geschichte und fragte mich empört, warum die „fucking German Nazis“ so etwas machen würden.
Ein weiterer Vorfall ereignete sich in einer Straßenbahn in Leipzig. Ein Freund aus Israel wurde dort von einem jungen Mann angesprochen und irgendwas gefragt. Aufgrund schlechter Deutschkenntnisse fragte er diesen, ob es möglich sei, Englisch zu sprechen. Daraufhin wird er von dem erbosten Ossi angeschrieen, was ihm denn einfalle, hier „Amerikanisch“ reden zu wolle, das sei ja wohl eine Unverschämtheit. Resümierend erzählte er mir, es sei wahrscheinlich gut gewesen, dass er dem geifernden Deutschen nicht sagte, dass er aus Israel komme, womit er Recht haben dürfte.
Zwei amerikanische Bekannte, die beide klar gegen Bush sind, und zur Zeit in einem schwäbischen Universitätsdorf studieren, klagten darüber, dass sie sich permanent für „ihren“ Präsidenten rechtfertigen müssten. Außerdem meinen fast alle deutschen Gesprächspartner detaillierte Kenntnisse über die innenpolitischen Verhältnisse in den USA zu haben. Der innere Missionsdrang dieser deutschen Hobby-Politologen und Weltinterpreten, die ihre überflüssigen Erkenntnisse immer ungefragt hinausposaunen, gipfelte darin, dass einer der Amerikaner in einem Gespräch gefragt wurde, was denn Bush von Hitler unterscheide.
Der deutsche Student, der wohl meinte, eine ganz furchtbar subtile Frage gestellt zu haben, und doch lediglich die eigene Vergangenheit auf die USA projiziert mit dem evidenten Ziel der Exkulpation der Deutschen, freute sich bestimmt schon darauf, dass es dem Amerikaner schwer fallen dürfte, die Differenzen klar zu benennen. Mit der Antwort: „Bush hat keine 6 Millionen Juden ermordet“ hat er wohl nicht gerechnet. Es ist aber auch unfair: Kommt der Ami doch gleich mit der Auschwitz-Keule.
Ein weiteres beliebtes Argument ist es, wegen der Vorkommnisse in Florida während der Wahl im Jahre 2000 Bush die Legitimität der Präsidentschaft abzusprechen. Diese Haltung ist auch in den USA weit verbreitet. So spricht beispielsweise der amerikanisch Professor Andrei S. Markovits in der November-Ausgabe von konkret von einem „vier Jahre zurückliegende[n] Coup E’etat des Obersten Gerichts.“ Die Unstimmigkeiten bei der Wahl führten in den USA dazu, eine Reform des Wahlrechts zu diskutieren. Viele fordern die Abschaffung des als undemokratisch betrachteten Wahlmännersystems und eine Direktwahl des Präsidenten.
Man mag dies sehen, wie man will, evident ist jedoch, dass in Deutschland dieses als Kritik daherkommendes Ressentiment lediglich dazu funktionalisiert wird, die USA als „Bananenrepublik“ zu diffamieren, wie dies etwa Gerd Ruge im ARD Wahlstudio am 2. November getan hat. Der ebenfalls anwesende Henrik Broder wies zum einen darauf hin, dass auch Schröder die letzte Wahl nur mit einem Vorsprung von 8.800 Stimmen bundesweit gewann, einem Vorsprung, der sich prozentual gar nicht ausdrücken lässt, weil er zu gering ist. Zum anderen meinte Broder, dass die USA als „Bananenrepublik“ zu bezeichnen das gleiche sei, wie Deutschland als „Nazi-Republik“ zu bezeichnen. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Am Tag vor der Wahl hatte ich das Vergnügen in der Mensa ein Gespräch zwischen Studenten zu hören, die das „Elend der Studenten“ (Situationistische Internationale) idealtypisch repräsentieren und gerade deshalb als Ausdruck des ideellen Gesamtstudenten genommen werden können. Ein besonders schlauer Student, der mit ziemlicher Sicherheit Politikwissenschaft studiert, war derart verwirrt und verärgert darüber, dass die Amerikaner einen angeblich so dummen Menschen wie Bush zu ihrem Präsidenten gewählt haben und eventuell wieder wählen.
Mit völligem Unverständnis verwies er außerdem darauf, dass ja sogar intelligente Leute für Bush stimmen würden. Nicht alle Bush-Wähler seien hinterwäldlerische Rednecks aus dem Bible Belt, merkte er mit seinem bewundernswerten Halbwissen an. Auch ein Wahlberichterstatter im ZDF sagte, dass Intelligenz für die Amerikaner wohl kein Kriterium der Stimmabgabe sei.
Anzunehmen ist, dass der durchschnittliche Redneck mehr gesunden Menschenverstand besitzt als der typische ZDF Reporter oder der alternativ aussehende, fast food verachtende und sehr deutsche Treehugger (wie Ökos und Hippies in den USA genannt werden. Wörtlich ist dies mit Baumumarmer zu übersetzen). Während diese immer wieder Gründe dafür anzugeben wissen, warum die USA irgendwie doch zu Recht gehasst werden und damit eine beständige Rationalisierung (ergo Legitimierung) des faschistischen islamistischen Terrors, sei es im befreiten Irak oder in Palästina, leisten, liegt dies jenem sicherlich eher fern.
Diese wenigen Beispiele dürften ausreichen, um die Vehemenz und Verbreitung der antiamerikanischen Stimmung in Deutschland zu verdeutlichen. Doch was folgt daraus?
Wie zu Beginn des Artikels dargelegt, gibt es genug Gründe als Amerikaner gegen Bush zu sein. Aufgrund des allgegenwärtigen antiamerikanischen Ressentiments in Deutschland gibt es für Freundinnen und Freunde der Emanzipation jedoch nur eine Option: die Verteidigung George W. Bushs und die ideelle und argumentative Unterstützung der amerikanischen Außenpolitik im Nahen Osten. – In diesem Sinne: Cowboys of the world unite. Seb


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last modified: 28.3.2007